Alaska von HellmotherEva ================================================================================ Kapitel 6: … lässt auf dumme Gedanken kommen -------------------------------------------- Kaskae schluckte als sie mit Rosies Vater vor der Haustür ihrer Herrchen stand. Er klopfe. Melanie und Rosie selbst hatte er auf dem Rückweg bei sich zu Hause abgesetzt. „Einen Moment!“, kam es von innen. Miss Morris. Kaskae schluckte und wedelte nervös mit ihrem Schwanz. Sie war geliefert. Und Steele? Der feige Hund hatte ihr nur verwirrt nachgesehen als Rosies Vater mit ihr gegangen war. Sie hatte ihm nur einen strafenden Blick nachgeworfen, doch irgendwie konnte er ja eigentlich auch nichts für das hier, er wollte ihr ja nur ein bisschen Abwechslung verschaffen. Sie war mal wieder selber Schuld. Doch jetzt wurde die Türe aufgerissen und Miss Morris stand mit einem Topflappen in der Hand in der Türschwelle. „Oh, Guten Tag Mister Johnson“, begrüßte Miss Morris ihn überrascht. Sie hatte sich wohl schon öfters im Ort getroffen, sonst würde sie nicht so unbeschwert mit ihm reden. „Was tun sie denn hier, brauchen sie etwas? Wollen sie vielleicht rein kommen, ich mache Tee wenn sie wollen.“ „Guten Tag Miss Morris“, begrüßte er sie „Aber nein danke, machen sie sich bitte keine Umstände“ Er lachte kurz auf „Ich wollte Ihnen nur diese kleine Ausreißerin zurückbringen. Ich war vorhin einen Freund besuchen, Henry.“ „Der mit dem Preisgekrönten Schlittenhund?“, hakte Miss Morris nach. „Genau der“, bestätigte Rosies Vater „Und da hab ich doch einfach die Kleine hier bei ihm im Wohnzimmer sitzen sehen. Und ich wusste noch dass sie mir mal sagten dass sie eigentlich nicht allein weg darf und da wollte ich sie lieber zurück bringen bevor sie Ärger macht. Sie könnte schließlich schnell in eine Stresssituation geraten wenn sie ganz allein durch die Straßen läuft, sie ist das ja wohl kaum gewöhnt.“ AHA! Miss Morris war also die verdammte Verräterin! Was erzählte die auch wildfremden Leuten von Kaskaes Ausgehregeln? Einen Moment sah Miss Morris völlig entsetzt drein, doch dann fasste sie sich sofort wieder und sah mit einem Blick der töten könnte zu Kaskae herab. „Du dummes Mädchen! Wie konntest du nur weglaufen?“ Sie griff bestimmt nach dem Halsband und zog Kaskae recht unsanft zu sich. „Mir tut das wirklich so leid“, beteuerte sie beschämt „Ich habe wirklich nichts davon mitbekommen, wirklich! Sie hat das bisher nie getan, sie ist sonst ein sehr wohlerzogener Hund und ich versteh auch gar nicht wie sie weglaufen konnte, das Tor war zu, ganz sicher. Wirklich, es tut mir so leid dass Sie sich nur wegen ihr so abmühen mussten, ich bitte vielmals um Verzeihung.“ Irgendwie tat Miss Morris Kaskae in diesem Moment fast schon Leid… ein bisschen. Ihr schien diese Sache so furchtbar peinlich zu sein, dabei war Kaskae nicht mal ihr eigener Hund! „Ach was, ganz ruhig“, lachte Mister Johnson amüsiert und lächelte versöhnlich „Das war doch beim besten Willen nichts schlimmes. Ich hab’s gerne getan und wenn sie ihr erlauben würden durch die Gegend zu streifen würde sie es vielleicht sogar lassen… Wie sagt man immer so schön? ‚Der Reiz etwas verbotenes zu tun ist nur so groß weil es eben verboten ist‘.“ Miss Morris entspannte sich nun etwas, lockerte nun den Griff um das Halsband der Hündin und musste kichern. „Oh je, das lassen wir lieber. Wenn die Gute erst mal Läufig ist, ist alles zu spät. Aber ich werde Jane davon erzählen sobald sie von der Schule zurück ist. Vielleicht hat sie auch nur das Tor nicht gut genug zugemacht. Und nochmals vielen Dank dass sie sie zurückgebracht haben, das ist mir wirklich peinlich, so ist sie sonst nie.“ „Ach, schon gut. Also dann, man sieht sich.“ Mit diesen Worten verabschiedete Mister Johnson sich von Miss Morris. „Und nun zu dir.“ Kaskae warf erschrocken den Kopf um. Eigentlich hatte sie gehofft dieses Thema hätte sich hiermit erledigt. „Zur Strafe gibt es heute kein Mittagessen! Was erlaubst du dir auch?“ Und mit diesen Worten ließ die ältere Dame Kaskae einfach vor der Tür stehen. Einen Moment starrte die Hündin die Türe noch entsetzt und gleichzeitig wütend an, doch nur einen Augenblick später entfuhr ihr ein leises Knurren und sie verzog die Lefzen zu einer verächtlichen Grimasse, die an ein gehässiges Grinsen erinnerte. Pf, die konnte sich auf was gefasst machen! Wenn Jane erst mal davon erfuhr… Genau! Jane war ihr persönlicher Schutzengel, die würde sie doch nicht hungern lassen! „Du dummes Mädchen! Wie konntest du nur Kaskae?!“ Falsch gelegen. Sogar Jane schien jetzt gegen sie zu sein. Irgendwie wurde grade ihre gesamte Welt auf den Kopf gestellt. Das war jetzt das geschätzte hundertste Mal dass Kaskae heute angemotzt wurde, doch es von Jane zu hören war nicht das gleiche. Sie jaulte gequält auf, doch nicht mal das ließ einen Funken Mitleid für sie rausspringen. „NEIN! Das ist nicht in Ordnung! Wie bist du überhaupt raus gekommen? Ey, weißt du was für einen Schrecken ich bekommen habe als Miss Morris mir von deinem Abenteuerlichen Ausflug erzählt hat?! Und da kannst du mich so mitleidig ansehen wie du willst, es funktioniert nicht und das weißt du!“ „Ist ja gut, ich hab’s kapiert.“, murrte Kaskae und zog den Schwanz reuevoll ein. „Jaja, tu nicht so! Wenn das noch einmal vorkommt wirst du richtig ärger bekommen, mach dich darauf gefasst! Und Abendessen gibt’s heute auch keines.“ Mit diesen Worten stiefelte Jane einfach ins Haus, doch Kaskae machte noch einen letzten Versuch wenigstens da noch rein zu kommen. Sie jaulte auf die bemitleidenswerteste Art und Weise die sie nur konnte. „Nein, vergiss es, heute nicht.“, sagte Jane und drückte die Hündin von sich weg. Kaskae sah an ihrer ganzen Körperhaltung wie sauer sie war. Aua… Das hatte gesessen. Kein Abendessen. Nicht mal ins Haus durfte sie und da durfte sie immer rein wenn Jane dabei war! Und das schlimmste war dass es kein Abendessen gab! KEIN FUTTER! Dabei hatte sie doch solchen Hunger! Aber gut… GUT! Dann würde Kaskae Jane eben nie wieder auch nur eines Blickes würdigen! Die würde sehen wie nachtragend sie seien konnte! Hunger… Huuuuuunger… Sie hatte solchen Hunger. Und jetzt schneite es auch noch, weshalb sie ständig blinzeln musste. Sie hätte sich auch einfach in ihre Hundehütte legen können, aber dann würde Jane sie nicht durch das Fenster sehen können und sie nicht bemitleiden können. Okay… Sie würde noch warten, so lange bis sie was zu fressen bekam. Okay… Sie gab auf. Scheiß auf das Futter, Jane hörte bestimmt gerade Musik und kein Mensch würde sie in der Dunkelheit und dem Schneegestöber sehen. Was Kaskae hier machte war kindisch und dumm! Mit einer Mischung aus Widerwille und dem Wissen dass sie den Kampf um das Futter zu hundert Prozent verloren hatte, schlich sie sich in ihre Hundehütte und versuchte die alte Decke die darin lag ein wenig über ihren zu ziehen. Ihr wurde zwar langsam wärmer, aber diese Wut die sich in ihrem Bauch staute war noch immer da und sie wollte auch nicht verschwinden. Egal… Sie würde Jane morgen zeigen wie böse sie auf sie war, jetzt sollte sie erst mal einschlafen, sie brauchte die Energie für morgen, zum Ignorieren. „Hier hast du was zu fressen, aber dass du das von gestern ja nicht noch mal machst, hörst du?“ Jane legte ihren Napf vor die Hundehütte und eigentlich hatte Kaskae jetzt was sie wollte. Aber Futter von Jane annehmen? NEIN. Sie würde sie solange ignorieren bis Jane es bereute sie angemotzt zu haben! Und zu ignorieren gehörte auch Futter verschmähen, dass sie ihr gab. Es wäre etwas anderes gewesen wenn Miss Morris oder Janes Eltern es ihr gegeben hätten, aber wenn Jane es ihr gab würde sie es nicht mal ansehen. „Na was ist jetzt, du bist doch sicher hungrig!“, meinte Jane vorwurfsvoll und schob den Napf noch näher – Kaskae wand den Kopf ganz ab. „Gut! Dann warte eben bis es tiefgefroren ist, meinetwegen, damit kann ich leben“, zischte Jane und erhob sich „Aber du wirst schon noch was fressen, wenn’s das letzte ist was ich tue.“ „Träum weiter.“, knurrte Kaskae leise und versuchte gerade mit aller Kraft nicht auf den randvollen Futternapf zuzustürmen. Wenn doch nur Miss Morris… Nein! Sie würde stark bleiben! „Und noch was Madame, wir gehen heute wieder in die Stadt, also fress was, denn niemand will von einer ausgehungerten Hündin überfallen werden, klar?“ Nö. Kaskae war es so egal was Jane sagte, sie wollte jetzt nur noch ihren Kopf durchkriegen, ende. Ja, sogar wenn sie verhungern würde! Die konnten sie alle mal! Spätestens jetzt bereute Kaskae ihre Sturheit aufs bitterste. Sie saß angeleint vor dem Lebensmittelgeschäft und das würde sich auch wohl nicht in den nächsten zwei Stunden ändern, denn Janes Mutter, die heute mal zur Abwechslung mitgekommen war, hatte vor danach noch zum Friseur zu gehen und so kamen Jane und Kaskae auch nicht unbedingt schneller nach Hause. Jedem Passanten der an ihr vorbei lief warf sie einen gequälten Blick zu, doch keiner von denen erbarmte sich ihrer und hielt an um ihr zumindest ein klitzekleines bisschen Futter zu geben. Na ja, bis auf eine… „Hey, Jenna, schau mal, da ist wieder die nette Hündin von gestern, von der ich dir erzählt habe!“, quiekte eine Stimme begeistert und Rosie riss sich von ihrer Mutter los. „Hey, Rosie, nicht weglaufen, das tut man nicht!“ Kaskae hingegen bellte nur erfreut auf und kam Rosie, so weit wie es ihre Leine zuließ, entgegen. „Mama, schau, das ist Kaskae, die die Daddy gestern zu ihrem zu Hause gebracht hat. Schau, die ist fast so groß wie ich!“, giggelte Rosie und stellte sich neben Kaskae die, zumindest wenn sie saß, tatsächlich so groß wie Rosie war. „Ja Schatz, das ist ja ganz toll, aber jetzt möchte ich dass du da weg gehst, hast du mich verstanden?“, mahnte ihre Mutter. „Aber sie ist ganz lieb, siehst du?“ Um das zu beweisen schlang Rosie die Arme um Kaskaes Hals, was diese mehr oder weniger mit Würde nahm. Eigentlich mochte sie es nicht mal am Hals berührt zu werden, doch das lag eher daran dass sie früher zur Strafe immer am Hals gewürgt wurde und als Welpe manchmal eine Art Schlinge als Halsband tragen musste die, je stärker sie zog, ihr nur umso mehr die Luft abdrehte. WARUM wusste sie bis heute nicht, denn in ihren Augen hatte sie damals nichts falsches oder böses gemacht und was ihr diese Maßnahmen gebracht hatten wusste sie auch nicht, denn bei Jane hatte sie etwas derartiges nie gebraucht. „Rosie, komm jetzt her. Du weißt nicht wie man mit so großen Hunden umzugehen hat, lass das.“, befahl ihre Mutter nochmals bestimmt. „Aber Jenna ist doch auch groß.“, wiedersprach Rosie enttäuscht und ließ von Kaskae ab. Sie wusste nicht warum, aber irgendwie schien Rosie sich von ihr angezogen zu fühlen. „Ja, aber Jenna ist erstens DEIN Hund und zweitens ist sie nicht so groß wie Kaskae.“ „Okay Mama…“, gab Rosie es schließlich auf. Jenna, die die ganze Zeit schweigend zugesehen hatte, sagte nun jedoch auch noch etwas. „Ach, Kaskae, bevor ich es vergesse und du dich wieder vor kleinen Kindern retten musst, wann hättest du denn mal wieder Zeit? Dixie und Sylvie fragen schon nach dir und allen Anschein nach gab es gestern wohl Ärger, oder?“ Kaskae sah etwas beschämt zu Boden, doch dann meinte sie: „Also um ehrlich zu sein hab ich keine Ahnung. Ich glaub Miss Morris wird in nächster Zeit ein wachsameres Auge auf mich halten, doch nachts könnte es klappen, denn ich will wirklich keinen Ärger mehr. Ich weiß nicht, wie ist es mit euch?“ „Hmm… Also rein theoretisch könnte es bei mir funktionieren, bei den anderen weiß ich noch nicht, ich-“ Ein Ruck in ihrer Leine schnitt Jenna für einen Moment das Wort ab „Ich frag mal die anderen.“ „Okay, sagt mir einfach irgendwie Bescheid.“ Wie lang zwei Stunden einem vorkommen können… So… so… schrecklich lang. Kaskae durfte das soeben am eigenen Leibe erfahren und sie hatte eine Sache jetzt schon mal beschlossen: Friseure sind scheiße. Ihr Fell zu machen dauerte keine zwei Minuten und am Ende sah man auch ein Ergebnis, aber bei Menschen war das genau anders herum, denn als Kaskae Janes Mutter herauskommen sah, war bei der alles noch immer beim gleichen. Obwohl… Ihre Haare schienen jetzt noch wasserstoffblondierter zu sein. Und Jane? Bei der hatte sich nichts, ungelogen gar nichts, verändert, die war doch nur mitgekommen um einfach bei ihrer Mutter seien zu können. Und die Höhe war als Jane Kaskae nicht mal begrüßte! Völlig wortlos lief sie mit ihr an der Leine neben ihrer Mutter her und beachtete sie keines Blickes. Gut, gut, genug, es war offiziell: Kaskae begann sie regelrecht zu hassen. Die hatte es schon mit ihr versaut und Jane würde ein extrem großes Steak brauchen um das alles wieder gut zu machen, schließlich war Jane es doch die Kaskae ungerecht behandelt hatte, nicht anders herum, verdammt! Das gleiche galt übrigens für Steele, der sich immenroch nicht hatte blicken lassen. „Und verriegle das Schloss doppelt, ihre Läufigkeit fängt wahrscheinlich bald an.“, mahnte Miss Morris Jane, als diese Kaskae ihr Abendessen hingelegt hatte. Und nein, Kaskae würde es nicht fressen, nicht solange es von Jane war! Doch ob sie dieses Ziel wirklich erreichen würde war fraglich, denn der Hunger stieg gerade ins Unermessliche. „Mach ich. Diesmal wird sie uns nicht einfach abhauen.“ Läufigkeit, was für ein Scheiß! Von wegen, Kaskae war nicht läufig und sie würde es auch nicht werden, weder jetzt noch in naher Zukunft, ihr war ganz einfach nur STINKLANGWEILIG. Sie dufte sich nicht mit anderen Hunden treffen, Jane war nur spät Abends und an den Wochenenden wirklich da und es gab absolut überhaupt gar nichts für Kaskae zu tun, was verlangte man also? Pf, nicht mal gute Nacht sagte man ihr mehr. Gut, nach drei Stunden Dauer-Starren war für Kaskae eines klar: Entweder sie würde jetzt irgendwas tun oder sie würde vor Langeweile sterben. Und ganz im Ernst, der Reiz auszubrechen und einfach nur durch die Gegend zu streunen war dermaßen groß, dass sie sich gar nicht mehr dagegen wehren wollte. Im Gegenteil, das würde sicherlich Spaß machen und mit jedem Mal mit dem sie es tun würde, würde ihr Spott über Jane nur noch größer werden. So leicht würde sie sich nicht mehr erwischen lassen, in dem Punkt war sie sich sicher. Fragte sich nur wie… Wie sollte sie da drüber kommen? Eine Möglichkeit wäre jetzt Superhund-mäßig über den Zaun springen, rein physikalisch müsste das möglich sein, oder sie sie würde ein Loch unter dem Zaun durch graben… Aber das wäre bei den Temperaturen auch so gut wie unmöglich, der Boden war gefroren. Aber irgendwas musste sie sich ausdenken. Sie hatte den Zaun schon ein paar mal abgesucht, eine Fluchtmöglichkeit gab es da nicht. Aber sie hatte schon eine Idee und um ehrlich zu sein fragte sie sich warum sie die nicht schon früher hatte. Vorsichtig setzte sie die Vorderpfoten auf den Mülleimer, der direkt neben dem Zaun stand und zog sich mit einem kräftigen Satz hoch. Doch einen Moment blieb ihr fast das Herz stehen, denn die Mülltonne unter ihr schwankte einen Moment bedrohlich. Doch als sie wieder halbwegs fest stand, spannte sie ihre Hinterbeine so stark sie nur konnte an und starrte konzentriert auf den Zaun. Rein physikalisch war es möglich. Wenn sie all ihre Kraft zusammennehmen würde, dann würde sie es schaffen können… Doch sie traute sich einfach nicht. Noch immer war sie bis zum letzten Muskel angespannt, doch so wirklich traute sie es sich nicht. Wenn sie es nämlich nicht schaffen würde, würde sie mit voller Wucht gegen den Zaun prallen, den Mülleimer mitumschmeißen und wahrscheinlich jeden wachrütteln und dann bekam sie doppelten Ärger. Aber dann wagte sie es doch und einen Moment fühlte sich ihr Sprung wie fliegen an. Sie wusste dass sie hoch springen konnte, aber das? Hm, nicht schlecht… Doch als sie hart auf dem Boden aufschlug war ihr Höhenflug auch schon vorbei. Sie jaulte gequält auf, doch bereute das sofort, als sie glaubte jeden Moment Janes wütendes Schimpfen zu hören. So kam es aber nicht. Also gut, noch besser. So schnell ihre Pfoten sie tragen konnten trabte Kaskae nach Nome und sah sich, wenn auch herzlich erfolglos, nach Dixie um. Oder Sylvie. Oder Jenna. Oder irgendeinem anderen Hund, mit dem sie hätte Spaß haben können. Und sie hatte so verdammt großen Hunger, es war unerträglich. In Nome war es vollkommen dunkel, bis auf einige Öllampen, die ununterbrochen brannten, um nachts Reisenden eine Hilfe zu sein. Reisende, dass sie nicht lachte. Wer kam den schon hier her und vor allem warum? Egal. Sie hatte Hunger. Und sie wusste schon genau wo sie suchen musste. Vorsichtig stieß Kaskae die Tür zum Boilerraum auf und stöhnte genießerisch, als ihr die warme Luft entgegenflog. Genau das brauchte sie jetzt. Wärme. Aber gegen Futter hatte sie auch nichts einzuwenden. Also, wo hatte Star seine Futtervorräte? Der kleine Husky hatte, zumindest war sie sich dem sicher, einige kleine Verstecke, wo er Räucherfleisch aufbewahrte. Schwer war es jedenfalls nicht zu finden, er hatte es nämlich einfach unter seiner Lieblingsdecke versteckt. „Sorry Star, aber was sein muss, muss sein.“, sagte sie sich selbst und begann begierig das zähe Fleisch in sich reinzuwürgen. Es tat so gut wieder etwas im Magen zu haben, doch umso größer war ihre Enttäuschung als sie alles aufgefressen hatte. Star könnte ruhig mehr einlagern. IHN hätte das vielleicht satt gemacht, aber sie? Sie war ein großer Hund, ein sehr, sehr großer Hund! Sie brauchte mehr als… DAS. „Ach Star…“, seufzte sie „Und jetzt?“ Sie sah sich unschlüssig um. Sie könnte entweder durch die Gegend streunen und sich ein wenig die Pfoten vertreten, doch als sie den aufkommenden Schneesturm um sich pfeifen hörte, entschied sie sich dafür, sich einfach nur an den Boiler zu legen und zu schlafen. Sie bekam diese Gelegenheit nie zu Hause, also würde sie sie jetzt ausnutzen. Sie machte es sich auf einer Decke, direkt vor dem Boiler bequem und machte sich so lang wie nur möglich. Sie streckte ihr Kreuz regelrecht durch und schmiegte den Kopf gegen den Boden. Es hätte nicht mehr viel gefehlt und sie hätte sich auf den Rücken gewälzt. Warum auch nicht? Die Wärme die sie erfüllte und der Schein des Feuers, der ihrem Fell einen leichten, goldenen Schimmer gab, war einfach zu verführerisch. Aber nein, sie wollte jetzt schlafen. Als Schlaf konnte man das was sie da tat nicht bezeichnen, es war eher so eine Art Halbschlaf. Ein Dösen. Seit Stunden. Jedenfalls war sie sofort hellwach als sie hörte wie die Tür aufging und jemand den Raum betrat. Aha, sie war also nicht mehr allein. „Steele?“, rief sie irritiert aus. Mit Sie hätte jetzt mit vielen Hunden gerechnet, aber wer da kam… überraschte sie. Er sah verwundert in ihre Richtung, fing sich jedoch schnell wieder „Kaskae, was machst du hier?“ „Gegenfrage, was machst DU hier? Ich meine du hast es wohl kaum nötig dich hierher zu schleichen nur um dich aufzuwärmen. Du darfst doch im Haus schlafen.“ „Ja, aber ich… Vergiss es, was tust du hier?“ „Versuchen Langeweile zu töten“, erklärte sie ihm, als er sich neben sie setzte „Und von DIR“, sie fletschte die Zähne „erwarte ich eine Entschuldigung!“ Steele sah merklich irritiert zu ihr herunter. Erstens mal entschuldigte er sich nicht bei irgendwem für irgendwas und zweitens wusste er nicht mal von was sie sprach. „Was?“ „Jaaaa“, begann Kaskae „Wegen dir wurde ich vor schließlich nach Hause gebracht und DA gab es Ärger! Das kannst du mir glauben! Ich darf einfach gar nichts!“ Sie überkreuzte trotzig die Vorderbeine „Oh, das tut mir leid.“ Moment, hatte Steele grade ehrliche Betroffenheit ausgedrückt? „Zumindest machen die mich noch nicht an ‘ner Kette fest“, meinte sie und legte den Kopf auf die Vorderpfoten „Sag mal“, begann sie „Weißt du wo es hier Futter gibt? Ich hab kaum was im Magen.“ Steele horchte auf. Wie meinte sie das? Musste sie etwa hungern? „Warum? Geben die dir etwa nichts mehr zu fressen?“ „Ach was, nein“, gab sie zurück „Ich fresse nur nichts was Jane mir gibt. Da geht es um Stolz, die soll ruhig merken dass ich sauer auf sie bin. Ich kann eben sehr nachtragend sein.“ Stelle musste, ob er wollte oder nicht, grinsen. Sie sah so süß aus wenn sie schmollte. „Hast du wirklich solchen Hunger?“, fragte er nach und legte seinen Kopf vorsichtig auf ihre Schultern. Er wollte es ja nicht zu weit treiben, jedenfalls noch nicht. Und da sie keine Reaktion darauf zeigte, ließ er seinen Kopf einfach dort ruhen. Um ehrlich zu sein gefiel es Kaskae sogar. Steele war warm und weich, sie konnte ihren Hals, wenn er so lag, gut an seine Schulter drücken. „Ja, hab ich… Sag mal, weißt du vielleicht von etwas von dem ich nicht weiß?“ Sie zog vielsagend eine Augenbraue hoch. Wenn er ihr jetzt sagen wollte, dass er wusste wo es Futter gab, würde sie ihn wahrscheinlich umbringen. „Leider nicht… Aber ich könnte dich mit zu mir nehmen…“ Stelle gab wirklich sein bestes nicht zu aufreizend zu klingen, aber bei einer Hündin wie Kaskae fiel ihm das nicht wirklich leicht. Doch sie ließ sich eben nicht leicht rumkriegen, im Gegenteil, sie war eine Herausforderung. Steele bezweifelte um ehrlich zu sein dass sie überhaupt verstand dass er etwas von ihr wollte. Er würde sie nicht als dumm bezeichnen, aber sie schien so vollkommen gar kein Interesse in eine Beziehung zu einem Rüden zu haben. „Ach lass mal, ich will nicht wieder Ärger bekommen“, meinte sie niedergeschlagen und rieb ihre Schnauze an ihrer Pfote „Aber warum bist du denn nun hier? Tagsüber seh ich dich nie bei den anderen Hunden.“ Steele wollte dieses Thema eigentlich so gut wie möglich umgehen. Er hasste es und Kaskae sollte auch nicht darüber reden oder es gar erst erfahren. „Ich schätze ihre Gesellschaft eben nicht allzu sehr.“, erklärte er ihr. Gelogen war es ja nicht. „Ach ja, aber ich bin besser?“, fragte sie mit einem schiefen, zynischen Grinsen. „Oh glaub mir, meine Liebe, du bist besser als die alle zusammen.“ „Wow, dafür dass wir uns kaum kennen schlägst du aber ziemlich hohe Töne an. Ich mag die anderen, die sind doch alle ganz nett, was hast du gegen sie?“, wollte sie wissen. „Dafür dass ich dich erst seit kurzem kenne, machst du von der gesamten Horde hier den besten Eindruck auf mich. Du bist besser als die, ich mag dich, ganz einfach.“, erklärte er ihr und hoffte innerlich dass sie dieses Thema einfach vergessen würde. Er wollte nichts darüber hören und vor allem sollte SIE nichts davon hören. „Weißt du, dafür dass du anscheinend schon so viele Preise gewonnen hast, scheinst du nicht sehr gerne unters Volk zu treten.“, stellte Kaskae fest und drehte den Kopf so, dass sie ihm ins Gesicht sehen konnte. Er hatte tolle Augen… Aber das hatte sie ja schon mal festgestellt. „Man muss ja nicht damit angeben.“, meinte Steele, lachte sich für seine Scheinheiligkeit jedoch grade innerlich selbst aus. Erbärmlich wie er vor dieser Hündin log. „Nun ja“, meinte Kaskae „Ich glaube wenn ich an deiner Stelle wäre, hätte ich mir schon lange die Kugel gegeben. Was ist so toll daran Schlitten zu ziehen, erklär mir das?“ „Es ist ja nicht das Schlitten ziehen, es ist der Erfolg, den man dadurch bekommt. Es macht einen Unterschied ob man einen gewissen Namen hat, wie ich, oder ob man nur Post von einer Stelle zur nächsten bringt.“, erklärte er ihr. „Erfolg also, hm“, murmelte sie halblaut „Weißt du, vielleicht würde es mir sogar Spaß machen, dieses Geschirr zu tragen und einen Schlitten hinter mir her zu ziehen, aber ich hab einfach zu viel negatives damit erlebt um da noch irgendwie, auch nur ansatzweise Spaß bei zu haben.“ Das ließ Steele hellhörig werden. Er hatte seinen Kopf zwar noch immer auf ihre Schultern gelegt, doch nun erhob er ihn. „Wie meinst du das? Was ist denn passiert?“ „Ach weißt du“ Kaskae musste augenblicklich schlucken, denn das war definitiv ein Ausschnitt aus ihrem Leben, den sie über alles verachtete „Ich kam von so einem Züchter, der, der… der war eben nicht so… Der war mies. Der wollte uns als vollausgebildete Schlittenhunde verkaufen, du weißt schon, mit so richtig viel Muskulatur und das schon im jungen Alter“ Sie schluckte nochmal ein paar Mal und dachte ganz genau darüber nach was sie jetzt sagen wollte um nicht loszuheulen „Wir, also… wir mussten eben so Schlitten ziehen, also meistens allein und wer nicht gut genug war, wurde bestraft… Schläge und so. Wir sollten möglichst schnell, möglichst viele Erfolge erzielen. Du weißt schon so… Ausdauer, Muskelaufbau, so halt…“ Man sah wie unglaublich ungern sie darüber sprach. Hass war das bessere Wort, sie hasste dieses Thema so, so sehr. „Oh… Und jetzt?“ „Wie? Na jetzt geht’s mir gut. Jane will nicht Schlitten fahren. Ich zieh sie höchstens mal übers Eis, das war’s. ich werde es auch nie machen müssen und das macht mich nicht traurig. Ich würde nicht sagen dass ich… ein Trauma oder so habe…“ Sie sah ihn vielsagend an „Falls du das damit sagen wolltest.“ „Was? Nein, wollte ich nicht, du verstehst da was völlig falsch.“, stritt Steele ab. „Na hoffentlich, sonst müsste ich dich wahrscheinlich umbringen…“, meinte sie mit einem zynischen Unterton und gähnte ausgedehnt, während sie den Kopf wieder auf den Pfoten platzierte. Vielleicht hätte sie nicht so laut gähnen dürfen, vielleicht hätte es aber auch nichts gebracht, jedenfalls flog die Tür ein paar Sekunden später auf und jemand betrat den Raum, dem Kaskae gerade die Pest an den Hals wünschte. „Oh mein Gott! Kaskae! Komm sofort her!“ Jane rannte wie von der Tarantel gestochen auf ihre Hündin zu packte völlig unbehelligt Steele am Halsband und warf eine der umliegenden Decken nach ihm. Um eines klar zu stellen, Kaskae war, wahrscheinlich, läufig oder kurz davor. Zumindest glaubte Jane das. Das durfte doch nicht wahr sein, warum ausgerechnet IHR Hund?! Warum gerade jetzt? Das durfte doch nicht wahr sein! Als sie heute Nacht aufgewacht war, weil sie aufs Klo musste und bemerkt hatte, dass von Kaskae keine Spur zu sehen war, hatte sie sich ganz allein auf die Suche nach ihr gemacht und zwar obwohl sich draußen ein Schneesturm zusammenbraute. Sie begann gerade richtig sauer auf ihren Hund zu werden. SEHR sauer. „Verschwinde du scheiß Töle! Verschwinde, lass sie in Ruhe, du scheiß Töle, verschwinde!“, schrie sie Steele, scheinbar grundlos, an und riss Kaskae derartig grob und plötzlich am Halsband hoch, dass ihr für einen Moment die Luft abgeschnitten wurde. „Und DU kommst mit! Na pass auf, mir reicht das, ich leg dich an die Kette, es ist GENUG!“, keifte Jane sie an. Noch nie hatte Kaskae ihr Frauchen derartig außer sich und wütend gesehen, aber jetzt… Ja, jetzt hatte sie richtig Angst vor ihr. Zum ersten Mal seit sie denken konnte hatte Kaskae Angst vor Jane. Angst. Blanke Angst. „T- Tut mir leid, i-ich… Tut mir leid.“ Kaskae wusste sonst nicht was sie Steele, der dem was gerade passierte fassungslos zusah, sagen sollte. Kaskae schämte sich so für das hier. Es war ihr richtig peinlich. Doch sie bekam sowieso nicht mehr viel von Steeles Reaktion mit, da Jane sie gerade so derartig heftig aus dem Raus zerrte, dass sie nicht anders konnte als gerade aus schauen… Es sei denn sie wollte ersticken. Aber was sie gehört hatte gefiel ihr nicht. Gar nicht. Kette. Wenn sie das schön hörte stellten sich ihr die Nackenhaare auf. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)