Alaska von HellmotherEva ================================================================================ Kapitel 8: Letzte Tage in Freiheit ---------------------------------- „Du kannst einem einfach nur leid tun“, meinte Sylvie, bevor sie sich schließlich erhob „Aber ich geh jetzt nach Hause, mir wird’s langsam zu kalt. „Toll, das bisschen Kälte zwingt dich schon in die Knie.“ Kaskae verdrehte die Augen und sah hoffnungsvoll zum Eingang der Poststelle. Janes Eltern kamen da wohl gar nicht mehr raus. „Hey, denk dir lieber was aus, wie du die Kette schnell wieder los bekommst, ja?“, meinte Sylvie und verschwand schließlich aus dem Blickfeld ihrer Freundinnen. „Das ist einfach nicht fair Dixie.“, meinte Kaskae etwas später in die Stille. „Hey, ich bin mir sicher sie werden sie dir wieder abnehmen, du sagtest doch selbst dass Jane zu weich ist um das durchzustehen.“, versuchte die kleine Samojedin sie aufzuheitern. „Das sagte ich nie.“ „Aber es ist so.“ „Ja….“, murrte Kaskae halblaut „Aber sie war gestern echt extrem wütend auf mich. So hab ich sie noch nie erlebt. Sie hat mir ein paar mal die Luft abgewürgt, sie war plötzlich so unglaublich grob zu mir, das hat mir alles richtig weh getan.“ „Was, hat sie so stark am Halsband gezogen? Wieso hast du nicht geknurrt, ich würde mir das nicht gefallen lassen!“, erwiderte Dixie geschockt. „Erstens Dixie, wird mit dir sowieso nie geschimpft, aus dem einfachen Grund dass du nie was böses machst und deine Besitzer dir sowieso alles durchgehen lassen und zweitens hab ich das auf emotionaler Ebene gemeint. Weißt du, es hat mir nicht körperlich weh getan, zumindest nicht so richtig, aber ich hab mich danach schrecklich gefühlt. Ich meine sie ist mitten in der Nacht vor lauter Sorge um mich, recht leicht bekleidet durch diese Kälte gelaufen, nur um mich zu finden. Und dann schimpft sie und weint fast und ich kann das einfach nicht deuten. Es ist egal was ich tue, es endet in keinem Kompromiss. Wenn ich mir Beschäftigung suche bin ich ein schlechter Hund und wenn ich zu Hause bleibe, sterbe ich vor Langeweile.“ „Ich versteh das einfach nicht… Sollen sie dich doch wie jeden normalen Hund durch die Gegend laufen lassen, da ist doch nichts dabei. Sehen die nicht wie du dich langweilst?“, murmelte Dixie und seufzte langgezogen. „Wohl kaum. Der ganze Schnee war in den ersten Tagen zwar ganz interessant, aber jetzt ist er eben etwas alltägliches Geworden. Ich meine ich kann mich doch nicht nur durch Schnee beschäftigen.“ „Warte… Du hast dich für Schnee interessiert?“, Dixie starrte ungläubig auf die weiße Pracht unter ihnen. „Anfangs schon… Es war eben neu so viel auf einmal zu sehen. Ich komm aus einem Küstenkaff im Süden, da schneits kaum.“ „Aha… Okaaaay…“ „Hey, hast du ‘ne Ahnung“ Kaskae tippte Dixie auf die Brust „DU hast deine Freiheiten, ich muss jede Nacht in meiner Hundehütte liegen, darüber nachdenken wie ich mich mit euch treffen könnte und dabei das Geheul von Wölfen in den Wäldern ertragen. Das macht mich völlig hibbelig, vollkommen aufgekratzt, wie soll ich da schlafen?“ „Oh, duuuuuu“ Dixie klimperte mit den Wimpern „Hast du etwa Angst?“ „Nein, ich… Keine Ahnung, sie sind einfach so wild, natürlich fürchte ich mich da davor. Ich meine das sind unberechenbare Tiere, die sind nicht domestiziert, die… die haben einfach niemanden der mich vor ihnen beschützen könnte. Und sie sind so primitiv, sie sind einfach Wölfe. Ich meine… Sie sehen nicht mal aus wie Hunde, sie sind einfach so wild, verstehst du?“, versuchte Kaskae Dixie zu erklären. Die kleine Hündin lag inzwischen langestreckt an Kaskaes Brust und spielte mit dem Anhänger des Halsbandes der Hündin herum. „Nun ja, du siehst aber auch nicht grade extrem anders aus…“, meinte die Samojedenhündin. „Hey! Das stimmt nicht, ich seh ganz anders aus als ein Wolf! Mein Schwanz ist gekringelt und ich bin kräftiger als ein Wolf und flauschiger und mein Gesicht ist breiter… Das weiß ich, ich hab schließlich mal einen Wolf gesehen… ausgestopft.“ „WAS?!“ „Ach, lange Geschichte…“ „Ich hab Zeit…“ Das drängen in Dixies Augen war vernichtend. „Für wen ist das?“ Jane stand ratlos vor einem Tischgroßen Paket, welches soeben vom Hafen zu ihnen geliefert worden war. „Ich weiß nicht, les doch.“, meinte Miss Morris. Kaskae schnüffelte währenddessen neugierig an der Holzkiste, die den Flur versperrte und verzog das Gesicht. Es stank nach Fisch und Benzin, keine Ahnung wo man diese Kiste gelagert hatte. „Also Kaskae mag es schon mal nicht… Aber auf dem Empfängern steht mein Vater.“ „Ach, dann lass es einfach hier stehen, wir wollen ja keine fremden Kisten öffnen.“ „Kann ich sie nicht einfach öffnen? Meine Eltern sind doch sowieso erst in einer Woche zurück. In der Zwischenzeit geht der Inhalt vielleicht kaputt.“, bat Jane. „Na meinetwegen. Aber wenn das Ärger ergibt, hab ich nichts damit zu tun.“ „Schon in Ordnung… Ich hol mal kurz das Brecheisen aus dem Schuppen.“, meinte Jane und nahm suchte den Schlüssel für das Gartenhaus. „Warte! Meinst du etwa…“ Mit entsetzten sah Miss Morris zu Kaskae herunter „Ich bleib ganz allein mit dem Hund im Haus?“ „Ach Miss Morris, sie wird ihnen schon nichts tun. Bisher war das gefährlichste Geburtstagsgeschenk, was ich je bekommen habe, ein Parfum, dass mir fast das Auge ausgeätzt hätte.“ Kaskae war jetzt zwar schon seit einem Monat bei ihren neuen Herrchen und hatte es die erste Zeit, abgesehen von ein wenig Durchfall und ein paar Kotzattacken, weil sie das viele Futter zu schnell geschluckt hatte, ohne Zwischenfälle geschafft. Doch die Haushälterin, die erst zwei Wochen später aus ihrem Urlaub zurückgekommen war und dann erst von Kaskae erfuhr, mochte sie nicht wirklich. Es war lustig gewesen, diese Frau kennenzulernen. Da war sie also gekommen, tiefenentspannt, mit einem schweren Koffer, war sie vom Hafen von ihrem Schiff gekommen, welches sie von San Francisco zurück nach Ketchikan gebracht hatte. Als sie gut gelaunt das Haus ihrer Arbeitgeber betrat, war Jane gerade in der Schule und ihre Eltern nicht zu Hause. Nur Kaskae war durch die Terrassentür, die leicht angelehnt war, ins Wohnzimmer gegangen und hatte sich dort mit voller Länge mitten in den Raum gelegt. Sie liebte ihre neuen Freiheiten, denn endlich von der Enge des Zwingers befreit zu sein, war das Beste was ihr hätte passieren können. Sie liebte diese Leute, allen voran Jane. Der leichte Blutgericht, der ihr noch von ihrem Mittagsmahl in der Nase hing, ließ sie etwas sabbern, doch sie hatte keinen Hunger. Doch als sie den Schlüssel hörte, der sich im Schloss drehte und das Geräusch der aufgehenden Tür, waren ihre Gedanken sofort wieder bei Jane. Es verwunderte Kaskae zwar dass sie so früh wieder zurück war, aber ihr war es nur recht. Doch ihr gleich überdreht um die Beine zu springen war etwas, das hatte sie sehr früh bemerkt, was sie nicht mochte, also blieb Kaskae einfach liegen. „Hallo! Ist jemand zu Hause? Ich bin zurück von meiner kleinen Familienversammlung?“ Kaskae blieb fast das Herz stehen. Diese Stimme und dieser Geruch waren ihr völlig fremd, wer war das zur Hölle? „Jane? Hallo, ist noch niemand zu Hause?“ Kaskae schwieg noch immer, auch wenn ihr Kopf und ihre Ohren aufgestellt waren. Doch sie wagte es nicht aufzuspringen zu bellen, warum auch? Sie war lieber vorsichtig was ihr Bellen anging, sie wollte keine Schläge bekommen. „Jane, bist du-“ Und in diesem Moment starrte Miss Morris Kaskae an, als wäre sie die Inkarnation des Bösen. Und dann stieß sie einen solch lauten und spitzen, hysterischen Schrei aus, dass Kaskae erschrocken aufjaulte und aufsprang, aus purem Reflex. Doch die ältere Dame war schon die Treppen hinauf geflüchtet und Kaskae hörte eine Tür knallen. Und dann war es ruhig. „Was zur Hölle war DAS denn?“, fragte Kaskae sich halblaut und lief vorsichtig den Flur bis zur Treppe hin und sah hinauf zum ersten Stock. Egal, um die würde Jane sich schon noch kümmern. Und keine halbe Stunde später kam schließlich auch tatsächlich Jane die Tür hinein und mit dem Geräusch der offenen Haustür, schrie Miss Morris von oben herunter: „JANE! Renn! Da ist ein Wolf im Wohnzimmer, renn, hol die Polizei, die sollen das Vieh erschießen!“ „WAS?!“ Ein Schauer ließ ihr über den Rücken! Was wenn Kaskae angegriffen wurde? Wie war der eigentlich ins Haus gekommen? Ach ja, die Terrassentür. Dennoch, Jane sah nichts was auf einen Wolf hindeutete, denn Kaskae, die ihr freudig entgegenkam, schien völlig gelöst. „Los, renn endlich!“, rief Miss Morris panisch. Doch Jane gehorchte nicht, sondern starrte verwirrt in das, natürlich leere, Wohnzimmer und kraulte Kaskae hinter den Ohren. „Äh… Miss Morris, hier ist nichts…“ Nun traute sich die ältere Dame langsam die Treppen herunter, doch als sie Kaskae sah, zuckte sie merklich zusammen. „Ich meinet eigentlich DAS Vieh.“, meinte sie und traute sich keinen Schritt weiter. „Das? Ach Miss Morris, das ist doch nur Kaskae!“ „Wem gehört der?“ „Also erstens ist es eine sie und zweitens“ Jane machte eine bedeutungsvolle Pause „Ist das MEIN neuer Hund, wissen sie denn nicht dass meine Eltern mir einen Hund zum Geburtstag versprochen haben?“ „Ich dachte das wäre ein Witz gewesen.“, meinte Miss Morris verängstigt. „Tja, wie sie sehen nicht“ Jane grinste breit „Und, wie finden sie sie? Ist sie nicht toll?“ „Für mich sieht sie aus wie ein wilder Wolf“, meinet Miss Morris misstrauisch „Die schläft doch nicht hier?“ „Nein, sie hat eine Hundehütte, hinten im Garten. Aber nun kommen sie schon die Treppe runter, sie will sie kennenlernen.“, meinte Jane begeistert und zog Kaskae die Mundwinkel hoch, so dass es so aussah, als würde die Hündin grinsen. Nur sehr zögerlich kam Miss Morris auf die Hündin zu, welche ihr misstrauisch entgegen sah. Nicht aggressiv oder warnend, einfach nur misstrauisch. „Oh nein, Jane, ich kann das nicht! Die wird mich umbringen, ich weiß“ Miss Morris stoppte und rieb sich eine Schläfe „Warum hast du denn keinen kleineren Hund bekommen können?“ „Wäre ihnen ein ungezogener Welpe denn lieber?“, fragte Jane sarkastisch. „Oder eine Katze! Ja, warum keine Katze? Katzen sind wunderbare Haustiere, so eine süße, kleine Perserkatze wäre doch fantastisch gewesen!“ „Miss Morris…“ Jetzt rieb Jane sich genervt den Kopf „Ich wollte aber einen Hund und da ist sie jetzt. Sie werden sie lieben, glauben sie mir! Schauen sie mal“ Jane nahm eine riesige, rote Schelfe, die sie Kaskae an dem Tag an dem sie sie bekommen hatte, übergehängt hatte, vom Garderobenständer und band sie dem Hund wieder um den Hals „Süß, nicht?“ „Ach, ich weiß nicht…“, murrte Miss Morris. „Ach kommen Sie… Schauen sie mal, sie kann schon Pfote geben, geben sie mir ihre Hand.“ „Ach, lieber nicht“, wand Miss Morris eilig ab „Aber füttern muss ich sie doch nicht, oder? Und sie ist doch auch die meiste Zeit draußen, oder? Und sie geht doch auch nicht in die Küche, oder?“ Jane grinste halbherzig. „Nein… Sie haben nur die Ehre die Hundehaare von den Möbeln zu putzen. Aber um den Rest kümmere ich mich. Und ja, normalerweise ist sie draußen, aber wenn ich da bin und meine Eltern wohl meinen, es wäre okay die Terrassentür offen zu lassen.“ Miss Morris war in Kaskaes Anwesenheit noch immer völlig angespannt und wen Jane nicht gewesen wäre, wäre die Hündin wahrscheinlich genauso angespannt gewesen. „Und die Küche? Geht sie da hin?“ Jane schüttelte den Kopf und nahm Kaskae die Schleife wieder ab. „Nein, sie hat Angst vor den Messern. Ich weiß auch nicht warum, ich denke mal sie hat ihre Welpenzeit nur im Zwinger verbracht. Sie hat auch kein Radio gekannt, aber an das meiste konnten wir sie inzwischen gewöhnen. Aber sie müssen bei Besen und dem Teppich ausklopfen aufpassen, sie mag es nicht wenn Leute den Besen schwingen oder den Arm heben.“ Miss Morris wurde langsam wieder unsicherer. „Wurde sie geschlagen?“ „Möglich… Aber nicht von uns! Aber abgesehen davon ist sie toll! Aber soll ich ihnen jetzt vielleicht erst mal beim Auspacken ihrer Sachen helfen?“ Miss Morris nickte dankend und war froh als sie Kaskae endlich ins Wohnzimmer schicken konnte. Ja, so hatte Kaskae Miss Morris damals, vor zwei Wochen, kennengelernt. Und mit jedem Tag, mit dem sie sich mehr und mehr mit Jane vertrug, mit jedem Tag, mit dem diese ihr die Angst vor irgendwas nahm, ohne dass sie es merkte, mit jedem Tag mit dem sie zusammen einen gemütlichen Abendspaziergang zum Hafen und wieder zurück machten, mit jedem dieser Tage begann Kaskae sie mehr zu lieben. Es tat gut einfach mal nebeneinander her zu laufen, sich die Sorgen dieses Mädchens, die sie selbst nicht so richtig verstand, anzuhören und einfach nur nichts zu tun. Kein elendiges Training mehr, nie mehr! Sie konnte endlich ein normaler Hund sein, sie genoss ihr Leben, sie liebte es! Seit sie hier war, widerfuhr ihr nur Gutes. Sie bekam genügend hochwertiges Futter, sie sah endlich mal was anderes als immer nur die Gitterstäbe vor der Nase, sie hatte einen großen Garten zum Spielen, sie durfte, fast immer, ins Haus und sich hinter den Ofen legen und gleichzeitig wurde sie noch geliebkost… Einfach so, ohne eine Leistung zu bringen. Zum ersten Mal erfuhr sie, einfach so, Liebe und Zuwendung von einem Menschen. Und sie war so dankbar. ALLES würde sie tun, um ihren Herrchen zu zeigen wie sehr sie sie liebte, doch sie wollten ihre Liebe wohl gar nicht. Wann immer sie anfing ihnen über das Gesicht zu lecken, dann wurde sie meist immer zurückgewiesen. Und sie verstand es einfach nicht. Sie bekam so unglaublich viel von diesen Leuten und doch durfte sie ihnen nichts zurückgeben. Manchmal da glaubte sie dass sie, vor allem Jane, allein an Kaskaes Anwesenheit als Genugtuung betrachteten. Doch Miss Morris war da anders. Angst war es keine mehr die sie vor Kaskae hatte, aber große Verunsicherung, so was merkt ein Hund. Doch zurück zur Momentanen Situation. „Ach Miss Morris, sie tut ihnen schon nichts, ignorieren sie sie einfach.“, meinte Jane als sie in den Garten ging um das Brecheisen zu holen. Es dauerte nicht lange, vielleicht eine Minute, doch Miss Morris konnte es nicht schnell genug gehen, sie schien vor Nervosität zu platzen. „So, hier bin ich. Also, mal sehen was in dem guten Kistchen drin ist…“ Jane machte sich an Werk und so kam es dass innerhalb kurzer Zeit im ganzen Flur Holzsplitter verteilt lagen. Doch die Kiste war offen und was dort zum Vorschein kam, war… Beunruhigend. „Was ist das?“, fragte Jane verwirrt. Sieht aus wie ein Wolf.“, meinte Miss Morris und sah das Ungetüm, was ihnen mit gefletschten Zähnen entgegensah, misstrauisch an. Es war eine Sache dass Miss Morris und Jane von diesem Biest verwirrt waren. Nein, Kaskae fühlte sich direkt bedroht. „Na los, verschwinde!“, knurrte sie gefährlich leise und zog die Lefzen hoch. Als der Wolf jedoch nicht reagierte und noch immer, wie steifgefroren und mit gefletschten Zähnen, zu ihr starrte, den Blick nicht von ihr lassend, wurde es ihr zu viel. Sie hatte ihn gewarnt, lang genug. Er mochte nach Benzin riechen, was ihr in der Nase weh tat, doch sie würde nicht zulassen dass dieses Ding irgendwen noch weiter bedrohte, da konnte es sich noch so steif stellen. Also sprang sie einfach, ohne Vorwarnung, auf und ging dem Biest an die Kehle. „KASKAE! AUS! AUS! Böser Hund, aus, hör auf damit! Weißt du wie viel so ein Präparat kostet?!“ Noch im selben Moment spürte Kaskae Janes Hand, die ihr ans Halsband griff und ihr die Luft abschnürte, als sie zurückgerissen wurde, noch immer laut knurrend. „AUS! Du böser, böser Hund! Böse!“, schimpfte Jane augenblicklich mit ihr und gab ihr einen kleinen Piek in die Seite. Und Kaskae verstand es einfach nicht. Wenn sie nicht noch so wütend auf den Wolf gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich geheult. „Wow… Dir ist klar dass du fast eine halbe Stunde totgeschlagen hast, oder?“ Kaskae sah zu Dixie herunter. „Und? Du sagtest du hast Zeit, ich nahm mir Zeit.“ „Ja, aber du hättest mir ja nicht erzählen müssen wie du die Alte kennengelernt hast“, meinte Dixie seufzend „Wenn ich das Sylvie erzähl…“ „Himmel, Dixie! Das hat sich eben so ergeben, das hing alles miteinander zusammen, nennt sich Schmetterlingseffekt.“ „Woher weißt du so was?“ „Du vergisst manchmal wer meine Herrchen sind.“ Dixie verdrehte die Augen und seufzte. „Aber deswegen hast du Angst vor Wölfen? Weil du mal einem Präparat an die Kehle gegangen bist und deswegen Ärger bekamst?“ „Nein! Das stimmt doch gar nicht! Ich hab einfach schon so viel von ihnen gehört und irgendwie sind sie einfach zu anders.“ „Aha… Was wurde eigentlich aus dem Ding? Also dem Präparat.“ „Ach… Janes Vater hat es als Geschenk für seinen Vorgesetzten gekauft, der hat eine private Sammlung an Präparaten. Und so viel ich weiß hab ich ein paar Löcher in die Füllung gebissen, das wurde aber geflickt.“ „Ach, ich finde du solltest wirklich mal Balto kennenlernen. Vielleicht würde dir eine Wolf-Husky Mischung weniger Angst machen.“ „Hm…“ Kaskae sah, fast schon mütterlich, zu Dixie herab „Schon seltsam. Ich hab schon so viel von ihm  gehört, aber hab ihn noch nie erblickt. Wem gehört er denn nun eigentlich?“ „Wenn man es so nimmt, ist er Eigentum Nomes. Er ist zwar noch immer zu wild, als dass man ihn als Haushund halten könnte, darum lebt er immenroch da, wo er schon immer gelebt hat, in dem alten Schiffskutter, etwas südwestlicher. Aber wenigstens füttern ihn die Leute hier jetzt, jeden Tag kommt jemand um nach ihm zu sehen, was ich natürlich nur gutheißen kann“, plapperte Dixie „Immerhin ist er der größte Held den dieses Kaff je hatte und wenn du das beste ist…“ Dixie machte sich noch länger, dicht an ihre Freundin gekuschelt, den Kopf auf eine von Kaskaes Pfoten gestützt „ICH kenne ihn persönlich.“ Kaskae legte den Kopf schief und seufzte. „Du und Sylvie seid die beiden größten Egoisten aller Zeiten. Weißt du, wenn du nicht so bezaubernd niedlich wärst und mich zum Lächeln bringen würdest, würde ich mit dir gar nicht befreundet sein wollen.“ Dixie blinzelte sie unschuldig an und spielte einfach mit Kaskaes Hundemarke weiter, wobei der Blick der großen Hündin auf das Halsband des kleinen Samojeden fiel. „Ach, Dixie, eine Frage mal…“ „Ja?“ „Warum zur Hölle hast du auf der Rückseite deines Halsbands einen Spiegel? Ich hab das schon mal gefragt, bekam aber keine Antwort, also?“ Dixie schien diese Frage extrem unangenehm zu sein, denn sie legte, wahrscheinlich ohne es selbst zu merken, verschämt eine Pfote auf die Schnauze und drehte den Kopf weg. „Ach, das… Eine Idee meiner Besitzer, wahrscheinlich weil ich so eitel bin und zu Hause immer eine halbe Stunde vor dem Spiegel sitze und mich von allen Seiten betrachte, bevor ich das Haus verlasse.“ „Aha… So was machen doch normalerweise nur Menschen.“ „Und ich! Ich bin eben besonders.“ „Aha… Und was willst du da gucken? Ich meine Sylvie hat ja wenigstens langes Fell dass sie sich irgendwie aufpuschen kann und nicht mal sie stellt sich vor einen Spiegel. Also was willst du dann erst tun?“ „Tja, ich kann mir das Fell auch aufplüschen. Solltest du auch mal versuchen, da, an deinen Wangen. Dein Fell ist da so fluffelig, doch du fluffst es nie auf, du würdest so viel niedlicher damit aussehen.“, beriet Dixie Kaskae stolz. „Aha… Aber du verbringst also echt SO viel Zeit am Spiegel, dass sogar deine Besitzer dir aus Spaß einen umhängen? Nervt dich das nicht?“, fragte die Malamutehündin und zog eine Braue hoch. „Ach…“ Dixie winkte ab „Anfangs fand ich das toll, inzwischen ist es eigentlich langweilig… Aber das wird ja alles nach einer Weile.“ „Warum? Du kannst dich da gar nicht drin sehen, das ist dir schon klar?“, meinte Kaskae grinsend. „Es ging ja nicht um mich…“, meinte Dixie verschämt „Ich wollte da so einen Rüden auf mich aufmerksam machen… Ein richtig selbstgefälliges, egoistisches Stück Scheiße, das hab ich schließlich auch bemerkt, aber davor…“ Sie schämte sich, eindeutig „Ich hab regelrecht darum gebettelt von dem durchgenommen zu werden…“ Kaskae starrte die kleine Hündin fassungslos aus ihren großen, braunen Augen an „Und?“ „Nichts! Und da bin ich froh drüber! Der wollte sowieso nie was von mir oder Sylvie.“, knurrte Dixie, inzwischen merklich schlechter gelaunt. „Sondern?“ „Jenna… Ich kann‘s ihm nicht verübeln, Jenna ist einfach hübsch und reinrassig und definitiv die hübscheste hier…“, schwärmte Dixie. „Hey, du und Sylvie seid doch auch reinrassig, allen voran Sylvie, ich meine… Europaimport, halloooo?“, versuchte Kaskae sie irgendwie aufzumuntern. „Ach…“, knurrte Dixie „Der schien wohl einfach auf Huskys zu stehen. Aber mich auch nur mal ansatzweise wahrzunehmen, NEIN, das geht nicht.“ „Scheint ja ein ganz toller Kerl gewesen zu sein…“ Kaskae verdrehte die Augen „Wie heißt er?“ „Ach, das ist nicht wichtig. Er ist in unseren Köpfen so gut wie tot. Wir haben seit Ewigkeiten nicht mehr mit ihm geredet und haben es auch nicht vor, er hat nicht mal unsere Anwesenheit verdient. Nichts hat er sich verdient. Du musst gar nicht wissen wer der Kerl ist, wenn er aber versucht sich an dich ran zu machen, ich werde dich schon noch warnen.“, meinte Dixie selbstsicher und verdammt entschlossen. Jedoch kamen nur einige Sekunden später, endlich, Janes Eltern aus der Poststelle und tätschelten entzückt Dixies Kopf. „Ooooh, bist du süß! Ja hallo, wer bist du denn?“, quiekte Janes Mutter und war kurz davor Dixie auf den Arm zu nehmen. „Dixie, du bist so ein Schleimer…“, meinte Kaskae grinsend, als Dixie den Kopf genießerisch zurück legte und mit dem Schwanz wedewlte. „Schatz, lass den Hund los. Und jetzt komm, wir haben heute noch was vor.“, murrte Janes Vater. „Ach komm, schau dir dieses süße, kleine flausichge etwas an! Hatten unsere Nachbarn nicht so einen? Einen Spitz oder so?“ „Kann schon sein, du weißt dass ich mit solchen Schoßhundkläffern nichts anfangen kann, lass uns schon gehen, wir haben uns da drin lang genug die Beine in den Bauch gestanden.“ „Das tun wir, wenn wir Eisbären beobachten, doch auch.“, wand Janes Mutter ein und tätschelte Dixie weiterhin. „Nun komm schon, wir haben heute noch zu tun.“ „Na meinetwegen“ Eher schwerfällig ließ sie Dixie los und band Kaskae ab „Na komm Mädchen.“ „Also dann, mach’s gut Dixie… mal sehen wann ich dich oder Sylvie das nächste mal sehen werde…“ Dixie legte mitleidig die Ohren an und seufzte kaum hörbar. „Bis dann Kaska…“ Sie langweilte sich. Schon wieder. Und dabei war die Sonne gerade mal seit ein paar Stunden untergegangen. Doch morgen war es so weit, morgen würde sie ihre Kette bekommen. „Kaskae?“ Die Hündin stellte aufmerksam die Ohren auf als sie eine ihr altbekannte Stimme hörte. „Steele? Was machst du denn hier?“ „Ich hab mir Sorgen um dich gemacht.“ Wenn Kaskae gewusst hätte wie Steele eigentlich drauf war, wie er sich eigentlich um andere scherte, nämlich gar nicht, dann hätte sie sich unglaublich besonders gefühlt, denn Steele meinte das, was er gesagt hatte, auch noch ernst. „Was? Um mich“ Kaskae trabte verwirrt auf den Zaun zu „Warum?“ „Ich hab dich vermisst. Wo warst du die letzten Tage? Ich hab dich mehr gesehen seit du damals solchen Ärger bekommen hast. Tut mir übrigens Leid.“ „Ach, nicht so schlimm“, log Kaskae und grinste ihn schief an „Aber du hast mich echt vermisst? Ich glaub das ist das netteste was ich innerhalb der letzten Tage von jemandem gehört habe…“ „Warum kamst du nicht mehr?“, wollte Steele wissen. „Ach, ich wurde hier sozusagen fetsgehalten“ Kaskae legte den Kopf schief, so dass Steele ihr Halsband nun besser betrachten konnte „Hier, ich hab jetzt einen dickeren Metalring am Halsband, hier, mit doppelter Vernähung, damit des mehr aushält… Ich bekomm morgen eine Kette.“ Kaskae versuchte nicht mal mehr sich taff darzustellen, warum auch? Sie sprach hier mit einem Rüden, vor denen durfte sie mal Schwäche zeigen, nur bei anderen Hündinnen musste sie hart bleiben. „Wie?“ Steele sah sie fassungslos aus seinen stechenden, blauen Augen an. „Tja, ich hab eben ein bisschen zu viel Blödsinn gemacht…“ Sie seufzte und setzte sich „Tut mir leid. Aber mit der Kette werd ich es wahrscheinlich nicht mal mehr an den Zaun schaffen. Na ja…“ Sie sah zu Boden „Aber hast du mich wirklich vermisst?“, fragte sie schließlich. Sie wollte ganz klar vom Thema ablenken, sie wollte jetzt über was anderes reden, denn der Gedanke daran, ab morgen mit einer Zehn Kilo schweren Kette um den Hals herumzulaufen, war nicht grade tröstend. „Na ja, Sorgen hab ich mir schon gemacht, ich hab dich gar nicht mehr gesehen und wie ich dir schon mal sagte, du bist die einzige die hier halbwegs Hirnmasse zeigt.“ Steele konnte froh sein dass es so dunkel war, denn diese Scheinheiligkeit, die er Kaskae gerade vorspielte, ließ ihn aus irgendeinem Grund knallrot werden. Doch selbst wenn… Sein Fell war dick genug, die einzige Stelle an der man seine Haut sah war seine Nase. Jedenfalls musste Kaskae kichern. Nur kurz, aber er hatte sie zum Lachen gebracht. „Wäre ich wirklich so schlau, hätte ich mich nicht erwischen lassen“, meinte sie und seufzte „Na ja… Mal sehen wie’s weitergeht. Vielleicht können wir ja miteinander reden wenn ich mit in den Ort kommen darf… Ich weiß es nicht…“ Sie zuckte seufzend die Schultern und legte sich zu Boden. Steele sah einige Sekunden auf die Hündin, schein nachzudenken und zwar ausnahmsweise nicht darüber, wie er sie am besten durchnehmen könnte. Wie denn auch, ein Zaun stand zwischen ihnen. „Hey, Kaskae…“, begann er. „Ja?“ „Ist das Tor offen?“ Sie zuckte die Schultern. „Weiß nicht. Selbst wenn, ich würde es nicht auf bekommen, ich hab’s einfach nicht mit Türgriffen.“ Das Problem beim Gartentor war, dass es außen eine Klinke war, die auch recht leicht herunter zu drücken war, doch von innen war es ein Türknopf war. Wer sollte so was öffnen? „Ich kann’s ja mal von außen probieren“, meinte Steele entschlossen „Ich will dir nämlich was zeigen… Ich meine das hier wird doch schließlich sozusagen dein letzter Abend an dem zu die Chance dazu hast, oder?“ Steele konnte nicht anders als einen gewissen verführerischen Unterton in seine Stimme miteinfließen zu lassen. „Aha? Und was ist das was du da mir jetzt zeigen willst?“, fragte sie interessiert und glaubte einen ganzen Berg vom Herzen fallen zu spüren, als sie das leise klick des Gartentors hörte, als Steele die Klinke herunterdrückte. „Ach, das wirst du schon sehen“ Er stieß die Tür auf „Aber nun komm.“ Kaskae tippelte ihm eilig hinterher und holte ihn so schnell wie möglich wieder auf. „Frisst du eigentlich wieder?“, fragte er nach einem kurzen Schweigen. „Hm? Oh ja…“, meinte Kaskae „Heute hat Janes Mutter mir das Futter gegeben… Da hab ich’s natürlich genommen. Aber nun lenk nicht vom Thema ab, sag mir wohin wir an meinem letzten Tag in Freiheit gehen.“, wollte Kaskae wissen und sah an dem Rüden hoch. Der Mond schien nicht sehr hell heute Nacht und sie konnte Steele nur schemenhaft neben sich erkennen, doch er schien noch immer so stolz und aufrecht zu gehen, wie sie es sonst von ihm kannte. Er hatte ein unglaublich selbstsicheres Auftreten und irgendwie trug der den Kopf immer hoch erhoben, zumindest immer dann wenn Kaskae eben bei ihm war. Aber wozu eigentlich? Er hatte es nicht nötig vor ihr Dominanz zu zeigen, er musste doch inzwischen begriffen haben dass sie eine unterwürfige, friedfertige Hündin war, er musste sich nicht vor ihr aufspielen. Aber sollte er eben… Warum auch nicht? Sie gab es ja zu, er sah toll aus wenn er sich so ein bisschen aufpuschte. Weil… Na ja, Steele sah ja nicht schlecht aus. Ach was redete sie da, Steele war eine Augenweide an Hund. Doch was sagte das schon? Sie kannte diesen Rüden doch kaum und doch ließ sie all das mit sich machen. Sie mochte einfach irgendwas an ihm, er hatte was. Ob das nun Charisma war oder ob sie einfach nur oberflächlich war und sich von seinen schönen Augen verzaubern ließ, wusste sie nicht. Als Steele sie jedoch in Richtung Wald, eher abseits Nomes, führte, stoppte sie. „Steele, wohin bringst du mich? Ich denk nicht dass das sicher ist.“, meinte sie zögernd, als sie das wild zu gewucherte Dickicht im fahlen Mondlicht sah, welches durch die hohen Baumwipfel einen nur noch bedrohlichereren Eindruck machte. „Nun vertrau mir“, versicherte Steele ihr und drehte sich nach der Hündin um „Ich pass schon auf dich auf.“ Es klang, wenn er das sagte, irgendwie fast schon so als würde er sich indirekt über sie lustig machen, aber andererseits konnte sie ihm nicht böse sein, nicht bei der Art wie er sie gerade ansah. „Na meinetwegen… Aber können wir nicht irgendwie um denn Wald herum laufen?“ „Ach, keine Sorge, wir müssen nur ein kleines Stück durch den Wald, was da dahinter geschieht wird dir bestimmt gefallen.“ Kaskae zögerte noch immer ein bisschen und kam nur langsam hinter Steele her. „Also gut… Aber wenn was passiert, seh ich mich gezwungen dir den Kopf abzureißen.“, meinte Kaskae spaßend, auch wenn sie wusste, dass sie gerade wahrscheinlich so klang, wie Dixie wenn man ihr auf den Schwanz trat. Steele grinste über dieses Kommentar ihrerseits nur und verdrehte die Augen. Was das anging warne alle Hündinnen einfach gleich, sie waren so schwach. Er selbst hatte das, was er Kaskae gleich zeigen wollte zwar schon bestimmt tausend Mal gesehen, doch erst seit kurzem so wirklich zu wertschätzen gelernt. Erst seit kurzem hatte er überhaupt Interesse es zu sehen und erst seit kurzem schien er die Gegend um Nome herum so wirklich kennenzulernen. „Hey, sicher dass es hier keine Wölfe oder so gibt?“, fragte Kaskae und schluckte schwer. Doch Steele schien durch die gar nicht aus der Fassung zu bringen zu sein, er war noch immer so selbstsicher wie sonst immer. Sie hingegen starb vor Nervosität. „Wie schon gesagt, ich pass schon auf…“, versicherte Steele ihr nochmals und das süße Gefühl der Überlegenheit und des Triumphes durchfuhr ihn, als sie sich verunsichert an ihn drückte. Sie wusste nicht vor was sie Schutz suchte, aber Steele war das einzige Wesen, welches ihr jetzt noch Sicherheit bot. Verdammt, was auch immer er ihr zeigen wollte, es musste verdammt gut sein, sonst würde Kaskae ihn dafür umbringen, dass er sie durch diesen Wald geschliffen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)