Alaska von HellmotherEva ================================================================================ Prolog: -------- Das Wetter war eisig und herzlichst ungemütlich, während die dicken Schneeflocken am Zugfenster vorbeiflogen um dann im Schneegetümel zu verschwinden. Der Schneesturm hielt jetzt schon seit einigen Stunden an und die Wetterverhältnisse zwangen den Zug dazu, langsamer zu fahren. Eine der Reisenden war Jane Costner, ein fünfzehnjähriges, brünettes, Mädchen – und ein äußerst unzufriedenes dazu. Sie machte diese Reise nicht freiwillig, das war klar! Ihre Eltern waren bereits vor einigen Tagen von Ketchikan nach Nome gereißt, was nicht ganz leich war. Es war eine fast dreitägige Schiffahrt durch den Nordpazifig gewesen, bis man endlich mal in Nome ankam. Was war das überhaupt? Wer gab einem Kaff schon so einen Namen? Das konnte ja nur mies enden! Ja, man konnte sagen, dass Jane absolut keine Lust auf das hier alles hatte. Im Sommer wurden es hier nie mehr als elf Grad und im Winter sank die Temperatur auf Minus fünfzehn Grad runter. Das konnte ja spaßig werden. Warum sie das tat, oder eher tun MUSSTE? Ganz einfach: ihre Eltern wollten für die nächsten fünf Jahre Alaskas Tundra erforschen, sie waren nämlich Biologen. Doch anstatt ihre Tochter einfach bei Verwandten in Seattle abzuschieben, musste sie ja unbedingt mitkommen, ob sie wollte oder nicht. Jane machte das krank! Fünf Jahre! Das musste man mal auf sich wirken lassen. Aber vielleicht hatte sie ja noch Glück und kam hier weg, ehe sie erwachsen war. Sie wollte einfach nur zurück nach Ketchikan! Ihretwegen hätte man das alles nie tun müssen, aber jetzt konnte sie auch nichts mehr machen. „Na wenigstens wirst du deinen Spaß haben, was Kaskae?“ Die Malamutehündin, die nur dösend in der Kajüte gelegen hatte, schreckte auf, als sie ihren Namen hörte und sah dennoch freudig zu ihrem Frauchen. Ihre braunen Augen blitzten voller Vorfreude auf, auch wenn sie nicht wusste auf was sie sich überhaupt freute. Ihr wurde nur immer erzählt, dass sie das Klima mögen würde. Über die Lautsprecher kam eine Meldung an alle Reisenden, dass das Schiff in kürze seinen letzten Hafen erreichen würde. Erleichtert atmete Jane auf und schulterte ihre neue Reisetasche, die sie zu Weihnachten bekommen hatte – das letzte Weihnachten für die nächsten fünf Jahre, was sie in der Zivilisation verbracht hatte – denn wo auch immer sie gleich Enden würde, es wäre definitiv keine Zivilisation. „Kaskae, komm Mädchen.“, befahl Jane und nahm die neue, glänzende, schwarze Lederleine in die Hand, die sie ebenfalls zu Weihnachten bekommen hatte. Die Malamutehündin sprang auf und lief aufgeregt hechelnd, dicht neben Jane gepresst und sah sich mit großen Augen um, als sie das Deck des Schiffes betraten und dieses auch schon verließen. Während Jane sich noch ihre Handschuhe anzog und ihre Mütze zurechtzupfte, konnte Kaskae sich vor Neugierde kaum bremsen! Auch wenn das Wetter einen keine zehn Meter sehen ließ und es minderst minus zehn Grad hatte, es war Anfang März, so machte es ihr nichts aus. Sie war ein Alaskan Malamute, ihr Fell war dick und ihre Neugierde unzügelbar. Sie wäre liebend gern durch den Schnee gerannt, der am Hafen lag, doch ein fieses Stück Leder, namens Leine, hinderte sie daran. „Hey, ruhig! Langsam! Beruhig dich, so toll ist die Gegend hier auch wieder nicht!“, versuchte Jane ihre Hündin zu beruhigen und nahm hektisch die Leine kürzer. „Ach komm schon! Ihr Menschen seid so ungerecht…“, seufzte Kaskae und folgte Jane über den Steg zu einer kleinen, unterdachten Bank und setzte sich. „Mann, wann kommen die endlich, mir ist eiskalt…“, bibberte Jane und versuchte sich in ihren Klamotten so gut es ging warm zu halten, doch es half nur dürftig „na, du kannst da nicht mitreden, dein dickes Fell hätte ich auch gerne…“ Kaskae kicherte, dann horchte sie jedoch plötzlich auf, als sie etwas im Schnee hörte. „Janny!“, rief eine wohlbekannte Stimme und Jane sah erschrocken auf, doch als sie sah, wer da auf sie zukam, lächelte sie. „Miss Morris!“, rief sie überglücklich aus und stolperte, wenn auch bibbernd, auf die Haushälterin zu – ja, man musste sagen, Janes Eltern hatten Geld, aber das war eines der Dinge, über die man nicht sprach. „Ich sollte schon früher da sein, tut mir so leid, aber das Unwetter, und…“ „HE! Schon gut! Ich lebe noch, und jetzt bringt mich schnell nach Hause, ich friere.“ „Selbstverständlich, aber davor möchte ich noch hallo zu unserem kleinen Mädchen sagen!“, lachte Miss Morris und tätschelte freudig Kaskaes Kopf „na der wird das hier gefallen. Aber nun ins Auto, ich weiß nicht wie der Rückweg seien wird.“ Miss Morris begleitete Jane und Kaskae in einen Pick-up und startete den Motor- Eigentlich hatte Miss Morris gar keinen Führerschein, doch sie konnte trotzdem Auto fahren, Janes Vater hatte es ihr beigebracht. ‚Dein Vater ist ein wundervoller Fahrlehrer, aber ein grausiger Beifahrer.‘, pflegte Miss Morris immer spaßend zu sagen. Jane stieg schnell in das Auto ein Kaskae sprang ihr auf den Schoß, was zugegebener Maßen doch sehr eng wurde, in einem kleinen Fahrerraum wie diesem. „Und Janny...“, begann Miss Morris. Sie nannte Jane schon immer Janny, egal wie alt sie auch war. „...sag, willst du Schlittenfahren lernen? Den richtigen Hund und die richtige Umgebung hast du ja jetzt.“ Jane verzog das Gesicht und schüttelte entschlossen den Kopf. „Nein, nein, nein! So was überlass ich den Eingeborenen! Und Kaskae wird auch ohne Schlitten recht fröhlich sein, was?“ Jane sah ihrer Malamutehündin kurz ins Gesicht und diese hechelte zustimmend, als hätte sie verstanden. „Braver Hund.“, lobte Jane und strich ihr kurz durch das grauschwarze Fell. Währenddessen rannte Steele mit zusammengebissenen Zähnen seine Runden um das Haus seiner Besitzer – wie jeden Tag. Seit der „Sache“ mit Balto war er nicht mehr gern gesehen bei den anderen Hunden Zugegeben, er trainierte noch mit ihnen, doch, und das regte ihn am meisten auf, er war nicht mehr der Leithund, er hatte jegliche Glaubhaftigkeit verloren, niemand sah mehr zu ihm auf- Sie verachteten ihn, Respekt hatten sie ebenfalls alle vor ihm verloren. Es war so erniedrigend! Steele war so in Gedanken versunken, dass er das leere Fass gar nicht bemerkte, was mitten auf seiner Strecke lag und direkt hineinknallte. Erschrocken jaulte er auf und rieb sich mit der Pfote über den Kopf. Verdammt! Ach, was regte er sich denn so auf, es war doch sowieso alles vorbei. Morgen begann das Spiel schon wieder- Er trainierte schweigend mit den anderen verbrachte dann die restliche Zeit bei seinem Herrchen, anders wie früher, wo er immer noch bei seinen Anhängern herumgeprahlt hatte. Jetzt hatte er keine Anhänger mehr, niemand mehr, der ihn als Vorbild sah. Doch er versuchte seine angesammelten Aggressionen immer damit abzureagieren, indem er rannte – ganz, ganz lange um das Haus rannte. Zudem musste Steele nun mal in Form bleiben, denn der Wille zu gewinnen, der war noch felsenfest vorhanden. Kapitel 1: Alaska, Alaska... ---------------------------- „Guten Morgen liebe Sorgen, guten Morgen, schon bin ich wach…“, summte Kaskae vor sich hin und streckte sich ausgiebig. Sie schüttelte die Decke, auf der sie schlief, von sich herunter uns sah sich einen Moment irritiert um, ehe sie realisierte, dass sie in ihrem neuen zu Hause war. Sie lunzte aus ihrer Hundehütte raus und sah beeindruckt auf die Schneebedeckte Landschaft- Die dicke Schneedecke war makellos und zog sich gelichmäßig über die ganze Gegend. Mit leuchtenden Augen hüpfte Kaskae durch den knietiefen Schnee und begann jauchzend sich darin zu wälzen, ehe sie sich wieder aufrappelte und zurück in die Hundehütte setzte. Gestern Abend noch, war sie bei Jane am Kamin gesessen und hatte das ganze Haus inspiziert, und jetzt hatte sie diese grandiose Landschaft vor sich! Ging es noch besser? Kaskae sah zu dem einstöckigen Wohnhaus, dem hohen Holzzaun und ließ den Blick dann an der kleinen Straße entlangschweifen, die nach Nome führte, ehe sie schließlich aufstand und sich auf die Veranda legte. Kaskae konnte Janes Missmut gar nicht verstehen, es war doch super hier! Naja, wie dem auch sei, Kaskae hoffte nur, dass Jane endlich aufstand, denn die Hündin hatte Hunger! „Nah! Leute, wird das bald?“, murrte sie, als ihr Magen sich wieder meldete. Die Sonne war schon lange auf, und die wurden einfach nicht wach. Doch plötzlich ging die Tür auf und Jane kam mit einer Futterschale in der Hand heraus. „Guten Morgen meine Süße… Na gefällt dir das hier alles wenigstens?“, fragte Jane gequält, als sie die riesige, dicke Schneedecke sah. Doch ihr entfiel nicht, das Kaskae sich bereits darin gewälzt haben musste, man sah deutlich wo die Hündin herumgelaufen war und wo nicht. Kaskae bellte begeistert und hüpfte aufgeregt um ihr Frauchen herum, ehe diese ihr endlich ihr heiß ersehntes Frühstück gab. „Janny, ich will gleich in die Stadt fahren, deine Eltern haben mich einkaufen geschickt, kommst du mit?“, fragte Miss Morris aus der Küche heraus, als sie die letzten Reste des Frühstücks wegputzte. „Klar, ich zieh mir nur noch schnell meinen Mantel an!“, antwortete Jane und tätschelte eilig Kaskaes Kopf, ehe sie wieder im Haus verschwand. „Wo sind meine Eltern eigentlich? Ich muss heute Morgen so lange geschlafen haben, dass ich sie verpasst habe.“, meinte Jane, während sie nach ihrem braunen Mantel griff, der unachtsam auf ihrem Bett lag. „Ach, sie sind schon heute Morgen in aller Frühe aufgestanden und sind zur Fuß los, um einige Untersuchungen zu machen, irgendwo da draußen.“, entgegnete Miss Morris und setzte sich ihre Mütze zurecht. „Na dann komm mit, du kannst auch gleich Nome besser kennenlernen.“ Jane nahm Kaskae an die Leine und lief mit ihr und Miss Morris zum Wagen. Neugierig sah Kaskae aus dem Fenster- Wo sie jetzt wohl hingehen würden. Obwohl der Schnee sehr hoch war, so kamen sie gut durch, da bereits andere Fahrzeuge den Schnee festgefahren hatten. Nach einigen Minuten kamen sie schließlich am Ortseingang an und Miss Morris parkte den Wagen am Straßenrand. „Na dann aber schnell, der nächste Laden ist nur ein paar Straßen entfernt.“, meinte die Haushälterin und lief mit einer großen Tasche die Straße entlang. „Hey Kaskae, komm!“, sagte Jane, als sie bemerkte, wie zögerlich die Malamutehündin plötzlich war und nach allen paar Schritten erst mal für ein paar Sekunden inne hielt. „Na komm, komm!“, munterte Jane sie weiter auf und zog etwas energischer an der Leine. Auch wenn Kaskae ihr recht zögerlich folgte, so war ihr dieser Ort äußerst unangenehm! Sie roch überall fremde Hunde, die ganzen neuen Gerüche verwirrten sie und auch wenn sie es nicht gern zugab, so war ihr all das doch ein bisschen unheimlich. „So, wir sind da, kommst du mit rein?“, riss Miss Morris sie schließlich aus ihren Gedanken und deutete auf einen Lebensmittelladen. „Klar, vielleicht find ich was nettes.“, entgegnete Jane und band Kaskae vor dem Laden an einem Pfeiler an. „Kaskae: Bleib!“ Die Hündin hörte jedoch nur mit einem Ohr hin, mit dem andere hatte sie ihre Umwelt genau im Visier. Einige Leute liefen die Straße entlang, unterhielten sich, trugen ihre Einkäufe nach Hause und ein paare hatten auch Hunde bei sich, meistens Schlittenhunde, Huskys, oder Mischlinge. Doch sie entdeckte auch, und das war das war das auffallendste hier, zwei junge Mädchen, in Janes Alter, mit einem Samojeden und einem Afghanischen Windhund- Die Windhündin war recht auffallend zwischen all den nordischen Hunden hier. Die beiden Besitzerinnen der Hunde redeten über irgendwas und lachten ausgelassen, ehe auch sie zum kleinen Laden gingen und ihre Hündinnen in Kaskaes Nähe anbanden. „Hey Louise, seh dir den Hund an!“, rief plötzlich das Mädchen, dem der Afghane gehörte und deutete auf Kaskae. Die Hündin stellte verwundert die Ohren auf und legte den Kopf schief. „Wow, die ist wirklich hübsch, den Hund kenn ich gar nicht, wer ist das, wem gehört die?“, fragte nun das zweite Mädchen, diese Louise, und schlang sich die Stola enger um den Hals. „Keine Ahnung, aber gibt es hier nicht irgendwelche Leute, die hier neu hergezogen sind?“ Louise legte den Kopf nachdenklich zur Seite und plötzlich schien sie so was wie einen Geistesblitz zu haben. „Ja! Ich erinnere mich, mein Vater hat mir davon erzählt! Zwei Wissenschaftler, ähm… James Costner und seine Frau Amanda… Vater erzählte mir, dass sie die Tundra untersuchen und sie haben eine Tochter, Jane, in unserem Alter. Pha, die ist bestimmt der totale Freak, wer will schon Wissenschaftler als Eltern haben, Anne?“ Anne war also das andere Mädchen, aha. „Hey, nicht jeder kann reiche Fischfabrikanten wie deine als Eltern haben. Und soviel ich weiß, müssen die genug Geld haben, immerhin haben die sogar eine Haushälterin und meine Mutter sagte, sie habe bereits ihr Haus gesehen, soll wohl ganz nett sein.“ „Wirklich? Ich kann mich gar nicht erinnern, dass hier irgendwo gebaut wurde.“, murmelte Louise. „Doch, doch, etwas abseits, die Straße entlang, da wurde ein Grundstück bebaut, letzten Herbst schon wurde angefangen- Der Hund hat den ganzen Garten für sich, cool, was?“, erzählte Anne. „Aber gehen wir jetzt bitte in den Laden?“ „Äh, klar.“, meinte Louise und zog sich die Handschuhe aus, ehe sie den Laden betrat. Kaskae hatte den beiden Mädchen die ganze Zeit aufmerksam zugehört und sah ihnen mit einem Funken Verachtung hinterher. „Stimmt das?“, fragte plötzlich eine Stimme und Kaskae sah sich überrascht um. Die Samojedenhündin sah neugierig zu ihr herüber und wedelte mit dem Schwanz. „Äh… Wer seid ihr überhaupt?“, fragte Kaskae verwundert, ohne auf die Frage der Hündin einzugehen. „Oh, tut uns Leid, wo bleiben nur unsere Manieren! Also, ich bin Dixie und…“ „Der Esel nennt sich immer am Schluss.“, unterbrach Kaskae die Samojedin und grinste frech. Dixi sah genervt zu ihr, dann begann sie nochmal: „Das ist Sylvie und ich bin Dixie- Nun zufrieden?“ „Voll und ganz!“, kicherte die Malamutehündin. „Ich bin übrigens Kaskae.“ „Und stimmt es, was unsere Frauchen über dich und deine Familie sagten? Sind deine Herrchen wirklich Wissenschaftler?“, fragte nun auch die Afghanin Sylvie. Kaskae kicherte kurz auf dann antwortete sie: „Nicht ganz, ich gehöre eigentlich ihrer Tochter. Aber ja, die beiden sind Wissenschaftler. Und ihr? Du siehst kaum so aus, als würdest du aus der Gegend stammen.“, stellte Kaskae schließlich fest und deutete mit der Schnauze zu Sylvie. „Jaja, gut geraten. Ich komme von einem Züchter aus Frankreich, mein Frauchen hat mich gekauft, als ich ein halbes Jahr alt war.“, erklärte Sylvie und sah sich dann nochmals Kaskae an. „Und wie ist das so? Musst du irgendwelche Schlitten ziehen und deine Herrchen auf irgendwelche gefährlichen Expeditionen begleiten?“, fragte nun Dixie neugierig. „Was? Oh nein, ich muss keine Schlitten ziehen, ich bin nur hier, um Jane eine Freude zu bereiten. Jane heißt die Tochter meiner Herrchen.“ Dixie verzog misstrauisch das Gesicht. „Na ich wäre mir da nicht so sicher! Nächste Woche beginnt die Schule wieder, bestimmt wirst du dann auch allein enden. Mein Frauchen ist immer nur auf einem Internat, nur in den Ferien kann ich sie sehen.“ Kaskae sah überrascht zu der Samojedenhündin, doch dann schüttelte sie entschlossen den Kopf. „Nein, Jane geht auf kein Internat! Sie muss zwar sehr früh aufstehen, doch sie geht auf eine Schule, in der nächsten Stadt.“, erklärte Kaskae. „Na wenn du das meinst. Weißt du, wenn deine Herrchen wirklich so viel Geld haben, wie ich hörte, dann werden sie ihre Tochter vielleicht wirklich auf ein Internat schicken.“, meinte nun auch Sylvie. „Nein, ich sagte doch: Sie geht auf eine Schule, kein Internat. Aber wie kommt ihr zu der Annahme? Gehen eure Frauchen auf ein Internat?“ „Klar, was denkst du denn? Sie würden ja ganz wahnsinnig werden, wenn sie jeden Morgen um fünf Uhr aufstehen müssten, nur um pünktlich ihren Bus zu bekommen.“, meinte Dixie. Doch in diesem Moment kamen Miss Morris, vollbepackt mit Einkaufstüten, und Jane aus dem Landen. „Ach, wenn man vom Teufel spricht, da kommen sie.“, meinte die Malamutehündin und saß auf. Jane nahm eine Tüte zwischen die Zähne, und band Kaskae ab, dann stolperte sie hinter Miss Morris her. „Also dann, man sieht sich sicher noch!“, verabschiedete Kaskae sich von Dixie und Sylvie. „Hey Mädchen, wir haben dir was ganz tolles gekauft!“, meinte plötzlich Miss Morris, während sie die Einkäufe ächzend auf der Ladefläche des Trucks ablegte. „Oh, genau, stimmt!“, meinte Jane und begann in einer der Tüten zu suchen. Kaskae spitze neugierig die Ohren und sah interessiert zu Jane, die nun endlich etwas raus holte. „Tada! Dein erstes Stück geräuchertes Robbenfleisch!“, meinte sie schließlich und hielt der Hündin das Stück Fleisch vor die Schnauze. Mit einem bissen schnappte sie den Happen und begann eifrig darauf herum zu kauen, doch es war so hart, dass sie es gar nicht richtig runter bekam. „Haha, das wird sie erst mal für ein paar Stunden beschäftigen.“, meinte Miss Morris und startete den Wagen. Als sie wieder zu Hause ankamen, ließ Jane Kaskae ins Haus, was diese auch durfte- nur nachts musste sie nach draußen, in die Hundehütte. „Wann beginnt die Schule eigentlich wieder?“, fragte Miss Morris, während sie mit Jane die eingekauften Sachen einräumte. „Nächste Woche… Das kann was werden… Ich meine, ich werde allein schon für den Schulweg im Bus Ewigkeiten brauchen, ganz zu schweigen von dem Weg zur Bushaltestelle… Miss Morris, das ist furchtbar! Wieso konnten mich meine Eltern nicht Ketchikan lassen, das wäre alles viel unkomplizierter geworden…“, seufzte Jane und setzte sich auf einen Küchenstuhl. „Nun sei mal nicht so niedergeschlagen, seh doch mal das positive!“ „Das wäre?“ „Kaskae wird ihren Spaß haben.“ Jane sah auf und ihr Blick wanderte zu der Malamutehündin, die immer noch mit dem Räucherfleisch kämpfte und es sich neben dem Kamin gemütlich gemacht hatte. „Ja… schon, aber ich bin jung! Ich hab noch anderes vor, als nur mit Kaskae durch den Schnee zu tollen und mir dann eine Lungenentzündung zu holen.“ Miss Morris seufzte und hielt ihr plötzlich etwas unter die Nase. „Was...?“ „Dein Weihnachtsgeschenk, von mir, an dich! Ich konnte es dir leider nicht früher geben, weil meine Nichte es verlegt hatte, aber dann doch wieder fand. Und nun freu dich endlich, dein ewiger Pessimismus ist ja ganz ansteckend!“ Jane nahm überrascht die beiden Geschenke entgegen und betrachtete sie genauer: Das eine war eine kleine Silberkette, mit einem Perlenanhänger, das zweite ein schwarzes Lederhalsband, mit ein paar eingenähten Schmuckperlen und einem Silberanhänger, auf dem ‚Kaskae‘ eingraviert war. „Also… Äh… Oh.. Oh WOW!“, rief sie stockend aus und ein breites Grinsen schlich auf ihr Gesicht. „Danke Miss Morris, vielen, vielen Dank!“, jauchzte sie und fiel der Haushälterin um den Hals. „Hey! Langsam Kind, meine alten Knochen!“, stöhnte sie. „Tut mir Leid… Aber ich zieh ihr das gleich an, das ist wunderschön, wo haben Sie das nur her?“ „Ach, das gab’s nicht zu kaufen, das war eine Sonderanfertigung.“ „Aber ist das nicht unglaublich teuer? Wie gut bezahlen meine Eltern Sie?“, lachte Jane und ließ sich neben Kaskae nieder, die noch immer mit dem Robbenfleisch kämpfte. „Gut genug.“, erwiderte Miss Morris nur und wand sich wieder ihren Einkäufen zu. Jane legte Kaskae das neue Halsband um und konnte sich kaum sattsehen! Ihr war schon immer bewusst gewesen, wie hübsch die Hündin eigentlich war, aber mit den richtigen Accessoires sah sie eben noch hübscher aus. „Na, du bist heute wieder die Schönste, was?“ Kaskae registrierte erst jetzt, dass sie ein neues Halsband hatte. „Oh ja, wirklich, jetzt fühle ich mich cool.“, meinte sie nur unbeeindruckt und wand sich wieder ihrem Robbenfleisch zu. Denn wenn Kaskae sich etwas vorgenommen hatte, dann tat sie es auch! Auch wenn es in diesem Fall nur Robbenfleisch war. Gegen Abend war Jane mit dem Malamute nochmal spazieren gegangen, einfach nur um Beschäftigung zu haben, die Langeweile zu Hause war unerträglich! „Na komm Kaskae, hol‘s dir, hol ihn dir!“, rief Jane herausfordernd und hielt einen Stock in die Höhe. Die Hündin hüpfte aufgeregt um sie herum, stellte sich auf die Hinterbeine, versuchte an diesen blöden Stock zu kommen. „Willst du ihn, willst du ihn, hm, willst du ihn? Dann hol ihn dir!“ Jane warf den Stock so weit wie nur möglich von sich weg und sah lachend zu, wie die Malamutehündin hinter ihm herrannte. Eigentlich war Kaskae im Winter eher grau-schwarz, ihre Bauchzeichnung und ihre Maske erstrahlten dann immer umso mehr, doch seltsamerweise wurden die dunklen Stellen in ihrem Fell im Sommer noch dunkler, richtig tiefschwarz. ‚Den Chamäleoneffekt‘ nannte Janes Mutter diesen Fellwechsel immer spaßend. Jane hingegen fand es ehrlich gesagt einfach nur cool- Zwei Hunde in einem, wie Miss Morris jetzt sagen würde. Kaskae kam nun mit dem Stock im Maul angerannt und der Schnee wurde unter ihren Pfoten aufgewirbelt, als sie ihre ‚Beute‘ schließlich vor den Füßen ihres Frauchens ablegte. „Na, du willst noch mehr? Hol‘s dir!“, rief Jane provokant und rannte durch den endlosen Schnee. Kaskae rannte ihr natürlich übermütig hinterher und versuchte ihr den Stock abzuluchsen, doch sie erreichte ihn einfach nicht. „Na los, hol ihn, hol ihn dir!“, reizte Jane die Hündin weiter. „Gut, du willst es ja nicht anders…“, lachte Kaskae und warf sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen Jane, so dass diese am Boden lag. „Mädchen, das war nicht fair!“, lachte sie und setzte sich auf. Dann streichelte sie liebevoll über den Kopf und den Hals, ehe sie sich aufrappelte und sich den Schnee von Mantel und Hose klopfte. „Na komm, behalt den Stock, wir gehen nach Hause.“ „Hey, hier riecht‘s so gut, was gibt’s zu essen?“, fragte Jane, als sie das Haus betrat. „Karibu mit Kartoffeln und Soße.“, entgegnete ihre Mutter und sah aus der Küche heraus. „Na, wie war dein Tag?“ Jane hing die Leine über die Halterung im Flur und lief durch das Wohnzimmer in die Küche. Kaskae folgte ihr gehorsam, insgeheim hoffte sie einen Happen abzubekommen. „Ach, ging so… Ich war heute Morgen einkaufen, heute Mittag hab ich ein bisschen Radio gehört und Miss Morris hat mir was ganz tolles geschenkt! Schaut mal, seht euch das an!“ Hektisch kramte Jane die Kette hervor und zog Kaskae an sich, damit ihre Eltern ihr neues Halsband sehen konnten. „Sieht das nicht toll aus!?“, rief Jane freudig aus. Sie war von dem Geschenk der Haushälterin noch immer ganz verzückt. „Na da hat Ellen dir aber was geschenkt!“, meinte ihr Vater schließlich. Ellen war Miss Morris Vorname, doch eigentlich nannte sie jeder nur Miss Morris, das war inzwischen eine Angewohnheit geworden. „Hey, ich musste dem armen Mädchen doch auch was schenken, was wäre denn sonst aus ihr geworden?“, fragte Miss Morris unschuldig und rührte in dem Eintopf herum. „Da muss noch Pfeffer rein, Amanda, reich mir bitte kurz den Pfeffer.“ Janes Mutter griff nach dem Pfeffer und sah sich das Halsband der Hündin nun genauer an. „Das… das sind aber keine echten Perlen, oder?“ „Was? Nein, nein, das sieht man doch hier, an der Farbe, die Perlen ist viel zu perfekt weiß und man spürt es auch, wenn du diese Echtperle und die Schmuckperle anfässt, die Echtperlen sind nicht so perfekt glatt und rund.“, kicherte Jane. Ihre Eltern waren zwar Biologen, aber da war es doch umso schöner für Jane, wenn sie endlich mal irgendwas besser wusste als die Beiden. „Ach, wenn du das sagst… Hauptsache, der Hund trägt nichts, was mehr wert ist, als er selbst.“ Jane verdrehte die Augen, dann zog sie Kaskae sanft am Halsband. Sie jaulte flehend auf, doch sie wusste, dass sie beim Abendessen nicht ins Haus gehörte. Wenn auch recht wiederwillig ließ sie sich vor die Tür setzen. Jane füllte ihr noch den Futternapf nach und legte ihr noch ein paar Stücke geräucherte Robbe hin, dann verschwand sie im Haus. „Menschen…“, seufzte Kaskae und machte sich über ihr Abendessen her. Ja, Menschen... Ein einziges Rätsel. Kapitel 2: Erste Blicke und alte Erinnerungen --------------------------------------------- Ein paar Tage später war Jane erst recht spät auf den Beinen, erst gegen Mittag kam sie aus dem Haus. Sie trug einen langen Mantel mit Pelzanasatz, was momentan wohl ziemlich in Mode war und hatte ihre dicksten Stiefel an. Stöhnend zog sie sich die Mütze tief ins Gesicht und stellte den Kragen ihres Mantels auf. Dieses eisige Wetter brachte sie irgendwann noch um! „Hey Kaskae! Komm!“ Mit einem freudigen Bellen stand sie auf und sprang vorfreudig an ihrem Frauchen hoch. „Ja, ist gut! Ich muss nur noch was Einkaufen, komm mit.“, seufzte Jane, befestigte die Leine am Halsband der Hündin und lief schließlich mit ihr die Straße entlang. Doch Kaskae wollte rennen, sie wollte wie gestern durch den Schnee toben, sich darin wälzen um ihn dann wieder aus dem Fell zu schütteln. Schnee war eine verdammt tolle Sache, man konnte ihn sogar fressen… auch wenn er nach nichts schmeckte. Eigentlich war Schnee nur sehr kaltes Wasser, was dann im Maul schmolz. Und Schnee machte verdammt viel Spaß! Man konnte sich darin wälzen ohne dreckig zu werden und dann konnte man ihn ganz leicht wieder aus dem Fell schütteln. Zudem wurde man nicht so nass und dreckig, als wenn man sich in Wasser oder gar Schlamm wälzte. „Nein! Kaskae, nicht jetzt! Du hast den ganzen Garten für dich, mach das später.“, meinte Jane harsch und lief weiter. Der Schnee ging ihr zwar ‚nur‘ bis zu den Knöcheln, doch sie hatte die Schnauze trotzdem schon voll. Wie sollte das enden? Sieben Monate Schnee… Das musste man mal auf sich wirken lassen! SIEBEN MONATE! Und die ‚Höchsttemperaturen‘ gingen kaum über die zehn Grad- Grenze. Im ernst, das war doch nicht normal! Was hatte dieser Ort nur so tolles an sich? Na gut, er war inzwischen eine kleine Berühmtheit, wegen diesem Halbwolf, Balto. Letzten Monat gab es in Nome eine Diphtherieepidemie. Jane und ihre Eltern hatten die ganze Sache in der Zeitung verfolgt. Jane hatte zugegebener Maßen die ganze Sache nicht ganz verstanden: Zuerst war ein Schlitten mit den normalen Schlittenhunden losgefahren und die Medizin auch abgeholt. Doch dann war dieser Schlitten irgendwo mitten auf dem Rückweg vom Weg abgekommen. Unter ungeklärten Umständen war schließlich Balto derjenige, der all die Hunde aus dem Schneesturm gerettet hatte. Der eigentliche Leithund, Steele, irgendein hochgezüchteter Malamute, war noch am selben Tag, wenn auch leicht verfroren, in Nome angekommen. Naja, Jane war die ganze Sache ein kleines Rätsel, aber das machte jetzt auch nichts zur Sache… Sie interessierte sich weder für die Schlittenrennen, doch für Halbwölfe. Ihr war es letzten Endes nur wichtig gewesen, dass die Epidemie gestoppt werden konnte. Doch Kaskaes zerren riss sie aus den Gedanken. „Nein! Komm jetzt!“, meinte sie entschlossen und nahm die Leine noch ein Stück kürzer. „Beherrsch dich endlich.“ Als sie Nome schließlich erreichten, band Jane ihre Hündin wieder am Pfeiler an und verschwand im Laden. Eigentlich war Miss Morris fürs Einkaufen zuständig, doch Jane war für jede Ablenkung dankbar! „Hey, hey, hey! Wen haben wir denn da!“, rief plötzlich eine Stimme, die Kaskae irgendwie bekannt vorkam. „Ach, hallo Dixie.“, begrüßte Kaskae die Samojedenhündin und sah sich um. „Wo ist dein Frauchen?“ „Ach die… Morgen beginnt die Schule wieder, sie ist grade auf dem Weg zu ihrem Internat.“ „Ah… Ach so. Und Sylvie?“ „Noch nicht wach.“, meinte Dixie und setzte sich neben Kaskae. „Aber wo ist denn dein Frauchen, oder wird dieser Pfeiler hier irgendwie dein Stammplatz?“ Kaskae rollte grinsend die Augen und schüttelte sich den Schnee aus dem Fell, ehe sie sich setzte. „Nein, sie ist nur Einkaufen. Aber eine Frage mal: Ist es eigentlich normal, das du hier ganz allein rumläufst?“ „Ach, das ist hier ganz normal! Wir gehen manchmal auf eigene Faust durch die Stadt- Du nicht?“ „Nein, das würde Jane nicht zulassen, sie würde vor Sorge um mich sterben… “, meinte Kaskae. „Echt jetzt? Seltsam, eigentlich macht es den Leuten aus der Gegend kaum was aus, wenn ihre Hunde für einige Zeit allein durch die Gegend laufen.“ Dixie war merklich verwundert von Janes Einstellung, doch anscheinend schien man das in ihrer alten Heimat so zu regeln. In diesem Moment öffnete sich die Ladentür, und ein kleines Mädchen kam herausgestürzt. Sie schein auf ihre Eltern oder so zu warten, doch als sie Kaskae und Dixie sah, war es um sie geschehen. „Wooow! Du bist aber eine Schöne! Und so groß!“, rief sie aufgeregt aus und kniete sich neben Kaskae, die misstrauisch den Kopf zurücksteckte. Ihr war es nicht ganz geheuer, dass wildfremde Kinder sie betätschelten, aber ihretwegen… Solange die Kleine nicht zu nervig würde. „Äh… Wer ist das überhaupt?“, fragte Kaskae schließlich verunsichert. „Ach das! Kein Grund zur Panik! Das ist nur Rosie, eines der hier lebenden Kinder. Ganz ruhig bleiben.“, meinte Dixie und rieb den Kopf an Rosies Bein. „Rosie, geh weg da, ich sagte doch keine fremden Hunde streicheln!“, rief plötzlich ein Mann und streckte dem Mädchen die Hand entgegen. „Aber ich kenn Dixie doch.“, wand Rosie sofort ein. „Ich meine auch nicht Dixie, sondern die andere Hündin.“ „Okay Daddy, aber sie war so lieb, sie hat sich einfach streicheln lassen.“, entgegnete Rosie. „Das mag ja sein, aber sie kennt dich nicht! Wenn sie sich bedrängt fühlt, könnte sie auch nach dir schnappen.“ Na wenigstens einer, der hier richtig denk, meinte Kaskae innerlich. „Hm… Wem gehört die eigentlich? Ich hab die hier noch nie gesehen.“ Eine Frau war neben Rosie und deren Vater aufgetaucht, wahrscheinlich Rosies Mutter. „Das ist meine.“, entgegnete plötzlich eine Stimme und Jane kam mit einer Einkaufstüte aus dem Laden getreten. „Jane Costner mein Name.“, stellte sie sich flüchtig vor. „Ach, das ist Ihr Hund?“, hakte Rosies Vater nach. „Ein wunderschönes Tier, ein Malamute, nicht?“ „Ähm, ja, das ist sie… Kaskae ist ihr Name.“, erklärte Jane und lächelte verlegen. Sie liebte es einfach, Komplimente für ihren Hund zu bekommen, das war für sie das Größte! Denn insgeheim machte sie es doch auch stolz, für einen hübschen Hund gelobt zu werden, auch wenn Kaskaes Aussehen wohl kaum Janes Verdienst war. „Einfach ein wunderschöner Hund. Eine Frage… Schon mal über Schlittenrennen nachgedacht?“ „Äh… Nein, nicht wirklich… Das… das ist nicht so mein Ding. Meine Eltern würden das zwar zulassen, doch die Schule steht an erster Stelle.“, erklärte Jane und band Kaskae los. „Hm… Einen Moment mal… Deine Eltern, sind das nicht… Augenblick, du heißt Costner… Sind deine Eltern nicht diese beiden Wissenschaftler?“, fragte nun Rosies Mutter. „Biologen.“, korrigierte Jane lächelnd. „Genau, genau! Ihr seid doch in das neue Haus, etwas abseits von Nome gezogen, oder?“ Etwas abseits ist gut, hier ist alles abseits, schoss es Jane durch den Kopf, doch sie nickte nur. „Okay, ich wünsche euch dann auf jeden Fall Herzlich willkommen! Und das mit dem Schlittenfahren kann ich dir nur empfehlen, das macht wirklich Spaß, nicht Rosie?“ Rosie, die bis jetzt nur abwesend Dixie gestreichelt hatte, horchte auf und nickte eifrig. „Das tut es! Meine Eltern haben einen Husky, Jenna, und ich hab jetzt für sie und mich meinen eigenen Schlitten! Das macht so viel Spaß darin zu fahren!“, erzählte sie strahlend. Ihr schien die Sache wenigstens Spaß zu machen, doch Jane konnte sich das einfach nicht vorstellen… Sie und Hundeschlitten, ja klar! „Ich denk vielleicht darüber nach.“, meinte sie lächelnd und nahm dann Kaskaes Leine in die Hand. „Wir müssen dann aber weiter, aber sicher sieht man sich nochmal. Auf Wiedersehen.“, verabschiedete Jane sich und schulterte ihre Einkäufe. Auf dem halben Weg aus der Stadt, stockte Jane plötzlich, als sie am Schaufenster einer Bäckerei vorbei lief. „Wow… das sieht lecker aus…“, seufzte sie und sah fast schon sehnsüchtig in das Schaufenster- Ach, für ein bisschen Süßes Zeug würde es wohl noch reichen. „Mädchen, warte hier. Und pass auf die Sachen auf! Halte Wache!“ „Jaja, ich bin die Verlasshündin schlechthin.“, meinte sie und legte sich auf die Unterdachte Veranda vor der Bäckerei. Aber im Ernst: Wer würde schon ein paar Einkaufstüten klauen? Zur selben Zeit lief Steele mit seinem Besitzer, nur eine Ecke weiter, zum Training. Er stürzte sich seit der Sache mit Balto so hart wie noch nie ins Training, aber irgendwie konnte er sich nie steigern… Das war deprimierend. Doch als er an der Bäckerei vorbeilief, und die Malamutehündin daliegen sah, stockte er für eine Sekunde und starrte sie wie gelähmt an. Er hatte früher, also vor der Sache mit Balto, ja viele Hündinnen gekannt und sie alle hatten ihn regelrecht vergöttert. Er war das was man als ‚Hündinnenmagnet‘ bezeichnen konnte. Er hatte sich oft mit diesen scheinbar Willenlosen, ihm jeden Wunsch erfüllenden, Dingern amüsiert, aber das war nie was Ernstes. Er hatte ein bisschen geflirtet und sie waren reihenweise geschmolzen. Aber sie waren ja alle so langweilig gewesen- So einseitig, so, so- Langweilig. Anders konnte man es nicht beschreiben. Aber die Zeit war vorbei, zumindest bei den Hündinnen, die er schon kannte. Aber diese, diese hatte er noch nie hier gesehen, das war eine Neue. Sie kannte Steeles Geschichte nicht, sie war völlig neutral- Und das würde Steele ausnutzen. Er müsse wahrscheinlich gar nicht viel tun, um sie auf seine Seite zu bekommen- Mit Sicherheit war sie wie die anderen auch- Leicht rumzukriegen. Zudem gefiel sie ihn… Sie war hübsch und hatte ganz bestimmt auch ihre Reize. Inzwischen hatte auch Kaskae Steele bemerkt. Sie hob den Kopf und sah dem Rüden mit aufgestellten Ohren hinterher. Wow, bisher hatte sie selten so einen großen Hund gesehen- Beeindruckend, und sie dachte immer, sie wäre die Größte. Doch am faszinierendsten fand sie seine eisblauen Augen. Die hatten irgendwas, irgendwas fesselndes, undurchdringliches. Der Blick war so eisig und gleichzeitig geheimnisvoll, dass Kaskae ihm einfach hinterherschauen musste. Der Rüde sah wirklich… Gut aus. Er war bestimmt einer diese Hochleistungsschlittenhunde- Eine Szene mit der Kaskae NICHTS zu tun haben wollte- NIE mehr. „Hey, Mädchen, hier bin ich wieder.“ Kaskae schreckte auf und wand den Kopf um. Jane kam aus dem Laden heraus und band die Hündin eilig ab. „Na dann komm.“ Doch auf dem Heimweg gab es SCHON WIEDER eine kleine Unterbrechung, die zumindest Janes Aufmerksamkeit erregte- Wäre es nach Kaskae gegangen, dann wäre sie sofort weitergelaufen! Der ‚Trainingsplatz‘ für die Schlittenhunde, war einfach die gesamte Gegend- Es gab weder Absperrungen, noch sonst was, die Hunde rannten einfach eine bestimmte Strecke gegeneinander. Jane hatte die kleine Menschenmenge bemerkt und hatte sich einfach dazwischen gestellt. Auch wenn Schlittenrennen nicht ihr Ding waren, so war es doch ganz interessan dabei zuzusehen, sonst gab’s hier ja eh nichts. Doch Kaskae war das hier gar nicht recht, ganz und gar nicht! Sie kannte diesen Albtraum, sie kannte jedes dreckige, schmerzvolle Geheimnis der Hundeschlitten. Nein, sie hatte diesen Horror oft genug mitmachen müssen, sie wollte sich das nicht schon wieder antun! Sie wollte hier weg! Sie wollte das nicht, sie wollte gehen! Ängstlich legte sie die Ohren an und klemmte den Schwanz ein, doch Jane schien das alles gar nicht zu bemerken, sie hatte nur Augen für die Musher, die ihre Hunde fertig machten. „Lass uns gehen…“, wimmerte Kaskae leise und presste sich ängstlich an Janes Beine, doch die tätschelte ihr nur den Kopf. „Jane, bitte…“, wimmerte Kaskae und winselte nun merklich lauter. „Hä? Mädchen, was ist denn?“, fragte Jane und bückte sich zu der Hündin herunter. Doch es schien, je eher sich die Musher für das Training fertig machten, und je eher sie für den Start bereit waren, umso größer wurde Kaskaes Panik. Inzwischen riss sie wie wild an der Leine, schien fast schon hysterisch zu werden. Auch Steele, der an einem der Schlitten stand, erkannte die Hündin von grade eben wieder und zog verwundert eine Augenbraue hoch, als er sah, mit welcher Hartnäckigkeit sie an der Leine zerrte. Egal welches Problem sie hatte, sie sollte ihn besser nicht ablenken. Und dann, als einer der umherstehenden Männer das Startsignal gab, da war alles mit Kaskae vorbei! Jaulend riss sie sich so plötzlich los, dass Jane sie nicht mehr halten konnte. Alles was sie jetzt noch sah, war eine in Todesangst rennende Malamutehündin. „Nein, nein, bitte nicht!“, schrie die junge Hündin, als sie die Peitsche über den Rücken brettern spürte. Sie konnte nicht schneller! Die Zunge hing ihr aus dem Maul, sie hechelte wie wild, ihr Puls raste, sie glaubte jeden Moment zu hyperventilieren und umzukippen. Zudem war der Schlitten einfach zu schwer für sie und es ging bergauf. Ihre Pfoten waren von den Eissplittern inzwischen so aufgerissen, dass sie bluteten und eine rote Spur im Schnee hinterließen. Ihr tat jeder Muskel ihres Körpers weh, die Beine schmerzen unbeschreiblich und das alte Geschirr schnitt ihr so in die Haut ein, dass sie glaubte, ihr würde es gleich die Haut verätzen. Ihr Körper wollte nicht mehr, sie konnte verdammt noch mal nicht mehr! Sie war völlig fertig, sie war am Ende! Sie wollte nur noch umkippen und endlich von diesen unbeschreiblichen Qualen erlöst werden. Doch dann spürte sie den nächsten Peitschenhieb, der ihr auf der Haut brannte. Sie schrie schmerzerfüllt auf und schrie! Sie schrie nach irgendwas… Irgendwem. Doch nie kam jemand. Nie kam jemand, der sie retten würde- Nie. Das hier war die Hölle auf Erden für einen Hund! Man konnte es kaum in Worte fassen, zu welcher rohen Gewalt diese Menschen imstande waren… Kaskae wusste nicht mal wo sie anfangen sollte, es gab zu viel. Doch sie wollte jetzt auch gar nicht darüber nachdenken, sie musste erst diesen Berg schaffen. Und tatsächlich- Irgendwie schleppte sie sich mit letzter Kraft den Hügel hoch und ließ sich erleichtert zur Seite rollen, als sie sah, wie der Mann vom Schlitten abstieg und auf sie zukam. Harsch und alles andere als vorsichtig, nahm er Kaskae das Geschirr ab und schubste sie in ihren Zwinger. Sie bekam ihre magere, trockene Futterration, die hauptsächlich nur aus Robbenfett und ein paar Arterien bestand, unter dem Zwingergitter durchgeschoben und wurde dann wieder allein gelassen. Sie sah dem Mann mit einem mordlustigen Blick hinterher, wie er zu den vorderen Zwingern ging. Die vorderen Zwinger… Ja. Irgendwann würde sie da auch endlich landen- Dann kam sie hier weg. Sie leckte sich das Blut von den Pfoten und würgte sich das Futter rein. Diese Männer würden ihr nie ihren Stolz, ihre Würde oder ihren Willen zu überleben nehmen. Sie sollten es nur versuchen… Doch Kaskae würde nicht aufgeben, nie! Es war ihr egal, wie oft sie geschlagen werden würde! Die Männer einfach umbringen ging leider nicht, wenn sie das auch nur versuchen würde, würden die sie abknallen. Also musste sie sich fügen- Das war der schnellste Weg aus dieser Hundehölle. Nein, nein, nein! Das durfte alles nicht wahr sein! Was wollten die von ihr? Die sollten sie in Ruhe lassen! Warum wollten die ihr wieder weh tun, was hatte sie denn jemals getan? Die sollten ihr vom Pelz bleiben! Jeder von denen! Keine Schlitten mehr, keine Geschirre, keine Rennen mehr, nie mehr! Sie wollte diesen Albtraum nicht schon wieder von vorne durchmachen! „Kaskae! Komm zurück!“, schrie Jane von weitem und nahm die Verfolgung auf. Doch sie hatte natürlich keine Chance. Schwer atmend kam Kaskae schließlich doch zum stehen, als sie merkte dass… dass ihr niemand was tat. Sie war sicher! Niemand schlug auf sie ein… Alles war gut… Alles gut. Ganz langsam atmetet sie tief ein und aus und wollte sich schon auf den Rückweg machen, als sie plötzlich ausrutschte. Was zum…? Oh nein! Nicht gut, gar nicht gut! Kaskae sah sich mit immer noch rasendem Herzen um. Sie saß mitten im Hafenbecken von Nome. Das Eis war nicht mehr sehr dick, ein Fehltritt und sie würde als Eisklotz ans Ufer gebracht werden müssen. Toll. Und jetzt? Wimmernd sah sie sich nach Jane um, die am Ufer stand und scheinbar versuchte, sie mit einem Leckerchen an Land zu locken. Doch Kaskae traute sich nicht… Sie würde ausrutschen und ins Eis einbrechen! „Na komm Mädchen, bei Fuß!“, rief Jane ein paar Mal und sah sich hilflos um. Okay, so klappte das anscheinend nicht… Was dann? Auf das Eis gehen würde sie ganz bestimmt nicht! Sie war ja nicht blöd! Aber es musste doch irgendeine andere Möglichkeit geben! Ratlos ließ Jane den Blick über das Hafenbecken schweifen, doch dann erkannte sie einen alten Steg, der weiter hinaus führte. Hm… Vielleicht, wenn sie sich lang genug machte, vielleicht würde sie dann Kaskaes Leine zu fassen bekommen… Einen Versuch war es immerhin wert. „Hey Süße, alles wird gut, ich bin gleich da…“, murmelte sie eher sich selbst als der Hündin zu. Als sie am Ende des Steges ankam, legte sie sich auf den Bauch und versuchte sich so lang wie nur mögcih zu machen, ohne dabei auf das Eis zu fallen. Gequält stöhnte sie auf und streckte den Arm nach der Leine aus. „Kaskae, komm her, komm!“, flehte sie. Die Hündin war nun nur ein paar Meter von ihr entfernt. Oh Bitte! Als hätte sie nichts anderes zu tun! Sie wollte nur einkaufen, und jetzt lag sie auf einem Steg, fror bis auf die Knochen und versuchte ihren anscheinend hochintelligenten Hund vom Eis runter zu bekommen. Warum sie? „Kaskae! Komm jetzt!“, motzte sie sie an und strick sich eine braune Locke aus dem Gesicht- Okay, das reichte! Wenn sie nicht zu Jane wollte, dann kam Jane eben zu ihr! „Okay Fräulein, das gibt ärger!“ Ganz langsam kletterte Jane die kleine Leiter am Steg runter und tastete mit dem Bein vorsichtig das Eis ab. Okay, anscheinend konnte sie hier noch stehen. „Kaskae, komm jetzt, komm!“, forderte sie sie auf, doch die Malamutehündin sah ihr Frauchen nur mit großen, unwissenden, unschuldigen, braunen Knopfaugen an. Obwohl Jane eigentlich nur zu gern so getan hätte, als würde der Hundeblick ihr nichts anhaben, doch sie konnte einfach nicht anders… Sie gab nach. Wortlos lief sie ganz langsam, Schritt für Schritt, auf Kaskae zu und ergriff die Leine. Und plötzlich, als wäre nie etwas gewesen, sprang Kaskae auf und lief mit wedelndem Schwanz hinter Jane her, die mit leicht zittrigen Knien das Eis abtastete, um mögliches Einstürzen zu verhindern. Sie konnte nicht mehr den Steg hoch, Kaskae war zu schwer um sie da hoch zu bekommen. Und nun, als sie ENDLICH das Ufer erreichte, zitterte sie regelrecht. Ihre Knie waren so wackelig, sie musste sich erst mal in den Schnee setzen und tief durchatmen- Was für ein Tag! Und es war nicht mal drei Uhr! Kaskae, sah nur unschuldig zu Jane und schmiegte den Kopf an ihrem Gesicht. „Mann, Mann, Mann! Ey, was war denn grade los mit dir? Friert die Kälte dir langsam aber sicher das Resthirn zu? Was war das vorhin, verdammt! Dir hat niemand was getan!“, begann Jane zu schimpfen und rappelte sich nun doch auf. Sie nahm die Einkaufstüte, die zusammengefallen im Schnee stand und riss so ruckartig an Kaskaes Leine, dass dieser für einen kurzen Augenblick die Luft wegblieb. Toll, jetzt war Jane wütend! Und das nur wegen ihr. Kaskae hasste es wenn Jane wütend war! Sie war dann ganz leicht reizbar, zupfte sich ständig an den Haaren rum und ignorierte Kaskae gnadenlos. „Komm jetzt.“, murrte Jane als sie wieder auf der, von dem gröbsten Schnee befreiten, Straße waren, die nach Hause führte. „Tut mir ja leid…“, meinte Kaskae kleinlaut. Aber Jane verstand einfach all das nicht… Sie wusste auch gar nicht, was Kaskae schon alles durchgemacht hatte. Sie konnte nicht nachvollziehen, woher diese panische Angst vor Schlittenrennen kam- Sie wusste es einfach nicht. Was Kaskae nicht bemerkte, waren zwei eisblaue Augen, die ihr mit einer Mischung aus Neugierde und Abschätzung hinterher sahen- Ja, so unterschiedlich konnten die Gefühle für jemanden sein. Am Abend, als die Dämmerung schon lange eingesetzt hatte und der Vollmond hell und prall am Himmel hing, Saß Kaskae wie jeden Abend in ihrer Hundehütte und hatte sich müde gegen die Hauswand gepresst: Ihre Hundehütte war so gebaut, dass eine der Wände direkt die Hauswand war, es gab also keinen Zwischenraum zwischen Haus und Hundehütte, sie grenzten genau aneinander. Die Hauswand war immer viel wärmer als die anderen Wände, da genau an dieser Stelle der Kamin stand. Eigentlich war Kaskae schon fast am Einschlafen, als sie von draußen plötzlich ein langgezogenes Heulen hörte. Sofort sprang sie auf und spitzte angestrengt die Ohren, in der Hoffnung noch mehr zu hören. Früher hatte sie das nachts ein paar Mal mit den Nachbarshunden gemacht. Und irgendwie überkam sie nun die unbändige Lust es wieder zu tun! Also gut… Wer war denn überhaupt da? Sie spitzte die Ohren und erkannte auf jeden Fall schon mal Sylvie… Dieses raue Bellen konnte nur sie sein. Und sie erkannte auch ein etwas piepsigeres Jaulen, dass war auf jeden Fall Dixie. Nun folgten einige Hunde, die Kaskae vielleicht mal gesehen, aber noch nie gehört hatte. Nun war sie an der Reihe. Ein sehr langes, lautes und fast schon kratziges Jaulen entfuhr ihr und sie spitzte nun die Ohren, um eine Antwort zu erhalten. Dixie und Sylvie erklangen daraufhin in lautem, fast schon hysterischem Bellen, das durch die Entfernung zum Ort jedoch merklich Gedämpft bei Kaskae ankam. Dann jedoch ertönte ein weiteres Jaulen. Es war sehr tief, lang und nicht so stockend wie das der anderen Hunde. Kaskae horchte genauer hin. Okay, dieses Jaulen was ihr wieder neu. Sie gab ein langgezogenes Heulen zur Antwort, gespannt ob der neue sich wieder melden würde. Doch ehe sie sich versah, hörte sie plötzlich ein genervtes Seufzen hinter sich- Nicht gut, gar nicht gut. Jane stand in ihrem Nachthemd da, hatte den Hausschlüssel in der Hand und bibberte ein wenig. „Mädchen, bitte… nicht jetzt. Morgen ist Schule.“, nuschelte sie gequält und nahm Kaskae am Halsband. Auf leisen Sohlen schlichen sie ins Haus und stahlen sich unbemerkt in den ersten Stock- Was gar nicht so einfach war, da die Stufen schrecklich quietschten. „Und jetzt möchte ich ruhe, okay?“, befahl Jane und kuschelte sich in ihr Bett. Kaskae sah sehnsüchtig aus dem Fenster, durch das der Vollmond strahlte, doch manchmal war es besser sich zu fügen. Mann war das öde. Obwohl Kaskae eigentlich schlafen sollte, konnte sie nicht. Doch wenn sie jetzt jaulen würde, dann würde es ärger, für sie als auch für Jane geben, denn eigentlich durfte sie nachts gar nicht ins Haus. Gelangweilt starrte Kaskae auf ihre Zehen, doch dann hatte sie eine geniale Idee- zumindest ihres Erachtens nach. Jane schlief inzwischen tief und fest und so konnte Kaskae unbemerkt auf ihr Bett springen. Betten waren was tolles! Eigentlich fand Kaskae es verdammt unfair: Die Menschen bekamen tolle Betten, doch sie bekam nur eine öde Decke, wenn sie Glück hatte auch ein großes Kissen- Aber mehr war da nicht dabei. Sie fand’s unfair. „Na dann gute Nacht Frauchen…“, gähnte Kaskae und kuschelte sich ins Fußende des Bettes. Kapitel 3: Aller Anfang ist schwer ---------------------------------- Als Jane sich am nächsten Morgen aus dem Bett kämpfte, fiel ihr gar nicht auf, dass Kaskae am Bettende lag. Doch als sie schließlich genauer hinsah erkannte sie den großen Hund zwischen einer Decke und fluchte leise vor sich hin. Wenn ihre Eltern mitbekommen würden, dass Jane den Hund über Nacht ins Haus genommen hatte… Das gab Ärger. „Hey. Hey, Kaskae, steh auf du oller Fußabtreter.“, sagte sie und zog die Decke von der Hündin herunter. Augenblicklich schoss Kaskae hoch und sah sich erschrocken um, ehe ihr die gestrigen Ereignisse wieder einfielen. Sofort sprang sie vom Bett und bellte freudig auf, als Jane begann ihr Bett zu machen. „Leise!“, zischte Jane jedoch und hielt sofort Kaskaes Maul zu. Dann war es ganz still. Jane lauschte angestrengt in die Dunkelheit. Sie flehte, dass weder Miss Morris noch ihre Eltern von dem Bellen wach geworden sind. Das wäre der totale Albtraum. Doch es tat sich nichts. Jane atmete erleichtert aus und ließ schließlich langsam Kaskaes Maul los. „Okay Mädchen, komm jetzt.“, sagte sie leise und öffnete vorsichtig die Tür in den Flur. Als sie mit Kaskae die Treppe herunter schlich, glaubte sie jedoch jeden Moment aufzufliegen. Die Stufen knarzten bei jedem Schritt. Hm, seltsam, Tagsüber schien dieses Knarzen irgendwie leiser zu sein. „Gut, da ist die Tür, und jetzt raus mit dir.“, flüsterte Jane, als sie den Schlüssel zur Eingangstür umdrehte und Kaskae raus schickte. „Guten Morgen Janny.“ Jane wirbelte erschrocken umher, das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sah Miss Morris hinter sich stehen. Sie trug ihren Morgenmantel und sah mit einem äußerst strafenden Blick zu Jane herab. „Ich… ich wollte ihr nur guten Morgen sagen. Ich hab sie bellen hören und dachte, etwas stimme nicht.“, versuchte Jane sich zu erklären. Warum sonst stand sie mit Kaskae früh am Morgen zwischen Tür und Angel? Miss Morris schien einen Augenblick noch darüber nachzudenken, ob sie Janes Geschichte glauben sollte, doch dann zuckte sie nur die Schultern und sagte Jane, sie solle die Türe wegen der Kälte zu machen. Erleichtert atmete sie auf und schloss schnell die Tür. Sie konnte wirklich keinen Ärger am ersten Schultag gebrauchen. „Und denk daran, einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen. Und hier ist noch Futter für den Hund, ich hab‘s auf dem Herd aufgetaut.“, sagte Janes Mutter und gab ihr eine Schüssel voller Robbenfett und einigen Schlachtabfällen. „Keine Sorge, ich werde mich bemühen. Seid ihr heute Nachmittag eigentlich zu Hause oder wieder arbeiten?“, fragte Jane wie beiläufig und nahm die Schüssel an sich. „Kommt darauf an… Wenn wir einige schöne Eisbärexemplare finden, werden wir wahrscheinlich wieder bis zur Dämmerung bleiben.“ Jane seufzte und stellte die Futterschüssel auf dem Boden ab, woraufhin Kaskae angelaufen kam und ihr Frühstück in sich schlang. „Wieso müsst ihr denn immer so lange weg sein?“ „Jane, dein Vater und ich sind Biologen. Ich kann froh sein, dass ich als Frau damals überhaupt einen Studiumsplatz bekam! Und dass die Universität uns dieses Forschungsprojekt angeboten hat, finde ich ist eine wunderbare Sache!“ „Ja… Für euch.“ „Nun tu nicht so, ja? Wir haben das schon ausdiskutiert und dir wird das hier alles auch noch gefallen, ganz sicher. Es wird eine Weile dauern, bis du vielleicht ein paar Freundinnen gefunden hast, aber das wird schon.“ Enttäuscht sah Jane auf, nickte gehorsam und streichelte im Vorbeigehen noch schnell über Kaskaes Rücken, ehe ihre Mutter ihr noch etwas hinterher rief: „Ach, ahm Jane: Tu uns und dir selber den Gefallen und sag in der Schule nicht jedem, wer genau deine Eltern sind. Sag einfach dein Vater ist Forscher oder so… Ist ja nicht gelogen.“ Jane seufzte und nickte. „Ich weiß… Kommt in Gegenden wie diesen nicht so gut, wenn ich sage, dass meine Eltern Atheisten sind, die in Charles Darwin Theorien glauben und sich Jahrelang mit der Evolutionstheorie beschäftigten, was?“ Janes Mutter nickte und sah sie mit einem vielsagenden Blick an, der so viel sagte wie ‚Du hast es erfasst‘ „Okay, also dann, tschüss!“, rief Jane, womit sie jedoch Kaskaes Interesse erweckte. Die Hündin bellte ihr verwundert nach und sah ratlos über den Zaun, dann wandte sie sich an Janes Mutter und sah ihr völlig verwirrt in die Augen. „Na Kask‘? Jane muss jetzt wieder in die Schule, ja? Du weißt schon, sie muss lernen, damit sie eines Tages Chance in dieser von Männer dominierten Welt hat.“ Kaskae legte nur verwundert den Kopf schief. Sie verstand ja das meiste, eigentlich fast alles, was die Menschen sprachen, aber manchmal, da kamen sie mit solchen Dingen wie Politik, Wissenschaft oder sehr speziellen Themen an, die die Hündin einfach nicht verstand! Bei diesen Gesprächen fielen so viele Fremdworte, dass Kaskae nur verwundert zwischen den Menschen umher sah und es meistens aufgab. Ja, Menschen sind seltsam, das ist eine Tatsache. Aber dass Jane plötzlich wieder zur Schule geht… Das ging ja gar nicht! Kaskae hatte sich grade erst daran gewöhnt, ihr Frauchen ständig für sich zu haben. Eigentlich war es empörend, dass Jane zur Schule gehen musste. Aber gut, dann würde sie sich eben ihrem neuen Lieblingshobby widmen: Schnee spielen! Denn eines hatte Kaskae wirklich zu wertschätzen gelernt: Schnee! Sie hatte Schnee ja schon immer geliebt, aber in diesen Ausmaßen war er auch ihr neu. Sie liebte es sich in diesem Zeug zu wälzen, darin zu graben oder einfach nur willkürlich darin herumzuschlagen. Es sah immer so toll aus, wenn der Schnee dann zu allen Seiten hochflog und sich in ihrem Fell verfing. Jane sagte mal: Um einem Menschen eine Freude zu bereiten braucht man Geld und Zeit, doch bei einem Hund genügt schon ein alter Stock um ihn zum glücklichsten Wesen auf Erden zu machen. Und so ging das dann auch eine ganze Weile… Kaskae beschäftigte sich einzig und allein mit dem Schnee, tobte durch über das Grundstück und legte sich nach einer Weile zurück in ihre Hundehütte. Sie hechelte stark und sie verlor langsam das Gefühl in ihren Pfoten, sie waren einfach zu kalt. Doch inzwischen war die Sonne aufgegangen und ließ die weiße Schneelandschaft fast schon grell erscheinen. Als nach einiger Zeit wieder Gefühl in Kaskaes Pfoten kam, stand sie schließlich auf und legte sich genießerisch in die Morgensonne. Sie mochte die Sonne eigentlich, doch Hitze machte ihr zu schaffen. Gut, wirkliche Hitze hatte sie noch nie erlebt, aber ihr war schon oft zu warm geworden. „Hey, Mädchen, was liegst du denn hier mitten im Weg rum?“, ertönte jedoch eine Stimme und riss Kaskae aus ihrem morgendlichen Sonnenbad. Janes Vater. „Na komm Kaskae, leg dich wo anders hin.“, meinte er und streichelte ihr über den Rücken. Die Hündin stand schwerfällig auf und trottete an den Zaun, damit sie nicht mehr im Weg rumlag. Im Halbschlaf bekam sie jedoch noch mit wie Janes Eltern mit dem Auto davon fuhren. Eigentlich waren Kaskae diese Autos etwas unheimlich, doch in letzter Zeit wurden sie immer populärer. Immer mehr Leute leisteten sich eins und sie wurden immer schneller… Zumindest kam es ihr so vor. Okay, sie stanken ganz fürchterlich, aber dennoch schienen die Menschen diese Blechkisten wie Heiligtümer zu behandeln! Das Auto hatte sogar sein eigenes Haus! Okay, Kaskae hatte auch ihre Hundehütte, aber irgendwie war das nicht das gleiche… Ihre Hundehütte war… Naja, schon recht groß, aber das Auto hatte viel mehr Platz! Irgendwie fand Kaskae das unfair, aber wenn die Menschen wirklich so seltsam waren... Sollten sie doch. Kaskae hörte ein paar Schneegänse über ihr hinwegfliegen, doch unter das Gegacker der Gänse mischte sich noch was anderes… Ein Rufen oder so. Sie hob den Kopf und sah sich suchend um, doch nur Augenblicke später spürte sie, wie irgendwas gegen den Zaun rannte und sich wild fluchend den Kopf rieb. „Dixie, Sylvie, was macht ihr denn hier?“, fragte sie und stand schmunzelnd auf. „Hi Kaskae! Hey, wir kamen grade zuuufällig vorbei…“, erwiderte Dixie. Kaskae zog vielsagend eine Augenbraue hoch. „Ihr seid absichtlich hier, stimmt’s?“ Dixie kicherte verlegen. „Also… Nunja, das liegt im Sinne des Betrachters, weißt du?“ Kaskae setzte ein Sarkastisches Grinsen auf und lief an den Zaun. „Was wollt ihr denn?“ „Also eigentlich wollten wir dich zuuufälliger weise fragen, ob du vielleicht mit uns in den Ort gehen würdest…“, fragte Sylvie nun. „Was? Warum denn?“ Kaskae sah völlig verdattert drein. Nicht, dass sie nicht gerne im Ort war oder so, aber kam das nicht ein bisschen… Plötzlich? Sie war ein paar Tage in Nome und schon sollte sie mal, dir nichts, mir nichts, wie selbstverständlich, nach Nome spazieren? „Nunja… Du könntest ja mal unsere Freunde kennenlernen… Schließlich kennst du ja niemanden außer uns, oder?“ „Äh schon… Aber, aber, wie stellt ihr euch das um Himmels Willen vor?“, fragte Kaskae weiter und deutete auf den hohen Zaun, der sich um das Grundstück erstreckte. Sie hatte eigentlich keine große Lust ihr Sonnenbad aufzugeben, doch gleichzeitig wollte sie Dixi und Sylvie nicht enttäuschen oder so. „Dann hau doch ab… Wie schleichst du dich sonst immer von zu Hause weg?“, fragte Dixie. „Äh… Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich hau nicht von zu Hause ab. Ich hab das noch nie getan und ich will auch keinen Ärger bekommen.“, erklärte Kaskae bestimmt. „Aber deine Besitzer sind doch alle weg, oder?“ „Ja, schon… Aber die Haushälterin ist noch da, sie wird das bestimmt bemerken.“, versuchte Kaskae sich wieder rauszureden. „Ach so ein Unsinn! Der alten Dame wird schon nicht auffallen dass du mal für ein paar Stunden weg bist! Es ist nicht mal Mittag, wem sollte da irgendwas auffallen?“, ermunterte Dixie sie weiter. Kaskae wusste, dass sie nicht einfach gehen durfte, doch der unbändige Reiz des Verbotenen war doch gewaltig! Und sie war, zugegeben, doch neugierig… Also gut, sie könnte es ja mal versuchen… „Meinetwegen… Aber erst wenn ihr mir sagt, wie ich hier raus komme.“ Sie klang zögerlich, doch das Gesagte konnte sie auch nicht mehr zurücknehmen. „Ha, klasse! Sylvie, zeig uns was du so tolles kannst!“ Sylvie grinste selbstgefällig, lief zum Zauntor, stellte sich auf die Hinterbeine und drückte die Klinke mit den Vorderbeinen herunter. „Hab ich mir selbst beigebracht, kein Grund mir zu danken!“, meinte sie mit einer verbeugenden Geste und schob das Tor mit der Schnauze auf. Etwas unsicher machte Kaskae ihre ersten Schritte raus. Ihr stellte sich zugegebenermaßen das Fell auf und sie fröstelte kurz. Sie wusste ganz genau dass sie etwas Strengverbotenes tat und sie tat es nicht gern, doch der Reiz gegen all diese Regeln zu verstoßen war gewaltig. Auch wenn sie sich nicht ganz wohl dabei fühlte… „Okay, aber wir beeilen uns, ja?“, hakte Kaskae nach und schob das Tor schnell wieder zu. „Jaja, und nun komm!“, ermunterte Dixie sie. Die drei Hündinnen trabten mit schnellen Schritten in Richtung Nome, immer die Straße entlang, bis Kaskae plötzlich etwas einfiel. „Aber sagt mal, ist das nicht gefährlich, wenn wir einfach herrenlos durch die Straßen laufen? Ich meine man könnte uns erschießen oder so.“ Sylvie verdrehte genervt die Augen und lachte dann spöttisch. „Oh bitte, hier laufen doch dauernd irgendwelche Hunde durch die Gegend und glaub mir: Die haben ALLE einen Besitzer. Und ich glaube kaum, dass man drei Rassehunde wie uns einfach abknallen würde… Zudem tragen wir alle Halsbänder, also kein Grund zur Sorge.“ „Ja, und was für ein hübsches du trägst!“, bemerkte nun Dixie. „Ach das… Danke, schön dass es dir gefällt, deins ist auch…“ Sie stockte und senkte den Kopf. „Sag mal… Ist das ein Spiegel auf der Rückseite der Hundemarke?“ Dixi grinste verlegen und legte die Pfote eilig auf den Anhänger. „Ach das… Äh, war eine dumme Idee, ich weiß…“ „Ähhh…“ Kaksae wechselte einen vielsagenden Blick mit Sylvie. „Ich frag gar nicht erst nach…“ „Solltest du auch nicht… Ist eine laaange, komplizierte und nervenraubende Geschichte. Das dunkelste Kapitel in unserem Leben. Bäh, reden wir gar nicht darüber.“ „Okay, ich frag nicht nach.“, meinte Kaskae mit einem sarkastischen Unterton. Doch plötzlich quiekte Dixie auf und sprang freudestrahlend auf eine Huskyhündin zu. „Jenna! Hier ist sie, ich sagte doch wir bringen sie mit, also die Hündin von der wir dir erzählt haben, schau, da!“ Die rotbraune Huskyhündin mit dem orangenen Halstuch hob den Kopf und lächelte Kaskae freundlich entgegen, als sie sie sah. Kaskae gab nur ein höfliches, kurzes nicken von sich und sah dann zu Sylvie. „Und das ist also eure Freundin?“ „Ja, aber nicht nur, es gibt noch viele, viele andere…“, erklärte Sylvie. Nun kam Jenna näher und stellte sich vor. „Ich bin Jenna. Du musst dann wohl Keska sein, oder?“ „Ähm… Nicht ganz… Kaskae. Aber freut mich dich kennenzulernen, Jenna.“ „Ebenfalls. Dixie erzählte, deine Besitzer seien Forscher, stimmt das?“ „Ach hat sie das?“ Kaskae sah grinsend zu Dixie, die sich ein wenig verlegen zwischen Sylvies Beinen stand und unschuldig dreinblickte. „Naja, sie hat ja nicht gelogen… Aber ich gehöre mehr der Tochter meiner Besitzer, sie verbringt eigentlich alle Zeit mit mir.“ „Oh, sie ist jetzt wahrscheinlich im Internat, nicht?“, fragte Jenna. „Nein, nein! Sie geht hier auf die Schule… Naja, sie muss aber schon sehr früh aus dem Haus und kommt erst spät wieder.“ „Aber das ist bestimmt spannend, Forscher als Besitzer zu haben, oder? Ich meine du kannst sie überall hin begleiten und machst bei einer Menge aufregender Dinge mit, nicht?“ Kaskae lachte amüsiert über Jennas Vermutungen. „Oh nein, normalerweise würde jetzt eine ältere Dame auf mich aufpassen. Miss Morris, die Haushälterin… Gute Frau. Aber ich muss dich enttäuschen: Ich war noch nie bei irgendeiner dieser Forschungsarbeiten mit.“ „Oh… Das wusste ich nicht, entschuldige…“ Jenna lächelte verlegen, dann trat sie jedoch zur Seite. „Und ansonsten? Haben deine Herrchen vor, dich bei unserem Schlittenhundeteam einzutragen?“ Augenblicklich stellte Kaskae mit einem gewissen Entsetzen die Ohren auf und blickte einen Moment lang fassungslos drein, doch dann fasste sie sich sofort wieder und schüttelte energisch den Kopf. „Nein, nein, nein, nein, das würden die nicht tun. Und mir ist das auch recht so! Ich habe nämlich keine Lust irgendjemanden hinter mir herzuziehen. Ich bin ein Hund, kein Pferd.“ „Oh… Okay.“ Irgendwie gefiel es Jenna nicht, wie Kaskae über Schlittenhunde zu denken schien, doch sie wollte keine voreiligen Entschlüsse ziehen. „Hey ihr beiden, kommt! Kaskae, gleich lernst du die anderen kennen.“, rief Dixie enthusiastisch und lief in eine dunkle Nebengasse Nomes. „Äh… Sind wir hier wirklich richtig?“, hakte Kaskae nach und sah angewidert zu dem Gerümpel und den Abfälle, die hier in den Gassen und hinter den Häusern lagerten. Aber was sollte denn diese dumme Frage grade eben bitte? NATÜRLICH wussten die anderen wo sie hinliefen, sie lebten schließlich schon ihr ganzes Leben hier! Oh je, Kaskae kam sich grade einfach nur dämlich vor. „Ganz bestimmt… Weißt du, es gibt hier einen Boilerraum, da treffen wir, also auch die meisten anderen Hunde, uns immer. Es ist toll dort, es gibt Decken, viel Platz und es ist kuschlig warm.“, erklärte Sylvie und hielt vor einer Tür. „Da sind wir. Oh, und mach dich auf die Höhle des Löwens bereit, wenn du läufig bist, ist das da drin, als Hündin, eine echte Herausforderung.“ Danke, zu viele Details. Sylvie öffnete die Tür und das erste was Kaskae entgegen kam, war ein Schwall neuer Gerüche. Einige Hunde saßen in dem Boilerraum, manche nur für sich, manche scharrten sich dicht nebeneinander. Doch als Jenna, Sylvie, Dixie und Kaskae in der Türschwelle standen, zogen sie sofort alle Blicke auf sich; Zum einen weil sie doch ganz hübsche Hündinnen waren, zum anderen, weil sie eine Neue dabei hatten. Kaskae spürte ganz genau all die Blicke im Nacken, sie spürte die plötzliche Aufregung der anderen Hunde und eigentlich war ihr das nicht allzu recht. Sie mochte es selbstverständlich, wenn sie Aufmerksamkeit auf sich zog, doch nicht auf diese Weise. Sie mochte es, wenn sie unter Freunden und Leuten die sie schon kannte, Aufmerksamkeit bekam, aber zwischen völlig Fremden… Nein, nicht dann. „Wunder dich nicht, Abends sitzen hier viel mehr Hunde.“, meinte Dixie und betrat, dicht gefolgt von den anderen, den warmen, fast schon stickigen Raum. Kaskae sah sich neugierig um und setzte sich schließlich neben Sylvie, die Hündinnen schienen hier wohl schon einen Art Stammplatz zu haben. „Okay ihr beiden: Ihr wolltet mir die anderen Vorstellen, könntet ihr das jetzt auch tun?“ „Ach haben sie das?“, fragte Jenna nun. „Ja… Die beiden haben mich sogar dazu gebracht von zu Hause abzuhauen… Eigentlich ist das bei meinen Herrchen eine Todsünde.“ „Oh… Ich glaube du kennst Dixie und Sylvie noch nicht gut genug. Die beiden können manchmal sehr hinterlistig sein, ist es nicht so?“ „Was? Wiiiir doch nicht!“, meinte Sylvie mit einem ironischen Unterton und räkelte sich genüsslich auf dem Rücken umher. „Naja, aber wir wollen doch mal nicht so sein.“, sagte Dixi nun. „Also uns kennst du ja schon. Naja, momentan sind nicht viele Hunde hier… Also der alte Bernhardiner ist Doc, die Bulldogge mit den seltsamen Zuckungen ist Morse und die drei Typen da hinten sind Nikki, Kaltag und Star… In der Reihenfolge.“ Jenna kicherte. „Ja, die drei sind die härte… Star kann einem wirklich leidtun, er ist immer der, der bei seinen unpassenden Kommentaren eins über die Mütze bekommt. Nicht zu vergessen, dass er nicht der allerhellste ist.“ „Ach, wenn man vom Teufel spricht…“, meinte Sylvie nun. „Schaut mal wer da kommt.“ Jenna seufzte. „Und schon kommt das Trio angelaufen. Kaskae, mach dich auf eine Menge Fragen bereit.“ Jenna erhob sich und schüttelte kurz das Fell auf, ehe sie zum Ausgang lief. „Ich treff mich gleich mit Balto, also dann Mädels, man sieht sich!“ „Eins muss man ihr lassen, sie weiß wie man sich rechtzeitig aus nervigen Situationen befreit…“, meinte Sylvie leise, ehe Kaltag, Nikki und Star zu ihnen kamen. Kaskae musterte die drei Hunde eindringlich. Nikki war dunkelbraun, ziemlich groß und bullig, er sah aus wie die meisten Hunde, dir Kaskae bisher kennengelernt hatte. Kaltag war etwas schlanker gebaut, hatte ein beiges Fell und einen braunen Fleck um sein linkes Auge. Und Star war etwas… ähm… Besonderes. Kaskae hätte ihn als zerrupfte Flohschleuder bezeichnet, zumindest sah er so aus. Sein Fell war ziemlich struppig und ungepflegt, die Ohren angebissen, wahrscheinlich von Kämpfen mit anderen Hunden und Star an sich war ziemlich klein und dünn. „Hey Dixie, wer ist das denn?“ Kaltag war der erste, der etwas sagte. „Hey Jungs. Ihr erinnert euch doch sicher noch an die Hündin, von der ich euch erzählt hab, die neu in den Ort gekommen ist, oder?“ „Ja, ist sie das?“, fragte Star. „Erraten, das ist…“ „Kaskae.“, stellte sie sich ungerührt vor. „Na schön das schon der halbe Ort über meine Existenz Bescheid weiß.“ Sie setzte sich auf und schüttelte das Fell auf. „Dann müsst ihr Kaltag, Nikki und Star sein, was?“ „Ganz genau! Von wo kommst du eigentlich?“, fragte Nikki. „Ketchikan. Meine Herrchen sind aus beruflichen Gründen hier hergezogen.“ „Wow, Ketchikan! Ist warm dort, nicht?“ „Äh… Also wärmer als hier, darauf könnt ihr aber wetten.“, meinte Kaskae grinsend. „Also ich steh ja voll auf Wärme, echt total, das beste was es überhaupt geben kann!“, schwärmte Kaltag und nickte unterstreichend. „Ich aber nicht.“, meinte Kaskae ungerührt, doch in ihrer Stimme lag ein sarkastischer Unterton, so als hätte sie nur darauf gewartet, dass Kaltag eine solche Antwort geben würde. Dixi gab ein Kichern von sich. Sie mochte schlagfertige Antworten und gewissermaßen hatte Kaltag sich so was verdient. Sie fand es wirklich erstaunlich, wie ruhig er plötzlich war. Ja, geb’s ihm Kaskae! Star lachte hysterisch, doch spürte im nächsten Moment einen Schlag auf den Kopf. „Junge, du lernst nie aus.“, meinte Nikki mit einem schadenfreudigen Grinsen, als Kaltag Star schlug. „Hehe… Idiot.“ Auch Kaskae konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. „Aber wie dem auch sei… Die Gegend hier ist verdammt cool– Besser als alles wo ich bis jetzt war.“ „Das freut uns zu hören. Und ansonsten? Wer sind deine Herrchen?“ „Ich gehöre der Tochter von zwei Forschern. Sie bleiben für die nächsten fünf Jahre hier und wollen die Tundra untersuchen… Oder so…“ „Aber sie ist doch gesund!“, wand Star verwundert ein. „Äh… Nein, nicht in dem Sinne… Sie machen Forschungsarbeiten, beobachten Tiere und lauter solches Zeug.“ „Ahhhh… Achsooo. Klingt interessant, darfst du auch mit? Schlittenhund sein, oder so?“ Wow, war es nicht erstaunlich, wie oft Kaskae diese Frage schon gehört hatte? Im ernst, sie verwunderte das richtig! Sie war vielleicht ein Malamute, das konnte sie auch nicht verbergen, doch es schien fast schon so, als ob es eine Selbstverständlichkeit wäre, dass in dieser Gegend jeder einzelne Hund ein Schlittenhund war. Vielleicht war es auch eine Selbstverständlichkeit für die Hunde hier, doch Kaskae erinnerte das nur an aufgerissene Pfoten, Peitschenhiebe, Schmerzen und unbegründete Bestrafungen. Kurz: An das schlimmste Jahr ihres kurzen Lebens. „Nein, nein, sie zieht keine Schlitten.“, meinte Dixie plötzlich. „Echt?“, fragte Nikki. „Ja, warum?“, hakte Kaltag nach. „Ich bin nicht damit aufgewachsen, man brauchte mich für derartiges nie. Warum also sollte ich es jetzt noch lernen?“ „Schon, aber früher oder später wird man dich in einer Gegend wie dieser ganz bestimmt dafür brauchen.“, erwiderte Kaltag verwundert. „Oh nein, das glaube ich nicht!“ Kaskae klang jedoch ein wenig energischer als sie es eigentlich wollte. „Meine Herrchen haben mich einzig und allein für ihre Tochter angeschafft.“ „Heißt das du bist einer dieser Schoßhündchen?“, kicherte Star. „Haha, sehr lustig.“, meinte Kaskae mit einem sarkastischen Unterton. „Naja, Leute, ich geh jetzt jedenfalls nach Hause. Es gibt bald Mittagessen.“, sagte Nikki nun und leckte sich über die Lippen. „Warte, ich komm mit.“, rief Kaltag ihm hinterher und stand auf. „Star kommst du auch?“ Star stand gehorsam auf und dackelte hinter seinen Kumpels hinterher. „Also dann, bis bald Mädels!“, verabschiedeten sie sich. „Bye!“, rief Dixie ihnen nach und räkelte sich dann auf Kaskaes Rücken umher. „Irgendwie riechst du nach Parfüm, weißt du das eigentlich?“ „Immer noch? Weißt du, ich hab heute Nacht im Bett von Jane geschlafen, wahrscheinlich riech ich deswegen wie ein Schminktisch.“ „Cool, du darfst das wenigstens!“ „Eigentlich nicht, sie hat mich nur ins Haus geholt, damit ich endlich ruhig bin. Ich hab gestern die halbe Nacht rumgejault. Und ins Bett durfte ich eigentlich auch nicht, das hab ich selber gemacht, als Jane schon geschlafen hat.“ „Uuuuh, du bist ja ungezogen.“, meinte Sylvie spaßend. „Wem sagst du das, ich bin immerhin auch wegen euch abge-“ Kaskae stockte und eine plötzliche Panik machte sich in ihr breit. „Äh… Sag mal, wie spät ist es?“ „Hm... Also Nikkis innere Uhr ist sehr genau… Ich würde sagen wir haben jetzt etwa Mittag… Warum?“ Ohne jegliche Vorwarnung sprang Kaskae auf und sah sich panisch um. „Oh Gott! Ich muss zurück nach Hause! Miss Morris wird merken dass ich nicht da bin, bald ist Essenszeit!“, rief sie panisch aus, wobei Dixie jedoch von ihrem Rücken fiel. „Hohhhw, sachte!“, meinte Dixie und rieb sich den Kopf. „Nix sachte, ich muss los! Also dann, man sieht sich ihr beiden!“ Kaskae stieß die Tür auf und rannte augenblicklich mit einem Affenzahn los. Sie durfte auf keinen Fall riskieren dass Miss Morris ihre Abwesenheit auffiel, das würde sehr, sehr viel Ärger geben, das wusste sie. Hm, vielleicht wenn sie sich jetzt sehr beeilen würde und dann sofort hinter dem Haus verschwinden würde, vielleicht würde es dann gar nicht auffallen? Aber davor musste Kaskae noch das Gartentor aufbekommen, das wäre die zeitraubenste Aufgabe. Obwohl, vielleicht, wenn sie sich ganz besonders anstrengen würde, vielleicht würde sie dann über den Zaun kommen? Ach verdammt, das war doch alles… Ein plötzlicher Aufprall riss sie unsanft aus ihren Gedanken und sie fand sich auf dem Boden wieder. „Kannst du nicht aufpassen?“, fuhr eine tiefe Stimme sie an. Kaskae sah völlig verdattert zu einem schwarzweißen Malamuterüden, der sich grade aufrichtete und sich den Schnee aus dem Fell schüttelte. „Äh… äh, tut mir Leid, ich… äh, ich hab grade wirklich keine Zeit.“, stotterte sie und sah sich verwirrt um. Toll, das war das blöde an diesen kleinen Gassen: Wenn man herausstürmte, sah man nie, wer auf der Straße auf dich zukam. Nun bemerkte auch Steele wer da vor ihm stand: Es war die Hündin von gestern, welche er vor der Bäckerei und am Hafen gesehen hatte. „Ach, schon okay…“, meinte er und nun sanfter und kam Kaskae näher. „Du musst die Neue sein, über die alle reden, was?“ „Wow, ich schein wohl schon ‘ne Attraktion oder so zu sein…“, meinte Kaskae unruhig. „Ich müsste jetzt aber wirklich nach Hause!“, meinte sie und wurde schneller. Um Steele kümmerte sie sich nicht wirklich, sie hatte andere Sorgen! „Ach, ich glaube wir hatten noch gar nicht das Vergnügen uns Vorzustellen…“ „Kaskae, weiblich, drei Jahre alt, Malamute. Und ich muss jetzt WIRKLICH nach Hause.“, meinte sie knapp ihre Schritte wurden schneller. „So eilig kannst du’s gar nicht haben…“, wand Steele jedoch ein und holte wieder auf. „Ich bin übrigens Steele.“ Kaskae gab ein genervtes Seufzen von sich und blieb so plötzlich stehen, dass Steele beinahe in sie gelaufen wäre. „Junge, ich weiß nicht was du willst, aber ich sag’s dir jetzt ganz direkt: Ich. Muss. Nach. Hause. Ich will ja nicht unhöflich sein, aber es ist dringend! Wir können uns ja mal unterhalten wenn ich die Zeit dazu habe aber momentan steh ich ein biiiisschen unter Stress.“, erklärte sie eindringlich und starrte Steele in die blauen Augen. Aus irgendeinem Grund fragte sie in diesem Moment, ob Steele eigentlich wegen seiner Augen diesen Namen hatte. Aber wie auch immer: Sie musste schnell weiter, wesshalb sie sich kommentarlos abwand und weiterlief. „Ich könnte dich gerne begleiten, momentan hab ich sowieso nichts anderes zu tun.“, meinte er einladend und senkte den Kopf ein wenig. Kaskae drehte sich nach Steele um und kam ihm genervt näher. „Hör zu: Du bist bestimmt ein ganz toller Hund, doch ich habe keine Zeit.“, erklärte sie ein letztes Mal mit ruhiger Stimme. Sie drückte die Schulter an Steeles und sah ihm Wimpernklimpernd entgegen, doch das sarkastische Grinsen war unverfehlbar. „Also dann, man sieht sich.“ Ha, ihre weiblichen Reize… Sie wusste, dass sie sie irgendwann doch mal gebrauchen könnte! Ohne weitere Worte raste sie davon und ließ einen äußerst perplexen Steele zurück. Steele hatte es früher immer auf Jenna abgesehen, doch diese Kaskae war fast schon besser– Kaskae war… Wie sollte man das sagen? Vorlauter? Dreister? Ja, sie war unverfrorener als Jenna, vor allem dafür, dass sie Steele eben erst kennengelernt hatte. Sie hatte dieses raue, ruppige, ungezogene an sich und irgendwie gefiel ihm dieses kecke Auftreten. Irgendwas hatte diese Hündin. Und von nahem betrachtet sah sie auch ziemlich reizvoll aus. Fand er. Naja, er und wahrscheinlich jeder andere Hund im Ort. Kapitel 4: Wie wir uns zum ersten Mal trafen -------------------------------------------- Das Blut pumpte Kaskae durch den Kopf als sie endlich vor dem Haus ihrer Herrchen ankam. Hm, mal sehen… Der Zaun war etwa zweieinhalb Meter hoch, würde sie es da hoch schaffen? Okay, sie sollte es erst mal mit dem Tor versuchen. Unsicher stellte die Hündin sich auf die Hinterbeine und versuchte die Klinke mit den Vorderpfoten herunterzudrücken, wobei sie jedoch scheiterte. Sie machte noch ein paar Anläufe, benutzte nun auch ihr Maul, doch diese verdammte Klinke schien wie verhext! „Verdammt!“, zischte sie und sah verzweifelt den Zaun hoch. Wenn sie sich einfach stellen würde? Einfach kurz aufbellen, Miss Morris mit einem unschuldigen, engelsgleichen Blick anschauen… Würde das nicht reichen? Nein. Definitiv nicht, Miss Morris war zu konsequent. Okay, dann musste Kaskae eben über den Zaun kommen… Irgendwie… Aber wie, das war Maschendraht! Sie würde sich die Beine verdrehen! Egal, lieber ein verdrehtes Bein als Ärger von der Haushälterin zu bekommen. „Okay, dann mal los…“ Kaskae atmete tief durch und holte Anlauf. Doch kurz vor dem Zaun zögerte sie und bekam schließlich doch weiche Knie. Sie konnte das nicht, der Zaun war zu hoch, verdammt! Aber was sollte sie tun, ihr rannte die Zeit davon! Sie brauchte es einfach nicht zustande über diesen verdammten Zaun zu kommen, geschwiege denn durch das Tor, aber gab es denn keinen anderen Weg? Verzweifelt tigerte Kaskae vor dem Tor herum, suchte fieberhaft nach einem anderen Weg hinein, sie buddelte sogar den Schnee weg, doch durch den schmalen Schlitz zwischen Boden und Gitter passte sie nicht durch. „Oh Gott, ich bin geliefert, ich bin am Ende! Mein Leben ist vorbei… Die werden mich kochen und aus meinem Fell Handschuhe machen und wenn Jane fragt wo ich bin sagen sie, ich wäre abgehauen! Oh verdammt, mein Leben ist am Ende – Definitiv, total und absolut am Ende… Kaskae mach dich beriet zu sterben…“ „Mit wem redest du?“ Kaskae fuhr augenblicklich herum und starrte erschrocken zu Steele, der plötzlich hinter ihr aufgetaucht war. „Wo… was, wie, wo kommst du denn her?!“, rief sie erschrocken und versuchte ihr rasendes Herz zu beruhigen. Der Rüde hatte ihr gerade den wahrscheinlich größten Schreck ihres Lebens eingejagt. „Sagtest du nicht du hättest es eilig?“, fragte Steele vielsagend. „Nah, hab ich auch! Die Haushälterin wird jeden Moment kommen um mir mein Futter zu geben und ich bin NICHT auf dem Grundstück!“ Steele zuckte die Schultern und sah unbeeindruckt zu ihr. „Und?“ „UND?! Sag mal, ich bin nicht so ein Hund wie ihr! Ich mach nicht jeden Tag irgendwelche Spaziergänge auf eigene Faust, ich hab genug Erziehung, dass ich zu Hause bleibe! Zudem würden meine Herrchen mir herumstreunen nie erlauben, dass dir das klar ist.“ Steele konnte sich ein Grinsen einfach nicht verkneifen und kicherte. „Du bist ja so süß wenn du dich aufregst, lass dir das klar sein.“ „Na danke auch! Helf‘ mir jetzt oder geh, ich will nicht noch mehr Ärger bekommen.“ „Also gut, also gut, wie kann ich dir denn helfen?“, fragte Steele nun und stellte sich neben sie. Kaskae sah ihn misstrauisch aus den Augenwinkeln an, dann meinte sie jedoch: „Ich muss da rüber kommen, aber wie?“ „Warum versuchst du’s nicht einfach durch die Tür?“, schlug Steele mit einem überlegenen Grinsen vor. Kaskae verdrehte jedoch nur genervt die Augen. „SO schlau war ich auch schon, da geht nichts, die Klinke steckt fest oder so.“ „Lass mich da mal ran Kleines.“ Steele lief selbstsicher auf das Tor zu und sah es sich erst mal prüfend an. „Hey! Ich bin kein hilfloses Baby, lass dir das klar sein“, fuhr Kaskae ihn an, doch der hatte im nächsten Moment bereits das Tor geöffnet „Ähhhh… Wie… wie hast… Es hat doch geklemmt, ich meine wie hast du…“ „Da ist ein Riegel den du zuerst zurückschieben musst. Als du gegangen bist und das Tor zugeknallt hast ist der Regel wohl zurückgeschoben worden.“ „Oh… äh…“ Völlig perplex starrte Kaskae zu Steele, der jedoch noch immer triumphal grinste und mit dem Kopf in Richtung des Tors zeigte. „Hattest du es nicht eilig?“ „Oh, genau! Danke noch mal, du hast was gut bei mir!“, rief Kaskae ihm im vorbeirennen hinterher. „Glaub mir Kaskae… Das merk ich mir…“ Über Steeles Gesicht huschte ein lüsternes Grinsen, jedoch nur für einen kurzen Augenblick, dann verschwand er eilig, da sich die Tür öffnete, Miss Morris der Hündin ihr Futter hin stellte und, als sie Steele erblickte, auf das Tor zukam und dieses laut fluchend schloss. „Diese verdammten Streuner, wenn einer von denen dich verletzt oder mit irgendeiner Krankheit infiziert, deine Besitzer würden ausrasten! Oder stell dir um Himmels Willen mal vor du würdest von denen trächtig werden… Um Himmels Willen, das wäre das schlimmste was passieren könnte“ Miss Morris schloss das Tor und fuhr dann fort: „Aber du bist so eine gute Hündin, obwohl das Tor offen war bist du hier geblieben! Janny wird so stolz auf dich sein, dafür bekommst du eine besondere Belohnung.“ Miss Morris tätschelte Kaskae den Kopf, verschwand im Haus und kam ein paar Augenblicke später mit einem Steak in der Hand zurück. Filetsteak! Okay, nicht viel, aber ein wenig. „Hier, für dich.“ Gierig schnappte Kaskae Miss Morris das Futter aus der Hand und begann es gierig in sich rein zu schlingen, doch im selben Moment bekam sie fast schon so was wie ein schlechtes Gewissen. Sie hatte sich ganz und gar nicht an diese Regel gehalten und das genaue Gegenteil getan und dennoch bekam sie ihre Belohnung. Ach, egal, solange sie eine Belohnung bekam war es ihr eigentlich mehr als egal. Und so ein Filetsteak… Hm, das war doch mal was, nicht? Als die Sonne sich dem Westen neigte und langsam unter ging, kroch Kaskae langsam ein bekannter Geruch in die Nase. Jane! Mit einem erfreuten Bellen sprang die Hündin auf und sprang aufgeregt am Zaun herum. Obwohl Jane noch nicht zu sehen war so hatte sie sie bereits gewittert. „Kaskae, beruhig dich! Hey, meine Kleine, ganz ruhig, ich bin zurück!“, begrüßte Jane sie schließlich. Sie öffnete mit einem breiten Grinsen das Tor und ging in die Knie, als Kaskae an ihr hochsprang. „Jaaa, ich bin ja da, komm runter!“ Kaskae schleckte ihr wie wild über das Gesicht und rieb den Kopf energisch an ihrem Frauchen, bis diese wieder aufstand und ihr den Kopf tätschelte. „Als ob sie dich seit Ewigkeiten nicht gesehen hätte“ Miss Morris öffnete Jane die Tür „Sie hat sich heute übrigens sehr gut benommen! Das Tor stand offen und sie ist nicht abgehauen! Ach, und Jane, du solltest wirklich wegen den Streunern hier aufpassen.“ Als Jane mit Kaskae das Haus betrat und ihren Mantel im Flur an den Ständer hing sah sie verwundert auf. „Was für Streuner? In der Schule sagte man mir dass die Hunde eigentlich alle einen Besitzer haben und nur durch die Gegend streunen. Aber Sie haben schon Recht, das ist wirklich extrem wie viele Hunde hier einfach allein durch die Gegend laufen. Aber warum warnen sie mich vor denen? Die sind doch harmlos.“ „Ja, vielleicht, aber ich rede über den Hund“ Miss Morris zeigte auf Kaskae, welche sich im Wohnzimmer auf den Teppich, vor den Kamin gelegt hatte und neugierig ihrem Gespräch lauschte „Du führst sie doch immer mit Leine aus, oder?“ „Äh… Ja, meistens… Manchmal darf sie auch mal frei rumrennen, warum?“, fragte Jane verwirrt und zog sich nun die Schuhe aus. „Ach, es geht um die Rüden, ich hab heute einen großen vor dem Tor gesehen, als die Tür offen war. Und na ja… Du weißt genau was passieren würde wenn Kaskae Junge bekommen würde…“ „Ich weiß, mein Vater hat mir klar und deutlich gesagt dass er sie ertränken würde…“ Jane war sichtlich genervt von diesem Thema und wollte sich so schnell wie möglich ins Wohnzimmer verkrümeln, doch Miss Morris schien da hartnäckiger zu sein. „Janny, ich weiß dass du dieses Thema hasst, aber mach dir bitte die Ernsthaftigkeit dieses Falls klar: Dass du Kaskae bekommen hast ist an sich bereits ein Wunder. Deine Eltern wollten dir eigentlich keinen Hund kaufen und wenn dann nur einen kleinen. Wenn sie Junge bekommen würde, dann wäre dass das schlimmste was dir, ihr und den Jungen passieren könnte.“ „Ich weiß, ich weiß! Ist ja gut, ich werd‘ auf sie beim Spazieren gehen aufpassen! Kann ich jetzt bitte was essen?“ „Ja, sobald deine Eltern da sind.“ „Okay, ich geh auf mein Zimmer. Komm Kaskae.“ Mit angelegten Ohren folgte sie Jane und warf Miss Morris einen wütenden Blick zu. Es war weniger die Tatsache, dass sie nicht trächtig werden durfte, sondern viel mehr das, was Janes Vater mit den Jungen machen würde. Das war grausam und es erinnerte sie an… Damals. Mit schnellen Schritten folgte Kaskae Jane in ihr Zimmer und sprang ohne Umwege auf deren Bett. „Nein! Ach, geh da runter!“, rief Jane aus, ließ es jedoch sein. Die Decke war nun sowieso verknittert und in ein paar Stunden würde Jane auch wieder im Bett liegen – Oh Gott, wie sehr sie sich doch aufs Wochenende freute. „Na du Flohsack, freust du dich auch schon aufs Wochenende? Dann bin ich von morgens bis abends für dich da und wir können Spazieren gehen und wenn du willst können wir auch mal in den Wald gehen und alles Mögliche… Oh Mann, weißt du noch, der Tag an dem ich bekommen hab? Das war der mit Abstand dunkelste Tag in der Geschichte der Wetteraufzeichnung… Finde ich zumindest.“, erzählte Jane, holte ihren Zeichenblock und einen Bleistift hervor, legte sich der Länge nach, neben Kaskae, in ihr Bett und begann die Hündin abzuzeichnen, worin Jane ziemlich gut war. Aber um auf ihre Frage zu antworten: Ja, Kaskae erinnerte sich… Es war ein verdammt dunkler Tag gewesen, ein Tag im Sommer. Kaskae war gut ein Jahr alt gewesen und war wie jeden Tag schon früh wach und leckte sich die Pfoten sauber. Es hing noch Blut dran, ihr Blut, vom gestrigen Training. Sie war immer noch in den dunkleren Zwingern hinter dem Haus und ganz langsam da… gab sie auf. Welpen wurden geboren, wurden trainiert, wurden gebrochen, wurden in die Zwinger, weiter vorne, wo die Hunde waren die zum Verkauf standen, gebracht und Kaskae sah sie nie wieder. Sie hoffte nur das Beste für sie. Und dann gab es noch DIE Hunde – Die Hunde die NIE in die vorderen Zwinger kommen würden. Sie waren einfach nicht dazu bestimmt. Aber vielleicht war es auch gut so, dass sie nicht all diese Schmerzen ertragen mussten. Es war eine traurige Sache. Kaskaes Zwingernachbar hatte ihr mal davon erzählt, er war dabei gewesen: Er hatte gesagt dass einer der Hunde, ein junger Rüde, mit einer angeborenen Muskelschwäche, während des Trainings einfach zusammengebrochen und auch nach unzähligen Hieben nicht wieder aufgestanden war. Und deshalb hatte man ihn einfach erschossen. Es gab unzählige andere Gründe warum manche Hunde nie das Glück hatten zum Verkauf zu stehen. Manchmal waren es auch äußerliche Fehler. Doch diese Hunde hatten meist noch Glück und wurden runtergesetzt zum Verkauf gestellt. Nicht jedoch wenn sie Fehlbildungen hatten. Dann ging es schnell und prozesslos. Oder wenn sich erst später ein Geburtsfehler herausstellte. Was das anging waren diese Menschen Monster. Was das Training anging, waren diese Menschen Monster. Eigentlich fiel Kaskae nichts ein, wo sich diese Menschen nicht wie Monster benahmen. Wenn man das unter „Humanität“ verstand, dann wollte sie nie an irgendwelche derartige Leute geraten. Geknickt sah Kaskae auf ihren leeren Futternapf und schnappte nach ein paar Fliegen die darum schwirrten und ihre Eier ablegen wollten. Doch plötzlich zuckte sie zusammen und starrte mit weit aufgerissenen Augen zu dem Mann, der an ihrem Zwinger vorbei lief und zwei Hunde an die Leine nahm und mit ihnen nach vorne lief. Die glücklichen – Entweder sie wurden jetzt verkauft oder sie mussten Trainieren. Manchmal da waren die Schlitten fürs Training auch weiter vorne gelagert. Aber Kaskae war sich ziemlich sicher dass die beiden Glück hatten und verkauft wurden. Der Mann hatte nämlich keinen Schlagstock oder Peitsche oder ähnliches dabei. Diese Leute waren so hinterhältig wie schlangen: Immer wenn es um den Verkauf der Hunde ging, waren diese Männer plötzlich sogar sehr nett. Sie hatten keine Waffen bei sich und waren scheinbar total freundlich zu den Hunden – Aber eben auch nur solange, bis keine Kunden mehr da waren. Und das Geschäft schien wohl sehr gut zu laufen. Manche Hunde waren schneller verkauft als Kaskae überhaupt realisieren konnte. Vor allem junge Hunde. Manche Hunde wurden nämlich bereits im Welpenalter verkauft, wenn sie noch klein und knuffelig waren, das waren meist die Hunde die irgendwelche Fehler hatten. Kaskae hingegen erfüllte alle Rassevoraussetzungen und sollte deswegen anscheinend als Schlittenhund dienen. Hatten diese Männer vor. Was erlaubten sie sich eigentlich über das Schicksal eins Hundes zu bestimmen? Wer sagte denn dass sie das überhaupt WOLLTE?! Sobald sie hier raus war würde sie alles machen außer Schlitten ziehen. Falls sie hier je heraus kam. Was wollten die denn noch alle von ihr? Was hatte sie denn noch zu tun, dass man sie endlich verkaufen würde? Oder war sie gar nicht zum sofortigen Verkauf bestimmt sondern sollte erst mal ein paar Junge gebären? Oh Gott, bitte nicht! Alles, ALLES nur das nicht! Sie wollte das nicht, sie wollte sich nicht mit irgendeinem Rüden paaren den sie überhaupt nicht kannte, der in ihr nur irgendeine Hündin in ihr sah. Allein der Gedanke daran ließ ihr das Fell zu Berge stehen! „He, komm, du bist dran.“ Die Stimme eines Mannes riss sie aus ihren Gedanken und sie schreckte auf. Ein Mann öffnete die Zwingertür und zerrte sie unsanft am Halsband heraus. Inzwischen hatte sie gelernt nicht mehr so wehrhaft zu sein, er ersparte ihr Schmerzen. Als sie hinter dem Haus hervorkamen und an den Zwingern vorbeiliegen, horchte Kaskae jedoch auf und wand neugierig den Kopf um. Da waren Leute. Zwei Erwachsene, ein Mann und eine Frau. Die Frau hatte ihre blonden Haare hochgesteckt und trug ein Knielanges Kleid und eine Strumpfhose. Ihr Mann trug einen Anzug und hatte die Haare elegant zur Seite gekämmt. Eigentlich waren die Klamotten weniger für eine so abgeschiedene Gegend wie hier gedacht, doch die beiden schienen da wohl anders darüber zu denken. Und sie hatten eine Tochter, vielleicht zwölf, dreizehn Jahre alt. Das Mädchen hatte lange, braune Haare, welche in Locken über ihre Schultern hingen. Sie trug ein ähnliches Kleid wie ihre Mutter, jedoch war es länger. Kaskae war wie gelähmt als sie die Leute sah und blieb plötzlich einfach stehen. Das Mädchen gefiel ihr irgendwie… Man sagte zwar immer dass die Menschen sich ihre Hunde aussuchen würden, doch eigentlich war es anders herum: Die Hunde suchten sich ihre Herrchen aus. Und aus irgendeinem Grund gefiel Kaskae dieses Mädchen. Es war ihre Ausstrahlung, die sie so mochte. Doch das Mädchen suchte sich schon einen anderen Hund aus. Für einen Moment wollte Kaskae aufgeben und weiterlaufen, doch dann gab sie sich einen Ruck. Warum sollte sie es nicht zumindest versuchen? Vielleicht war das die einzige Möglichkeit hier weg zu kommen... Sie bellte auf. „He, komm schon.“ Der Mann zerrte an Kaskaes Halsband und wollte sie zum weiterlaufen bewegen, doch plötzlich drang eine Stimme an ihr Ohr. „Mutter, seh mal! Die da ist hübsch, darf ich sie mal ansehen?“ „Ach ist weiß nicht Jane, ist die nicht ein bisschen zu groß?“ „Bitte! Vater, Mutter, bitte, ich möchte sie nur einmal anschauen, vielleicht ist sie ja was für mich.“, bettelte das Mädchen und sah ihre Eltern flehend an. „Also gut, aber nur ganz kurz“, meinte ihr Vater schließlich „Entschuldigen sie, Sir, der Hund, könnte meine Tochter ihn kurz ansehen?“ Der Mann der Kaskae am Halsband hielt sah auf. „Äh… äh... Also… Ja sicher, kommen sie… Aber ich, ich weiß nicht ob sie zum Verkauf steht… Wahrscheinlich nicht, sonst wäre sie bei den Verkaufszwingern.“ „Oh bitte Sir, ich will sie mir nur ein bisschen ansehen“ Jane stand bereits vor Kaskae und sah der Hündin freudig in die braunen Augen. „Ohhhh, du bist wirklich ein hübscher Hund.“ Sie kicherte und ging in die Knie. „Ah… Sie, sie ist aber noch nicht fertig was ihre Schlittenhundausbildung ausgeht und Muskeln muss sie auch noch ansetzten.“, versuchte der Mann Jane weiter abzuwimmeln. „Nein, nein, schon okay! Mutter, Vater, kommt mal her, was haltet ihr von der? Ich find sie toll.“ Jane war ganz verzückt von Kaskae und wollte gar nicht mehr von ihrer Seite weichen. Kaskae rieb wie wild den Kopf an Janes Hals und hechelte aufgeregt. Sie blickte immer mit einer gewissen Nervosität zu Janes Eltern, versuchte jedoch genau jetzt keinen einzigen Fehler zu machen. Das würde das Ende bedeuten und diese Chance musste sie unter allen Bedingungen nutzen! Jane schien von Kaskae begeistert zu sein und andersherum – Jane war der allererste Mensch der Kaskae so was wie Zuneigung entgegenbrachte, auch wenn es nur streicheln war. Bisher war Kaskae von den Männern nur Schläge gewohnt gewesen und die plötzliche Sanftheit dieses Mädchens war ein völlig neues Erlebnis für sie. Menschen waren für die Hündin immer nur böse, gewalttätige Monster gewesen, umso positiver überrascht war sie hiervon. „Hm, also auf mich scheint sie einen guten Eindruck zu machen… Was sagst du Charles?“ Der Mann musterte Kaskae misstrauisch, doch als er den flehenden Blick seiner Tochter sah schien auch er weich zu werden. „Also gut… Meinetwegen kannst du sie nehmen. Wie heißt sie eigentlich?“, fragte er an den Mann gewandt, der Kaskae aus dem Zwinger geholt hatte. „Äh… Wir geben den Hunden hier keine Namen, das dürfen sich die neuen Besitzer selber aussuchen.“, antwortete der Mann stockend. „Okay… Na kommt schon, kaufen wir sie? Sie ist so zutraulich, bitte!“ „In Ordnung, dann nehmen wir den Hund.“ „Ja! Danke Vater, vielen, vielen dank!“, jubelte Jane und umarmte ihren Vater überglücklich. Nur wenige Minuten später saß Kaskae in dem Auto ihres neuen Frauchens und ließ genießerisch die Streicheleinheiten über sich ergehen. Der Mann hatte Kaskae zwar nur sehr zögerlich verkauft, doch jetzt, wo sie tatsächlich in dem Auto ihrer neuen, ihrer eigenen Herrchen saß, konnte sie ihr Glück kaum fassen! Sie war weg, sie war endlich weg von diesem furchtbaren Ort, endlich würde alles gut werden. „Weißt du was, Hündin“, fragte Jane nun an sie gewandt „Ich glaub ich nenn‘ dich Kaskae, einfach weil’s mir gefällt.“ Jane wuschelte ihr durchs Fell und band ihr dann spaßeshalber eine rote Schleife um den Hals. „So, jetzt siehst du wirklich aus wie ein Geschenk. Ich hab heute Geburtstag, weißt du?“ Kaskae schaute zwar nur verständnislos drein, doch als Jane sie wieder am Rücken kraulte, ließ sie den Kopf wieder zur Seite sinken und genoss einfach nur die Liebe die Jane ihr entgegenbrachte. „Jane, komm essen, deine Eltern sind zurück!“, riss Miss Morris‘ Stimme Kaskae aus ihren Gedanken. „Oh! Ich komme“ Jane legte den Block mit der Zeichnung von Kaskae zur Seite und stand auf „Na komm Mädchen, ab mit dir nach draußen, du weißt dass du zum Essen nicht im Haus sein darfst.“ „Jaja, immer das gleiche mit euch…“, murrte Kaskae und erhob sich. Kapitel 5: Langeweile… ---------------------- „Habt ihr das schon gelesen?“ Janes Vater hielt ein paar Tage später beim Frühstück eine Zeitung in die Mitte des Tisches, so dass es jeder lesen konnte. Es war selten dass die ganze Familie mal zusammen am Frühstückstisch saß. „‘Erdbeben der Stärke 7,1 in der Provinz Yunnan, Republik China, schätzungsweise 4.000 Tote, hunderte Menschen noch immer vermisst‘.“, zitierte Jane unbeeindruckt, woraufhin ihre Mitter Lachen musste. „Jane, ich glaube dein Vater meint nicht die Schlagzeile.“ „Ups…“, kicherte Jane und las einen etwas kleineren Bericht unter der Schlagzeile. „‚Denkmal für Balto soll im New Yorker Central Park erbaut werden‘. Und?“ „Und? Ich finde das ist doch eine gute Idee“, entgegnete Janes Mutter „Es gibt doch so viele Denkmale von irgendwelchen großen Herren, warum also nicht mal eines für einen Hund, der mindestens ebenso viel Mut bewiesen hat?“ „Ach Mutter, ich finde das nicht gerecht. Balto war nicht der einzige Hund in dem Gespann, zudem ist er im Grunde auch nur den kürzesten Weg gelaufen. Die andere Hunde sind den ganzen Weg nach Nenana und wieder zurück gerannt, Balto hat sich denen nur irgendwo auf dem Rückweg angeschlossen.“, erklärte Jane. „Seit wann kennst DU dich so gut mit solchem Schlittenhundzeugs aus?“, fragte ihr Vater amüsiert. „Ach bitte, über die ganze Sache wurde doch ewig in der Zeitung berichtet. Sogar in den Zentralstaaten kennen die inzwischen die Geschichte.“ „Na wenn du meinst… Aber musst du nicht zur Schule?“ „Ja, aber ich hab noch genug Zeit… Ich hol mal schnell Futter für Kaskae.“ Jane stand auf und begann etwas von dem Robbenfleisch, welches sie draußen, in einem kleinen Behälter, auf dem Fensterbrett lagerten, auf dem Ofen aufzutauen um es dann Kaskae zu geben. Sie nahm die Schüssel mit dem lauwarmen Futter und schulterte im Gang ihren Mantel. „Auf Wiedersehen!“, verabschiedete sie sich von ihren Eltern und verließ das Haus. Draußen stand Kaskae bereits erwartungsvoll vor der Tür und blickte ihr Frauchen aus ihren großen, braunen Knopfaugen an. „Ja hallo du Unschuldslamm“, begrüßte Jane sie und stellte ihr die Schüssel hin „Weißt du was, morgen ist Wochenende, da werden wir beide einen richtig schönen, langen Spaziergang machen, okay? Es gibt hier bestimmt eine zugefrorene Fläche und dort wirst du mich ein bisschen durch die Gegend ziehen, ja? Wie damals, in Ketchikan…“ Sie musste bei dem Gedanken daran unwillkürlich lachen. Ach ja, das war eine witzige Sache… Seit etwa einem halben Jahr lebte Kaskae nun schon bei ihrer neuen Familie und nun war es wieder Winter. Kaskae hatte sich bisher anständig benommen und kaum Tadel erhalten, was auch gut so war, sie wollte schließlich einen guten Eindruck hinterlassen und nicht eines Tages auf der Straße landen… Oder noch schlimmer: Wieder in diesem Zwinger. Und das allerletzte was sie wollte war je wieder einen Schlitten oder ein Geschirr zu Gesicht bekommen, NIE MEHR! „Miss Morris“ Jane kam mit Kaskae im Schlepptau in die Küche des Hauses gelaufen und setzte ihr bestes Unschuldslächeln auf „Darf ich mit Kaskae spazieren gehen?“ „Oh, frag einfach deine Eltern und…“ Miss Morris, die gerade am Herd stand, stockte „Was hat denn der Hund hier zu suchen? Du weißt dass ich sie nicht in der Küche haben will! Ich mache gerade Abendessen!“ Jane schluckte und schob Kaskae rückwärts aus der Küche heraus. „Entschuldigen sie Miss Morris, ich wollte nicht…“ „Ist schon gut! Ich erlaube es dir, aber sei pünktlich um sechs wieder da, ja? Deine Eltern erwarten heute Besuch von irgendwelchen hoch angesehenen Wissenschaftlern und sie möchten dich auf jeden Fall dabei haben. Darum sei am besten noch eine viertel Stunde vor sechs da, dann kannst du dich noch hübsch machen, immerhin soll dem Besuch deiner Eltern doch ein guter Eindruck hinterlassen werden. Und geh bloß nicht in das Viertel der Stadt, welches deine Eltern dir verboten haben! Dort laufen zu viele seltsame Gestalten rum. Das ist nichts für eine junge Dame wie dich!“, bläute Miss Morris ihr ein. „Ich weiß, Miss. Natürlich werde ich da nicht hin gehen und selbst wenn, ich hab ja einen großen Hund dabei, allein bei ihren Anblick machen die Leute einen Bogen um mich.“, meinte Jane halb ernst, halb spaßend. „Das will ich hoffen, immerhin haben deine Eltern dir diesen Hund geschenkt, damit er zumindest einen kleinen Nutzen hat…“ „Als Wachhund eignet sie sich schon mal nicht…“, meinte Jane kichernd und holte sich aus der Garderobe Kaskaes Leine. „Oh ja! Die schlägt wirklich bei nichts Alarm. Na ja, ich sage deinen Eltern jedenfalls dass du mit Kaskae spazieren bist. Aber sei pünktlich wieder zu Hause!“ „Okay… Tschüss!“ Jane schloss die Tür hinter sich und bog dann auf die Hauptstraße Ketchikans ein. In den letzten Jahren war die Bevölkerung hier stark gewachsen und ihr Vater sagte immer, er sei sich sicher dass in ein paar Jahren doppelt so viele Menschen hier leben würden. Okay, in dem Punkt war Jane sich nicht sicher, aber sie konnte sich gut vorstellen dass Alaska neue Anhänger finden würde. Es gab hier viel Gold, Öl und die Fischerei boomte. Natürlich, es war doch kälter als in den anderen Staaten, aber ein Winter in Virginias Bergen war genauso hart. Und hier an der Küste gingen die Temperaturen auch nicht so ganz in den Keller… Nur ganz im Norden, wo es arktisch wurde, da fror es an der Küste ein. Und Jane musste zugeben dass dieser Winter wirklich extrem war, vor allem für hier. Vor ein paar Tagen erst war sogar der Hafen zugefroren. Aber nun wollte sie erst mal mit Kaskae spazieren gehen. Jane war stolz auf Kaskae, sie fühlte sich mit dieser Hündin an der Seite immer stärker als sie eigentlich war. Einfach weil allein der Anblick dieser Hündin einer Menge Leuten Respekt einflößte. Jane verstand das jedoch nicht, für sie war Kaskae mehr wie ein riesiger Teddybär. Zudem war Kaskae ein toller Hund und Jane hatte ihren Kauf nie bereut. Dabei war es purer Zufall gewesen dass sie sie überhaupt gesehen hatte. Hätte Kaskae damals nicht gebellt wäre Jane nie auf sie aufmerksam geworden. Doch in diesem Moment wurde Jane aus ihren Gedanken gerissen, da Kaskae plötzlich heftig an der Leine zog und schwanzwedelnd zur Metzgerei sah, die um die nächste Ecke lag. „Nein! Aus, aus! Kaskae, nein!“, wand Jane energisch ein. Irgendwas war an einem Punkt in Kaskaes Erziehung mächtig schief gelaufen. Sie gehorchte meist und war auch keineswegs aggressiv oder zerstörerisch, aber sie hatte, wenn es um ihren Willen ging, einen großen Sturkopf. „Nein, nein, nein, komm jetzt.“, befahl Jane und zerrte den Hund mit aller Kraft in eine andere Richtung, was nicht einfach war, immerhin hingen da gut dreißig Kilo Hund an der Leine. Missmutig gab Kaskae den Kampf gegen Jane schließlich auf und folgte ihr einen Pfad entlang, der hinunter zum Hafen und dem Meer führte. Doch dieser Winter war so bitterkalt dass sogar das Ufer zugefroren war und die Hafenarbeiter den Hafen jeden Morgen mit Hämmern von dem Eis befreien mussten. Das restliche Ufer fror nach und nach jedoch zu, man hielt nur den Hafen für Schiffe frei. Als Jane den Pfad weiterlief und den Ort hinter sich ließ, hielt sie kurz an und ließ den Blick über das Meer schweifen. Sie setzte sich ans  Ufer und seufzte. Ihre Eltern hatten manchmal einfach zu wenig Zeit für sie, zumindest kam ihr das so vor. Wann waren die denn mal zu Hause? Ja, sie waren natürlich mal da, aber sehr unregelmäßig. Jane wurde jedoch wieder aus ihren Gedanken gerissen, als Kaskae an ihrer Leine herumzerrte und hechelnd in die Ferne sah. „So mein Mädchen, jetzt darfst du.“ Jane löste die Leine vom Halsband und ehe sie sich versah rannte Kaskae bereits den Strand entlang. Eine Zeit lang saß sie einfach nur am Ufer und sah Kaskae dabei zu wie sie neugierig am Strand entlangrannte und an jedem Felsen anhielt nur um daran zu schnüffeln und dann wieder weiterlief. Nur sie wieder einzufangen würde sich als etwas schwierig erweisen. Kaskae einzufangen war wie fangen spielen und Jane zog meistens den Kürzeren ziehen. Dazu kam noch, dass Jane heute sowieso unter Zeitdruck stand, da sie allerspätestens um sechs Uhr wieder zu Hause seien musste. Hm, vielleicht sollte sie Kaskae jetzt wieder einfangen und dann gleich nach Hause gehen. „Mädchen! Kaskae, komm her, bei Fuß“, rief Jane über den gesamten Strand, doch Kaskae sah sich nicht mal nach ihrem Frauchen um „Kaskae! Komm her“, rief Jane nochmals, jedoch wieder ohne Erfolg „Na warte, dann komm ich eben…“, murrte sie und lief mit der Leine in der Hand auf Kaskae zu. Doch als sie kurz davor war sie zu erreichen, nahm die Hündin wieder Reißaus und rannte freudig bellend weiter. Na toll, und da begann wieder dieses Katz-und-Maus-Spiel. Jane machte noch ein paar Anläufe Kaskae zu fangen, doch sie gab schließlich auf. Jedoch nicht ohne einen Joker… „Heeey… Was ist denn das?“ Jane wand Kaskae den Rücken zu, sprach jedoch noch laut genug dass der ganze Strand sie hätte hören können. Sie beugte sich über irgendetwas und tat ganz interessiert um in Kaskae Neugierde zu wecken und sie in ihre Nähe zu locken. Es war ein Trick, zu dem ihr Vater ihr geraten hatte. Sie solle so tun als ob sie etwas ganz tolles gefunden habe und wenn Kaskae dann glaubte dort wäre wirklich etwas Interessantes und nah genug war, dann solle Jane sich einfach auf sie werfen. Bisher hatte das immer gut geklappt. Und so schein es auch dieses Mal. Kaskae kam tatsächlich langsam  von hinten auf ihr Frauchen zu geschlichen um zu sehen was es da denn so tolles gab. Dass sie auf diesen Trick schon dutzende Male hereingefallen war, schien sie zu ignorieren. „Nun zeig schon, was ist da?“, fragte Kaskae sich halblaut und stupste Janes Bein zur Seite. „HAB ICH DICH!“ Jane schmiss sich regelrecht auf Kaskae und schlang die Arme um sie „Keine Bewegung mehr! Wir müssen jetzt nach Hause, klar? Ich hab mindestens schon zehn Minuten damit vergeudet dir hinterher zu rennen.“ Kaskae stöhnte auf. Sie war schon wieder hierauf hereingefallen! Wie konnte sie nur so blöd sein? Aber sie wollte noch nicht nach Hause gehen! Sie wollte weiter rennen egal was Jane ihr sagte! Hm… Das würde sie auch… Und zwar jeden Moment. „So! Ha, jetzt hab ich dich wieder an der Leine.“, meinte Jane und wollte eigentlich den Pfad hoch in die Stadt laufen, doch plötzlich wurde sie zur Seite gerissen, dass sie beinahe den Halt verloren hätte. „Kaskae! Aus! Bleib stehen du störrischer Esel!“, rief Jane, doch es half nicht wirklich. Kaskae rannte einfach los, ohne überhaupt darauf zu achten, dass sie Jane am anderen Ende der Leien mit sich zog. Kaskae hörte auf nicht auf deren Rufen oder die Tatsache dass ihr Halsband ihr gerade ein wenig die Luftröhre quetschte, sie rannte einfach zum puren Vergnügen. Um ganz genau zu sein, so lief sie auf das Meer zu und rannte dort über das Eis, welches sich an der Küste gebildet hatte. Jane hatte sich inzwischen wieder auf die Beine gerungen, doch Kaskae zog sie über das Eis, als wäre sie nichts. Das hier erinnerte sie ein bisschen an Wasserskifahren oder Skifahren… Nur dass ein Hudn sie gerade über Eis zog. Vielleicht machte sie das weil sie ja zum Schlittenhund ausgebildet wurde, dachte Jane sich und verlagerte ihr Gewicht nach hinten, doch Kaskae stoppte immenroch nicht. Dieser Hund schien eine solche Kraft in sich zu haben, dass sie einfach nicht anhielt, egal wie stark Jane sich auch dagegen wehrte. Doch um ganz ehrlich zu sein… Es machte Spaß. Ja, es machte wirklich Spaß sich einfach nur an die Leine zu hängen und sich von Kaskae ziehen zu lassen. Jane vergas einen Moment sogar, dass sie heute überpünktlich sein musste – Aber eben nur einen Moment. „Kaskae! Halt an! Stopp, halt! AUS!“ Es klappte – Der Hund hielt an… Und Jane knallte in sie herein. Und jetzt lagen sei beide am Boden. „Oh Mann! Du blöder Hund, komm her“, seufzte Jane und stand auf, während sie sich den Hintern rieb „Meine Eltern bringen mich um wenn ich zu spät bin, komm endlich. Es geht heute um irgendwelche Wissenschaftskollegen, was ganz wichtiges. Komm jetzt.“ Kaskae hörte an Janes Stimme und sah an ihrer Körperhaltung, dass ihr Frauchen wütend war. Eigentlich hatte Kaskae sogar ein ziemlich mieses Gewissen. Sie wollte doch niemanden wütend machen, wirklich… Sie wollte nur Spaß haben. „Aber weißt du was? Wir werden das, was wir gerade gemacht haben unbedingt irgendwann mal wiederholen“, meinte Jane als sie schließlich vor ihrem Haus ankamen „Und du geh in deine Hundehütte, ich mach mich jetzt fertig, ich will schließlich keinen Ärger.“ „Also dann, tschüss Kaskae.“, verabschiedete Jane sich und schloss das Tor hinter sich. Kaskae war jedoch noch zu sehr mit ihrem Frühstück beschäftigt. „Oh Mann, mir ist so langweilig…“, stöhnte Kaskae angeödet und starrte stur geradeaus. Janes Eltern waren gerade eben gegangen und Miss Morris hatte ihr ihr Mittagessen auch schon verfrüht gegeben. Das hieß für die nächsten sechs Stunden pure Langeweile. Zwar war sie ein wenig durch den Schnee getobt, doch mit der Zeit wurde sogar das wirklich langweilig. Also blieb ihr nichts anderes übrig als sich ständig von einer Seite zur anderen zu rollen, aufzustehen, sich den Schnee wieder aus dem Fell zu schütteln und sich dann wieder umher zu rollen – Es gab sonst einfach nichts zu tun. „Hey Kaskae, was machst du da?“ Steele stand verwundert am Zaun und sah Kaskae verwirrt dabei zu, wie sie sich im Schnee wälzte. „Ääääh, gar nichts!“ Eilig rappelte sie sich wieder auf  und schüttelte sich schnell den Schnee aus dem Fell. „Sah für mich aber anders aus.“, meinte Steele mit einem sarkastischen Grinsen. „Äh, Steele, was willst du?“, fragte Kaskae um von dem Thema abzulenken. „Eigentlich bin ich nur hier entlanggelaufen und dann hab ich dich hier dieses Zeugs machen sehen.“, antwortete er. „Und das soll ich dir glauben? “, fragte Kaskae unbeeindruckt „Als ob du hier zufällig vorbeigekommen wärst. Ich bin nicht blöd.Wer kommt hier schon vorbei, das hier ist viel zu weit abgelegen von der Stadt. Also komm schon, was willst du von mir?“ „Uh, na blöd bist du zumindest nicht… Hätte ich auch nicht von dir erwartet.“ Steele grinste diebisch. „Das hoff‘ ich auch für dich“ Kaskae rappelte sich auf und lief auf den Zaun zu „Danke übrigens dass du mir vor ein paar Tagen geholfen hast das Tor aufzubekommen. Ohne dich wäre ich richtig schlimm dran gewesen, weißt du das eigentlich?“ „Pfff, überhaupt kein Problem.“, meinte Steele mit einem selbstgefälligen Grinsen. „Ähm, du, ich hab dich vor ein paar Wochen ja bei diesem Trainings-ding gesehen… Keine Ahnung, warst du das?“ „Es nennt sich Trainingsplatz.“, korrigierte Steele sie. „Ja, was auch immer! Also, warst du das? Ich bin mir nicht ganz sicher, ist jetzt schon ‘ne Weile her und du bist nicht der einzige schwarzweiße Hund hier.“ „Ja, ich glaube das war ich. Ich hab dich auch gesehen… Was da eigentlich los mit dir?“ „Oh… äh…“ Kaskae erinnerte sich nur zu gut an diese extrem peinliche Situation und eigentlich hatte sie gehofft dass Jeder diesen kleinen Zwischenfall vergessen hatte – Anscheinend schien dem nicht so „Also… Ich hab mich erschrocken, das war alles.“ „Vor was denn? Es gab doch keinen Startschuss oder so.“, meinte Steele verwundert. „Äh… Na ja, ich mag Schlitten nicht so… Oder Geschirre… Oder Musher… Oder so ziemlich alles was damit zu tun hat.“, antwortete sie verlegen und spürte wie ihr das Blut in den Kopf stieg – Ein Glück können Hunde nicht rot werden. „Äh…“ „Frag nicht! Sagen wir mal ich hatte ‘ne schwere Kindheit“, unterbrach Kaskae Steele, noch bevor er etwas sagen konnte „Aber was willst du denn nun von mir?“ Steele schüttelte sich schnell, dann meinte er: „Eigentlich wollte ich dich fragen ob du noch was vorhast, aber da du nur hier rumstehst deute ich das mal als nein, nicht?“ „Steele! Ich sag’s dir gerne noch mal“, murrte Kaskae genervt „Ich DARF mich nicht einfach mal so, wann ich gerade Lust habe, von zu Hause entfernen und ein paar Stunden leichten Herzens durch die Gegend streunen. Da draußen lauern Wölfe und Eisbären und weiß die Hölle was und zudem erlauben meine Herrchen das nicht, ich würde wirklich Ärger bekommen wenn ich das tun würde.“ „Ach komm schon, die haben doch nicht ununterbrochen im Visier, oder? Und soviel ich weiß ist nur die alte Dame zu Hause, ist es nicht so?“, meinte Steele. Er würde alles versuchen um Kaskae davon überzeugen zu können mit ihm zu gehen. „Ja, schon, aber… Hey! Woher weißt du das?“, fuhr Kaskae ihn an. „So was spricht sich zwischen den Menschen um und was die wissen, wissen wir schon lange.“, antwortete Steele schnell. „Oh… Aber trotzdem, Miss Morris ist ja nicht blöd, die merkt doch dass ich weg bin.“ „Ach wirklich? Und warum sollte sie das merken?“ Kaskae sah Steele genervt, gewissermaßen auch unsicher, durch den Zaun an. „Nun komm schon? Langweilst du dich nicht furchtbar? Ich mein das ernst, überall ist es spannender als hier. Ich meine du bist allein auf diesem Grundstück, die alte Dame ist nicht bei dir, alle Anderen sind über alle Berge… natürlich langweilt man sich da. Nun komm, sag schon ja, du wirst schon nicht zu spät kommen.“ Kaskae sah ein paar Sekunden nachdenklich zu Boden, doch dann lächelte sie plötzlich. Steele hatte Recht! Warum zur Hölle sollte sie hier angeödet ihre Tage verbringen, wenn es da draußen Zeuges gab, was spanender war? Na gut, ALLES war spannender als das hier, aber Steele hatte recht. „Okay, aber nur wenn wir wirklich pünktlich wieder da sind“, bläute sie ihm ein und lief zum Tor „Komm, mach’s auf, du scheinst ja zu wissen wie das geht.“ Selbstzufrieden stellte Steele sich auf die Hinterbeine und schob den Riegel mit der Schnauze vor, dann drückte er die Klinke hinunter. Zum Glück war das Schloss einfach zu öffnen. „So, geht doch.“ Steele wollte ihr gerade das Tor aufhalten, als Kaskae es jedoch nur mit einer plumpen Pfotenbewegung aufstieß und es Steele um ein Haar in die Schnauze geknallt hätte. „Oh, sorry, war keine Absicht!“, meinte sie und lächelte unschuldig. „Schon gut.“, murrte Steele mit zusammengebissenen Zähnen und holte Kaskae schnell ein. „Okay, und was wollen wir nun machen?“ „Was immer du willst“, gab Steele zur Antwort „Hübsches Halsband, übrigens.“ „Hmm… Oh, ja, danke. Äh, sag mal, können wir zu dir“, fragte sie „Also nur wenn du keinen Ärger von deinen Herrchen bekommst.“, fügte sie jedoch noch schnell hinzu. „Äh… Meinetwegen, da bekomme ich eigentlich keinen Ärger…“ Etwas verwirrt zuckte Steele mit den Schultern und deutete in Richtung Nome „Wir wohnen auf der anderen Seite.“ Noch nie hatte ihn eine Hündin ihn gefragt ob sie zu ihm könnten, was das anging waren sie ihm eigentlich nur sabbernd und herzlich hirnlos hinterhergedackelt und sagten zu allem was er meinte ‚ja und amen‘. Er hätte mit denen sogar auf die Müllhalde gehen können und sie hätten eingewilligt. „Äh, Kaskae, wenn wir davon schon reden, könnten wir vielleicht einen kleinen Umweg an der Küste entlang machen?“, fragte Steele plötzlich. Er wollte nicht gerade jetzt, wo er Kaskae an der Angel hatte, sich alles durch die anderen Hunde ruinieren lassen. Die würden… stören. „Ach nee, warum denn?“, wand Kaskae ein. Sie wollte keine Umwege machen, bitte! „Der Weg ist besser weil… Ich mag den Metzger im Ort nicht wirklich, der Typ mag generell keine Hunde… glaub mir, bei dem stellen sich dir die Haare auf.“, log Steele schnell. „Der Metzger?“ Überrascht sah Kaskae zu Steele „Ich war mit meinem Frauchen vor ein paar Tagen dort… Der war ziemlich nett, der hat mir sogar ein Stück Fleisch gegeben.“ „War das der Alte oder der Junge?“ „Der Junge…“ „Ja, das dachte ich mir. Der Alte kann keine Hunde ausstehen, also kommst du jetzt?“ Steele deutete auf einen kleinen Weg, der um Nome herumführte, an der Küste entlang. „Äh… Na ich weiß nicht, können wir nicht einfach nur ‘nen Bogen um die Metzgerei machen?“ „Oh nein, glaub mir… Es ist besser so.“ „Na meinetwegen…“ Genervt folgte Kaskae Steele, doch als sie erst einmal das Meer sah und den salzigen Geruch in der Nase hatte, schien sie ihm verziehen zu haben. „Wow, ich hab fast vergessen wie schön das Meer ist… Das Eis schmilzt langsam, nicht? Das letzte Mal als ich hier war, war da noch überall Packeis.“ „Nun ja, Anfang Mai sind hier tatsächlich mal Plusgrade. Aber bis dahin sind es noch zwei Monate und… Hey, wir sind da.“ Kaskae sah auf und ihr Blick fiel auf ein Haus, welches nur ein paar Meter von der Küste entfernt war. Es hatte eine weiße Holzverkleidung, einen kleinen Schuppen, eine hübsche Veranda und sah ansonsten nicht viel anders aus als alle anderen Häuser sonst auch. Aber es sah ganz nett aus und es hatte keinen nervigen Zaun – Mann, hatte Steele es gut. „So, da sind wir, und nun?“, fragte er gelangweilt. „Jetzt… schau ich mich um. Ich war seit ich hier bin und das ist fast ‘nen Monat, noch nie jemanden anderem zu Hause. Habt ihr auch ein Hausmädchen oder so?“ „Äh… nein… Darum kümmert sich die Frau meines Besitzers.“ „Hm? Muss die denn nicht arbeiten oder so?“, fragte Kaskae verwundert und betrachtete das Haus genauer. „Ähhh… Nein… Die kümmert sich eben um den Haushalt und so… Ach, nichts wirklich besonderes.“ „Das heißt dein Herrchen arbeitet ganz allein?“, fragte Kaskae verwundert. „Na ja, nicht ganz allein, in der Goldmiene arbeiten noch andere Männer. Aber warum interessiert dich so was so sehr? Nicht mal mich selber interessiert das.“, gab Steele zu. „Ach, pure Neugierde“, antwortete Kaskae lächelnd „Wo schläfst du eigentlich?“ „Na drinnen.“ Mit großen Augen sah Kaskae zu ihm und sah ihn bewundernd an – Lange war‘s her dass jemand ‚bewundernd‘ zu Steele gesehen hatte. „Du darfst wirklich im Haus schlafen? Etwa auch noch hinterm Ofen?“, fragte Kaskae aufgeregt. „Natürlich, du etwa nicht?“ „Nein, ich darf das nur wenn ich krank bin oder wenn Jane mich Abends mal mit in ihr Zimmer schmuggelt. Und Tagsüber darf ich auch in das Haus, aber das passiert meist nur wenn Jane anwesend ist – Und das auch nur bis zum Abendessen.“, erklärte Kaskae. „Oh… Findest du das nicht alles zu streng?“ „Hm, ich bin so erzogen worden, ich kenn’s nicht anders und…“ „Hundis!“ Kaskae und Steele fuhren herum, als sie plötzlich eine quietschige Stimme hörten und ein kleines, blondes Mädchen, nicht älter als drei, vier Jahre, auf Steele zugestürmt kam. Sie trug eine dicke Jacke und war zudem in einen Schal, Mütze, Handschuhe und Stiefelchen gehüllt. „Hallo Steele.“, begrüßte die Kleine Steele und umarmte den großen Hund innig, was Kaskae ein breites Grinsen entlockte. „Oh, wie süß, wer ist das?“, fragte sie kichernd, als sie Steeles gequältes Gesicht sah. Verdammt, dabei hatte er genau DAS versucht zu verhindern. „Melanie… Sie ist die Tochter meiner Besitzer…“, gab Steele nun kleinlaut zu. DAS war der mit Abstand peinlichste Moment seines Lebens. Noch nie hatte er sich vor einer Hündin so sehr blamiert. „Oh, die ist ja niedlich.“, kicherte Kaskae begeistert, doch in dem Moment kam eine Frau durch den Schnee gestampft und erlöste Steele von Melanie. „Melanie, ich sagte doch du sollst nicht immer so auf Steele zu rennen, er mag das nicht.“, ermahnte die Frau das Mädchen und sah dann verwundert zu Kaskae „Nanu, wer bist du denn? Dich kenn‘ ich gar nicht…“ Kaskae legte den Kopf schief und setzte ihren besten Hundeblick auf – Das klappte eigentlich immer… Auch diesmal. „Oh, na du Süße? Na warte mal, ich glaub ich hab da was für dich.“, meinte die Frau und lief schnell ins Haus. „Du… du hast es geschafft sie nur mit deinem Blick weich zu klopfen… Bei mir klappt das nie.“ Steele sah erstaunt zu Kaskae, doch die grinste nur und warf triumphal den Kopf zur Seite. „Du hast ja auch blaue Augen – Natürlich klappt das nicht. Durch die blauen Augen bekommst diesen Knopfaugeneffekt nicht hin, dein Blick wirkt zu kalt. Es würde vielleicht klappen wenn es dunkler wäre, dann würde deine Pupille sich weiten und dadurch würden deine Augen dann dunkler wirken.“, erklärte Kaskae und war einen Moment über sich selbst erstaunt – Seit wann beherrschte sie eine solche Wortgewandtheit? Auch Steele blickte sie merklich verdutzt an. „Woher weißt du so was?“ „Hm… Liegt wohl daran dass meine Herrchen Wissenschaftler sind… Ich hab mal gehört wie sie letztes Jahr über Augen geredet haben… Das meiste von dem Geschwafel hab ich vergessen, aber an das mit der Pupille erinnere ich mich noch.“ Steele wusste tatsächlich nicht genau was er darauf erwidern sollte, aber glücklicherweise streckte seine Besitzerin in diesem Moment den Kopf aus dem Fenster und rief ihn zum Essen herein. „Du kannst mitkommen wenn du willst.“, meinte er an Kaskae gewandt. „Äh… ich hab zwar schon, aber wenn ich darf komm ich trotzdem mit.“, meinte sie. Sie musste zugeben dass sie neugierig war, wie es wohl da drin aussah. Bisher war das einzige Haus was sie von innen gesehen hatte, das ihrer Besitzer gewesen. Steele lief mit schnellen Schritten durch die Haustür, doch Kaskae musste zugeben dass sie doch etwas unsicher war. Sie wollte keinesfalls Ärger bekommen, aber neugierig war sie auch… Und zwar sehr. Also folgte sie ihm. „Wow, nett hab ihr’s hier.“, meinte sie und sah sich zwischen all den Trophäen und Auszeichnungen, die im Wohnzimmer auf einem Regal standen, um. Steele musste ja ziemlich erfolgreich sein… Bei den Preisen… „Na hallo Süße, du schon wieder“, Melanies Mutter ging vor Kaskae in die Knie und sah beeindruckt auf ihr Halsband „Wow… Schick…“ Sie nahm den kleinen Anhänger zwischen die Finger und las „Kaskae? Hm, noch nie gehört. Aber du findest schon wieder nach Hause, nicht?“ Sie stand auf und verschwand dann in der Küche, doch nur ein paar Sekunden später ertönte nochmals eine Stimme. „Hallo Melanie!“ Kaskae sah sich um als sie eine weitere kindliche Stimme hinter sich hörte und sah nachdenklich zu dem kleinen Mädchen mit dem braunen Pferdeschwanz. Irgendwo hatte sie es schon mal gesehen, ganz sicher… „Hallo Rosie, hallo Jack! Schön dass ihr hier seid, ich bin so froh dass Melanie zu euch kann, während wir den Schrank mit  Möbelpolitur behandeln.“, begrüßte Melanies Mutter Rosie und ihren Vater. „Ach, kein Problem. Aber wie ich sehe habt ihr ‘nen neuen Hund gekauft… Wow, hübsches Mädchen.“ Rosies Vater beugte sich zu Kaskae herunter, welche ihn nur verwirrt anstarrte. Von was redete der Mann da? „Daddy, ich kenn den Hund“ Rosie sah grinsend zu ihrem Vater hoch „Das ist Kaskae, die gehört doch diesem neuen Mädchen was wir mal beim Einkaufen getroffen haben, weißt du noch?“ „Ach ja, genau! Jane hieß sie… Die hat ihren Hund aber schnell zum Verkauf gegeben... Na ja, ist besser so, immerhin ist dieser Malamute der geborene Schlittenhund, schau sie dir mal an Rosie. Sie nicht vor einen Schlitten zu spannen wäre beinahe schon eine Verschwendung. Hübsches Halsband übrigens.“ Kaskae starrte ihn immer noch völlig verwirrt an. Im Ernst, was redete er da? „Ach was! Nein, das ist nur eine von Steeles Freundinnen“, gab Melanies Mutter zur Antwort und streckte kichernd den Kopf aus der Küche „Wir haben schon zwei Kinder und einen preisgekrönten Hund, wozu noch einen Zweiten?“ Wie auf’s Stichwort kam in diesem Moment Steele zwischen ihren Beinen zum Vorschein und zwängte sich an ihr vorbei zu Kaskae – Sie sollte bitte nicht zu viele Details wissen was das Wort ‚Freundinnen‘ anging. „Ach, das ist gar nicht euer Hund…“, wiederholte Rosies Vater. „Na komm, gehen wir lieber nach draußen, hier drin wird’s mir langsam zu voll…“, schlug Steele vor und eigentlich wollten er und Kaskae tatsächlich jeden Moment gehen, doch diese spürte plötzlich eine Hand an ihrem Halsband und blieb wie erstarrt stehen. Rosies Vater hatte sie geschnappt. „Nana, komm her, ich will dich doch nicht entkommen lassen. Ich weiß doch dass du nach Hause gehörst, bestimmt macht sich da jemand schon Sorgen um doch. Du darfst doch sonst nicht allein raus.“ Woher weiß DER das?!, schoss es Kaskae durch den Kopf Vielleicht hat Miss Morris so was mal beim Einkaufen oder so erzählt, wäre ja möglich, die erzählt doch immer von Gott und der Welt, die alte Tratschtante.  Kaskae sah hilflos zu Steele, doch auch der konnte nun nichts mehr unternehmen – Denn jetzt war Kaskae in der Gewalt eines Menschen und die waren so gut wie übermächtig. Wenn sie erst mal zu Hause war würde sie Ärger bekommen – Und das nicht zu wenig. Kapitel 6: … lässt auf dumme Gedanken kommen -------------------------------------------- Kaskae schluckte als sie mit Rosies Vater vor der Haustür ihrer Herrchen stand. Er klopfe. Melanie und Rosie selbst hatte er auf dem Rückweg bei sich zu Hause abgesetzt. „Einen Moment!“, kam es von innen. Miss Morris. Kaskae schluckte und wedelte nervös mit ihrem Schwanz. Sie war geliefert. Und Steele? Der feige Hund hatte ihr nur verwirrt nachgesehen als Rosies Vater mit ihr gegangen war. Sie hatte ihm nur einen strafenden Blick nachgeworfen, doch irgendwie konnte er ja eigentlich auch nichts für das hier, er wollte ihr ja nur ein bisschen Abwechslung verschaffen. Sie war mal wieder selber Schuld. Doch jetzt wurde die Türe aufgerissen und Miss Morris stand mit einem Topflappen in der Hand in der Türschwelle. „Oh, Guten Tag Mister Johnson“, begrüßte Miss Morris ihn überrascht. Sie hatte sich wohl schon öfters im Ort getroffen, sonst würde sie nicht so unbeschwert mit ihm reden. „Was tun sie denn hier, brauchen sie etwas? Wollen sie vielleicht rein kommen, ich mache Tee wenn sie wollen.“ „Guten Tag Miss Morris“, begrüßte er sie „Aber nein danke, machen sie sich bitte keine Umstände“ Er lachte kurz auf „Ich wollte Ihnen nur diese kleine Ausreißerin zurückbringen. Ich war vorhin einen Freund besuchen, Henry.“ „Der mit dem Preisgekrönten Schlittenhund?“, hakte Miss Morris nach. „Genau der“, bestätigte Rosies Vater „Und da hab ich doch einfach die Kleine hier bei ihm im Wohnzimmer sitzen sehen. Und ich wusste noch dass sie mir mal sagten dass sie eigentlich nicht allein weg darf und da wollte ich sie lieber zurück bringen bevor sie Ärger macht. Sie könnte schließlich schnell in eine Stresssituation geraten wenn sie ganz allein durch die Straßen läuft, sie ist das ja wohl kaum gewöhnt.“ AHA! Miss Morris war also die verdammte Verräterin! Was erzählte die auch wildfremden Leuten von Kaskaes Ausgehregeln? Einen Moment sah Miss Morris völlig entsetzt drein, doch dann fasste sie sich sofort wieder und sah mit einem Blick der töten könnte zu Kaskae herab. „Du dummes Mädchen! Wie konntest du nur weglaufen?“ Sie griff bestimmt nach dem Halsband und zog Kaskae recht unsanft zu sich. „Mir tut das wirklich so leid“, beteuerte sie beschämt „Ich habe wirklich nichts davon mitbekommen, wirklich! Sie hat das bisher nie getan, sie ist sonst ein sehr wohlerzogener Hund und ich versteh auch gar nicht wie sie weglaufen konnte, das Tor war zu, ganz sicher. Wirklich, es tut mir so leid dass Sie sich nur wegen ihr so abmühen mussten, ich bitte vielmals um Verzeihung.“ Irgendwie tat Miss Morris Kaskae in diesem Moment fast schon Leid… ein bisschen. Ihr schien diese Sache so furchtbar peinlich zu sein, dabei war Kaskae nicht mal ihr eigener Hund! „Ach was, ganz ruhig“, lachte Mister Johnson amüsiert und lächelte versöhnlich „Das war doch beim besten Willen nichts schlimmes. Ich hab’s gerne getan und wenn sie ihr erlauben würden durch die Gegend zu streifen würde sie es vielleicht sogar lassen… Wie sagt man immer so schön? ‚Der Reiz etwas verbotenes zu tun ist nur so groß weil es eben verboten ist‘.“ Miss Morris entspannte sich nun etwas, lockerte nun den Griff um das Halsband der Hündin und musste kichern. „Oh je, das lassen wir lieber. Wenn die Gute erst mal Läufig ist, ist alles zu spät. Aber ich werde Jane davon erzählen sobald sie von der Schule zurück ist. Vielleicht hat sie auch nur das Tor nicht gut genug zugemacht. Und nochmals vielen Dank dass sie sie zurückgebracht haben, das ist mir wirklich peinlich, so ist sie sonst nie.“ „Ach, schon gut. Also dann, man sieht sich.“ Mit diesen Worten verabschiedete Mister Johnson sich von Miss Morris. „Und nun zu dir.“ Kaskae warf erschrocken den Kopf um. Eigentlich hatte sie gehofft dieses Thema hätte sich hiermit erledigt. „Zur Strafe gibt es heute kein Mittagessen! Was erlaubst du dir auch?“ Und mit diesen Worten ließ die ältere Dame Kaskae einfach vor der Tür stehen. Einen Moment starrte die Hündin die Türe noch entsetzt und gleichzeitig wütend an, doch nur einen Augenblick später entfuhr ihr ein leises Knurren und sie verzog die Lefzen zu einer verächtlichen Grimasse, die an ein gehässiges Grinsen erinnerte. Pf, die konnte sich auf was gefasst machen! Wenn Jane erst mal davon erfuhr… Genau! Jane war ihr persönlicher Schutzengel, die würde sie doch nicht hungern lassen! „Du dummes Mädchen! Wie konntest du nur Kaskae?!“ Falsch gelegen. Sogar Jane schien jetzt gegen sie zu sein. Irgendwie wurde grade ihre gesamte Welt auf den Kopf gestellt. Das war jetzt das geschätzte hundertste Mal dass Kaskae heute angemotzt wurde, doch es von Jane zu hören war nicht das gleiche. Sie jaulte gequält auf, doch nicht mal das ließ einen Funken Mitleid für sie rausspringen. „NEIN! Das ist nicht in Ordnung! Wie bist du überhaupt raus gekommen? Ey, weißt du was für einen Schrecken ich bekommen habe als Miss Morris mir von deinem Abenteuerlichen Ausflug erzählt hat?! Und da kannst du mich so mitleidig ansehen wie du willst, es funktioniert nicht und das weißt du!“ „Ist ja gut, ich hab’s kapiert.“, murrte Kaskae und zog den Schwanz reuevoll ein. „Jaja, tu nicht so! Wenn das noch einmal vorkommt wirst du richtig ärger bekommen, mach dich darauf gefasst! Und Abendessen gibt’s heute auch keines.“ Mit diesen Worten stiefelte Jane einfach ins Haus, doch Kaskae machte noch einen letzten Versuch wenigstens da noch rein zu kommen. Sie jaulte auf die bemitleidenswerteste Art und Weise die sie nur konnte. „Nein, vergiss es, heute nicht.“, sagte Jane und drückte die Hündin von sich weg. Kaskae sah an ihrer ganzen Körperhaltung wie sauer sie war. Aua… Das hatte gesessen. Kein Abendessen. Nicht mal ins Haus durfte sie und da durfte sie immer rein wenn Jane dabei war! Und das schlimmste war dass es kein Abendessen gab! KEIN FUTTER! Dabei hatte sie doch solchen Hunger! Aber gut… GUT! Dann würde Kaskae Jane eben nie wieder auch nur eines Blickes würdigen! Die würde sehen wie nachtragend sie seien konnte! Hunger… Huuuuuunger… Sie hatte solchen Hunger. Und jetzt schneite es auch noch, weshalb sie ständig blinzeln musste. Sie hätte sich auch einfach in ihre Hundehütte legen können, aber dann würde Jane sie nicht durch das Fenster sehen können und sie nicht bemitleiden können. Okay… Sie würde noch warten, so lange bis sie was zu fressen bekam. Okay… Sie gab auf. Scheiß auf das Futter, Jane hörte bestimmt gerade Musik und kein Mensch würde sie in der Dunkelheit und dem Schneegestöber sehen. Was Kaskae hier machte war kindisch und dumm! Mit einer Mischung aus Widerwille und dem Wissen dass sie den Kampf um das Futter zu hundert Prozent verloren hatte, schlich sie sich in ihre Hundehütte und versuchte die alte Decke die darin lag ein wenig über ihren zu ziehen. Ihr wurde zwar langsam wärmer, aber diese Wut die sich in ihrem Bauch staute war noch immer da und sie wollte auch nicht verschwinden. Egal… Sie würde Jane morgen zeigen wie böse sie auf sie war, jetzt sollte sie erst mal einschlafen, sie brauchte die Energie für morgen, zum Ignorieren. „Hier hast du was zu fressen, aber dass du das von gestern ja nicht noch mal machst, hörst du?“ Jane legte ihren Napf vor die Hundehütte und eigentlich hatte Kaskae jetzt was sie wollte. Aber Futter von Jane annehmen? NEIN. Sie würde sie solange ignorieren bis Jane es bereute sie angemotzt zu haben! Und zu ignorieren gehörte auch Futter verschmähen, dass sie ihr gab. Es wäre etwas anderes gewesen wenn Miss Morris oder Janes Eltern es ihr gegeben hätten, aber wenn Jane es ihr gab würde sie es nicht mal ansehen. „Na was ist jetzt, du bist doch sicher hungrig!“, meinte Jane vorwurfsvoll und schob den Napf noch näher – Kaskae wand den Kopf ganz ab. „Gut! Dann warte eben bis es tiefgefroren ist, meinetwegen, damit kann ich leben“, zischte Jane und erhob sich „Aber du wirst schon noch was fressen, wenn’s das letzte ist was ich tue.“ „Träum weiter.“, knurrte Kaskae leise und versuchte gerade mit aller Kraft nicht auf den randvollen Futternapf zuzustürmen. Wenn doch nur Miss Morris… Nein! Sie würde stark bleiben! „Und noch was Madame, wir gehen heute wieder in die Stadt, also fress was, denn niemand will von einer ausgehungerten Hündin überfallen werden, klar?“ Nö. Kaskae war es so egal was Jane sagte, sie wollte jetzt nur noch ihren Kopf durchkriegen, ende. Ja, sogar wenn sie verhungern würde! Die konnten sie alle mal! Spätestens jetzt bereute Kaskae ihre Sturheit aufs bitterste. Sie saß angeleint vor dem Lebensmittelgeschäft und das würde sich auch wohl nicht in den nächsten zwei Stunden ändern, denn Janes Mutter, die heute mal zur Abwechslung mitgekommen war, hatte vor danach noch zum Friseur zu gehen und so kamen Jane und Kaskae auch nicht unbedingt schneller nach Hause. Jedem Passanten der an ihr vorbei lief warf sie einen gequälten Blick zu, doch keiner von denen erbarmte sich ihrer und hielt an um ihr zumindest ein klitzekleines bisschen Futter zu geben. Na ja, bis auf eine… „Hey, Jenna, schau mal, da ist wieder die nette Hündin von gestern, von der ich dir erzählt habe!“, quiekte eine Stimme begeistert und Rosie riss sich von ihrer Mutter los. „Hey, Rosie, nicht weglaufen, das tut man nicht!“ Kaskae hingegen bellte nur erfreut auf und kam Rosie, so weit wie es ihre Leine zuließ, entgegen. „Mama, schau, das ist Kaskae, die die Daddy gestern zu ihrem zu Hause gebracht hat. Schau, die ist fast so groß wie ich!“, giggelte Rosie und stellte sich neben Kaskae die, zumindest wenn sie saß, tatsächlich so groß wie Rosie war. „Ja Schatz, das ist ja ganz toll, aber jetzt möchte ich dass du da weg gehst, hast du mich verstanden?“, mahnte ihre Mutter. „Aber sie ist ganz lieb, siehst du?“ Um das zu beweisen schlang Rosie die Arme um Kaskaes Hals, was diese mehr oder weniger mit Würde nahm. Eigentlich mochte sie es nicht mal am Hals berührt zu werden, doch das lag eher daran dass sie früher zur Strafe immer am Hals gewürgt wurde und als Welpe manchmal eine Art Schlinge als Halsband tragen musste die, je stärker sie zog, ihr nur umso mehr die Luft abdrehte. WARUM wusste sie bis heute nicht, denn in ihren Augen hatte sie damals nichts falsches oder böses gemacht und was ihr diese Maßnahmen gebracht hatten wusste sie auch nicht, denn bei Jane hatte sie etwas derartiges nie gebraucht. „Rosie, komm jetzt her. Du weißt nicht wie man mit so großen Hunden umzugehen hat, lass das.“, befahl ihre Mutter nochmals bestimmt. „Aber Jenna ist doch auch groß.“, wiedersprach Rosie enttäuscht und ließ von Kaskae ab. Sie wusste nicht warum, aber irgendwie schien Rosie sich von ihr angezogen zu fühlen. „Ja, aber Jenna ist erstens DEIN Hund und zweitens ist sie nicht so groß wie Kaskae.“ „Okay Mama…“, gab Rosie es schließlich auf. Jenna, die die ganze Zeit schweigend zugesehen hatte, sagte nun jedoch auch noch etwas. „Ach, Kaskae, bevor ich es vergesse und du dich wieder vor kleinen Kindern retten musst, wann hättest du denn mal wieder Zeit? Dixie und Sylvie fragen schon nach dir und allen Anschein nach gab es gestern wohl Ärger, oder?“ Kaskae sah etwas beschämt zu Boden, doch dann meinte sie: „Also um ehrlich zu sein hab ich keine Ahnung. Ich glaub Miss Morris wird in nächster Zeit ein wachsameres Auge auf mich halten, doch nachts könnte es klappen, denn ich will wirklich keinen Ärger mehr. Ich weiß nicht, wie ist es mit euch?“ „Hmm… Also rein theoretisch könnte es bei mir funktionieren, bei den anderen weiß ich noch nicht, ich-“ Ein Ruck in ihrer Leine schnitt Jenna für einen Moment das Wort ab „Ich frag mal die anderen.“ „Okay, sagt mir einfach irgendwie Bescheid.“ Wie lang zwei Stunden einem vorkommen können… So… so… schrecklich lang. Kaskae durfte das soeben am eigenen Leibe erfahren und sie hatte eine Sache jetzt schon mal beschlossen: Friseure sind scheiße. Ihr Fell zu machen dauerte keine zwei Minuten und am Ende sah man auch ein Ergebnis, aber bei Menschen war das genau anders herum, denn als Kaskae Janes Mutter herauskommen sah, war bei der alles noch immer beim gleichen. Obwohl… Ihre Haare schienen jetzt noch wasserstoffblondierter zu sein. Und Jane? Bei der hatte sich nichts, ungelogen gar nichts, verändert, die war doch nur mitgekommen um einfach bei ihrer Mutter seien zu können. Und die Höhe war als Jane Kaskae nicht mal begrüßte! Völlig wortlos lief sie mit ihr an der Leine neben ihrer Mutter her und beachtete sie keines Blickes. Gut, gut, genug, es war offiziell: Kaskae begann sie regelrecht zu hassen. Die hatte es schon mit ihr versaut und Jane würde ein extrem großes Steak brauchen um das alles wieder gut zu machen, schließlich war Jane es doch die Kaskae ungerecht behandelt hatte, nicht anders herum, verdammt! Das gleiche galt übrigens für Steele, der sich immenroch nicht hatte blicken lassen. „Und verriegle das Schloss doppelt, ihre Läufigkeit fängt wahrscheinlich bald an.“, mahnte Miss Morris Jane, als diese Kaskae ihr Abendessen hingelegt hatte. Und nein, Kaskae würde es nicht fressen, nicht solange es von Jane war! Doch ob sie dieses Ziel wirklich erreichen würde war fraglich, denn der Hunger stieg gerade ins Unermessliche. „Mach ich. Diesmal wird sie uns nicht einfach abhauen.“ Läufigkeit, was für ein Scheiß! Von wegen, Kaskae war nicht läufig und sie würde es auch nicht werden, weder jetzt noch in naher Zukunft, ihr war ganz einfach nur STINKLANGWEILIG. Sie dufte sich nicht mit anderen Hunden treffen, Jane war nur spät Abends und an den Wochenenden wirklich da und es gab absolut überhaupt gar nichts für Kaskae zu tun, was verlangte man also? Pf, nicht mal gute Nacht sagte man ihr mehr. Gut, nach drei Stunden Dauer-Starren war für Kaskae eines klar: Entweder sie würde jetzt irgendwas tun oder sie würde vor Langeweile sterben. Und ganz im Ernst, der Reiz auszubrechen und einfach nur durch die Gegend zu streunen war dermaßen groß, dass sie sich gar nicht mehr dagegen wehren wollte. Im Gegenteil, das würde sicherlich Spaß machen und mit jedem Mal mit dem sie es tun würde, würde ihr Spott über Jane nur noch größer werden. So leicht würde sie sich nicht mehr erwischen lassen, in dem Punkt war sie sich sicher. Fragte sich nur wie… Wie sollte sie da drüber kommen? Eine Möglichkeit wäre jetzt Superhund-mäßig über den Zaun springen, rein physikalisch müsste das möglich sein, oder sie sie würde ein Loch unter dem Zaun durch graben… Aber das wäre bei den Temperaturen auch so gut wie unmöglich, der Boden war gefroren. Aber irgendwas musste sie sich ausdenken. Sie hatte den Zaun schon ein paar mal abgesucht, eine Fluchtmöglichkeit gab es da nicht. Aber sie hatte schon eine Idee und um ehrlich zu sein fragte sie sich warum sie die nicht schon früher hatte. Vorsichtig setzte sie die Vorderpfoten auf den Mülleimer, der direkt neben dem Zaun stand und zog sich mit einem kräftigen Satz hoch. Doch einen Moment blieb ihr fast das Herz stehen, denn die Mülltonne unter ihr schwankte einen Moment bedrohlich. Doch als sie wieder halbwegs fest stand, spannte sie ihre Hinterbeine so stark sie nur konnte an und starrte konzentriert auf den Zaun. Rein physikalisch war es möglich. Wenn sie all ihre Kraft zusammennehmen würde, dann würde sie es schaffen können… Doch sie traute sich einfach nicht. Noch immer war sie bis zum letzten Muskel angespannt, doch so wirklich traute sie es sich nicht. Wenn sie es nämlich nicht schaffen würde, würde sie mit voller Wucht gegen den Zaun prallen, den Mülleimer mitumschmeißen und wahrscheinlich jeden wachrütteln und dann bekam sie doppelten Ärger. Aber dann wagte sie es doch und einen Moment fühlte sich ihr Sprung wie fliegen an. Sie wusste dass sie hoch springen konnte, aber das? Hm, nicht schlecht… Doch als sie hart auf dem Boden aufschlug war ihr Höhenflug auch schon vorbei. Sie jaulte gequält auf, doch bereute das sofort, als sie glaubte jeden Moment Janes wütendes Schimpfen zu hören. So kam es aber nicht. Also gut, noch besser. So schnell ihre Pfoten sie tragen konnten trabte Kaskae nach Nome und sah sich, wenn auch herzlich erfolglos, nach Dixie um. Oder Sylvie. Oder Jenna. Oder irgendeinem anderen Hund, mit dem sie hätte Spaß haben können. Und sie hatte so verdammt großen Hunger, es war unerträglich. In Nome war es vollkommen dunkel, bis auf einige Öllampen, die ununterbrochen brannten, um nachts Reisenden eine Hilfe zu sein. Reisende, dass sie nicht lachte. Wer kam den schon hier her und vor allem warum? Egal. Sie hatte Hunger. Und sie wusste schon genau wo sie suchen musste. Vorsichtig stieß Kaskae die Tür zum Boilerraum auf und stöhnte genießerisch, als ihr die warme Luft entgegenflog. Genau das brauchte sie jetzt. Wärme. Aber gegen Futter hatte sie auch nichts einzuwenden. Also, wo hatte Star seine Futtervorräte? Der kleine Husky hatte, zumindest war sie sich dem sicher, einige kleine Verstecke, wo er Räucherfleisch aufbewahrte. Schwer war es jedenfalls nicht zu finden, er hatte es nämlich einfach unter seiner Lieblingsdecke versteckt. „Sorry Star, aber was sein muss, muss sein.“, sagte sie sich selbst und begann begierig das zähe Fleisch in sich reinzuwürgen. Es tat so gut wieder etwas im Magen zu haben, doch umso größer war ihre Enttäuschung als sie alles aufgefressen hatte. Star könnte ruhig mehr einlagern. IHN hätte das vielleicht satt gemacht, aber sie? Sie war ein großer Hund, ein sehr, sehr großer Hund! Sie brauchte mehr als… DAS. „Ach Star…“, seufzte sie „Und jetzt?“ Sie sah sich unschlüssig um. Sie könnte entweder durch die Gegend streunen und sich ein wenig die Pfoten vertreten, doch als sie den aufkommenden Schneesturm um sich pfeifen hörte, entschied sie sich dafür, sich einfach nur an den Boiler zu legen und zu schlafen. Sie bekam diese Gelegenheit nie zu Hause, also würde sie sie jetzt ausnutzen. Sie machte es sich auf einer Decke, direkt vor dem Boiler bequem und machte sich so lang wie nur möglich. Sie streckte ihr Kreuz regelrecht durch und schmiegte den Kopf gegen den Boden. Es hätte nicht mehr viel gefehlt und sie hätte sich auf den Rücken gewälzt. Warum auch nicht? Die Wärme die sie erfüllte und der Schein des Feuers, der ihrem Fell einen leichten, goldenen Schimmer gab, war einfach zu verführerisch. Aber nein, sie wollte jetzt schlafen. Als Schlaf konnte man das was sie da tat nicht bezeichnen, es war eher so eine Art Halbschlaf. Ein Dösen. Seit Stunden. Jedenfalls war sie sofort hellwach als sie hörte wie die Tür aufging und jemand den Raum betrat. Aha, sie war also nicht mehr allein. „Steele?“, rief sie irritiert aus. Mit Sie hätte jetzt mit vielen Hunden gerechnet, aber wer da kam… überraschte sie. Er sah verwundert in ihre Richtung, fing sich jedoch schnell wieder „Kaskae, was machst du hier?“ „Gegenfrage, was machst DU hier? Ich meine du hast es wohl kaum nötig dich hierher zu schleichen nur um dich aufzuwärmen. Du darfst doch im Haus schlafen.“ „Ja, aber ich… Vergiss es, was tust du hier?“ „Versuchen Langeweile zu töten“, erklärte sie ihm, als er sich neben sie setzte „Und von DIR“, sie fletschte die Zähne „erwarte ich eine Entschuldigung!“ Steele sah merklich irritiert zu ihr herunter. Erstens mal entschuldigte er sich nicht bei irgendwem für irgendwas und zweitens wusste er nicht mal von was sie sprach. „Was?“ „Jaaaa“, begann Kaskae „Wegen dir wurde ich vor schließlich nach Hause gebracht und DA gab es Ärger! Das kannst du mir glauben! Ich darf einfach gar nichts!“ Sie überkreuzte trotzig die Vorderbeine „Oh, das tut mir leid.“ Moment, hatte Steele grade ehrliche Betroffenheit ausgedrückt? „Zumindest machen die mich noch nicht an ‘ner Kette fest“, meinte sie und legte den Kopf auf die Vorderpfoten „Sag mal“, begann sie „Weißt du wo es hier Futter gibt? Ich hab kaum was im Magen.“ Steele horchte auf. Wie meinte sie das? Musste sie etwa hungern? „Warum? Geben die dir etwa nichts mehr zu fressen?“ „Ach was, nein“, gab sie zurück „Ich fresse nur nichts was Jane mir gibt. Da geht es um Stolz, die soll ruhig merken dass ich sauer auf sie bin. Ich kann eben sehr nachtragend sein.“ Stelle musste, ob er wollte oder nicht, grinsen. Sie sah so süß aus wenn sie schmollte. „Hast du wirklich solchen Hunger?“, fragte er nach und legte seinen Kopf vorsichtig auf ihre Schultern. Er wollte es ja nicht zu weit treiben, jedenfalls noch nicht. Und da sie keine Reaktion darauf zeigte, ließ er seinen Kopf einfach dort ruhen. Um ehrlich zu sein gefiel es Kaskae sogar. Steele war warm und weich, sie konnte ihren Hals, wenn er so lag, gut an seine Schulter drücken. „Ja, hab ich… Sag mal, weißt du vielleicht von etwas von dem ich nicht weiß?“ Sie zog vielsagend eine Augenbraue hoch. Wenn er ihr jetzt sagen wollte, dass er wusste wo es Futter gab, würde sie ihn wahrscheinlich umbringen. „Leider nicht… Aber ich könnte dich mit zu mir nehmen…“ Stelle gab wirklich sein bestes nicht zu aufreizend zu klingen, aber bei einer Hündin wie Kaskae fiel ihm das nicht wirklich leicht. Doch sie ließ sich eben nicht leicht rumkriegen, im Gegenteil, sie war eine Herausforderung. Steele bezweifelte um ehrlich zu sein dass sie überhaupt verstand dass er etwas von ihr wollte. Er würde sie nicht als dumm bezeichnen, aber sie schien so vollkommen gar kein Interesse in eine Beziehung zu einem Rüden zu haben. „Ach lass mal, ich will nicht wieder Ärger bekommen“, meinte sie niedergeschlagen und rieb ihre Schnauze an ihrer Pfote „Aber warum bist du denn nun hier? Tagsüber seh ich dich nie bei den anderen Hunden.“ Steele wollte dieses Thema eigentlich so gut wie möglich umgehen. Er hasste es und Kaskae sollte auch nicht darüber reden oder es gar erst erfahren. „Ich schätze ihre Gesellschaft eben nicht allzu sehr.“, erklärte er ihr. Gelogen war es ja nicht. „Ach ja, aber ich bin besser?“, fragte sie mit einem schiefen, zynischen Grinsen. „Oh glaub mir, meine Liebe, du bist besser als die alle zusammen.“ „Wow, dafür dass wir uns kaum kennen schlägst du aber ziemlich hohe Töne an. Ich mag die anderen, die sind doch alle ganz nett, was hast du gegen sie?“, wollte sie wissen. „Dafür dass ich dich erst seit kurzem kenne, machst du von der gesamten Horde hier den besten Eindruck auf mich. Du bist besser als die, ich mag dich, ganz einfach.“, erklärte er ihr und hoffte innerlich dass sie dieses Thema einfach vergessen würde. Er wollte nichts darüber hören und vor allem sollte SIE nichts davon hören. „Weißt du, dafür dass du anscheinend schon so viele Preise gewonnen hast, scheinst du nicht sehr gerne unters Volk zu treten.“, stellte Kaskae fest und drehte den Kopf so, dass sie ihm ins Gesicht sehen konnte. Er hatte tolle Augen… Aber das hatte sie ja schon mal festgestellt. „Man muss ja nicht damit angeben.“, meinte Steele, lachte sich für seine Scheinheiligkeit jedoch grade innerlich selbst aus. Erbärmlich wie er vor dieser Hündin log. „Nun ja“, meinte Kaskae „Ich glaube wenn ich an deiner Stelle wäre, hätte ich mir schon lange die Kugel gegeben. Was ist so toll daran Schlitten zu ziehen, erklär mir das?“ „Es ist ja nicht das Schlitten ziehen, es ist der Erfolg, den man dadurch bekommt. Es macht einen Unterschied ob man einen gewissen Namen hat, wie ich, oder ob man nur Post von einer Stelle zur nächsten bringt.“, erklärte er ihr. „Erfolg also, hm“, murmelte sie halblaut „Weißt du, vielleicht würde es mir sogar Spaß machen, dieses Geschirr zu tragen und einen Schlitten hinter mir her zu ziehen, aber ich hab einfach zu viel negatives damit erlebt um da noch irgendwie, auch nur ansatzweise Spaß bei zu haben.“ Das ließ Steele hellhörig werden. Er hatte seinen Kopf zwar noch immer auf ihre Schultern gelegt, doch nun erhob er ihn. „Wie meinst du das? Was ist denn passiert?“ „Ach weißt du“ Kaskae musste augenblicklich schlucken, denn das war definitiv ein Ausschnitt aus ihrem Leben, den sie über alles verachtete „Ich kam von so einem Züchter, der, der… der war eben nicht so… Der war mies. Der wollte uns als vollausgebildete Schlittenhunde verkaufen, du weißt schon, mit so richtig viel Muskulatur und das schon im jungen Alter“ Sie schluckte nochmal ein paar Mal und dachte ganz genau darüber nach was sie jetzt sagen wollte um nicht loszuheulen „Wir, also… wir mussten eben so Schlitten ziehen, also meistens allein und wer nicht gut genug war, wurde bestraft… Schläge und so. Wir sollten möglichst schnell, möglichst viele Erfolge erzielen. Du weißt schon so… Ausdauer, Muskelaufbau, so halt…“ Man sah wie unglaublich ungern sie darüber sprach. Hass war das bessere Wort, sie hasste dieses Thema so, so sehr. „Oh… Und jetzt?“ „Wie? Na jetzt geht’s mir gut. Jane will nicht Schlitten fahren. Ich zieh sie höchstens mal übers Eis, das war’s. ich werde es auch nie machen müssen und das macht mich nicht traurig. Ich würde nicht sagen dass ich… ein Trauma oder so habe…“ Sie sah ihn vielsagend an „Falls du das damit sagen wolltest.“ „Was? Nein, wollte ich nicht, du verstehst da was völlig falsch.“, stritt Steele ab. „Na hoffentlich, sonst müsste ich dich wahrscheinlich umbringen…“, meinte sie mit einem zynischen Unterton und gähnte ausgedehnt, während sie den Kopf wieder auf den Pfoten platzierte. Vielleicht hätte sie nicht so laut gähnen dürfen, vielleicht hätte es aber auch nichts gebracht, jedenfalls flog die Tür ein paar Sekunden später auf und jemand betrat den Raum, dem Kaskae gerade die Pest an den Hals wünschte. „Oh mein Gott! Kaskae! Komm sofort her!“ Jane rannte wie von der Tarantel gestochen auf ihre Hündin zu packte völlig unbehelligt Steele am Halsband und warf eine der umliegenden Decken nach ihm. Um eines klar zu stellen, Kaskae war, wahrscheinlich, läufig oder kurz davor. Zumindest glaubte Jane das. Das durfte doch nicht wahr sein, warum ausgerechnet IHR Hund?! Warum gerade jetzt? Das durfte doch nicht wahr sein! Als sie heute Nacht aufgewacht war, weil sie aufs Klo musste und bemerkt hatte, dass von Kaskae keine Spur zu sehen war, hatte sie sich ganz allein auf die Suche nach ihr gemacht und zwar obwohl sich draußen ein Schneesturm zusammenbraute. Sie begann gerade richtig sauer auf ihren Hund zu werden. SEHR sauer. „Verschwinde du scheiß Töle! Verschwinde, lass sie in Ruhe, du scheiß Töle, verschwinde!“, schrie sie Steele, scheinbar grundlos, an und riss Kaskae derartig grob und plötzlich am Halsband hoch, dass ihr für einen Moment die Luft abgeschnitten wurde. „Und DU kommst mit! Na pass auf, mir reicht das, ich leg dich an die Kette, es ist GENUG!“, keifte Jane sie an. Noch nie hatte Kaskae ihr Frauchen derartig außer sich und wütend gesehen, aber jetzt… Ja, jetzt hatte sie richtig Angst vor ihr. Zum ersten Mal seit sie denken konnte hatte Kaskae Angst vor Jane. Angst. Blanke Angst. „T- Tut mir leid, i-ich… Tut mir leid.“ Kaskae wusste sonst nicht was sie Steele, der dem was gerade passierte fassungslos zusah, sagen sollte. Kaskae schämte sich so für das hier. Es war ihr richtig peinlich. Doch sie bekam sowieso nicht mehr viel von Steeles Reaktion mit, da Jane sie gerade so derartig heftig aus dem Raus zerrte, dass sie nicht anders konnte als gerade aus schauen… Es sei denn sie wollte ersticken. Aber was sie gehört hatte gefiel ihr nicht. Gar nicht. Kette. Wenn sie das schön hörte stellten sich ihr die Nackenhaare auf. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Kapitel 7: Ketten und das was man Freunde nennt ----------------------------------------------- BÄM, die Tür wurde aufgerissen. „Du blödes Mistvieh! Erst rührst du dein Futter nicht an und jetzt lässt du dir von so einem verlausten Köter nachstellen?!“ Kaskae zog den Schwanz ein. BÄM, die Tür wurde zugeschlagen. BÄM, die Tür zu Miss Morris Schlafzimmer öffnete sich, Sekunden später die von Janes Eltern. „Jane! Spinnst du, es ist drei Uhr morgens, was machst du solchen Lärm?!“ Janes Mutter sah strafend aus dem ersten Stock zu ihrer Tochter hinab, die, völlig verfroren, Kaskae am Halsband abwürgte und einen halben Schneemann mit ins Haus brachte. „Mum, du verstehst das nicht!“ Jane hatte während ihres Heimweges nicht nur Kaskae dermaßen hart am Halsband gepackt, dass dieser mehrmals die Luft abgeschnitten wurde, nein, sie selbst war kurz davor zu heulen. Seit dem sie hier waren machte ihr Hund nur noch Probleme, Kaskae war mit einem mal völlig undiszipliniert, frech und ungehorsam. Und sie verstand einfach nicht woran es lag. Kaskae war normalerweise so ein guter, braver, gehorsamer Hund und jetzt machte sie ihr nur noch Sorgen. Was war denn nur in diesen paar Wochen passiert? „Jane, was verstehen wir nicht? Und warum erwürgst du deinen Hund?“, fragte ihr Vater nun strafend. „Kaskae ist abgehauen, schon wieder!“ Jane heulte fast schon vor Verzweiflung, sie wusste sich einfach nicht mehr zu helfen. Sie wollte ihren Hund nicht an die Kette legen, aber sie war innerhalb von ein paar Wochen eine wahre Meisterin im Ausbrechen geworden. Was bleib ihr da denn noch übrig, wenn selbst ein Zaun sie nicht aufhalten konnte? „Was? Wie denn, ich hab doch das Tor abgeschlossen“, wand Miss Morris entsetzt ein „Ich kann mir das gar nicht erklären!“ „Ich weiß es doch auch nicht“, gab Jane zu „Aber sie war weg und dann bin ich sie suchen gegangen und dann lag die bei irgend so einem räudigen, scheiß Köter, in so einem Hinterzimmer von der Poststelle in der Stadt und sie ist jetzt bestimmt läufig und jetzt ist sie vielleicht trächtig und, und…“ Sie konnte nicht mehr. Sie heulte. Kaskae hingegen lief hochrot an, denn allein der Gedanke dass sie es mit Steele trieb, löste in ihr gewisse Krämpfe aus. Janes Mutter kam eilig die Treppen herunter gelaufen und nahm ihre Tochter fürsorglich in den Arm, Kaskae keines Blickes würdigend. „Ach Schatz, nun mal doch nicht gleich den Teufel an die Wand ich bin mir ganz sicher dass nichts passiert ist, lass mich mal schauen.“ Ihre Mutter ging in die Knie und drehte Kaskae einmal um ihre Achse, so dass sie sie von hinten sehen konnte. Kaskae spürte wie sie sie am Schwanz packte und diesen hochzog, wobei sich ihr das Nackenfell aufstellte. „Ach Schatz“, begann sie „Sie ist doch gar nicht läufig, es kann also gar nichts passiert sein, ja?“ Janes Mutter ließ den Schwanz der Hündin los und drückte ihre Tochter nochmals an sich. Kaskae wollte diese Gelegenheit nutzen um zu verschwinden, doch die Tür war zu. „Und was willst du jetzt machen?“ Miss Morris und Janes Vater kamen die Treppe herunter und stellten sich zu dem frierenden Mädchen. „Ich hab an eine Kette gedacht.“, gestand Jane kleinlaut. Sie hasste den Gedanken, aber es bleib ihr doch nichts anderes mehr übrig. „Ach Janny, das lässt sich doch sicherlich arrangieren“, tröstete Miss Morris sie. „Genau. Eine Kette kann man doch ganz billig kaufen, ich kenn da jemanden aus dem Ort, das müsste kein Problem sein.“ Kaskae glaubte ihren Ohren nicht. Die besprachen hier doch tatsächlich Pläne, wie sie sie an die Kette legen konnten. Mal ganz blöd gefragt… TICKTEN die noch richtig?! Da machte Kaskae sich einmal selbstständig und dann DAS. Nein. Das… Sobald Jane sich wieder gefangen hatte, würde sie ihre Meinung schon ändern. Die konnten sie doch nicht an eine Kette legen, das durften die ihr nicht antun, sie war doch immerhin Kaskae, der Hund der von jedem in diesem Haushalt geliebt wurde. Gegen elf Uhr morgens standen Janes im Geschäft des örtlichen Schmieds, Kaskaes Schicksal war besiegelt. „Aha, sie läuft also immer weg?“ Der Schmied, ein netter, älterer Mann musterte Kaskae eindringlich. „Ja, das ist ein richtiges Problem geworden. Unsere Tochter macht das richtig krank vor Sorge.“ „Vielleicht ist sie ja nur läufig, wäre das nicht eine Möglichkeit?“ „Nein, ich hab nachgesehen, sie ist gar nicht läufig.“ „Hmm…“ Der Mann begutachtete sie noch immer „Was machen wir denn mit dir?“ Etwas unsanft  streichelte er sie am Kopf, doch sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen. „Wie gesagt… Die Kette sollte vielleicht so… fünf bis sechs Meter lang sein, wir würden sie am Haus fest machen. Dafür bräuchten wir noch eine Art Haken.“ Kaskae gefiel nicht mal ansatzweise was da geredet wurde. Es machte sie unruhig. Sie stand auf und drehte sich im Kreis, setzte sich wieder und drückte sich gegen das Bein von Janes Mutter, doch die klopfte ihr nur halbherzig an die Schulter. Beruhigen war was anderes. „Okay… Also ein Haken und… Sagen wir sechs Meter Kette?“, fragte der Schmied und füllte einen Bestellzettel aus. „Ja, das wird schon reichen“ Janes Vater beugte sich zu Kaskae runter und klopfte ihr den Hals „Das wird wohl reichen, nicht?“ „Nein du Idiot, wird es nicht.“, murrte Kaskae halblaut und hätte ihrem Herrchen in diesem Moment zu gerne in die Nase gebissen aber wenn sie jetzt jemanden beißen würde, war ihr angeknackster Ruf ganz im Keller. Wie hatte Jane gesagt? Seit sie hier sei, mache sie nichts als Unfug. Das stimmt doch gar nicht! Früher war sie eben geforderter, früher hatten sie und Jane viel mehr zusammen getan weil die Schule näher war, aber jetzt? Jetzt war Jane kaum mehr anwesend. Und außer ihr verbrachte doch sowieso niemand Zeit mit Kaskae. „Ja, sie scheint einverstanden.“, meinte Janes Vater spaßend, richtete sich wieder auf und unterschrieb die Auftragsbestätigung. „Sehr schön. Okay, in zwei Tagen können Sie dann wieder kommen, die Kette müsste dann fertig sein.“ „Wunderbar. Vielen, vielen Dank, wir werden kommen.“ Janes Eltern verließen die Schmiede, Kaskae an der Leine kurz gehalten. „Schatz, können wir jetzt noch kurz einkaufen gehen?“ „Kann das nicht Miss Morris machen?“ „Die hat heute ihren freien Tag. Komm schon, ich will auch mal wieder was feines zum Abendessen kochen, ich hab schon so lange nicht mehr gekocht.“ „Ach Ellie…“, Janes Vater rieb sich genervt die Schläfe. „Bitte Schatz. Die haben gerade Hühnchen da, du weißt wie sehr Jane Hühnchen mag und ich hab auch schon seit einer ganzen Weile keines mehr gegessen.“, flehte sie. „Na meinetwegen. Aber davor bring ich noch schnell diesen Brief hier weg, unser Chef will wissen was wir schon alles herausgefunden haben.“ Janes Vater holte einen Umschlag unter seinem Mantel hervor. „Also ich muss sagen dass die Polarfüchse ein erstaunliches Sozialverhalten haben, es gibt noch so viel  über diese kleinen Wesen herauszufinden.“ Kaskae schaltete genau jetzt ab. Wen interessierten irgendwelche Füchse wenn ihr Leben gerade an ihr vorbeizog? Sie wollte nicht eingesperrt werden, nicht schon wieder. Janes Mutter band Kaskae vor der Poststelle an und sie  legte sich seufzend in den plattgetretenen Schnee und starrte auf ihre Pfoten. Sie hasste es manchmal ein Hund zu sein. Und jetzt mehr als sonst. Das war einfach nicht fair. Ihr war stinklangweilig, warum nahm man ihr das so übel? Sie wollte Abwechslung, sie wollte Kontakt zu anderen Hunden und stattdessen wurde sie jetzt an die Kette gelegt. An die Kette. „Mama, was soll das?“ Der jungen Hündin flossen die Tränen unaufhörlich über das Gesicht und ihre Mutter war völlig überfordert. Sie hatte bereits mit Kaskaes Geschwistern zu kämpfen, die alle weinend zu ihren Pfoten lagen und Trost bei ihrer Mutter suchten. „Süße, bitte, ich… ich hab zu tun, das… das ist einfach zu viel!“ Ihre Mutter wusste sich einfach nicht anders zu helfen. Sie hatte sie doch gewarnt, sie hatte doch gesagt dass es schlimm werden würde, sie hatte ihnen gesagt dass das Eis sich in ihre Pfoten bohren würde, warum waren sie dennoch so… entsetzt? Warum konnten sie nicht einfach für alle Ewigkeit so süß und klein blieben wie zu Anfang? Als sie das hier alles noch nicht ertragen mussten, wo sie einfach noch das Recht hatten bei ihrer Mutter zu sein. Doch Kaskae war es egal was ihre Mutter ihr sagte, sie BRAUCHTE sie jetzt. Ohne ein weiteres Wort schmiss Kaskae sich zu ihren Geschwistern, die alle versucht hatten sich irgendwie an ihre Mutter zu pressen. Obwohl Kaskae und ihre drei Geschwister gut ein halbes Jahr als wurden, teilten sie sich noch immer, zusammen mit ihrer Mutter, einen einzigen Zwinger. Sie schaffte es ihren Bruder etwas zur Seite zu stoßen und ihren Kopf in dem Fell ihrer Mutter zu platzieren. „Ich will das nicht mehr…“, wimmerte die junge Hündin, doch ihre Mutter reagierte gar nicht. Sie war doch selbst völlig erschöpft und der Anblick ihrer Jungen, so verzweifelt und fertig, machte es nicht besser. Sie liebte sie und sie hätte sie am liebsten aus dieser Scheiße rausgeholt, aber sie konnte nicht, wie auch? Sie hörte nur ihr Jaulen und wenn sie ehrlich sein sollte wollte sie nicht mehr auf stark tun. Sie wollte mitheulen, sie wollte sich einfach ihrer Traurigkeit hingeben, aber irgendwie wollte sie nicht kleinbeigeben. Sie musste es doch zumindest versuchen. Sie durfte nicht aufgeben. „Warum machen die das?“ Kaskae war als einzige wach geblieben und legte den Kopf wimmernd in die Pfoten ihrer Mutter. „Ich weiß es nicht, mein Schatz…“ Ihre Mutter leckte ihr liebevoll über die Stirn und begann langsam ihre Wunden Pfoten sauber zu lecken. Kaskaes Geschwister schliefen bereits. „Wann hört das auf? Ich will das nicht jeden Tag machen.“ Kaskae hatte noch immer Tränen in den Augen, die ihre Mutter erfolglos versuchte wegzulecken. „Mit der Zeit wird es erträglicher, glaub mir…“ Sie leckte ihr nochmals über die Stirn „Eines Morgens wirst du aufwachen und deine Pfoten nicht mehr spüren können. Wenn du das schaffst, dann bist du gerettet. Taube Pfoten sind das beste was du dir für ein solch hartes Training wünschen kannst. Denn ich werde nicht immer da sein.“ Panik stieg in diesem Moment in Kaskae auf und sie blickte ihre Mutter verzweifelt an. „Die… du wirst doch nicht etwa sterben?“ Nicht heulen… bloß nicht heulen, nicht schon wieder! „Nein, nein mein Schatz“ Ihre Mutter rieb beschwichtigend den Kopf an ihrem „Ich hab die Männer reden hören“, erklärte sie „Sie sagten das wird mein letzter Wurf. Nach euch bin ich frei, die wollen mich verkaufen!“ Kaskae wusste nicht wann sie ihre Mutter jemals so glücklich gesehen hatte, aber diese Freude war ansteckend. „W-wirklich“ Sie grinste „Nimmst du uns mit?“ Sofort spürte ihre Mutter einen Stich im Herzen. Sie war auf diese Frage nicht vorbereitet gewesen. „T-tut mir leid, mein Schatz“, begann sie und rieb den Kopf tröstend an Kaskaes „Das kann ich leider nicht… Aber wenn ihr alt genug seid werdet ihr bestimmt auch verkauft. Und dann habt ihr auch die Chance auf ein schönes zu Hause, ja?“ Das klang verlockend. „Du meinst nicht alle Menschen sind so wie die?“, fragte sie hoffnungsvoll. „Genau“ Ihre Mutter seufzte „Weißt du… die meisten Menschen sind sogar ganz lieb. Ich hab es doch gesehen wie sie mit den Verkaufshunden umgehen. Sie waren so fürsorglich, so nett zu ihnen, so liebevoll. Sie haben gelacht und sie gestreichelt, einfach nur so…“ Sie seufzte verträumt „Du musst mir etwas versprechen, mein Schatz“ Kaskae sah ihrer Mutter daraufhin fragend entgegen „Höre nie auf zu hoffen. Wo Hoffnung ist, ist auch immer noch ein kleines Lichtchen was dir helfen wird. Ich hab immer schon gehofft so etwas zu hören, so etwas wie ‚verkauf‘ zu hören und jetzt wird es wahr. Und dein Tag wird auch kommen und dann wirst du zu einer lieben Familie kommen, das weiß ich.“ Ihre Mutter klang so enthusiastisch. So glücklich. So vollkommen zufrieden mit ihrem Leben. Und Kaskae glaubte ihr. Es machte ihr Mut. „Bist du dir sicher?“, hakte Kaskae nach. „Ja, ganz sicher. Weißt du, meine Kleine, du hast gute Chancen hier raus zu kommen. Du bist gesund und erfüllst alle Rassestandards, irgendwer wird dich schon wollen, wenn du erst mal bei den vorderen Zwingern bist. Und dann wird alles gut.“ „Alles?“ „Alles“, bestätigte ihre Mutter ihr und drückte ihren Kopf vorsichtig gegen Kaskaes „Und nun schlaf schön… Ich liebe dich.“ „Ich dich auch, Mama.“ „Na komm schon her“ Einer der Männer, der gerade den Zwinger geöffnet hatte, packte Kaskaes Mutter, einige Tage später, grob an ihrem Halsband „Du bist dran.“ Kaskae und ihre Geschwister wollten ihr hinterher, denn vor allem ihre Brüder hatten immer mehr den Drang ihre Mutter zu beschützen, doch sie kamen nicht dazu, da der Mann mit etwas nach ihnen schlug. Das war nicht ungewöhnlich, diesmal war es jedoch etwas schweres, kein Stock, sondern eine kurze Eisenkette. Kaskae, die genau an der Spitze der kleinen Hundegruppe stand, bekam das Ende der harten Kette direkt gegen den Kopf geschleudert. Jedoch so hart dass sie, mal abgesehen von einem pochenden Schmerz an ihrem Schädel, plötzlich Blut in ihrem Maul schmeckte. Ihr Zahn… Ihr verdammter Backenzahn… Er hatte ihr den Zahn ausgeschlagen. Als Kaskaes Geschwister das Blut ihrer Schwester rochen verstummten sie augenblicklich und sahen sorgenvoll zu ihr herab. „Schwesterchen?“ Ihr Bruder stupste sie verängstigt an, als sie sich immer noch nicht, noch starr vom Schock, rührte. „Schatz, geht’s dir gut?!“ Ihre Mutter kam noch ein letztes Mal an den Zaun gelaufen, der sie nun für immer von ihren Jungen trennen würde. „J-ja, alles okay.“ Reflexartig schluckte Kaskae das Blut herunter, ihre Mutter sollte es nicht sehen… Es reichte wenn sie es roch. Erst Sekunden später wurde ihr klar dass sie soeben auch ihren Zahn verschluckt hatte. Ihr verdammter Backenzahn war weg. Doch noch war sie zu sehr unter Schock um zu jaulen. Und vor allem wollte sie ihrer Mutter das nicht antun. Ihre Mutter sollte ihre Junge halbwegs glücklich in Erinnerung behalten. Sobald sie um die Ecke gelaufen war, hatte Kaskae noch viel Zeit zum Heulen. „Tschüss Mami!“, rief ihr Bruder ihr nach und seine Geschwister stimmten ein. „Macht’s gut meine Kleinen, viel Glück!“, rief sie ihnen, wie wild mit dem Schwanz wedelnd und über das ganze Gesicht grinsend, nach. Und dann war sie aus dem Sichtfeld der Geschwister verschwunden. „Na kommt…“ Kaskaes Schwester seufzte langezogen „Sie ist weg…“ Sie und ihre Geschwister wollten sich gerade vom Gitter entfernen, da durchbrach etwas die unangenehme Stille zwischen ihnen so plötzlich, dass sie alle zusammenzuckten. Ein Schuss. Kaskae hörte ihre Brüder aufjaulen, sie selbst bekam für einen Moment vor Schreck keine Luft mehr und ihre Schwester zuckte einfach nur zusammen. Doch die Blicke der vier Hunde war stur nach vorne gerichtet. „Mama?!“ Kaskaes Schwester war die erste die es wagte etwas zu sagen. Sie alle waren von dieser Befürchtung gepackt. Sie alle wurden innerhalb eines Augenblicks auf den anderen von blanker Angst erfüllt. Doch sie waren still. Denn ganz tief in sich drin hatten sie die Hoffnung dass es nicht so war. Sie hatten diese winzige, kleine Hoffnung dass sie jeden Moment das Bellen ihrer Mutter hören würden, als Bestätigung dass es ihr gut ging. Und so verharrten sie dann am Gitter. Minutenlang saßen sie voller Anspannung da, starrten nach draußen, hofften auf ein Lebenszeichen. Nichts. Sie wollten sich nicht eingestehen dass sie Blut rochen. Sie wollten sich nicht eingestehen dass es Hundeblut war, was beißend in ihre Nasen kroch. Und noch weniger wollten sie sich eingestehen dass es das Blut ihrer Mutter war. Sie wollten nicht dass  sie tot war. Das durfte grade eben nicht passiert sein, sie war nicht tot. Es war ganz unmöglich, das ging doch nicht, immerhin hatte sie solche Hoffnungen gehabt, sie hätte doch verkauft werden sollen. Nein. Nein. Sie durfte nicht weg sein. Nicht so. Seit dem Tag hatten weder Kaskae noch ihre Geschwister ihre Mutter je wiedergesehen. Sie war tot, heute, im Nachhinein, war sich Kaskae dem sicher. Ach verdammt nochmal, sie WOLLTE nicht daran denken. Sie wollte nicht an ihre Mutter denken, die sie mit diesen Hoffnungen erfüllt hatte… Sie wollte nicht an die Tage denken, an denen ihre Geschwister in die Verkaufszwinger kamen und sie bis zu ihrem ersten Lebensjahr in dieser scheußlichen Umgebung ausharren musste. Sie fragte sich manchmal was aus ihnen geworden war. Ob sie es gut hatten, ob sie noch zusammen waren. Und noch weniger wollte Kaskae mit irgendwas zu tun haben, was mit ihrem ehemaligen zu Hause in Verbindung stand. Aus diesem ganz einfachen Grund hatte sie einen Hass auf Ketten, Schlingen, Stöcke, Peitschen, Seile schreiende, wütende Männer und wahrscheinlich ein Schlittentrauma. So unrecht hatte Steele dann wohl gar nicht gehabt… Sie war gestört. Sie gab es nur nicht zu. Ja, sie wusste dass sie eine krankhafte Angst gegenüber Schlitten hatte, aber sie hätte es nicht laut gesagt. Sie wollte normal sein und einfach alles was damals geschehen war vergessen. Sie wollte ein ganz normaler, glücklicher Hund sein, bei einer ganz normalen Familie. Nur war sie grade überhaupt nicht glücklich, im Gegenteil, sie war richtig mies drauf. Doch wie es so oft kam im Leben, riss eine kleine, quirlige Stimme sie aus ihren Gedanken. „Hey Kaskae“ Dixie kam, mit Sylvie im Schlepptau, angelaufen „Wir und Jenna wollten uns mal wieder zusammen treffen, wenn du also nicht zu läufig bist und ein halbes Schlittengespann hinter dir her führst, wollen wir uns vielleicht demnächst treffen? Wann hast du Zeit?“ Sylvie, welche genervt die Augen verdrehte, stieß Dixie mit kurzem zähnefletschen, zur Seite und meinte: „Tut mir leid, aber du kennst Dixie inzwischen wohl… Aber was ist denn los, du siehst nicht grade blendend aus, ist was passiert?“ „Kann man so sagen…“ Sie seufzte gequält und hob den Kopf „Ich glaub das war’s erst mal mit meinen Ausflügen. Ich komm an die Kette.“ Dixie und Sylvie sahen einander einen Moment fassungslos an, dann stürmten sie auf Kaskae zu und setzten sich neben sie, so dass sie sich wie unter Belagerung vorkam. Eine links, eine rechts. „Warum?!“, platzte es aus Sylvie heraus. „Ja, das ist passiert?!“ „Ach, ich wurde erwischt wie ich nachts abgehauen bin und Jane meinte es reicht jetzt und deshalb komm ich jetzt an die Kette. Jane meint ich sei, seit ich hier bin, völlig ungezogen geworden.“ Auch wenn Kaskae versuchte nicht so erbärmlich mitleidig zu klingen, so tat sie es doch, ob sie wollte oder nicht. „Oh je, das klingt ja furchtbar! Und wann wirst du sie wieder los?“, wollte Sylvie wissen. „Keine Ahnung… Ich hoffe bald. Ich hab einfach keine Lust für den Rest meines Lebens an einer Eisenkette zu hängen. Ich brauche meinen Freiraum, verdammt.“ Trotzig legte sie den Kopf auf die Pfoten und starrte gerade aus. „Also eine Möglichkeit wäre das Halsband kaputt zu machen. Ich meine sie müssen es dir doch mal abnehmen, oder?“ Dixie deutete auf ihres, welches einen Herzanhänger hatte. Ja, Dixies Herrchen taten eindeutig zu viel für diesen Hund. „Ich trage das da nur wenn ich raus gehe, zu Hause nicht.“ Kaskae zog eine Augenbraue hoch. „Dixie, du kannst doch immer raus, wann nimmst du das also schon mal ab?“ „Na… nachts.“, erklärte sie schnell. „Ach Leute“ Kaskae seufzte „Ich will meine Kettenstrafe verkürzen, nicht verlängern. Ich bin mir sicher, wenn ich auch nur noch einmal abhaue, ich weiß nicht was die mit mir tun werden.“ „Ich versteh deine Besitzer einfach nicht. Selbst ich, als Rassehund, hab mehr Freiheiten, ich meien man behandelt dich wie ein rohes Ei.“, meinte Sylvie genervt. „Hey“, gespielt entsetzt sah Kaskae zu ihr „ICH bin auch reinrassig, auch wenn ich kein Europa-Import bin.“ „Tja“ Sylvie schmunzelte „Ich glaube wenn der Züchter bei dem ich geboren wurde wüsste dass ich in einem kleinen Kaff abgeblieben bin, würde er mich zurückholen.“ „Wow, bist du dem so wichtig?“ Für einen Moment beneidete Kaskae ihre Freundin für einen so tollen Züchter. Für einen Moment eben. „Ach was redest du da“, mischte Dixie sich wieder ein „Aber dann hätte er sie nicht an so ein kleines Örtchen verschwendet, sondern hätte sie auf Shows ausgestellt.“ „Was?“ Kaskae sah verwirrt zwischen ihren Freundinnen umher. Ja, sie gab es wirklich zu, dieses Thema hatte ihre Aufmerksamkeit gewonnen. Sie konnte sich nicht mal im Entferntesten vorstellen auf was Sylvie da bitte hätte ausgestellt werden sollen. Sie wusste von Janes Eltern her, dass Dinge in Museen ausgestellt wurden, aber Hunde? „Also das ist sehr beliebt bei Menschen mit Rassehunden“, begann Sylvie zu erklären „Dabei versammeln Menschen ihre Rassehunde und vergleichen sie und der Hund der am besten ist, von Körperbau und so weiter, gewinnt dann. Das gibt für den Züchter Werbung, Geld und Ehre.“ „Okay…“ Kaskae schein den tieferen, nicht vorhandenen, Sinn dahinter nicht ganz zu verstehen „Und ansonsten?“ „Ja nichts“, antwortete Dixie „Das war’s.“ „Wow“ Kaskae zog eine Augenbraue hoch „Scheint ja ganz toll zu sein.“ Dixie wollte gerade etwas sagen, da erhaschte ein Wehklagen das Gehör der drei Hündinnen. Auf der andere Straßenseite sahen sie die Quelle des Gejaules: Star, begleitet von Kaltag und Nikki, schien sich über irgendwas furchtbar aufzuregen. „Oh nein, was hat den schon wieder gebissen?“, murrte Dixie halblaut und verdrehte genervt die Augen. „Ach, ich find den Kleinen ganz süß.“, musste Kaskae zugeben. Doch, wirklich, Star war witzig. „WAS?!“ Sylvie sah entsetzt drein. „Kaskae, das kannst du doch nicht ernst meinen! Du klingst fast schon so wie Jenna als sie-“ Doch Dixie kam nicht dazu zu Ende zu reden, da in diesem Moment Star vor sie trat und sich räusperte. Kaltag und Nikki standen in einem kleinen Abstand hinter ihm, wahrscheinlich um ihm, in dem was er da tat, seelische Unterstützung zu geben. „Ähm… Hey.“ Die drei Hündinnen, neben denen der zottige Husky relativ glanzlos wirkte, sahen auf. Keine von ihnen war läufig, was wollte der also von ihnen? „Hi Star“, begrüßte Kaskae ihn schließlich als erste und sah ihm erwartungsvoll entgegen, als weder er, noch Dixie oder Sylvie irgendwas sagten. „Äh, hi!“, gab er schließlich etwas nervös von sich. „Was gibt’s?“ „Äh, also…“ Star sah sich etwas hilflos nach seinen Freunden um, doch die gaben ihm nur zu verstehen, dass er weiter machen sollte „Ich hab ja gehört dass du anscheinend in den letzten Tagen nicht so viel zu fressen bekommen hast-“ „Nicht viel? Nun ja…“ Kaskae kicherte auf „Nichts trifft es eher, aber woher weißt du so was, haben die Wände hier irgendwie Ohren?“ Mit einem Mal schien auch das letzte Bisschen Selbstvertrauen aus Star gewichen zu sein und er sah verunsichert zu Kaskae hinab. Er kam sich plötzlich noch schäbiger neben diesen Hündinnen vor. Kaskae bemerkte seine wachsende Verunsicherung im ersten Moment jedoch gar nicht. Erst durch Sylvies Räuspern wurde sie wirklich darauf aufmerksam. „Oh, sag mal, du weißt schon dass das ein Witz war, oder? Nennt sich Sarkasmus, ich red oft so.“, erklärte sie schnell und grinste ihn wieder auf diese aufmunternde Art und Weise an. „Oh, äh, ja, natürlich!“, meinte Star schnell und sah sich im nächsten Moment panisch um. „Ich hab’s doch.“ Nikki trat zu ihm und überreichte ihm schnell etwas, was ihm links aus dem Maul hing. Star überreichte das ihm übergebene Stück Fleisch ohne Umwege Kaskae, welche zuerst verwirrt zwischen Star und dem Fleisch und dann zwischen Dixie und Sylvie umher sah, welche jedoch auch keine Antwort hierfür zu haben schienen. „Also, äh…“ Star wedelte nervös mit dem Schwanz „Das ist für dich, ich dachte mir dass du ziemlichen Hunger haben musst… Eigentlich hätte ich noch mehr davon, aber ein gewisser jemand musste es ja gestern Abend, als alle weg waren, auffressen…“ „Ich sage doch, ich war es nicht!“, verteidigte Nikki sich augenblicklich, bekam jedoch von Kaltag wortlos eine übergezogen. Ihr bester Kumpel versuchte gerade sich bei einer hübschen Hündin einzuschleimen, er hatte da einfach nur die Schnauze zu halten. Kaskae war in diesem Moment übrigens froh über ihren Pelz, denn sie spürte wie sie knallrot anlief. Dass Nikki wegen ihr jetzt beschuldigt wurde tat ihr irgendwie leid. „Äh, Star, das ist wirklich süß, aber das wäre echt nicht nötig gewesen, brauchst du das Fleisch nicht selber?“ Star kicherte verlegen und wäre am liebsten vor Freude geplatzt. Eine hübsche Hündin hatte ihn als ‚süß‘ bezeichnet, das war so was wie die Erfüllung des nächsten Punktes seiner ‚Dinge dich vor meinem Tod tun/hören/sehen möchte‘-Liste. „Ach, schon gut, behalt es, du brauchst es dringender als ich und-“ „Star! Kaltag, Nikki! Kommt her Jungs!“, rief eine Stimme durch die Straße und beendete Stars und Kaskaes kleines Gespräch unverhofft. „Oh, tut mir leid, ich muss dann…“ „Schon okay, man sieht sich.“, verabschiedete Kaskae sich von ihm und fiel nun über das Stück Fleisch zwischen ihren Pfoten her. Star trabte eilig hinter seinen Freunden her und man konnte sehen dass er sich merklich entspannte als er aus der Situation raus war. Es war ihm unangenehm gewesen, klar, aber das lag vor allem an Sylvie und Dixie. Die beiden hatten zwar nur wortlos neben Kaskae gesessen, aber sie hatten irgendwie so einen Druck auf ihn aufgebaut. „Sie hat mich süß genannt“, quiekte Star freudig „Und wie war das?“ Kaltag zog eine Augenbraue hoch. „Das fragst du auch noch? Star, das mit dem ‚süß‘ hat nichts zu bedeuten, du musst noch so viel lernen um einer Hündin von dem Kaliber gerecht werden zu können. Ich wäre um einiges besser geeignet, das ist ja mal klar.“ „Hey, reiß mal das Maul nicht so auf“, mischte Nikki sich ein „Sie mag zwar heiß sein, aber findest du nicht auch dass generell Hunde wie sie eine Nummer zu groß für uns sind?“ „Uns? Ihr meint wohl euch. Ich würde mich locker an sie ran wagen.“ „Na dann tu’s doch.“, verlangte Star. „Hätte ich ja, aber ich wollte dir ja zumindest mal ‘ne Chance geben.“, erklärte Kaltag großspurig, ehe er als erster den Kopf an dem Bein seines Herrchens rieb und sich das Geschirr umbinden ließ. Es ging heute zum Fischen. „Oh Gott, warum hast du ihm auch noch gesagt dass das süß von ihm war?“, wollte Dixie entsetzt wissen. „War’s doch“, meinte Kaskae kichernd „Ich fand’s niedlich dass er mir sein Fleisch gibt.“ „Bist du blöd? Du machst dem doch nur Hoffnungen.“, mischte Sylvie sich dazu. „Hey, was ist denn so schlimm? Ich war nur nett, Star ist doch ein netter Kerl.“, versuchte Kaskae sich zu rechtfertigen. „Der Typ ist ein flohversuchter Idiot und du hast ihm grade Hoffnungen auf eine Beziehung gemacht. Zudem…“ Dixie kam näher und räusperte sich „… ist dir schon bewusst dass  der dir doch nur mal hinten aufspringen will.“ „Dixie! Du bist so bekloppt, Star ist doch nicht so!“, widersprach Kaskae entsetzt, während Sylvie sich einfach nur stillschweigend ins Fäustchen lachte. Sie mochte die beiden, aber sich über Star lustig machen? Das war doch total süß gewesen, sie blieb dabei. Kapitel 8: Letzte Tage in Freiheit ---------------------------------- „Du kannst einem einfach nur leid tun“, meinte Sylvie, bevor sie sich schließlich erhob „Aber ich geh jetzt nach Hause, mir wird’s langsam zu kalt. „Toll, das bisschen Kälte zwingt dich schon in die Knie.“ Kaskae verdrehte die Augen und sah hoffnungsvoll zum Eingang der Poststelle. Janes Eltern kamen da wohl gar nicht mehr raus. „Hey, denk dir lieber was aus, wie du die Kette schnell wieder los bekommst, ja?“, meinte Sylvie und verschwand schließlich aus dem Blickfeld ihrer Freundinnen. „Das ist einfach nicht fair Dixie.“, meinte Kaskae etwas später in die Stille. „Hey, ich bin mir sicher sie werden sie dir wieder abnehmen, du sagtest doch selbst dass Jane zu weich ist um das durchzustehen.“, versuchte die kleine Samojedin sie aufzuheitern. „Das sagte ich nie.“ „Aber es ist so.“ „Ja….“, murrte Kaskae halblaut „Aber sie war gestern echt extrem wütend auf mich. So hab ich sie noch nie erlebt. Sie hat mir ein paar mal die Luft abgewürgt, sie war plötzlich so unglaublich grob zu mir, das hat mir alles richtig weh getan.“ „Was, hat sie so stark am Halsband gezogen? Wieso hast du nicht geknurrt, ich würde mir das nicht gefallen lassen!“, erwiderte Dixie geschockt. „Erstens Dixie, wird mit dir sowieso nie geschimpft, aus dem einfachen Grund dass du nie was böses machst und deine Besitzer dir sowieso alles durchgehen lassen und zweitens hab ich das auf emotionaler Ebene gemeint. Weißt du, es hat mir nicht körperlich weh getan, zumindest nicht so richtig, aber ich hab mich danach schrecklich gefühlt. Ich meine sie ist mitten in der Nacht vor lauter Sorge um mich, recht leicht bekleidet durch diese Kälte gelaufen, nur um mich zu finden. Und dann schimpft sie und weint fast und ich kann das einfach nicht deuten. Es ist egal was ich tue, es endet in keinem Kompromiss. Wenn ich mir Beschäftigung suche bin ich ein schlechter Hund und wenn ich zu Hause bleibe, sterbe ich vor Langeweile.“ „Ich versteh das einfach nicht… Sollen sie dich doch wie jeden normalen Hund durch die Gegend laufen lassen, da ist doch nichts dabei. Sehen die nicht wie du dich langweilst?“, murmelte Dixie und seufzte langgezogen. „Wohl kaum. Der ganze Schnee war in den ersten Tagen zwar ganz interessant, aber jetzt ist er eben etwas alltägliches Geworden. Ich meine ich kann mich doch nicht nur durch Schnee beschäftigen.“ „Warte… Du hast dich für Schnee interessiert?“, Dixie starrte ungläubig auf die weiße Pracht unter ihnen. „Anfangs schon… Es war eben neu so viel auf einmal zu sehen. Ich komm aus einem Küstenkaff im Süden, da schneits kaum.“ „Aha… Okaaaay…“ „Hey, hast du ‘ne Ahnung“ Kaskae tippte Dixie auf die Brust „DU hast deine Freiheiten, ich muss jede Nacht in meiner Hundehütte liegen, darüber nachdenken wie ich mich mit euch treffen könnte und dabei das Geheul von Wölfen in den Wäldern ertragen. Das macht mich völlig hibbelig, vollkommen aufgekratzt, wie soll ich da schlafen?“ „Oh, duuuuuu“ Dixie klimperte mit den Wimpern „Hast du etwa Angst?“ „Nein, ich… Keine Ahnung, sie sind einfach so wild, natürlich fürchte ich mich da davor. Ich meine das sind unberechenbare Tiere, die sind nicht domestiziert, die… die haben einfach niemanden der mich vor ihnen beschützen könnte. Und sie sind so primitiv, sie sind einfach Wölfe. Ich meine… Sie sehen nicht mal aus wie Hunde, sie sind einfach so wild, verstehst du?“, versuchte Kaskae Dixie zu erklären. Die kleine Hündin lag inzwischen langestreckt an Kaskaes Brust und spielte mit dem Anhänger des Halsbandes der Hündin herum. „Nun ja, du siehst aber auch nicht grade extrem anders aus…“, meinte die Samojedenhündin. „Hey! Das stimmt nicht, ich seh ganz anders aus als ein Wolf! Mein Schwanz ist gekringelt und ich bin kräftiger als ein Wolf und flauschiger und mein Gesicht ist breiter… Das weiß ich, ich hab schließlich mal einen Wolf gesehen… ausgestopft.“ „WAS?!“ „Ach, lange Geschichte…“ „Ich hab Zeit…“ Das drängen in Dixies Augen war vernichtend. „Für wen ist das?“ Jane stand ratlos vor einem Tischgroßen Paket, welches soeben vom Hafen zu ihnen geliefert worden war. „Ich weiß nicht, les doch.“, meinte Miss Morris. Kaskae schnüffelte währenddessen neugierig an der Holzkiste, die den Flur versperrte und verzog das Gesicht. Es stank nach Fisch und Benzin, keine Ahnung wo man diese Kiste gelagert hatte. „Also Kaskae mag es schon mal nicht… Aber auf dem Empfängern steht mein Vater.“ „Ach, dann lass es einfach hier stehen, wir wollen ja keine fremden Kisten öffnen.“ „Kann ich sie nicht einfach öffnen? Meine Eltern sind doch sowieso erst in einer Woche zurück. In der Zwischenzeit geht der Inhalt vielleicht kaputt.“, bat Jane. „Na meinetwegen. Aber wenn das Ärger ergibt, hab ich nichts damit zu tun.“ „Schon in Ordnung… Ich hol mal kurz das Brecheisen aus dem Schuppen.“, meinte Jane und nahm suchte den Schlüssel für das Gartenhaus. „Warte! Meinst du etwa…“ Mit entsetzten sah Miss Morris zu Kaskae herunter „Ich bleib ganz allein mit dem Hund im Haus?“ „Ach Miss Morris, sie wird ihnen schon nichts tun. Bisher war das gefährlichste Geburtstagsgeschenk, was ich je bekommen habe, ein Parfum, dass mir fast das Auge ausgeätzt hätte.“ Kaskae war jetzt zwar schon seit einem Monat bei ihren neuen Herrchen und hatte es die erste Zeit, abgesehen von ein wenig Durchfall und ein paar Kotzattacken, weil sie das viele Futter zu schnell geschluckt hatte, ohne Zwischenfälle geschafft. Doch die Haushälterin, die erst zwei Wochen später aus ihrem Urlaub zurückgekommen war und dann erst von Kaskae erfuhr, mochte sie nicht wirklich. Es war lustig gewesen, diese Frau kennenzulernen. Da war sie also gekommen, tiefenentspannt, mit einem schweren Koffer, war sie vom Hafen von ihrem Schiff gekommen, welches sie von San Francisco zurück nach Ketchikan gebracht hatte. Als sie gut gelaunt das Haus ihrer Arbeitgeber betrat, war Jane gerade in der Schule und ihre Eltern nicht zu Hause. Nur Kaskae war durch die Terrassentür, die leicht angelehnt war, ins Wohnzimmer gegangen und hatte sich dort mit voller Länge mitten in den Raum gelegt. Sie liebte ihre neuen Freiheiten, denn endlich von der Enge des Zwingers befreit zu sein, war das Beste was ihr hätte passieren können. Sie liebte diese Leute, allen voran Jane. Der leichte Blutgericht, der ihr noch von ihrem Mittagsmahl in der Nase hing, ließ sie etwas sabbern, doch sie hatte keinen Hunger. Doch als sie den Schlüssel hörte, der sich im Schloss drehte und das Geräusch der aufgehenden Tür, waren ihre Gedanken sofort wieder bei Jane. Es verwunderte Kaskae zwar dass sie so früh wieder zurück war, aber ihr war es nur recht. Doch ihr gleich überdreht um die Beine zu springen war etwas, das hatte sie sehr früh bemerkt, was sie nicht mochte, also blieb Kaskae einfach liegen. „Hallo! Ist jemand zu Hause? Ich bin zurück von meiner kleinen Familienversammlung?“ Kaskae blieb fast das Herz stehen. Diese Stimme und dieser Geruch waren ihr völlig fremd, wer war das zur Hölle? „Jane? Hallo, ist noch niemand zu Hause?“ Kaskae schwieg noch immer, auch wenn ihr Kopf und ihre Ohren aufgestellt waren. Doch sie wagte es nicht aufzuspringen zu bellen, warum auch? Sie war lieber vorsichtig was ihr Bellen anging, sie wollte keine Schläge bekommen. „Jane, bist du-“ Und in diesem Moment starrte Miss Morris Kaskae an, als wäre sie die Inkarnation des Bösen. Und dann stieß sie einen solch lauten und spitzen, hysterischen Schrei aus, dass Kaskae erschrocken aufjaulte und aufsprang, aus purem Reflex. Doch die ältere Dame war schon die Treppen hinauf geflüchtet und Kaskae hörte eine Tür knallen. Und dann war es ruhig. „Was zur Hölle war DAS denn?“, fragte Kaskae sich halblaut und lief vorsichtig den Flur bis zur Treppe hin und sah hinauf zum ersten Stock. Egal, um die würde Jane sich schon noch kümmern. Und keine halbe Stunde später kam schließlich auch tatsächlich Jane die Tür hinein und mit dem Geräusch der offenen Haustür, schrie Miss Morris von oben herunter: „JANE! Renn! Da ist ein Wolf im Wohnzimmer, renn, hol die Polizei, die sollen das Vieh erschießen!“ „WAS?!“ Ein Schauer ließ ihr über den Rücken! Was wenn Kaskae angegriffen wurde? Wie war der eigentlich ins Haus gekommen? Ach ja, die Terrassentür. Dennoch, Jane sah nichts was auf einen Wolf hindeutete, denn Kaskae, die ihr freudig entgegenkam, schien völlig gelöst. „Los, renn endlich!“, rief Miss Morris panisch. Doch Jane gehorchte nicht, sondern starrte verwirrt in das, natürlich leere, Wohnzimmer und kraulte Kaskae hinter den Ohren. „Äh… Miss Morris, hier ist nichts…“ Nun traute sich die ältere Dame langsam die Treppen herunter, doch als sie Kaskae sah, zuckte sie merklich zusammen. „Ich meinet eigentlich DAS Vieh.“, meinte sie und traute sich keinen Schritt weiter. „Das? Ach Miss Morris, das ist doch nur Kaskae!“ „Wem gehört der?“ „Also erstens ist es eine sie und zweitens“ Jane machte eine bedeutungsvolle Pause „Ist das MEIN neuer Hund, wissen sie denn nicht dass meine Eltern mir einen Hund zum Geburtstag versprochen haben?“ „Ich dachte das wäre ein Witz gewesen.“, meinte Miss Morris verängstigt. „Tja, wie sie sehen nicht“ Jane grinste breit „Und, wie finden sie sie? Ist sie nicht toll?“ „Für mich sieht sie aus wie ein wilder Wolf“, meinet Miss Morris misstrauisch „Die schläft doch nicht hier?“ „Nein, sie hat eine Hundehütte, hinten im Garten. Aber nun kommen sie schon die Treppe runter, sie will sie kennenlernen.“, meinte Jane begeistert und zog Kaskae die Mundwinkel hoch, so dass es so aussah, als würde die Hündin grinsen. Nur sehr zögerlich kam Miss Morris auf die Hündin zu, welche ihr misstrauisch entgegen sah. Nicht aggressiv oder warnend, einfach nur misstrauisch. „Oh nein, Jane, ich kann das nicht! Die wird mich umbringen, ich weiß“ Miss Morris stoppte und rieb sich eine Schläfe „Warum hast du denn keinen kleineren Hund bekommen können?“ „Wäre ihnen ein ungezogener Welpe denn lieber?“, fragte Jane sarkastisch. „Oder eine Katze! Ja, warum keine Katze? Katzen sind wunderbare Haustiere, so eine süße, kleine Perserkatze wäre doch fantastisch gewesen!“ „Miss Morris…“ Jetzt rieb Jane sich genervt den Kopf „Ich wollte aber einen Hund und da ist sie jetzt. Sie werden sie lieben, glauben sie mir! Schauen sie mal“ Jane nahm eine riesige, rote Schelfe, die sie Kaskae an dem Tag an dem sie sie bekommen hatte, übergehängt hatte, vom Garderobenständer und band sie dem Hund wieder um den Hals „Süß, nicht?“ „Ach, ich weiß nicht…“, murrte Miss Morris. „Ach kommen Sie… Schauen sie mal, sie kann schon Pfote geben, geben sie mir ihre Hand.“ „Ach, lieber nicht“, wand Miss Morris eilig ab „Aber füttern muss ich sie doch nicht, oder? Und sie ist doch auch die meiste Zeit draußen, oder? Und sie geht doch auch nicht in die Küche, oder?“ Jane grinste halbherzig. „Nein… Sie haben nur die Ehre die Hundehaare von den Möbeln zu putzen. Aber um den Rest kümmere ich mich. Und ja, normalerweise ist sie draußen, aber wenn ich da bin und meine Eltern wohl meinen, es wäre okay die Terrassentür offen zu lassen.“ Miss Morris war in Kaskaes Anwesenheit noch immer völlig angespannt und wen Jane nicht gewesen wäre, wäre die Hündin wahrscheinlich genauso angespannt gewesen. „Und die Küche? Geht sie da hin?“ Jane schüttelte den Kopf und nahm Kaskae die Schleife wieder ab. „Nein, sie hat Angst vor den Messern. Ich weiß auch nicht warum, ich denke mal sie hat ihre Welpenzeit nur im Zwinger verbracht. Sie hat auch kein Radio gekannt, aber an das meiste konnten wir sie inzwischen gewöhnen. Aber sie müssen bei Besen und dem Teppich ausklopfen aufpassen, sie mag es nicht wenn Leute den Besen schwingen oder den Arm heben.“ Miss Morris wurde langsam wieder unsicherer. „Wurde sie geschlagen?“ „Möglich… Aber nicht von uns! Aber abgesehen davon ist sie toll! Aber soll ich ihnen jetzt vielleicht erst mal beim Auspacken ihrer Sachen helfen?“ Miss Morris nickte dankend und war froh als sie Kaskae endlich ins Wohnzimmer schicken konnte. Ja, so hatte Kaskae Miss Morris damals, vor zwei Wochen, kennengelernt. Und mit jedem Tag, mit dem sie sich mehr und mehr mit Jane vertrug, mit jedem Tag, mit dem diese ihr die Angst vor irgendwas nahm, ohne dass sie es merkte, mit jedem Tag mit dem sie zusammen einen gemütlichen Abendspaziergang zum Hafen und wieder zurück machten, mit jedem dieser Tage begann Kaskae sie mehr zu lieben. Es tat gut einfach mal nebeneinander her zu laufen, sich die Sorgen dieses Mädchens, die sie selbst nicht so richtig verstand, anzuhören und einfach nur nichts zu tun. Kein elendiges Training mehr, nie mehr! Sie konnte endlich ein normaler Hund sein, sie genoss ihr Leben, sie liebte es! Seit sie hier war, widerfuhr ihr nur Gutes. Sie bekam genügend hochwertiges Futter, sie sah endlich mal was anderes als immer nur die Gitterstäbe vor der Nase, sie hatte einen großen Garten zum Spielen, sie durfte, fast immer, ins Haus und sich hinter den Ofen legen und gleichzeitig wurde sie noch geliebkost… Einfach so, ohne eine Leistung zu bringen. Zum ersten Mal erfuhr sie, einfach so, Liebe und Zuwendung von einem Menschen. Und sie war so dankbar. ALLES würde sie tun, um ihren Herrchen zu zeigen wie sehr sie sie liebte, doch sie wollten ihre Liebe wohl gar nicht. Wann immer sie anfing ihnen über das Gesicht zu lecken, dann wurde sie meist immer zurückgewiesen. Und sie verstand es einfach nicht. Sie bekam so unglaublich viel von diesen Leuten und doch durfte sie ihnen nichts zurückgeben. Manchmal da glaubte sie dass sie, vor allem Jane, allein an Kaskaes Anwesenheit als Genugtuung betrachteten. Doch Miss Morris war da anders. Angst war es keine mehr die sie vor Kaskae hatte, aber große Verunsicherung, so was merkt ein Hund. Doch zurück zur Momentanen Situation. „Ach Miss Morris, sie tut ihnen schon nichts, ignorieren sie sie einfach.“, meinte Jane als sie in den Garten ging um das Brecheisen zu holen. Es dauerte nicht lange, vielleicht eine Minute, doch Miss Morris konnte es nicht schnell genug gehen, sie schien vor Nervosität zu platzen. „So, hier bin ich. Also, mal sehen was in dem guten Kistchen drin ist…“ Jane machte sich an Werk und so kam es dass innerhalb kurzer Zeit im ganzen Flur Holzsplitter verteilt lagen. Doch die Kiste war offen und was dort zum Vorschein kam, war… Beunruhigend. „Was ist das?“, fragte Jane verwirrt. Sieht aus wie ein Wolf.“, meinte Miss Morris und sah das Ungetüm, was ihnen mit gefletschten Zähnen entgegensah, misstrauisch an. Es war eine Sache dass Miss Morris und Jane von diesem Biest verwirrt waren. Nein, Kaskae fühlte sich direkt bedroht. „Na los, verschwinde!“, knurrte sie gefährlich leise und zog die Lefzen hoch. Als der Wolf jedoch nicht reagierte und noch immer, wie steifgefroren und mit gefletschten Zähnen, zu ihr starrte, den Blick nicht von ihr lassend, wurde es ihr zu viel. Sie hatte ihn gewarnt, lang genug. Er mochte nach Benzin riechen, was ihr in der Nase weh tat, doch sie würde nicht zulassen dass dieses Ding irgendwen noch weiter bedrohte, da konnte es sich noch so steif stellen. Also sprang sie einfach, ohne Vorwarnung, auf und ging dem Biest an die Kehle. „KASKAE! AUS! AUS! Böser Hund, aus, hör auf damit! Weißt du wie viel so ein Präparat kostet?!“ Noch im selben Moment spürte Kaskae Janes Hand, die ihr ans Halsband griff und ihr die Luft abschnürte, als sie zurückgerissen wurde, noch immer laut knurrend. „AUS! Du böser, böser Hund! Böse!“, schimpfte Jane augenblicklich mit ihr und gab ihr einen kleinen Piek in die Seite. Und Kaskae verstand es einfach nicht. Wenn sie nicht noch so wütend auf den Wolf gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich geheult. „Wow… Dir ist klar dass du fast eine halbe Stunde totgeschlagen hast, oder?“ Kaskae sah zu Dixie herunter. „Und? Du sagtest du hast Zeit, ich nahm mir Zeit.“ „Ja, aber du hättest mir ja nicht erzählen müssen wie du die Alte kennengelernt hast“, meinte Dixie seufzend „Wenn ich das Sylvie erzähl…“ „Himmel, Dixie! Das hat sich eben so ergeben, das hing alles miteinander zusammen, nennt sich Schmetterlingseffekt.“ „Woher weißt du so was?“ „Du vergisst manchmal wer meine Herrchen sind.“ Dixie verdrehte die Augen und seufzte. „Aber deswegen hast du Angst vor Wölfen? Weil du mal einem Präparat an die Kehle gegangen bist und deswegen Ärger bekamst?“ „Nein! Das stimmt doch gar nicht! Ich hab einfach schon so viel von ihnen gehört und irgendwie sind sie einfach zu anders.“ „Aha… Was wurde eigentlich aus dem Ding? Also dem Präparat.“ „Ach… Janes Vater hat es als Geschenk für seinen Vorgesetzten gekauft, der hat eine private Sammlung an Präparaten. Und so viel ich weiß hab ich ein paar Löcher in die Füllung gebissen, das wurde aber geflickt.“ „Ach, ich finde du solltest wirklich mal Balto kennenlernen. Vielleicht würde dir eine Wolf-Husky Mischung weniger Angst machen.“ „Hm…“ Kaskae sah, fast schon mütterlich, zu Dixie herab „Schon seltsam. Ich hab schon so viel von ihm  gehört, aber hab ihn noch nie erblickt. Wem gehört er denn nun eigentlich?“ „Wenn man es so nimmt, ist er Eigentum Nomes. Er ist zwar noch immer zu wild, als dass man ihn als Haushund halten könnte, darum lebt er immenroch da, wo er schon immer gelebt hat, in dem alten Schiffskutter, etwas südwestlicher. Aber wenigstens füttern ihn die Leute hier jetzt, jeden Tag kommt jemand um nach ihm zu sehen, was ich natürlich nur gutheißen kann“, plapperte Dixie „Immerhin ist er der größte Held den dieses Kaff je hatte und wenn du das beste ist…“ Dixie machte sich noch länger, dicht an ihre Freundin gekuschelt, den Kopf auf eine von Kaskaes Pfoten gestützt „ICH kenne ihn persönlich.“ Kaskae legte den Kopf schief und seufzte. „Du und Sylvie seid die beiden größten Egoisten aller Zeiten. Weißt du, wenn du nicht so bezaubernd niedlich wärst und mich zum Lächeln bringen würdest, würde ich mit dir gar nicht befreundet sein wollen.“ Dixie blinzelte sie unschuldig an und spielte einfach mit Kaskaes Hundemarke weiter, wobei der Blick der großen Hündin auf das Halsband des kleinen Samojeden fiel. „Ach, Dixie, eine Frage mal…“ „Ja?“ „Warum zur Hölle hast du auf der Rückseite deines Halsbands einen Spiegel? Ich hab das schon mal gefragt, bekam aber keine Antwort, also?“ Dixie schien diese Frage extrem unangenehm zu sein, denn sie legte, wahrscheinlich ohne es selbst zu merken, verschämt eine Pfote auf die Schnauze und drehte den Kopf weg. „Ach, das… Eine Idee meiner Besitzer, wahrscheinlich weil ich so eitel bin und zu Hause immer eine halbe Stunde vor dem Spiegel sitze und mich von allen Seiten betrachte, bevor ich das Haus verlasse.“ „Aha… So was machen doch normalerweise nur Menschen.“ „Und ich! Ich bin eben besonders.“ „Aha… Und was willst du da gucken? Ich meine Sylvie hat ja wenigstens langes Fell dass sie sich irgendwie aufpuschen kann und nicht mal sie stellt sich vor einen Spiegel. Also was willst du dann erst tun?“ „Tja, ich kann mir das Fell auch aufplüschen. Solltest du auch mal versuchen, da, an deinen Wangen. Dein Fell ist da so fluffelig, doch du fluffst es nie auf, du würdest so viel niedlicher damit aussehen.“, beriet Dixie Kaskae stolz. „Aha… Aber du verbringst also echt SO viel Zeit am Spiegel, dass sogar deine Besitzer dir aus Spaß einen umhängen? Nervt dich das nicht?“, fragte die Malamutehündin und zog eine Braue hoch. „Ach…“ Dixie winkte ab „Anfangs fand ich das toll, inzwischen ist es eigentlich langweilig… Aber das wird ja alles nach einer Weile.“ „Warum? Du kannst dich da gar nicht drin sehen, das ist dir schon klar?“, meinte Kaskae grinsend. „Es ging ja nicht um mich…“, meinte Dixie verschämt „Ich wollte da so einen Rüden auf mich aufmerksam machen… Ein richtig selbstgefälliges, egoistisches Stück Scheiße, das hab ich schließlich auch bemerkt, aber davor…“ Sie schämte sich, eindeutig „Ich hab regelrecht darum gebettelt von dem durchgenommen zu werden…“ Kaskae starrte die kleine Hündin fassungslos aus ihren großen, braunen Augen an „Und?“ „Nichts! Und da bin ich froh drüber! Der wollte sowieso nie was von mir oder Sylvie.“, knurrte Dixie, inzwischen merklich schlechter gelaunt. „Sondern?“ „Jenna… Ich kann‘s ihm nicht verübeln, Jenna ist einfach hübsch und reinrassig und definitiv die hübscheste hier…“, schwärmte Dixie. „Hey, du und Sylvie seid doch auch reinrassig, allen voran Sylvie, ich meine… Europaimport, halloooo?“, versuchte Kaskae sie irgendwie aufzumuntern. „Ach…“, knurrte Dixie „Der schien wohl einfach auf Huskys zu stehen. Aber mich auch nur mal ansatzweise wahrzunehmen, NEIN, das geht nicht.“ „Scheint ja ein ganz toller Kerl gewesen zu sein…“ Kaskae verdrehte die Augen „Wie heißt er?“ „Ach, das ist nicht wichtig. Er ist in unseren Köpfen so gut wie tot. Wir haben seit Ewigkeiten nicht mehr mit ihm geredet und haben es auch nicht vor, er hat nicht mal unsere Anwesenheit verdient. Nichts hat er sich verdient. Du musst gar nicht wissen wer der Kerl ist, wenn er aber versucht sich an dich ran zu machen, ich werde dich schon noch warnen.“, meinte Dixie selbstsicher und verdammt entschlossen. Jedoch kamen nur einige Sekunden später, endlich, Janes Eltern aus der Poststelle und tätschelten entzückt Dixies Kopf. „Ooooh, bist du süß! Ja hallo, wer bist du denn?“, quiekte Janes Mutter und war kurz davor Dixie auf den Arm zu nehmen. „Dixie, du bist so ein Schleimer…“, meinte Kaskae grinsend, als Dixie den Kopf genießerisch zurück legte und mit dem Schwanz wedewlte. „Schatz, lass den Hund los. Und jetzt komm, wir haben heute noch was vor.“, murrte Janes Vater. „Ach komm, schau dir dieses süße, kleine flausichge etwas an! Hatten unsere Nachbarn nicht so einen? Einen Spitz oder so?“ „Kann schon sein, du weißt dass ich mit solchen Schoßhundkläffern nichts anfangen kann, lass uns schon gehen, wir haben uns da drin lang genug die Beine in den Bauch gestanden.“ „Das tun wir, wenn wir Eisbären beobachten, doch auch.“, wand Janes Mutter ein und tätschelte Dixie weiterhin. „Nun komm schon, wir haben heute noch zu tun.“ „Na meinetwegen“ Eher schwerfällig ließ sie Dixie los und band Kaskae ab „Na komm Mädchen.“ „Also dann, mach’s gut Dixie… mal sehen wann ich dich oder Sylvie das nächste mal sehen werde…“ Dixie legte mitleidig die Ohren an und seufzte kaum hörbar. „Bis dann Kaska…“ Sie langweilte sich. Schon wieder. Und dabei war die Sonne gerade mal seit ein paar Stunden untergegangen. Doch morgen war es so weit, morgen würde sie ihre Kette bekommen. „Kaskae?“ Die Hündin stellte aufmerksam die Ohren auf als sie eine ihr altbekannte Stimme hörte. „Steele? Was machst du denn hier?“ „Ich hab mir Sorgen um dich gemacht.“ Wenn Kaskae gewusst hätte wie Steele eigentlich drauf war, wie er sich eigentlich um andere scherte, nämlich gar nicht, dann hätte sie sich unglaublich besonders gefühlt, denn Steele meinte das, was er gesagt hatte, auch noch ernst. „Was? Um mich“ Kaskae trabte verwirrt auf den Zaun zu „Warum?“ „Ich hab dich vermisst. Wo warst du die letzten Tage? Ich hab dich mehr gesehen seit du damals solchen Ärger bekommen hast. Tut mir übrigens Leid.“ „Ach, nicht so schlimm“, log Kaskae und grinste ihn schief an „Aber du hast mich echt vermisst? Ich glaub das ist das netteste was ich innerhalb der letzten Tage von jemandem gehört habe…“ „Warum kamst du nicht mehr?“, wollte Steele wissen. „Ach, ich wurde hier sozusagen fetsgehalten“ Kaskae legte den Kopf schief, so dass Steele ihr Halsband nun besser betrachten konnte „Hier, ich hab jetzt einen dickeren Metalring am Halsband, hier, mit doppelter Vernähung, damit des mehr aushält… Ich bekomm morgen eine Kette.“ Kaskae versuchte nicht mal mehr sich taff darzustellen, warum auch? Sie sprach hier mit einem Rüden, vor denen durfte sie mal Schwäche zeigen, nur bei anderen Hündinnen musste sie hart bleiben. „Wie?“ Steele sah sie fassungslos aus seinen stechenden, blauen Augen an. „Tja, ich hab eben ein bisschen zu viel Blödsinn gemacht…“ Sie seufzte und setzte sich „Tut mir leid. Aber mit der Kette werd ich es wahrscheinlich nicht mal mehr an den Zaun schaffen. Na ja…“ Sie sah zu Boden „Aber hast du mich wirklich vermisst?“, fragte sie schließlich. Sie wollte ganz klar vom Thema ablenken, sie wollte jetzt über was anderes reden, denn der Gedanke daran, ab morgen mit einer Zehn Kilo schweren Kette um den Hals herumzulaufen, war nicht grade tröstend. „Na ja, Sorgen hab ich mir schon gemacht, ich hab dich gar nicht mehr gesehen und wie ich dir schon mal sagte, du bist die einzige die hier halbwegs Hirnmasse zeigt.“ Steele konnte froh sein dass es so dunkel war, denn diese Scheinheiligkeit, die er Kaskae gerade vorspielte, ließ ihn aus irgendeinem Grund knallrot werden. Doch selbst wenn… Sein Fell war dick genug, die einzige Stelle an der man seine Haut sah war seine Nase. Jedenfalls musste Kaskae kichern. Nur kurz, aber er hatte sie zum Lachen gebracht. „Wäre ich wirklich so schlau, hätte ich mich nicht erwischen lassen“, meinte sie und seufzte „Na ja… Mal sehen wie’s weitergeht. Vielleicht können wir ja miteinander reden wenn ich mit in den Ort kommen darf… Ich weiß es nicht…“ Sie zuckte seufzend die Schultern und legte sich zu Boden. Steele sah einige Sekunden auf die Hündin, schein nachzudenken und zwar ausnahmsweise nicht darüber, wie er sie am besten durchnehmen könnte. Wie denn auch, ein Zaun stand zwischen ihnen. „Hey, Kaskae…“, begann er. „Ja?“ „Ist das Tor offen?“ Sie zuckte die Schultern. „Weiß nicht. Selbst wenn, ich würde es nicht auf bekommen, ich hab’s einfach nicht mit Türgriffen.“ Das Problem beim Gartentor war, dass es außen eine Klinke war, die auch recht leicht herunter zu drücken war, doch von innen war es ein Türknopf war. Wer sollte so was öffnen? „Ich kann’s ja mal von außen probieren“, meinte Steele entschlossen „Ich will dir nämlich was zeigen… Ich meine das hier wird doch schließlich sozusagen dein letzter Abend an dem zu die Chance dazu hast, oder?“ Steele konnte nicht anders als einen gewissen verführerischen Unterton in seine Stimme miteinfließen zu lassen. „Aha? Und was ist das was du da mir jetzt zeigen willst?“, fragte sie interessiert und glaubte einen ganzen Berg vom Herzen fallen zu spüren, als sie das leise klick des Gartentors hörte, als Steele die Klinke herunterdrückte. „Ach, das wirst du schon sehen“ Er stieß die Tür auf „Aber nun komm.“ Kaskae tippelte ihm eilig hinterher und holte ihn so schnell wie möglich wieder auf. „Frisst du eigentlich wieder?“, fragte er nach einem kurzen Schweigen. „Hm? Oh ja…“, meinte Kaskae „Heute hat Janes Mutter mir das Futter gegeben… Da hab ich’s natürlich genommen. Aber nun lenk nicht vom Thema ab, sag mir wohin wir an meinem letzten Tag in Freiheit gehen.“, wollte Kaskae wissen und sah an dem Rüden hoch. Der Mond schien nicht sehr hell heute Nacht und sie konnte Steele nur schemenhaft neben sich erkennen, doch er schien noch immer so stolz und aufrecht zu gehen, wie sie es sonst von ihm kannte. Er hatte ein unglaublich selbstsicheres Auftreten und irgendwie trug der den Kopf immer hoch erhoben, zumindest immer dann wenn Kaskae eben bei ihm war. Aber wozu eigentlich? Er hatte es nicht nötig vor ihr Dominanz zu zeigen, er musste doch inzwischen begriffen haben dass sie eine unterwürfige, friedfertige Hündin war, er musste sich nicht vor ihr aufspielen. Aber sollte er eben… Warum auch nicht? Sie gab es ja zu, er sah toll aus wenn er sich so ein bisschen aufpuschte. Weil… Na ja, Steele sah ja nicht schlecht aus. Ach was redete sie da, Steele war eine Augenweide an Hund. Doch was sagte das schon? Sie kannte diesen Rüden doch kaum und doch ließ sie all das mit sich machen. Sie mochte einfach irgendwas an ihm, er hatte was. Ob das nun Charisma war oder ob sie einfach nur oberflächlich war und sich von seinen schönen Augen verzaubern ließ, wusste sie nicht. Als Steele sie jedoch in Richtung Wald, eher abseits Nomes, führte, stoppte sie. „Steele, wohin bringst du mich? Ich denk nicht dass das sicher ist.“, meinte sie zögernd, als sie das wild zu gewucherte Dickicht im fahlen Mondlicht sah, welches durch die hohen Baumwipfel einen nur noch bedrohlichereren Eindruck machte. „Nun vertrau mir“, versicherte Steele ihr und drehte sich nach der Hündin um „Ich pass schon auf dich auf.“ Es klang, wenn er das sagte, irgendwie fast schon so als würde er sich indirekt über sie lustig machen, aber andererseits konnte sie ihm nicht böse sein, nicht bei der Art wie er sie gerade ansah. „Na meinetwegen… Aber können wir nicht irgendwie um denn Wald herum laufen?“ „Ach, keine Sorge, wir müssen nur ein kleines Stück durch den Wald, was da dahinter geschieht wird dir bestimmt gefallen.“ Kaskae zögerte noch immer ein bisschen und kam nur langsam hinter Steele her. „Also gut… Aber wenn was passiert, seh ich mich gezwungen dir den Kopf abzureißen.“, meinte Kaskae spaßend, auch wenn sie wusste, dass sie gerade wahrscheinlich so klang, wie Dixie wenn man ihr auf den Schwanz trat. Steele grinste über dieses Kommentar ihrerseits nur und verdrehte die Augen. Was das anging warne alle Hündinnen einfach gleich, sie waren so schwach. Er selbst hatte das, was er Kaskae gleich zeigen wollte zwar schon bestimmt tausend Mal gesehen, doch erst seit kurzem so wirklich zu wertschätzen gelernt. Erst seit kurzem hatte er überhaupt Interesse es zu sehen und erst seit kurzem schien er die Gegend um Nome herum so wirklich kennenzulernen. „Hey, sicher dass es hier keine Wölfe oder so gibt?“, fragte Kaskae und schluckte schwer. Doch Steele schien durch die gar nicht aus der Fassung zu bringen zu sein, er war noch immer so selbstsicher wie sonst immer. Sie hingegen starb vor Nervosität. „Wie schon gesagt, ich pass schon auf…“, versicherte Steele ihr nochmals und das süße Gefühl der Überlegenheit und des Triumphes durchfuhr ihn, als sie sich verunsichert an ihn drückte. Sie wusste nicht vor was sie Schutz suchte, aber Steele war das einzige Wesen, welches ihr jetzt noch Sicherheit bot. Verdammt, was auch immer er ihr zeigen wollte, es musste verdammt gut sein, sonst würde Kaskae ihn dafür umbringen, dass er sie durch diesen Wald geschliffen hatte. Kapitel 9: Kleine Überraschungen -------------------------------- „Steele, wann hört der Wald endlich auf? Ich mag das nicht.“, murrte sie ungehalten, doch schaffte es nicht, diese verdammte Panik runterzuschlucken. Kaskae war sich um ehrlich zu sein verdammt sicher dass, wenn sie allein gewesen wäre, sie wahrscheinlich vor Angst gestorben wäre. „Ist ja gut“, meinte er beruhigend „Gleich sind wir durch. Ist ja nur ein kleiner Abschnitt. Zudem…“ Er sah sie vielsagend von der Seite an „Hast du etwa Angst vor ein paar Bäumchen?“ „Gar nicht… Ich steh nur nicht drauf nachts durch den Wald zu schleichen.“ „Wir schleichen nicht“, wand Steele jedoch ein „Ich gehe und du drückst dich an mich.“ „Oh… ‘Tschuldige.“, murmelte Kaskae und nahm schnell etwas Abstand von Steele. Sie wollte ihn nicht belästigen, aber ohne seine direkte Nähe glaubte sie ihr Herz würde noch schneller schlagen, als es jetzt schon tat. „Ach, so schlecht fand ich das gar nicht.“, meinte Steele halblaut und mit einem vielsagenden Grinsen im Gesicht, doch als er das Entsetzten auf Kaskaes Gesicht sah, verschwand dieses süffisante Grinsen von seinen Lippen und er starrte sie einen Moment verwirrt an. Er wusste warum sie ihn so ansah, zumindest konnte er es nachvollziehen, doch er musste seinen Kopf jetzt irgendwie aus der Schlinge ziehen, denn er durfte sie, grade sie, auf keinen Fall irgendwie gegen sich aufbringen. Er konnte es sich einfach nicht erlauben dass diese Hündin irgendwie schlecht auf ihn zu sprechen war. Hm… Vielleicht sollte er seine ‚Bedürfnisse‘ nach seinem eigenen, kleinen Vergnügen nicht gerade als erstrangig sehen. Kaskae war eben nicht so billig wie zum Beispiel Dixie es noch bis vor ein paar Monaten gewesen wäre. Manchmal fragte Steele sich ob Kaskae nicht vielleicht kastriert war, denn sie zeigte unnormal wenig von sich. Die allermeisten Hündinnen, die er je gekannt oder einfach nur gesehen hatte, zeigten immer etwas mehr, wahrscheinlich ohne es zu merken. Hündinnen liefen immer leichtfüßiger, mit schwingendereren Bewegungen, sie hatten meistens einen eigentlich recht schönen, federnden Gang. Siehatten einfach so was feminines, aufreizendes an sich, wenn sie liefen, saßen, fraßen… Wenn sie einfach nur dastanden. Und Kaskae… Hm. Das einzige mal, das sie aufreizender als ein Besenstiel gewesen war, war als sie bei ihrer ersten wirklichen Bewegung in ihn gerannt war und es verdammt eilig hatte. Und ja, sie hatte ihn damals natürlich angemacht, wen auch nicht? Sie war eine bildschöne, rassige Malamutehündin, nur zeigte sie das viel zu selten. Sie war zierlicher als Steele, aber sie würde sicherlich etwas Muskeln aufbauen, wenn sie sich entsprechend bewegen könnte. Und ihr Gang war eher abgehackt und recht hart, so als wolle sie den Schnee unter ihren Pfoten regelrecht totstampfen. Wirklich zur Geltung kam ihr Körper so nicht. Aber Kaskae hatte eine Sache, die sie nicht verstecken könnte, nämlich ihr verdammt hübsches Gesicht. Vor allem ihre Augen. Sie hatte wirklich tolle Augen, fast wie die von Füchsen, so lang und spitz. „Sag mal“, begann sie misstrauisch „Sollte das grade eine Anmache oder so ein?“ Dank nach Steele, DENK. Und wenn möglich nicht über ihre Lendengegend. „Ganz ruhig“, begann er und schmunzelte „Nennt sich Zynik, muss ich dir erst erklären was das ist?“ Nun schienen such Kaskaes Züge wieder zu entspannen und sie kicherte sogar kurz. „Glaub mir, ich kenn es, aber du hast einen verdammt trockenen Humor, arbeite da mal dran. Kann zu Missverständnissen führen.“, erklärte sie und kam wieder ein bisschen näher. Steele entspannte sich langsam wieder als Kaskae sich wieder an ihn drückte und ihm dieses Überlegenheitsgefühl übermittelte. Es klang mies, es klang eingebildet und herablassend, aber Steele genoss es so verdammt sehr wenn er an unterwürfige Hunde geriet. Er war nun mal jemand der gerne ganz oben in der Rangfolge stand und die einzigen WESEN, die überhaupt das Recht hatten noch über ihm zu stehen waren Menschen. Das war es aber auch schon. Alles andere, egal was es war, hatte sich unterzuordnen. So war es schon immer gewesen und umso schwerer war der Schock gewesen, als er vor fast zwei Monaten alles verloren hatte. Sämtlichen Respekt den man vor ihm hatte, war weg. Er hatte es sich völlig verspielt. Insgeheim hätte Steele im Nachhinein alles ganz anders gemacht. Er hätte auf den Musher hören sollen und diesem die Zeit zum Navigieren geben sollen, als sie in diesem Schneesturm waren und nicht einfach auf eigene Faust losrennen sollen. Dann hätte er Star härter treten sollen, als dieser auch nur das Maul auf machte. Und dann wäre es nie so weit gekommen. Sie hätten sich nie mit diesem Halbblut abgeben müssen und vor allem hätte er sich nicht alle Karten bei den Hündinnen der Stadt verspielt. Er sah zu seiner Rechten, wo Kaskae sich noch immer nervös an ihn presste. Okay, außer sie. Sie war die Ausnahme, aber auch nur weil sie die ganze Geschichte nicht mitbekommen hatte. Hätte sie es, würde er sie heute wahrscheinlich nur noch von hinten sehen. Hm, nicht dass das ein schlechter Anblick war, oh nein, keinesfalls, aber dann wäre er von sämtlichen sozialen Kontakten abgeschnitten. Doch endlich waren sie aus dem kleinen Waldabschnitt draußen. Augenblicklich spürte Steele wie Kaskae aufatmete und die Schultern entspannte, als keine Baumwipfel mehr über ihr hingen. „Na endlich, ich dachte schon das hört nie auf. Aber was wolltest du mir denn nun zeigen? Wenn‘s was langweiliges ist, bring ich dich nämlich echt um, dafür bin ich nämlich nicht diesen Todespfad da grade gelaufen.“, plapperte Kaskae und setzte sich in den Schnee, als auf Steele Platz nahm. „Keine Sorge, es müsste jeden Moment so weit sein. Ich bin mir sicher dass es dir gefallen wird, das heißt… solange du es noch nie gesehen hast.“, erklärte Steele ihr und sah in den Himmel. „Warte, auf was warten hier? Würdest du vielleicht ein kleines Bisschen genauer werden?“, bat Kaskae gespielt süß und legte, als Steele nicht antwortete, den Kopf schief und sah ihn aus ihrem unwiderstehlichsten Blick an. Bei Menschen klappte der, warum nicht bei Rüden? „Gedulde dich einfach, es müsste jeden Moment so weit sein… Aber du hast Augen wie ein Fuchs… erinnern mich an Katzen.“ Das sollte eine neckische Bemerkung sein, alles was Kaskae jedoch tat war kichern. Und dann kam plötzlich das auf was sie wartete… Am Himmel, direkt über ihnen begann sich plötzlich, einfach so aus dem Nichts, etwas zu bewegen. Einen Sekundenbruchteil dachte Kaskae ein riesiger Adler hätte seien Schwingen ausgebreitet, doch dann wurde das Licht immer größer und heller. Ein Tier war das nicht, das merkte sie. Doch was auch immer es war, was auch immer sich da am Himmel, in allen Tönen von Türkis bis Weiß erstreckte, war einfach traumhaft schön. Doch, das war es tatsächlich. Nur hatte Kaskae keine Ahnung was das denn nun seien sollte. Doch es interessierte sie auch gar nicht, diesem Ding einfach dabei zuzusehen, wie es sich bewegte, fand sie schon unglaublich spannend, denn sie hatte so etwas einfach noch nie gesehen. Und es machte sie sprachlos, diese Anmut die diese Lichter auf die gesamte Umgebung zauberten, war einfach atemberaubend. Sie hatte davon gehört, natürlich, jeder Hund hatte davon doch schon mal gehört, man musste echt hinter dem Mond leben um davon nichts mitzubekommen. Ihre Mutter hatte ihr davon zum ersten Mal erzählt, ihr und ihren Geschwistern. Nur gesehen hatte Kaskae es nie. Wie auch? Sie hatte ihr Leben bisher so weit südlich verbracht, natürlich konnte sie es nie sehen. Aber jetzt konnte sie. Sie hatte wirklich schon viel davon gehört, wie schön es doch sein sollte, aber Kaskae hätte nicht gedacht dass es so schön war! Es machte ihr Gänsehaut und DAS hatte bisher NICHTS geschafft. Sie hatte wirklich noch nie Gänsehaut bekommen weil sie irgendwas besonders schön fand. Jedenfalls war das Gefühl was sie in dem Moment durchfuhr unbeschreiblich. Sie spürte diese aufregende Wärme durch ihren Körper fahren und konnte das briete Grinsen gar nicht mehr unterdrücken. „Ja, okay, ich geb’s ganz offen zu, das hier ist es wirklich wert. Ich seh das grade zum ersten Mal, das ist toll!“, quiekte sie freudig in die Stille, als sie Steeles erwartungsvollen Blick im Nacken spürte. Na ja, eigentlich war sein Blick nicht direkt auf den Verschluss ihres Halsbands gerichtet, also starrte er ihr auch nicht in den Nacken…. Nun ja… Nacken… Rücken… Becken… War ja irgendwie FAST das gleiche. „Also hatte ich doch Glück mit dir, ich dachte mir schon dass dir das gefallen würde.“, meinte er mit einem triumphalen Ausdruck auf dem Gesicht. „Woher?“, wollte Kaskae nun wissen, ohne den Blick von den Nordlichtern zu lassen. „Ich wusste doch dass du weiter aus dem Süden kommst. Ich denke da sieht man so was nicht und meiner Erfahrung nach ist für Jeden das Nordlicht beim Ersten Mal was ganz besonderes. Und warum sollte ich es dir vorenthalten, wenn das hier doch deine letzte Nacht ist, in der du die Gelegenheit hast es zu sehen?“ Kaskae grinste noch immer über beide Ohren und löste den Blick langsam von dem Naturschauspiel über ihren Köpfen. „Weißt du eigentlich was genau das ist?“, wollte sie nun wissen. Steele schüttelte den Kopf. „Interessiert dich das etwa?“ „Na ja, neugierig bin ich schon, ich hab da wirklich keine Erfahrung mit. Das ist das erste Mal dass ich das überhaupt mal sehe. Ich hab ja schon so viel davon gehört, aber ich hätte nicht gedacht dass es so hübsch ist… Das war echt unglaublich nett von dir mich hier her zu bringen, das war es wert. Machst du so was eigentlich mit jeder Hündin?“, murmelte Kaskae und spürte im nächsten Moment plötzlich wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Oh nein, was hatte sie da denn wieder für respektloses Zeug gelabert? Nein, oh nein! Sie wollte doch ‚Hund‘ sagen, im Sinne von Freunde oder Hunde die neu in den Ort kamen. Sie wollte nicht dass er jetzt glaubte dass sie von ihm dachte dass er einer von diesen Rüden war, der sich das Vertrauen einer Hündin nur erschlich um sie irgendwann nageln zu können, wirklich! Doch wie richtig Kaskae lag wusste sie gar nicht. Jetzt war ihre größte Sorge erst mal was anderes, denn was ihr da rausgerutscht war, hatte sie eigentlich wirklich nicht so gemeint. Sie sah sofort reuevoll zu Steele, doch sein entsetzter Gesichtsausdruck sprach Bände und Kaskae fühlte sich noch schlechter. „Wie ist das jetzt bitte zu verstehen?“, fragte er verunsichert und die Angst, dass die größtmögliche Katastrophe passiert war, beschlich ihn. In diesem Fall hieß diese Katastrophe Dixie. Dixie oder Sylvie, oder irgendein Hund des Orts, der Kaskae, irgendwie, mal ganz nebenbei, die Wahrheit über Steele erzählt hatte. Steele konnte es sich nicht leisten Kaskae zu verlieren, denn sie war, was soziale Kontakte anging, alles was er hatte. Und es sollte sich ja mal mehr daraus entwickeln, zumindest so viel mehr dass sie ihn mal ran ließ. Aber wenn sie jetzt wirklich die Wahrheit über ihn wusste, warum sah sie ihn dann so reuevoll an, so als ob sie einen Fehler gemacht hätte? Er hätte jetzt eher mit einem wütenden Zähne fletschen gerechnet. „Tut mir leid“, begann Kaskae eilig „Ich hab das nicht in DEM Sinne gemeint, ich wollte eigentlich Hund sagen, Hund im Sinne von ‚Freunde‘ oder so, ich will nicht dass du denkst dass ich dich für so eine Art von Rüden halte, ich…“ Sie holte nach Luft und sah unglaublich beschämt in den Schnee, in dem sie ihre Pfotenabdrücke sehen konnte „… Ich drücke mich manchmal ein bisschen blöd aus, wirklich, tut mir Leid… Ich meine du bist ja nicht wirklich so… ‘Tschuldige.“ Sie wusste nicht was sie sonst sagen sollte. „Du… meinst das also nicht ernst?“, fragte Steele sicherheitshalber nach, auch wenn er erleichtert war, dass Kaskae sich nur verplappert hatte. Denn wenn sie herausfinden würde, wie er wirklich war, hätte er sich auch mit ihr alles verspielt. Es war doch gewissermaßen gut, dass man ihn im Ort mit reiner Ignoranz bestrafte und so tat als hätte es ihn nie gegeben, wenn das so weiter ging würde Kaskae nie von ihm erfahren und er hatte die Zeit eine Beziehung zu ihr aufzubauen. Und wenn sie dann irgendwann doch die Wahrheit über ihn erfuhr, dann war sie schon viel zu sehr an ihn gebunden um wirklich wütend auf ihn sein zu können. Zumindest war das in der Theorie so. „Nein, wirklich… Sei mir einfach nicht böse, ja?“, bat sie kleinlaut und sah mit einem solchen Schuldbewusstsein zu Steele, dass sie ihm fast schon leid tat. Da hatte sie sogar mit einer Sache halbwegs Recht und dann fühlte sie sich so schlecht deswegen. „Schon in Ordnung“, beruhigte Steele sie „Mach dir keinen Kopf darüber, ist ja gut. Mich freut‘s einfach dass es dir gefallen hat.“ „Da bin aber froh, ich dachte wirklich du nimmst mir das jetzt übel. Ich wäre nämlich ziemlich eingeschnappt wenn du sagen würdest ich wäre leicht zu haben, oder so.“, erzählte sie und grinste schief, ehe sie sich erhob um sich den Schnee vom Hinterteil zu schütteln. Steele beobachtete sie dabei aus den Augenwinkeln und versuchte sich, was sein Grinsen anging, halbwegs in Zaum zu halten, denn was Kaskae hier gerade von sich sagte war einfach zu widersprüchlich. Zum einen sagte sie, sie wäre nicht leicht zu haben, zum anderen streckte sie ihm den halben Hintern entgegen und merkte es wahrscheinlich nicht mal. Sie hatte wirklich absolut keine Ahnung von Rüden und was ihnen gefiel, generell bezweifelte Steele stark, dass sie schon einmal engeren Kontakt zu welchen hatte. Aber gut, er würde sich nicht beklagen. „Eine Frage“, begann er, als sie auch das letzte Bisschen Schnee aus ihrem Fell entfernt hatte „Du hast nicht zufällig eine Ahnung wie du deine Kette los bekommen willst?“ „Äh, nein. Nicht wirklich…“, meinte sie schweren Herzens und sah wieder auf die Nordlichter „Zu Dixie sagte ich schon dass ich einfach ganz lieb seien werde, bis man sie mir wieder abnimmt. Jane ist nicht so schrecklich hart, ich bin da guter Dinge.“, meinte sie enthusiastisch. „Ich finde es einfach nur unnötig dir diese Kette anzudrücken. Sollst du doch abhauen und deinen Spaß haben, da ist nichts dabei.“ „Ach, Jane ist es einfach nicht gewohnt dass Hunde einfach so auf der Straße herumlaufen, sie macht sich eben Sorgen um mich… Zudem“ Kaskae kratze sich im Stehen mit dem Hinterbein an der Seite „Stell dir vor ich wäre Läufig“ Ja, er gab zu, das war eine schöne Vorstellung „Da würde man mich doch sowieso an die Kette legen, das ist klar.“ Einen Moment wollte Steele so was sagen wie ‚Welch Verschwendung‘, doch dann zügelte es sich selbst. So ein Kommentar würde Kaskae ganz bestimmt nicht gut aufnehmen, auch wenn Steele langsam Fortschritte in dieser Beziehung zu ihr machen wollte. Doch vielleicht wäre zu schnell. Kaskae sollte nicht glauben dass er nur hinter ihrem Becken her war… auch wenn das ja grundsätzlich nicht ganz falsch war… Aber um ehrlich zu sein hatte er sie doch auch so ganz gern gewonnen, er hing durchaus ein wenig an ihr, das gab er ja zu. „Du willst also einfach gar nichts tun?“, hakte Steele etwas enttäuscht nach. „Hey, keine Sorge, ich werde ja nicht ewig an der Kette hängen, versprochen.“, versicherte sie ihm und grinste ihn wieder auf diese unwiderstehliche Art und Weise an. Diese niedliche, unschuldige Art. „Aber ich hab mal eine Frage an dich“, fuhr sie fort „Kennst du Kaltag?“ Steele stellte bei dem Klang von Kaltags Namen die Ohren auf und starrte Kaskae merklich verwirrt an. Was hatte diese dreckige Flohschleuder bitte mit Kaskae zu tun? „Aha, also nicht… Na ja, nicht so wichtig, die Frage war sowieso blöd.“, wand Kaskae schnell ab. „Nein, frag ruhig, vielleicht kann ich ja trotzdem helfen.“, meinte Steele schnell, denn irgendwie war er neugierig geworden. „Ach, die Frage ist aber echt total bekloppt, aber… Na ja, also das war so: Star hat mir vor ein paar Tagen im Ort ein Stück Fleisch gegeben, als er erfuhr dass ich sozusagen… freiwillig hungern… muss…“ Wenn Kaskae das so erzählte fühlte sie sich mehr als nur blöd, sie schämte sich richtig „U-und er war echt total niedlich und nett zu mir und da wollte ich wissen ob du vielleicht weißt was er oder Rüden insgesamt so mögen. Ich würde mich gerne irgendwie revanchieren, denn ich hab ihm in der Nacht davor noch anderes Fleisch wegefressen und irgendwie fühl ich mich schon schlecht deswegen und so… Jedenfalls würde ich aber auf dem Wege Kaltag ein bisschen besser kennenlernen… Ich weiß nicht, irgendwie… Hm, ist ganz schwer zu sagen, ich würde nicht sagen dass ich verliebt in den bin, ach was, nein, ich will nichts von denen, aber ich kenne doch noch immer nur so wenige Hunde hier und irgendwie würde ich doch auch ganz gerne mal…“ Als sie Steeles Gesichtsausdruck sah, stockte sie jedoch. Er starrte sie an als hätte er einen Geist gesehen und innerlich stand er, auch wenn Kaskae das jetzt weniger wissen konnte, kurz davor die Beherrschung zu verlieren. Am liebsten hätte er sie angeknurrt und ihr überdeutlich gesagt dass sie gar nicht erst daran denken sollte auch nur ein Wort mit diesen Vollidioten zu reden, doch es war ihm leider klar, dass er sich das auf gar keinen Fall leisten konnte. „Äh, Steele? Stimmt was nicht, du siehst nicht grade glücklich aus…“, meinte Kaskae besorgt und drückte sich mit der Seite ein wenig gegen ihn „Frierst du oder so?“ Er schüttelte schnell den Kopf und sammelte sich sofort wieder, wobei er sagen musste dass der Fakt, dass Kaskae sich, wenn auch wieder etwas ungewollt, an ihn drückte, ihm gefiel. „Nein, alles in Ordnung, ich war nur etwas… Nun ja, wie soll ich sagen, entsetzt dass du es denen so leicht machen willst.“ „Hm?“ „Wie war das mit ‚ich bin nicht leicht zu haben‘?“, hakte Steele mit deutlicher Ironie in der Stimme nach. Kaskae verdrehte daraufhin nur genervt die Augen, auch wenn sie grinsen musste. „Du verstehst das ganz falsch, ich will doch gar nichts von denen, ich will einfach nur neue Freunde gewinnen. Ich meine wir haben April, das heißt ich bin schon fast einen ganzen Monat hier und kenne immer noch kaum jemanden so wirklich.“, erklärte sie ihm, schien wohl aber gar nicht daran zu denken sich von ihm zu entfernen. Dass sie also noch immer an ihn gedrückt im Schnee saß schien sie wohl nicht zu stören, beziehungsweise sie interessierte es nicht. „Kaskae, du bist zu gut für diese Hunde. Glaub mir, die wollen alle nur eines von dir und irgendwann wirst du unvorsichtig… Bleib bei deinen Freundinnen, das wäre das sicherste, ja?“ Man hörte deutlich dass Steele noch immer nicht überzeugt war. Wenn es nach ihm ginge würde Kaskae die ganze Zeit nur bei ihm bleiben. Sie sollte einfach keine anderen Rüden kennenlernen, denn er wusste genau wo das Enden würde. Dass es so enden würde war ja kein Problem, aber dann sollte sie bitte mit ihm so enden. Star oder Nikki machten ihm da natürlich keine Sorgen, die warne weder ansehnlich, noch würden sie es jemals schaffen ihre Gene auch nur irgendwo zu verbreiten, doch Kaltag… Hm, Steele wusste nicht auf was Kaskae so stand, aber Kaltag war eben leider keine völlige Katastrophe und hatte irgendwo sogar Chancen irgendwann mal was mit einer Hündin anfangen zu können. „Hey, willst du mir etwa vorschrieben mit wem ich mich abzugeben habe und mit wem nicht?“, fragte Kaskae fast schon entsetzt und entfernte sich nun wieder ein wenig von ihm. „Ach nein, so war das doch gar nicht gemeint. Seh es lieber als Warnung, ja?“, versuchte er sie zu beruhigen. „Ich bin erwachsen, ich werd schon auf mich aufpassen können, ja“, meinte sie schmunzelnd und stand auf „Ich sollte jetzt übrigens langsam gehen… Meine innere Uhr sagt mir dass Janes Eltern bald aufbrechen, für ihre Arbeit… Es macht dir doch nichts aus wenn ich jetzt einfach gehe, oder? I)ch kann mir grade einfach keinen weiteren Ärger leisten.“ Sie seufzte schwerfällig. „Ist schon in Ordnung, aber ich komme mit.“ „Hey, ich kann auch auf mich selbst aufpassen.“, versuchte Kaskae ihn umzustimmen, doch Steeles nächstes Kommentar sagte wohl alles. „Hey, wer hat sich vorhin in Todesangst an mich gequetscht?“, fragte er süffisant grinsend und schüttelte sich schnell das Fell auf, ehe er die Führung übernahm. Er sah zwar wie Kaskae die Auge verdrehte, doch zumindest leistete sie keinen Widerstand mehr. „Also dann“ Kaskae tippelte schnell in den Garten ihrer Herrchen und zog das Tor mit den Zähnen hinter sich zu, was sogar funktionierte „Ich hab keine Ahnung wann wir uns das nächste mal wieder sehen, aber… Es war echt toll von dir war du mir da gezeigt hast.“ Sie grinste ihn durch das Gitter entgegen und seufzte gequält. Der Gedanke an eine Kette gebunden zu sein war der schlimmste den es für sie gab. Dennoch, sie wollte niemanden zur Last fallen. Es war eben nicht leicht ein Hund zu sein, sie musste sich mit ihrer eigenen Blödheit auseinandersetzen. In ein paar Tagen oder Wochen war die Kette doch sowieso Schnee von gestern. „Ach, glaub mir, es war mir eine Ehre deine letzte Nacht in Freiheit zu etwas besonderem zu machen“, meinte Steele schmeichelnd und machte sich nun auch langsam auf seinen Weg „Also dann, denk dir was wegen der Kette aus.“ Kaskae schmunzelte und sagte: „Jane ist schwach… Ich bekomm das schon hin, mach dir keine Sorgen um mich.“ Sie sah Steele noch so lange durch den Maschendraht hinterher, bis er in der Dunkelheit verschwunden war. Und nach nicht mal allzu langer Zeit begaben sich tatsächlich Janes Eltern aus dem Haus und sahen seufzend zu Kaskae, die sehnsüchtig in die Welt hinter dem Zaun starrte. Oh je, wenn sie mit dieser billigen Nummer schon Janes Vater zum Seufzen brachte, wie leicht würde es dann werden um Jane davon zu überzeugen dass eine Kette das schlimmste, nur Menschenmögliche für einen Hund war? Kapitel 10: Lass mir dir einen Rat geben ---------------------------------------- „Gut, die Kette haben wir jetzt.“ Janes Vater hämmerte die Verankerung der Kette ein letztes Mal in die Wand des Hauses. Kaskae saß in gebührendem Abstand, nämlich so weit wie nur irgend möglich, von ihm entfernt, dicht an den Zaun gepresst und beobachtete jede Bewegung, die Janes Vater machte, genauestens. „Sehr schön“ Er stand auf und klopfte such den Schnee von der Hose „Kaskae, komm.“ Sie blieb sitzen. „Kaskae!“, rief er nochmals, doch noch immer blieb sie genau da wo sie war. „Jetzt reicht’s mir aber! Bei meiner Tochter kommst du doch auch immer“ Mit großen Schritten lief er auf die Hündin zu und packte sie eher unsanft und merklich genervt am Halsband um sie mit sich zum anderen Ende der Kette zu zerren. Natürlich wollte sie nicht und natürlich wollte sie einen Moment lang flüchten und natürlich hätte sie in dem Moment wo sie zur kette gezerrt wurde lieber geknurrt, doch sie beherrschte sich. Noch. „Nun komm schon her, dir wird das nichts ausmachen…“ Janes Vater griff nach der Kette und riss sie so schnell hoch, dass die einzelnen Kettenglieder aneinander kamen und ein rasselndes Geräusch ergaben, eben dieses typische Geräusch was entsteht, wenn eine Kette rasselt. Und sie war so unglaublich nah an ihrem Gesicht. Im selben Augenblick spürte Kaskae auch wieder die Lücke in ihrer rechten, unteren Zahnreihe und augenblicklich, ob sie das nun wollte oder nicht, schoss alles hoch, all die Schmerzen, die Demütigung, diese Genugtuung in den Augen der Männer, wenn sie immer mehr ein Stück von Kaskaes Willen brechen konnten, all ihre Fehlversuche irgendwie weg zu kommen. Sie war sich sicher, ein Jahr mehr hätte sie dort nicht überlebt. Und nun kam es schon wieder hoch. Sie hasste Ketten. Und das zeigte sie auch, sie knurrte und fletschte die Zähne, denn jetzt war sie ein großer Hund, kein dummer Junghund mehr. Und für die nächsten Augenblicke war sie nicht die Kaskae, die Janes Vater seiner Tochter damals gekauft hatte, für einige Augenblicke war sie ein unglaublich wütender, frustrierter und misshandelter Hund, der der sie damals war, der der sich nun endlich wehren konnte. Für ein paar Augenblicke war sie der verstörte Hund, der sie nie seien wollte, sie war ein unberechenbares Monster, welches seine aufkommende Ängste und seine gesamte Panik, die Erinnerung an damals, damit vertreiben wollte, indem sie zurückschlug. Und das tat sie. In dieser Ektase aus purer Wut und Hass tat sie etwas, von dem sie nie, wirklich niemals, gedacht hätte es zu tun. Sie biss zu. Und nach diesem Biss war es auch schon vorbei mit ihrer Unberechenbarkeit, nach dieser Entladung an Frustration und dem plötzlichen Schrei, war sie wieder der beherrschte und erzogene Hund, der sie sonst immer war. Und sie verstand ihren Fehler nicht. Ja, sie schmeckte ein wenig Blut in ihrem Maul, doch als sie nach einigen Sekunden erst realisierte wessen Blut es war, glaubte ihr das Herz stehen zu bleiben. Sie hatte Janes Vater gebissen! Nein, bitte, das durfte doch nicht wahr sein, sie… Hatte sie? Über sich selbst erschrocken starrte Kaskae zu Janes Vater, der seine Hand unter schmerzverzerrtem Gesicht gegen seinen Mantel presste und lauter Dinge brüllte, von denen Kaskae wusste, dass sie was ganz böses waren. Und was sollte sie jetzt tun? Würde er sie schlagen? Er hatte sie bisher noch keines Blickes gewürdigt, aber was wenn seine Schmerzen abklingen würden? Kaskae wusste doch was für lahme Reflexe Menschen hatten, was wenn… Sie bekam Angst und stand einfach nur mit eingezogenem Schwanz da, doch als Janes Vater nun immer noch nicht wütend auf sie einschlug, machte sie einen Vorsichtigen Schritt vor, wollte ihm sofort das Blut von der Hand lecken, ihm klar machen dass ihr das Leid tat, dass sie Reue verspürte, doch er wich ihr augenblicklich aus. Kaskae glaubte einen Stich in ihrem Herzen zu spüren, denn der Gedanke dass er Angst vor ihr hatte, oder noch schlimmer, sie hasste, tat unglaublich weh. Sie schluckte trocken und schritt nochmals auf Janes Vater zu, ihr gesamter Körper zeigte Unterwerfung, doch er schien das einfach nicht zu verstehen. Aber in so was waren Menschen sowieso schlecht. Jedoch kam nun Janes Mutter, dicht gefolgt von Miss Morris, aus dem Haus gestürzt. Geschockt sahen die beiden Frauen auf Janes Vater, welcher noch immer unter Schmerzen die wildesten Dinge rief. „Oh Gott“ Panisch rannte Janes Mutter auf ihn zu, die Haare offen, ungeschminkt, ganz anders als Kaskae sie sonst kannte „Richard, was ist geschehen?!“, wollte sie wissen und nahm sofort seine Hand in ihre. „Der Hund hat mich gebissen.“ Das war das erste, nicht völlig obszöne, das Janes Vater nun zustande bekam. „WAS“ Miss Morris wich sofort von Kaskae, die sich in ihrer Verzweiflung hilfesuchend an sie gepresst hatte, weg „Sie war das?!“ Dass die Frau Fassungslos war, war noch untertrieben, sie war regelrecht verängstigt! Und Kaskae wäre ihr, ihnen allen, in diesem Moment am allerliebsten um den Hals gefallen, hätte ihnen gesagt dass es ihr so unglaublich leid tat, aber sie durfte ja nicht… Wenn sie das wagen würde, würde man das doch nur als weiteren Angriffsversuch einordnen und dann würde man sie erschießen. Alle Hunde die Aggressionen zeigen werden doch erschossen… Zumindest hatte Kaskae das mal gehört. „Kaskae, na warte“ Selten hatte die Hündin Janes Mutter derart wütend erlebt „Du kommst jetzt in den Schuppen und da bleibst du so lange bis Jane zu Hause ist! Und Futter gibt es auch keines“ Immer schneller und unsanfter wurde Jane in die Garage, beziehungsweise den Schuppen gezerrt und als sie in dem dunklen Raum angekommen war und voller Reue zurück sah, war alles was sie von Janes Mutter erntete, waren die nicht gerade aufmunternden Worte: „Seit du hier bist machst du nichts als Ärger, wir hätten Jane tatsächlich einfach einen kleinen Spitz kaufen sollen, als sie einen Hund wollte, der würde sogar noch süß aussehen wenn er sich aufregt!“ Und dann wurde die Tür zugeknallt und Kaskae verblieb allein in dem stockdusteren Schuppen. Als Jane an diesem Abend wieder zu Hause ankam, war von Kaskae keine Spur. Erst als sie die Türe öffnete, stand heute ausnahmsweise nicht nur Miss Morris da, sondern auch ihr Vater saß, am Ende des Flurs, im Wohnzimmer, in seinem Lieblingssessel vor dem Kamin und sah mit seinem gefährlich-nachdenklichen Blick in die Flammen. Doch als er das Geräusch der Haustür hörte, wand auch er sich dem ab. „Jane… wie schon, du bist daheim.“, begrüßte er sie. Jane war merklich verwirrt über die Tatsache dass ihr Vater vor acht Uhr abends da war, doch es war ihr recht, ihre Eltern waren doch sowieso kaum daheim. Nun kam auch Miss Morris aus dem Nebenraum und setzte sich auf das Sofa. „Guten Abend… Ähm, wo ist Mum?“ „Sie ist die Lebendfallen abklappern, ob wir irgendein Tier gefangen haben.“, erklärte ihr Vater ihr. Jane, die noch immer merklich unsicher war, verweilte im Flur. „Warum begleitest du sie nicht?“ Ihr Vater hob seine rechte Hand, um die ein dicker Verband gewickelt war, was sofort Sorge in Jane ausrief. „Oh nein! Daddy, was ist denn da passiert?“, rief sie aus und rannte besorgt auf ihn zu, jedoch nur, um von ihm auf das Sofa neben Miss Morris gebeten zu werden. „Jane, ich will dass du gewarnt bist. Was ich dir jetzt sage, das tue ich nicht um dich zu ärgern oder dir Angst zu machen, aber ich will dass du das willst, denn sollte sich das wiederholen, vor allem bei dir, dann sehe ich rot. Dann müssen wir uns was ausdenken, klar?“ Jane, die gerade ihre Schulsachen auf den Sofatisch gelegt hatte, spürte wie sie innerlich immer mehr unter den Worten ihres Vaters zusammenschrumpf, denn was er da erzählte machte ihr irgendwie Angst. Es beunruhigte sie was er da redete und um was auch immer es sich handelte, es schien wirklich extrem ernst zu sein, sonst würde er nicht versuchen es ihr so einzutrichtern. „W-was war denn?“, fragte sie, nicht ohne einen Hauch Angst in der Stimme. „Kaskae hat mich heute gebissen, als ich ihr die Kette ans Halsband schnallen wollte. Gebissen Jane, nicht gezwickt. Ich habe eine Fleischwunde, musste auf beiden Seiten meiner Hand genäht werden und kann froh sein wenn nichts gebrochen ist.“ Fassungslosigkeit spiegelte sich in Janes Gesicht wieder, gefolgt von Ungläubigkeit und der Drang ihrem Vater zu widersprechen kam in ihr auf, doch sofort wurde sie von Miss Morris gestoppt. „Jane, ich konnte es auch nicht glauben, aber es stimmt. Sie hatte noch Blut ums Maul und der Gebissabdruck stimmt auch, zumindest was den fehlenden Backenzahn angeht.“, erklärte sie. „Aber, aber…“ Hilflos sah Jane zwischen ihrem Vater und Miss Morris umher „Aber das… wieso, ich… Dad, sie würde das doch niemals tun, sie… Du musst sie provoziert haben, vielleicht…“ Jane wusste sich einfach nicht zu helfen und hätte am allerliebsten losgeheult. „Nein Kleines. Ich wollte ihr die Kette anlegen, nichts sonst. Ich hab sie weder angesehen, noch bin ich ihr auf eine Pfote getreten, sie hat einfach kurz die Zähne gefletscht und im nächsten Atemzug hatte sie meine Hand im Maul.“, erklärte ihr Vater in aller Ruhe. Jane glaubte ihrem Vater ja, aber was sie nun überkam war Panik. „Wo ist sie?!“, fragte sie und jetzt war es ihr egal ob sie weinte oder nicht. Warum weinte sie denn plötzlich so heftig? „Im Schuppen.“, antwortete ihr Vater. „Danke, ich… ich… also…“ Jane war zu sehr durch den Wind als dass sie was Intelligentes hätte sagen können. „Ich möchte dass du  sie heute an di eKette legst, vielleicht reagiert sie bei dir besser“, meinte Janes Vater „Und Jane… Bitte. Ich will einfach dass du weißt dass du jetzt was tun musst bevor es zu spät wird. Seit sie hier ist, macht sie verdammt viel Ärger. Und wenn sie dich je beißt, dann hoffe ich dass du weißt wo dieser Hund landen wird.“ Verzweiflung stieg in Jane auf, doch nun mischte sie sich mit Wut. „Sie beißt mich nicht! Du hast sie bestimmt provoziert! Sie kommt nicht ins Tierheim, sie ist mein Hund, du hättest auch einfach warten können bis ich da bin, dann hätte sie dich gar nicht erst gebissen!“, schrie sie außer sich und riss im Vorbeigehen die Hundeleine von der Garderobe. Ihren Mantel trug sie schon, also sparte das schon mal Zeit. Jane stürzte heulend aus dem Haus und rannte ohne Umwege in den Schuppen, welchen sie mit so viel Schwung aufriss, dass sie glaubte den Griff aus der Tür zu reisen. „Hey, Kaskae, Süße, komm mal her, komm her meine Kleine!“ Jane ging in die Knie und als sie diesen gut gelaunten, völlig überglücklichen Malamute in die Arme nahm und an sich drückte, war es als ob eine gewisse Last von ihr fiele. Kaskae schien so froh darüber sie zu sehen, sie hatte sie selten so aufgeregt gesehen. Sie sprang sogar so sehr an ihr hoch, dass sie damit endete, dass sie die Pfoten um Janes Hals schlang, so als ob sie sie tatsächlich umarmen würde. „Ja, ich hab dich doch auch vermisst, hm?“ Als Kaskae Jane über das Gesicht leckte, erhob diese sich jedoch und sah, noch immer verheult, zu ihr herab. „Was tust du denn? Warum hast du denn Daddy gebissen? Weißt du wie viel Angst mir das macht? Kleines, du kommst vielleicht weg, zu anderen Leuten, wenn du das wiederholst.“ „WAS?!“ Kaskae fühlte sich bei diesen Worten wie vor den Kopf gestoßen. SIE sollte WEG?! Wegen einem Fehler?! Hieß das etwa… Sie schluckte. Sie durfte nie wieder ausrasten… Aber sie würde das nicht schaffen. Sie kannte doch ihre Panikattacken, die sie bei gewissen Gegenständen bekam, sie, sie… Kaskae würde das einfach nicht schaffen. Nie. Es war da, die Panik war da und wenn sie da war, kontrollierten die niedersten Instinkte sie. Aber jetzt war noch alles gut. Jetzt war Jane da, an die Kaskae sich grade wie eine Katze rieb und einfach nur froh war dass sie da war. „Na komm, wir gehen jetzt spazieren, ja? Und wenn der Metzger noch offen hat, kauf ich dir was leckeres, versprochen.“ Ah, DAS klang doch schon viel besser. Ja, das klang nach der Jane, die Kaskae über alles liebte. Während Jane leise ein Lied, welches grade oft im Radio zu hören war, vor sich her summte, war Kaskae mit ihren Gedanken immer noch bei dem Vorfall heute Morgen und bekam es immer mehr mit der Angst vor den Konsequenzen zu tun. Warum verstand sie denn nur niemand? Manchmal wünschte sie sich einfach all ihre ausgeprägten Reflexe und Sinne, ihren Schwanz, ihr Fell, ihr gesamtes Ich, gegen einen Menschenkörper austauschen zu können. Einfach um ihnen zu sagen woher ihre Ängste kamen, warum sie gerade jetzt wieder aufkamen, warum sie wegrannte. Anders würden die es doch nie verstehen, Menschen waren einfach zu sehr auf ihre Fähigkeit Sprachen zu haben besessen. Hunde hatten es da leichter, die sprachen alle das gleiche. Kaskae seufzte und sah zu Jane hoch. Sie hatte die Schlaufe der Leine um ihr Handgelenk gewickelt und ihre Hände in ihre Manteltaschen gesteckt. Kaskae seufzte und sah wieder weg, doch plötzlich erregte ein Geruch ihre Aufmerksamkeit, der es wert war, inne zu halten. Irgendwas war da… Und Kaskae musste es nur finden… „Hey… Komm.“ Jane zog an der Leine, doch als sie das konstante Starren ihrer Hündin bemerkte, wurde sie irgendwie besorgt. Jane sah angestrengt in die Dunkelheit, in die Richtung in die ihre Hündin sah und was sie dort dann, nach einigen Augenblicken entdeckte, ließ ihr das Herz in die Hose rutschen. Hatte sie heute nicht schon genug gelitten? „Oh Gott, Eisbären… Nun komm schon, Kaskae, komm jetzt, bei Fuß!“ Merklich unsanfter zerrte sie nun an ihrer Hündin herum und schaffte es nun tatsächlich mit ihr den Weg nach Nome fortzusetzen. Die Eisbären schienen noch jung zu sein und wahrscheinlich spielten sie auch tatsächlich nur, doch mit Wildtieren war einfach nicht zu spaßen, egal wie groß sie waren. Im Laufschritt erreichten die beiden Nome, dessen Lichter darauf hinwiesen dass einige Läden noch offen hatten. Sobald Jane den Ortseingang erreichte entspannte sie sich merklich und lief ganz direkt auf den Metzger zu. „So, du wartest hier, ich kauf dir was Leckeres…“ Kaskae verdrehte die Augen, als Jane den Laden betrat. „Warum erzählt sie mir so was? Bin ich echt so dämlich?“ Warum machte sie schon wieder Witze? Ging’s Kaskae noch gut? Verdammt nochmal, sie hatte sich heute in eine echt beschissene Situation gebracht! Niedergeschlagen legte sie sich hin und begann, weshalb auch immer, ihre Pfote in den Schnee zu drücken, den Abdruck anzusehen, zu seufzen und dann wieder und wieder einen Abdruck ihrer Pfote zu machen, weshalb auch immer. Doch als sie plötzlich Schritte hörte, drehte sie den Kopf, denn sie hätte nicht gedacht dass um diese Zeit noch jemand der halbwegs normal im Kopf war, Jane gehörte also nicht dazu, noch raus gehen würde, denn… Na ja, es war kalt. „Jenna?“, begrüßte sie die Hündin, die neben Rosie und ihrem Vater herlief. Ohne Leine. Die Glückliche. „Hey, Kaskae! Wie geht’s dir denn mit deiner neuen Kette?“, fragte sie sofort, mit dieser aufrichtigen Besorgnis, so das Kaskae es ihr nicht mal übel nahm. „Oh… setz dich, da kann ich dir heute was dazu erzählen…“ Und während die Hündinnen sich draußen unterhielten, machte Jane im Geschäft eine folgenschwere Entscheidung. „Danke, behalt den Rest.“ Der Mann vor ihr bezahlte gerade, als Rosie und ihr Vater hereinspaziert kamen. „Oh, hallo Jane!“, begrüßte Rosie sie. „Hey Rosie“ Jane lächelte sie an „Hast du Jenna auch dabei.“ Das kleine Mädchen kicherte und verdrehte die Augen. „Ja, aber natürlich draußen, Dummerchen.“ „Rosie! Entschuldige dich sofort!“, verlangte ihr Vater streng. „Ach nein, ist schon in Ordnung, ich hab schon schlimmeres gehört… Ich glaub sogar Kaskae musste sich in ihrem Leben weniger anhören als ich.“, meinte sie spaßend, spürte jedoch wie sich innerlich gerade etwas bei ihr verkrampfte. „Ein Karibufilet bitte.“, gab sie ihre Bestellung nun auf. „Oh, das hier ist ganz frisch, der Jäger hat sie mir heute Mittag geliefert. Welchen Anlass gibt es denn?“ „Haha, nein, das ist für meinen Hund, sie hatte heute einen schweren Tag, das hier ist so was wie ihr persönliches Antidepressivum.“, erklärte Jane spaßend, obwohl sie auch alles für einen Schokoriegel getan hätte. Doch ihre letzten Worte hatten die Aufmerksamkeit des vorherigen Kunden, der gerade die Tür raus gehen wollte, geweckt. „Warte, der Hund da draußen gehört dir?“ Nun mischte sich auch Rosies Vater ein. „Ja, sie sind doch vor einem Monat etwa zugezogen.“ „Ach ja, ich hab die Hündin hier manchmal durch die Gegen stromern sehen, sehr schönes Tier.“ Jane wusste nicht ob sie weinen oder lachen sollte. Wie OFT war Kaskae denn bitte ausgebüxt?! „Äh… wirklich?“ Sie schluckte beschämt. „Ja, sie hat mir und meinem Steele einmal sogar einen Privatbesuch abgestattet“ Nun wand er sich an Rosies Vater „Du hast den Hund doch sogar damals persönlich wieder zurück gebracht, weißt du noch, als wir renoviert haben? Ist nicht lang her!“ Rosies Vater lachte auf. „Oh ja, das war was“ Er meinte dann an Jane gewandt „Eurer Haushälterin war das ja alles schrecklich peinlich, das fand ich doch ein wenig übertrieben.“ Jane wäre am liebsten vor Scham und Demütigung gestorben. Es wurden hier Dinge aufgerissen, über die sie nie mehr reden wollte. Aber gut, sie brauchte eine Antwort. „Na ja, eigentlich darf sie das gar nicht, dieses Abhauen ist nicht grade gut für sie… Na ja, wenn der Zaun sie nicht aufhalten kann, die Kette wird es können.“, meinte sie, als sie ihr Filet bezahlte. Die beiden Männer sahen sie an als ob sie gerade einen schlechten Witz gemacht hätte, Rosie interessierte das alles grade relativ wenig. „Mädchen, lass mir dir einen Rat geben“, meinte Steeles Besitzer „Dein Hund braucht nur Beschäftigung. Eine Kette wird ihr Verhalten nur unterdrücken, zu Tode langweilen wird sie sich trotzdem.“ Hilflos sah Jane zu ihm und spielte mit ihrer Tüte herum. „Und was soll ich denn tun? Ich kann mich leider nicht den ganzen Tag um sie kümmern, auch wenn ich es wöllte, Schule geht vor.“, erklärte sie leicht verzweifelt. „Warum bringst du ihr nicht einfach Schlittenfahren bei?“, rief Rosie nun völlig begeistert aus. Selbst ein fünfjähriger Naseweis schien jetzt bessere Anweisungen für Jane und ihren Hund zu haben, als Jane selbst. „Oh danke Rosie, aber Kaskae ist nicht so der Schlittentyp…“, erklärte Jane ihr. „Nicht der Typ?“ Steeles Besitzer und Rosies Vater, ja, selbst der Metzger, lachten amüsiert, als Jane das gesagt hatte. „Nun ja, ich kenn mich ja ein wenig mit der Rasse aus, ich habe einen recht erfolgreichen und ich kann nur widersprechen, diese Hunde schreien nur so danach, etwas zu ziehen. Weißt du, du hast einen sehr starken, ausdauernden Hund, der etwas tun muss. Wenn du nur eine Stunde am Tag mit ihr Schlittenfahren gehen würdest, wäre sie abends so kaputt, die rennt nirgendswo mehr hin. Spazieren gehen allein reicht nämlich nicht.“ „Ja, ein Freund von mir hat eine Tochter, die hat einen Afghanen, seit dem der sich frei durch den Ort bewegen darf und genug Bewegung hat, macht der zu Hause auch keine Tischbeine mehr kaputt.“, erzählte der Metzger nun auch. „Äh…“ Jane wusste langsam nicht mehr was sie tun sollte, sie fühlte sich als würde sie hier untergehen. Sie bekam Ratschläge von einem Metzger, zwei Herren, die sie vielleicht drei Mal im Leben flüchtig auf der Straße gesehen hatte und einer Fünfjährigen, die wohl mehr über Hunde wusste als Jane selbst. Wenn es denn nun einen Gott gab, ganz sicher, er hasste sie. „Äh… Hören sie, ich denke darüber nach, irgendwas werd ich ja tun müssen, nicht?“, fragte Jane hilflos und wollte nur noch aus der Situation raus kommen. „Du hast ihn also einfach so gebissen?!“ Jenna war, ohne Frage, entsetzt über Kaskaes Tat. „Glaub mir, ich weiß nicht was da in mir vorging, es war absolut erschreckend…“, gestand Kaskae kleinlaut. „Das darfst du aber auf keinen Fall noch mal tun, die Konsequenzen sind unüberschaubar. Denk dran, du bist immer noch nur ein Hund, ein Mensch könnte alles mit dir tun, wenn’s drum geht.“, warnte Jenna. „Ja, ich weiß, ich geb auch mein bestes nicht-“ Doch weiter kam Kaskae nicht, da Jane aus der Metzgerei kam und eilig ihren Hund abband. „So, wir müssen jetzt ganz schnell nach Hause, ich wurde soeben von allen Seiten gequatscht… Oh, hi Jenna.“ Jane tätschelte dem roten Husky kurz den Kopf, dann machte sie sich wieder auf den Heimweg. Und sie dachte nach. Viel. Denn irgendwie  war es wahr, auch wenn die Männer ihr gesagtes fast schon humorös herübergebracht hatten, sie hatten Recht. Sie immer wieder an Kaskae herunter, einfach nur so. Jane mochte vorhin vielleicht abweisend gewirkt haben, doch sie dachte wirklich über den Vorschlag nach, ob sie wollte oder nicht. Er steckte einfach schon zu tief in ihren Gedanken. Kaskae selbst schien jedoch von den tiefen Gedankengängen ihres Frauchens nichts mitzubekommen, sie freute sich einfach auf ihr Filet... Zumindest im Moment. Kapitel 11: Entscheidungen -------------------------- Währenddessen am Hafen Anchorages, ankerte um diese, wenn auch recht späte Uhrzeit, ein Frachter mit mehreren Ladungen russischem Fisch und Pelzen. Unter anderem waren auch einige Überreisende an Bord gewesen, welche sich nun einer Passkontrolle unterziehen mussten. Einer dieser Leute, ein Anfang vierzigjähriger Mann namens Stanislaw Ivan Kalinin war auch unter ihnen. Er hatte seine Pläne, nach Amerika zu kommen und dort möglichst viel Geld als Pelzjäger zu machen, schon lange gehabt, doch nun hatte er auch endlich den Mumm dazu. Eigentlich war es ihm verdammt schwer gefallen seine gesamte Familie einfach zurück zu lassen, doch er würde ja wieder zurück kommen, alles was er wollte war es, genug Geld zu machen, um seiner Familie in Russland mehr leisten zu können. Seine Erwartungen waren natürlich groß, er hatte ja viel von Amerika gehört, natürlich auch dass er nicht zu viele Erwartungen haben durfte, aber gegen letzteres konnte er nichts tun. Er hatte eben Hoffnungen und nun, wo er da war, würde er von diesen nicht loslassen. Ein langbeiniger, braungescheckter Hund mit Krausem, mittellangem Fell und einem Profil, welches keinen Übergang zwischen Nasenrücken und Stirn erkennen ließ, tauchte neben ihm auf und beäugte den Mann, der die Pässe kontrollierte, argwöhnisch. Er war ja nicht so, als ob dieser Hund nicht von Natur aus einen fast schon eingebildeten, hochnäsigen Blick hatte… „Der nächste“, rief der Mann und Stanislaw trat vor. Der Hund folgte ihm, wenn auch nur ungern. Ihm war das grade alles zu viel, erst die lange Reise, eingekesselt mit seinem Herrchen in der engen Kajüte, dann noch die Tatsache dass er nur an der Leine hing und jetzt war er auch noch in einer völlig neuen Welt! Irgendwie verstand er die Welt nicht mehr und je mehr er darüber nachdachte und sich hier umsah, umso mehr wünschte er sich die ländliche Ruhe seines Heimatdorfes zurück.   Das größte was er je gesehen hatte war Moskau gewesen, welches schon schlimm genug war, aber das hier, wo auch immer er nun war, war wahrscheinlich noch schlimmer. Moskau hatte wenigstens  etwas vertrautes, die Menschen waren dort von genau dem Schlag wie er sie kannte, aber hier, in diesem „Alaska“, war es ganz anders. Die Leute waren einfach… Irgendwie anders. Keine Ahnung was er davon halten sollte, er war momentan einfach nur fertig von der langen Überfahrt. „Drazan, Davay!“, rief Stanislaw, nachdem er einige Papiere bekommen hatte, die er bis morgen ausgefüllt haben musste. Der Barsoi gehorchte augenblicklich und trabte leichtfüßig an den anderen wartenden Passagieren vorbei zu seinem Herrchen, an welchem er erwartungsvoll hochsah. „So Drazan, wir suchen uns für heute Nacht was zu schlafen und dann geht’s weiter Richtung Norden. Mal sehen was sich finden lässt.“ Er zog sich seine Tschapka tiefer ins Gesicht und griff blitzschnell nach Drazans Halsband, als dieser neugierig die Ohren spitzte und in eine andere Richtung sah. Drazan war, was das anging, unberechenbar. Er sah etwas und wenn man da nicht schon bei den ersten Anzeichen schnell reagierte, war er schneller weg als man schauen konnte. Wenn es gut ging kam er nach zehn Minuten mit einem toten Hasen zurück, wenn es nicht gut lief war ihm irgendwas passiert. Und diesen Hund zu finden war nicht immer leicht, wenn er erst mal auf und davon war. Jedoch wäre Stanislaws erstes und letztes Ziel für heute sowieso eine Unterkunft, in der er die Nacht verbringen könnte. Morgen würde er dann das tun was er am besten konnte: Jagen. Aber nicht irgendwas, nein, natürlich nicht jedes dahergelaufene Reh, was er jagte war einen Kaliber größer und brachte ihm dadurch auch mehr Geld. Er jagte Wölfe. Vorrangig zumindest. Alles andere was Drazan in die Fänge lief war natürlich auch akzeptabel. Aber er brauchte vorrangig einfach nur eine Unterkunft und alles was danach kam, würde er einfach auf sich zukommen lassen. „Na, magst du das?“ Liebevoll streichelte Jane ihrer Hündin den Hals, als sie zu Hause angekommen waren und sich auf den Boden kniete. Der Schnee haftete an Janes Handschuhen, als sie nach der Kette griff, die noch immer an der Stelle lag, wo ihr Vater sie hatte fallen lassen. „Na, willst du lecker Fleischi-Fleisch-Fleisch?“, fragte Jane mit dieser abnormal hohen Stimme, mit der sie immer anfing zu sprechen, wenn sie von ihrem Hund entzückt war. Ohne auf eine Reaktion zu warten, schmiss Jane das Karibufilet einfach auf den Boden und in dem Moment in dem Kaskae anfing sich darauf zu stürzen, ergriff Jane die Chance und machte das Ende der Kette mit Kaskaes Halsband fest. Und die Reaktion der Hündin war… nichts. Wow. Wie überraschend. Irgendwie hätte Jane jetzt damit gerechnet dass Kaskae sie in Stücke zerreißen würde. Nicht. „Na, war das jetzt so schlimm, bist du ein so böses Hundileinchen? Nein, du bist lieb, hm?“ Jane knuddelte Kaskaes großen Kopf, als diese ihr Futter bereits runtergeschlungen hatte, einmal kräftig durch, ehe sie das Haus betrat. Doch ein armseliges Winseln ließ sie inne halten und sich umdrehen. Kaskae stand da, so weit es ihre Kette zuließ, an der Treppe und sah mit ihren großen, braunen Augen zu ihrem Frauchen hoch. „Oh Süße, es tut mir leid, aber meine Eltern sind grad gar nich gut auf dich zu reden… Morgen ist aber Freitag und dann verspreche ich dir, dass wir beide was richtig Schönes machen, ja? Wir können morgen Abend ans Meer runter gehen oder im Wald spazieren oder ich kauf dir ein neues Schleifchen im Ort, hm?“ Ah ja, die Schleifen, das war eine witzige Sache… „So, was sagen sie dazu?“ Janes Eltern sahen erwartungsvoll zu ihrem Vorgesetzten, Professor Martin Williams, einem älteren Mann  mit einer Menge Zielen, was die Erkundung der Arktis anging. Er sah noch immer nachdenklich auf die Akte vor ihm, die runde Brille auf die breite Nase zurechtgerückt, die Hand nachdenklich an sein Kinn gestützt. „Mum…“, fragte Jane plötzlich leise. „Psst! Jane, es ist unhöflich andere zu unterbrechen.“, tadelte ihre Mutter sie. Trotzig verschränkte die Zwölfjährige ihre Arme vor der Brust. Gerne hätte sie so was gesagt wie „Aber niemand sagt was“, doch sie wusste dass das nicht sehr gut bei Professor Williams ankommen würde. Im Gegenteil, das würde ein verdammt schlechtes Bild auf ihre Eltern werfen, wenn sie, ein vorlautes, kleines Gör, rumnörgeln würde. Jane blickte nun zu Kaskae, die neben ihrem Stuhl saß und den Kopf auf ihren Schoß gelegt hatte und sie wieder aus diesen wunderschönen, braunen Augen ansah. Jane hatte ihr aus einem alten Halstuch ihrer Mutter eine Schleife gemacht und sie ihr um den Hals gebunden, was im Grunde sehr süß aussah. Kaskae hatte durch diese pinke, viel zu große Schleife um den Hals, irgendwas unglaublich süßes, knuddeliges, tapsiges an sich. Und ganz nett seh es auch noch aus. „Na, was tust du denn da?“, kicherte Jane nun, als ihr Hund die Schnauze zwischen Janes Knie drückte um einen Fleck Bratensoße, der vorhin dort gelandet sein musste, wegzulecken. „Jane! Ruhe jetzt!“, murrte ihr Vater sie an und sie schwieg wieder widerstrebend. Jane verstummte sofort wieder, doch nach einigen Sekunden stand sie einfach auf und verließ mit Kaskae den Raum. „Jane“, rief ihre Mutter „Setz dich sofort wieder hin, was du hier machst ist unfassbar unhöflich!“ „Aber Kaskae muss kurz raus, die ganze Zeit schon.“, versuchte Jane sich zu verteidigen. „Nun beruhigen sie sich doch“, meinte plötzlich Mister Williams beschwichtigend „Ich denke solche Grundbedürfnisse sind Entschuldigung genug.“ „Vielen Dank!“ Mit einem dankenden Lächeln verschwand Jane mit Kaskae das Haus und atmete auf. Sie konnte, wenn man ganz leise war, den Stadtlärm hören, der von San Francisco aus ging. Ja, Jane gab zu dass es hier schon verdammt cool war, ganz anders als Ketchikan. Ach was, Ketchikan konnte man hiermit doch gar nicht vergleichen! Aber das war das erste Mal dass Jane zu Professor Williams mitkommen durfte und sie fand das schöne Stadthaus von ihm echt verdammt toll! Gestern, als sie nach der anstrengenden Schiffsfahrt endlich hier angekommen waren, hatten Janes Eltern ihr erlaubt ein bisschen durch die Innenstadt zu laufen und Jane war verzaubert! Sie hatte, ungelogen, noch nie eine so große Stadt gegeben und die paar Stunden, in denen sie mit ihrem Hund durch die Läden gebummelt war, hatten gereicht um Jane eins klar zu machen: Hier und nirgends anders wollte sie mal wohnen! Doch momentan für’s erste ging sie erst mal mit Kaskae raus. Jane befestigte die Leine an dem Halsband des Hundes, welches sie unter der Schleife versteckt hatte und öffnete das schwere Eisentor, welches das Stadthaus umgab. Wortlos lief Jane den Gehweg entlang und beobachtete Kaskae dabei wie sie mit der Nase jeden Zentimeter des Bodes absuchte nach… Keine Ahnung was. Aber Jane war aufgefallen was für eine tolle Nase Kaskae hatte, wie ein Radiergummi tastete sie damit jeden Zentimeter unter sich ab. Irgendwie sah das zwar seltsam aus, aber es war interessant. Sie bogen schließlich in einen Park ab. „Hey, Kaskae… Mach mal, ich will wieder zurück.“, bat Jane, nachdem sie schon einige Zeit gelaufen waren. Natürlich verstand Kaskae sie nicht, aber irgendwie sprach Jane doch sowieso immer mit ihr. Kaskae drehte ihr kurz die Ohren zu, doch mehr kam nicht von ihr. Einige Minuten konnte Jane sich jedoch endlich auf den Rückweg machen. Jane war keine zehn Meter mehr vom Parkausgang entfernt, als sie plötzlich eine Gestalt auf einer Parkbank sitzen sah. Ein Mann, keine dreißig, stark betrunken, saß dort und starrte Jane einfach nur an. Nein, nicht dass sie Angst hatte oder so, nein, aber… Ganz geheuer war es ihr nicht. Merklich nagespannt klammerte Jane sich zum einen an der Hundeleine, zum anderen an ihrem Rock fest und natürlich ging auch ein Teil ihrer Anspannung auf Kaskae über. Nicht sehr hilfreich für einen psychisch instabilen Hund. Nur ein paar Schritte vor ihr war der Parkausgang, da würde sie sich jetzt wohl nicht in die Hose machen. Aus den Augenwinkeln beobachtete Jane jedoch wie der Betrunkene schwerfällig aufstand und auf sie zu taumelte. „Hey, Süße, bleib mal stehen“, lallte er und obwohl Jane mit wirklich großen, schnellen Schritten zum Ausgang lief, so schaffte  der Mann es sie am Arm Rock zu packen. „Lassen sie mich!“, schrie Jane panisch und machte einen Satz zur Seite, schaffte es jedoch nicht sich loszureißen. „Ach jetzt stell dich nich‘ so an, wie viel kostest du denn?“ Zwischen Janes Panik und Angst mischte sich nun noch so was wie Fassungslosigkeit, denn beim Besten Willen… Sie war zwölf. Und so sah sie auch aus. „Lassen sie mich los!“, kreischte Jane nun so laut dass es jedem, der halbwegs in ihrer Nähe stand, das Trommelfell zerrissen hätte. Und es schien genug zu sein um in Kaskae genug Wut zu schüren um die Zähne zu zeigen. Und das tat sie, von einer Sekunde zur anderen war sie zu dem Wolf in ihr geworden. Jane spürte wie die Leine ihren Händen entglitt und im nächsten Augenblick musste sie unter Entsetzten aber gleichzeitig extremer Erleichterung mitansehen, wie Kaskae dem Mann, der sie soeben noch belästigt hatte, derartig heftig in den Arm biss, dass dieser sich unter Schmerzen auf dem Boden wand. Aber wie gesagt, er lag am Boden und das nach nur wenigen Sekunden, zudem blutete er, für Jane war das genug Grund den Mann in Ruhe zu lassen, denn eines hatten ihre Eltern ihr beigebracht: Sobald jemand am Boden liegt lässt man von ihm ab und haut nicht noch härter zu. „Kaskae, hör auf, hör auf!“, schrie Jane panisch und zerrte die Hündin an der Leine zurück. Doch diese dachte gar nicht daran vom Arm des Mannes loszulassen und alles was Jane gerade von den beiden sah, war ein kämpfendes Knäul am Boden, Kaskae gewann jedoch klar die Oberhand. „Kaskae! Aus, AUS!“, schrie Jane und stemmte sich mit ihrem gesamten Gewicht gegen die Leine. Inzwischen war der gesamte linke Ärmel des Mannes von Bisswunden und Blutflecken übersehen und langsam bekam Jane Angst um den Mann. Er war betrunken, was wenn er verbluten würde? Es reichte. Mit aller Kraft die sie hatte, riss Jane mit beiden Händen an Kaskaes Leine und zerrte den Hund zu sich. Das schien genug zu sein um Kaskae wieder zu Sinnen zu bringen, denn mit einem Mal war alles was sie tat, sich konfus umzusehen und schließlich einfach weiterzugehen. Jane sah nicht mehr zurück als sie aus dem Park rannte, der Schock zu dem Geschehenen saß ihr noch zu tief in den Knochen. Sie hatte diesen Hund, seit sie sie hatte, noch nie so aggressiv gesehen, geschweige denn hatte sie je gesehen wie sie gar Menschen angriff. Das war… beängstigend. Nachdem Jane, ohne anzuhalten, einige Blöcke weitergerannt war, hielt sie schließlich doch an und setzte sich mit zittrigen Knien auf eine Gartenmauer. Sie wusste grade nicht was sie tun sollte. Sie konnte nicht mehr stehen, zu sehr saß ihr der Schreck in den Knochen, zu sehr zitterte sie. Ihr Magen rebellierte und sie musste sogar ihren Kopf abstützen, aus Angst sie würde umfallen. Kaskae hingegen sah sie nur aus ihren großen, braunen Augen an, während sie sich Blut von der Schnauze leckte. Sie sah so vollkommen unschuldig aus, so als ob nichts passiert wäre. Was war grade eben eigentlich passiert? Das ging alles so schnell, Jane hatte nicht mal was sagen müssen und Kaskae hatte dem Kerl fast den Arm ausgerissen! Irgendwie war das beängstigend… Und andererseits fühlte Jane sich mit einem Mal so… sicher. Jetzt wo ihr bewusst war wie gefährlich ihr Hund sein konnte, da fühlte sie sich als würde sie eine Waffe mit sich herumtragen. Sie ließ den Blick einige Minuten zwischen dem Boden und Kaskae, welche immer wieder versuchte ihren Kopf auf den Schoß ihres Frauchens zu legen, hin und her schweifen, ehe sie schließlich aufstand und wortlos wieder zu Professor Williams Haus lief. Jane hatte ihren Eltern nie von dieser ganzen Sache erzählt, sondern Kaskae einfach mit einem Tuch, welches sie dabei hatte, das Maul sauber gemacht und so getan als ob nichts gewesen wäre. Und nach den heutigen Ereignissen war es wahrscheinlich das beste so. Noch ein letztes Mal sah Jane auf die Hünin herab, die, so wiet die Kette es eben zuließ, an der Treppe zur Veranda stand und flehend zu ihr aufsah. „Ach Süße… Schau nicht so, es ist ja nicht als ob es dir weh tut, hm?“ Kaskae gab nun ein Winseln von sich, fast so als hätte sie verstanden, doch Jane schaffte es nicht mal mehr ihr in die Augen zu sehen. Also drehte sie sich einfach um und ging ins Haus. Merklich enttäuscht blieb Kaskae zurück und trollte sich in ihre Hundehütte. Jane beobachtete sie einige Sekunden lang aus dem Wohnzimmerfenster, doch was konnte sie schon sonst tun? Ihre Mutter, welche gerade für ihren Vater Tee kochte, Miss Morris hatte sich bereits auf ihr Zimmer begeben, sah Jane sorgenvoll entgegen, meinte jedoch nur: „Jane, wir wollen das ja nicht für immer so lassen… In den Sommerferien kannst du sie meinetwegen von der Kette lassen. Oder wenn es Wochenende ist. Bitte, es ist doch nur für die Zeit, in der sie unbeaufsichtigt ist.“ „Aber… Sie… Sie ist so doch nicht glücklich, sie kann doch so gar nicht rennen und… Ist doch scheiße so.“, murmelte Jane halblaut. „Liebes, ich… Ich weiß, es ist doof sie so zu sehen, aber sie wird sich daran gewöhnen.“ Stille. Jane setzte sich auf das Sofa, ihrem Vater gegenüber und starrte kurz durch die Verandatür nach draußen. Sie dachte nach, das merkte man auch ohne sie lang zu kennen. „Daddy…“, begann sie schließlich „Ich hab einen Entschluss gefasst was Kaskae angeht.“ Bei dem Klang ihrer Worte lief es ihren Eltern einen Moment lang eiskalt den Rücken runter, denn irgendwie klang es grade so, als ob sie ihren Hund ins Tierheim geben wollte. „J-ja?“, begann Janes Mutter vorsichtig. „Ich will ihr Schlittenfahren beibringen.“ Mit einer solchen Entscheidung hätten ihre Eltern wiederum nicht gerechnet. „Äh… Janey, was?“, hakte ihr Vater verwirrt nach und sah seine Frau ungläubig an. „Sagtest du nicht das wäre nichts für dich?“ „Ja, schon…“, begann sie kleinlaut „Aber heute im Ort, da hab ich ein kleines Gespräch mit Rosies Vater und dem Metzger und noch wem geführt und es ging eben und Kaskae und da haben sie mir eben empfohlen ihr irgendeine Beschäftigung zu geben… Sie meinten wenn sie zu tun hat, dann wird sie keine Energie mehr haben um ans Ausbüxen zu denken… Und das klingt ja logisch…“, meinte Jane, noch immer ein wenig verschüchtert. „Du… willst das also wirklich tun? Wann denn?“ Sie zuckte die Schultern. „Am Wochenende… Vielleicht hilft das ja wirklich…“ Sie sah auf und sah ihre Eltern hoffnungsvoll aus ihren großen, braunen Rehaugen an. „Na? Was sagt ihr?“ Ihre Eltern sahen einander kurz unschlüssig an, Jane hatte keine Ahnung wie ihre Chancen denn standen. „Wir… denken darüber nach.“, meinte ihr Vater schließlich und deutete mit seiner unverletzten Hand zur Treppe „Aber du gehst jetzt ins Bett, es ist schon spät!“ Wow. Welch tolle Reaktion ihrer Eltern. Na ja, „Wir denken darüber nach“ hieß in den meisten Fällen sowieso „Ja“. Kapitel 12: Nervige Kinder und der russische Gigolo --------------------------------------------------- Der nächste Tag, ein Freitag, war wettertechnisch genau das richtige für einen langen Spaziergang. Der Himmel war nur stellenweise von einigen Quellwolken durchzogen und da es gestern frisch geschneit hatte, schrie der Tag regelrecht danach genutzt zu werden. Zumindest waren das Kaskaes Ansichten. Sie saß schon seit einer Stunde an dem Ende der Verandatreppe, starrte an die Tür und hoffte so sehr darauf dass man endlich was mit ihr unternahm. Sie wusste einfach nichts mit sich anzufangen. Sie hatte versucht einfach durch den Schnee zu rennen, sich darin zu wälzen, doch ab einer gewissen Anzahl an Metern kam sie nicht weiter, da die Kette sie festhielt. Auch wenn die versuchte sich auf dem Rücken zu wälzen verhedderte sie sich früher oder später an der Kette, da diese ihr irgendwann auf den Bauch oder zwischen die Pfoten schlug, wenn sie den Hals zu wild umherriss. Kaskae hatte absolut keinen Spaß mehr an all dem. Es hatte mal eine Zeit gegeben, die nur einen Tag zurück lag, dass sie noch richtig Spaß an ihrem zu Hause gehabt hatte, aber inzwischen war es nur noch zum Kotzen. Sie verstand einfach nicht wozu sie bestraft wurde. Was hatte sie getan? Warum hatte sie das alles verdient? Sie verstand Menschen nicht. Jedenfalls nicht so richtig. Ja, klar verstand sie wann sie sauer waren oder glücklich oder traurig, aber irgendwie funktionierten Menschen ganz anders. Sie sind glücklich und zeigen dir die Zähne. Und dann benennen sie diese Scheinheiligkeit kurzerhand ‚Lächeln‘. Wobei das bereits die Ausmaße annahm dass Kaskae auch gelegentlich diese Mimik aufsetzte. Erst hatte sie es gar nicht bemerkt, doch inzwischen ahmte sie dieses Lächeln sogar recht oft nach. Doch sie war momentan nicht dazu aufgelegt irgendwas derartig dämliches zu machen. Generell waren dumme Sachen das letzte auf das sie grad Lust hatte. Doch sie wollte jetzt unbedingt raus! Okay, vielleicht würde Jane ja kommen wenn Kaskae nur mal kurz bellen würde, nur ein mal… Würde schon niemandem weh tun. Zudem war Jane doch von der Schule zurück und hatte versprochen mit ihr was zu machen! Es blieb jedoch nicht bei dem einen Mal bellen. Doch es half. „Woah, ist ja gut! Mädchen, es ist fünf Uhr abends, wir haben Wochenende.“, murrte Jane, als sie, etwas hektisch, ihren Mantel überzog und die Leine mitnahm. Ihre welligen, braunen Haare, flogen in alle Richtungen, ein Anzeichen dafür, dass sie wohl nicht viel Zeit gehabt hatte sie zu richten. Jedoch sah ihr Gesicht so aus wie immer. Kaskae wusste dass Frauen immer irgendeine schwarze Farbe um ihre Augen malten, anscheinend empfanden Männer das wohl als besonders hübsch. Kaskae fand zwar auch dass es besser aussah, aber im Grunde juckte es sie nicht, sie starrte Menschen nicht viel in die Augen. Es war eher das Gesamtbild auf was sie achtete, generell versuchte sie nicht zu lange in die Augen von Leuten zu sehen. Sie fühlte sich nicht wohl dabei, vor allem dann wenn die Menschen zurückstarrten. Sie konnte ihren Blicken nie lange standhalten, irgendwann war sie gezwungen wegzusehen. Doch sobald Jane in Kaskaes Reichweite war, tat die Hündin alles um irgendwie an ihr hochzukommen. Selten hatte sie sich so gefreut Jane zu sehen, denn ihre Anwesenheit würde bestimmt auch bedeuten dass sie die Kette gleich los bekam. „Ist doch gut, was ist denn mit dir los? Freust du dich denn so sehr mich zu sehen?“, Jane nahm Kaskaes Vorderpfoten in die Hände und schob den Hund von sich weg. „So, was willst du heute machen? Wollen wir jemanden besuchen? Naaaa, klingt das gut?“ Jane löste den Verschluss der Kette von Kaskaes Halsband und ersetzte ihn durch die Leine. Kaskae zerrte merklich daran als Jane das Gartentor öffnete, doch nach fast drei Jahren, in denen sie ihren Hund jetzt hatte, war sie geübt darin sie zu halten. Das Gezerre ging noch einige Meter weiter, doch irgendwann beruhigte Kaskae sich zumindest so weit, dass man halbwegs mit ihr spazieren gehen konnte. Jane war im übrigen auf dem Weg zur Metzgerei, weil sie ihre Mütze dort gestern vergessen hatte. Nicht dass es ihre einzige Mütze war, nur leider war es ihre teuerste! Das war immerhin echte Kaschmirwolle, ihre Eltern hatten sie ihr mal von einer Reise nach New York mitgebracht. Hach, New York… Da würde Janes auch gerne mal hin, aber sie hatte weder die Mittel noch die Zeit. Sie hatten die Metzgerei schließlich erreicht und Kaskae fand sich wieder mal angebunden an einem Pfosten. Sie verstand das nicht… Da lief sie jetzt brav neben Jane mit und jetzt durfte sie immer noch nicht rennen…. Oh Gerechtigkeit, wo auch immer du seien magst, du bist ein Arsch. „Entschuldigen Sie… Ich war gestern Abend hier, ich hab meine Mütze vergessen, haben sie sie gesehen?“ Jane stand währenddessen vor der Theke des Metzgers und erhoffte sich nichts mehr als diese Mütze wieder zu bekommen. „Ach ja, Sekunde, ich hab sie in einen Schrank gesperrt…“ Der Metzger verschwand kurz in einem Raum hinter dem Verkaufsraum, wodurch Jane nun allein dastand. Jedoch hielt dieser Zustand nicht lange an, da nur Augenblicke später die Tür nochmals aufging und Rosie mit ihrer Mutter hereingeplatzt kam. „Mami, ich will unbedingt diese Puppe haben, biiiiitte!“, flehte sie ihre Mutter an. Das schien wohl schon eine ganze Weile so zu gehen, denn Rosies Mutter machte einen zutiefst genervten Eindruck. „Rosie, du hast den Schlitten und deine Mushermütze schon bekommen, eine Puppe bekommst du nicht!“, meinte ihre Mutter verbissen. „Aber…“ „Kein Aber! Das reicht jetzt, du wartest jetzt draußen bei Jenna, hörst du?“ Jane hatte irgendwie ziemliches Mitleid mit der Kleinen. Von der eigenen Mutter so angeschnauzt zu werden tat schon ziemlich weh. Trotzig stampfte das kleine Mädchen aus dem Laden und ließ eine merklich genervte Mutter zurück. Jane wollte schon etwas sagen, doch als der Metzger wieder zum Vorschein kam, verwarf sie den Gedanken. „Ist es die Mütze?“, fragte er und hielt ihr eine weiße Kaschmirmütze entgegen. „Ja, genau das ist sie! Danke, die ist mir echt verdammt wichtig!“, freute Jane sich und nahm sie wieder an sich. Als sie den Laden verließ sah sie Rosie trotzig zwischen Jenna und Kaskae im Schnee sitzen und den beiden ihr Leiden vorzutragen. „Nur weil ich schon was bekommen habe heißt das nicht dass ich auch keine Puppe bekommen kann! Ich hab nur eine einzige Puppe und das ist doch wohl nicht schlimm dass ich noch eine will, oder?“ Eigentlich wollte Jane Kaskae, die sie bereits erwartungsvoll ansah, jetzt abbinden und weiter gehen, doch irgendwie war es so süß wie Rosie da saß und sich mit den beiden Hunden unterhielt. Also entschied Jane sich dazu es einfach zu lassen. Es würde schon niemanden stören wenn sie ein bisschen länger dort rumsitzen würde, Rosie würde es jedenfalls freuen… Zudem musste Jane sowieso noch ‘ne Menge Sachen tun… Bei der Post vorbei schauen und ein rosa Band kaufen. „Und einmal, da wollte ich eine Puppe haben die blond ist, aber die bekam ich dann auch nicht. Und das war echt gemein, denn manchmal, wenn Jenna schläft und draußen ein ganz großer Schneesturm ist, da hab ich keine Ahnung was ich tun soll, soooo langweilig ist mir…“, jammerte Rosie den Hunden die Ohren voll. Kaskae hatte dem Mädchen inzwischen sämtliche Aufmerksamkeit entzogen und lag nur gelangweilt im Schnee und sah manchmal zu Jenna rüber, welche das Gerede ihres Frauchens jedoch merklich entspannter aufzunehmen schien. „Jenna, ganz ehrlich, wie lange soll das so weiter gehen? Ich hab mir auch schon viel im Leben anhören müssen, doch sie schafft es das Wort Langeweile zu steigern.“ „Ach lass sie doch… Ist doch total süß!“, meinte Jenna und schien noch immer kein bisschen das Interesse verloren zu haben. „Welpen sind süß, Dixie ist süß, ich wenn ich schlafe bin süß, selbst meine Pfotenabdrücke sind süß, aber glaub mir, so was ist nicht süß.“ Jenna verdrehte die Auge und meinte nur: „Man merkt dass du keinem Kind gehörst.“ „Ja“, meinte sie „Aber ich glaube das ist auch gut so. Aber apropos Dixie, wo ist die Fellbombe eigentlich?“ „Tut mir leid, keine Post.“ Enttäuscht ließ Jane die Schultern sinken. „Gar nichts?“ „Nein, wirklich nichts, tut mir leid.“, antwortete der Mann von der Poststelle ihr. „Na ja… Danke, ich- Heeeey, wer bist du denn? Na du bist ja entzückend!“ Begeistert ging Jane in die Knie und tätschelte eine graugescheckte Englische Bulldogge, welche an ihrem Stiefeln herumschnüffelte. „Ach, das ist Morse, ignorieren Sie ihn einfach.“, meinte der Mann, doch Jane fand den Hund viel zu niedlich um ihn links liegen zu lassen. „Na du bist ja ein Süßer, na was bist du für einer, ach bist du süß“, sie kraulte ihn wild am Kopf und fragte dann an seinen Besitzer gewandt: „Wie kommt es dass ich ihn noch nie gesehen habe?“ „Na ja, er ist eigentlich immer nur da wo ich bin und wenn er mal raus geht dann nur für das Nötigste.“ Jane kicherte. „Na, bist du ein kleiner Stubenhocker? Na du bist ja einer… Also dann, auf wiedersehen.“ Sie tätschelte den Hund das letzte Mal kurz am Kopf, dann richtete sie sich wieder auf und verließ die Poststelle. Doch kaum war sie draußen, stand ein gewisser, sehr klein geratener Samojede zwischen ihren Beinen und sah sie aus großen, erwartungsvollen Augen an. „Ach, hey Süße… Na, was machst du denn hier? Na, willst du einen Brief abholen? Ich hatte leider kein Glück.“, lachte Jane, tätschelte Dixie halbherzig am Kopf und machte sich dann auf in den nächsten Laden, der unter anderem Stoffe verkaufte. Dixie sah ihr noch kurz hinterher, dann steckte sie ihren Kopf aber auch schon in den Türspalt und sah sich neugierig nach Morse um. „Morse… Hey! Morse!“, rief sie. Der kleine Hund, der es sich gerade in seinem Körbchen gemütlich machen wollte, sprang augenblicklich fast schon panisch auf und tapste in Dixies Richtung. „Sag mal, gibt’s was Neues? Ich brauch was, was ich einem gewissen Afghanen unter die Schnauze reiben kann.“, meinte sie. „Ja, also i-ich hab gehört da-dass Jemand ein Telegramm aus Anchorage abgeschickt hat und, und, und, und das war ein Russe und der kommt in zwei Wochen hier her u-und der mietet sich bei den Seymours ein, in ihr Gästezimmer u-und er hat einen Hund! Und er ist Pelzjäger!“, erzählte der kleine Hund aufgeregt und merklich vorfreudig. Vorfreudig auf was fragte man sich nur. Klar, Morse hatte seine Probleme auf andere Hunde zuzugehen und umso mehr freute ihn es dann wenn die auf ihn zugingen, vor allem wenn es Hündinnen waren, doch irgendwie schien der Gute nicht zu begreifen dass es keiner von denen um seinen leicht epileptischen Charakter ging, sondern lediglich darum die aktuellsten Neuigkeiten mitzubekommen. Denn der erste Hund, der in Nome Neues erfuhr, war nun mal Morse, das war das einzige was ihm zu was mehr oder weniger Besonderem machte. „Wirklich? Das klingt doch mal äußerst interessant…“, meinte Dixie und grinste auf eine äußerst dreckige Art und Weise. „Hehe, gern geschehen.“, grinste Morse und sabberte ein wenig. „Na dann… Danke Morse.“ Dixie drehte sich um und trabte überlegen die Straße entlang, dorthin wo sie Sylvie vermutete. Als sie jedoch am Metzger vorbei kam, sah sie jemand anderes dort sitzen: Zum einen Jenna und dann noch eine zu Tode gelangweilte, entnervte Kaskae, zwischen denen eine wild um sich motzende Rosie saß. Eigentlich wollte Dixie die Neuigkeiten sofort Sylvie unter die Schnauze reiben, doch die war nicht auffindbar. „Hey, wollt ihr mal was wirklich interessantes hören?“, fragte Dixie stattdessen Kaskae und Jenna, welche ihre Aufmerksamkeit sofort auf sie richteten. „Egal was es ist, sag es mir, sonst klapp ich zusammen!“, jammerte Kaskae flehend. „Nun übertreib es nicht, so schlimm ist Rosie nicht.“, meinte Jenna. Kaskae verdrehte nur die Augen und sah dann voller Erwartung zu Dixie. „Also, passt auf! Ich hab grade, aus einer verdammt verlässlichen Quelle erfahren, dass in zwei Wochen ein Russe mit seinem Hund hier her kommen wird. Und ich dachte schon hier wird sich nie was tun!“ Dixie grinste die beiden stolz an und wartete auf eine Reaktion. „Ist Boris nicht aus Russland?“ „Wer ist Boris?“, fragte Kaskae sofort. Noch mehr Hunde? Nein, war ja nicht so als ob sie es nicht erwarten konnte, dass noch mehr Rüden ihr auf den Arsch starrten. Sylvie war in der Hinsicht gesegnet. Alles was man bei ihr sah war verdammt langes Fell und Hüftknochen, die es locker mit denen einer Kuh aufnehmen konnten. Wobei der Arsch einer Kuh wohl ein wenig anstößiger war, als Sylvies. Bei Sylvie sah man einfach nur Beckenknochen, viel Fell und zwei Striche, die ihre Beine darstellten. Und sie wurde nicht fett, das musste dazu gesagt werden! Ja, Sylvie war schon ein Glückspilz. „Ach, den kennst du ja auch noch nicht! Boris ist eine Schneegans, er hat für Balto so eine Art Ersatzvater gespielt.“, erklärte Jenna. „Eine Gans? Okay, ich glaub ich muss diesen Balto wirklich mal kennenlernen.“, meinte Kaskae halblaut und bekam plötzlich einen unglaublichen Appetit auf Gänsebraten. „Mach’s doch am besten jetzt gleich!“, schlug Dixie vor. „Ähem.“ Kaskae räusperte sich und deutet auffällig unauffällig auf ihre Leine. „Ach, das hab ich gleich!“, meinte Dixie leichthin und ehe Kaskae sich versehen konnte, machte der Samojede sich an dem Knoten, der recht weit unten an der Säule war, zu schaffen. „Bist du wahnsinnig?! Lass das!“, bellte Kaskae und sprang erschrocken auf, wobei sie ausversehen in Rosie reinlief. „Au! Aus, Was macht ihr denn da?“ Rosie sah den beiden Hündinnen verwirrt bei dem zu was sie da grade taten… Was auch immer das seien mochte. „Hey, Dixie, lass das, ich glaub nicht dass du das darfst.“ Rosie zog die kleine Hündin am Halsband von Kaskaes Leine weg, doch der Knoten war inzwischen so gelöst, dass Kaskae nur noch etwas dran hätte ziehen müssen, um los zu kommen. Tat sie jedoch nicht. Noch nicht. „Rosie? Komm, wir gehen jetzt weiter. Und hast du dich wenigstens benommen?“ Rosies Mutter kam aus dem Laden und sah tadelnd auf ihre Tochter hinab. „Ja Mama…“, knurrte sie mürrisch und nahm unwillig die Hand ihrer Mutter. Jenna folgte ihnen und rief Kaskae und Dixie ein noch etwas unsicheres „Bis dann“ zu. Denn sie hatte keine Ahnung was passierte wenn man jemanden mit Dixie alleine ließ. Müde warf Stanislaw an diesem Abend seine Stiefel in die Ecke des kleinen Gästezimmers und hängte sein Gewehr an einem Haken an der Wand auf. Drazan legte sich müde zu den Füßen seines Herrchens und sah ihn aus seinen großen, braunen Augen an. Stanislaw murmelte ein paar Worte des Lobes an seinen Hund gewandt, dann legte er sich einfach der Länge nach in sein Bett. Wirklich viel Wild hatte er in der Gegend, die Anchorage umgab nicht grade gesehen, aber er wollte ja nicht so pessimistisch sein. Drazan hatte sein Bestes gegeben und die beiden toten Füchse, die er heute verkauft hatte, waren besser als nichts. Stanislaw betrachtete sein Ticket für die Schiffahrt nach Nome. Montag würde er wahrscheinlich ankommen. „Drazan, was sagst du? Noch ‘ne Schiffahrt?“ Der Rüde sah, fast so als hätte er verstanden was ihm gesagt wurde, in die entgegengesetzte Richtung und legte den Kopf auf die Vorderpfoten, was seinem Herrchen ein Lachen entlockte. „Keine Lust? Du enttäuschst mich, und du willst der Hund eines Russen sein?“ Lachend stand Stanislaw auf und ging zu seinem Seebeutel und zog eine Flasche Wodka hervor. Er hatte es geschafft sie an der Hafenkontrolle vorbeizuschmuggeln und da das hier alles war, was er für’s erste an Alkohol hatte, musste er diesen auf die nächsten Tage gut aufteilen. Und das war beim Besten Willen nicht leicht. Er hatte schlimmste über amerikanischen Alkohol gehört, wahrscheinlich würde er nichts finden können, was Wodka auch nur ähnlich war. Drazan knurrte leise und legte eine Pfote auf seine Nase, während der den Kopf gegen seine Decke drückte. Er hasste den Geruch von Alkohol, auch wenn er sich innerhalb der Jahre halbwegs dran gewöhnt hatte. Das hieß jedoch nicht dass er es mochte. Drazan wollte momentan jedoch einfach nur noch schlafen. Er hätte sich liebend gerne zu den Füßen seines Herrchens gelegt und wäre ebendort auch eingeschlafen, doch er ertrug den Gestank einfach nicht der von ihm ausging. Manchmal glaubte Drazan, dieser beißende Geruch hätte schon über die Laufe der Jahre einen Teil seiner Geruchsnerven abgetötet… Entweder das, oder er war paranoid. Aber so paranoid konnte er wohl nicht sein, denn sonst würde er wohl nicht jede einzelne Hündin drei Kilometer gegen den Wind riechen können. Apropos Hündinnen aufreißen, er hatte jetzt schon eine Weile keine mehr gehabt… Ach, was redete er da… Die amerikanischen Hündinnen waren hässlich, eine hässlicher als die andere. Zumindest das bisschen was er bisher gesehen hatte war hässlich. Sie hatten allesamt die gleiche, eintönige Fellfarbe, dazu noch diese Eichhörnchenschwänze… Drazan gefiel ja die Hinteransicht von Hündinnen, doch das war einfach nur billig. Da konnten die noch so wenig dafür dass sich ihr Schwanz auf ihrem Rücken kringelte wie bei einem Schwein. Immerhin hatte Drazan Stil! Er wollte einer Hündin gefallen und vor ihr doch ein wenig prahlen, sich vor ihr aufspielen, ein „Macho“ sein, wie die Menschen es nannten und nicht einfach so von allen Seiten Avancen bekommen. Drazan brauchte kleine Herausforderungen und es gefiel ihm wenn man ihm anfangs die kalte Schulter zeigte, das machte ihn nur noch schärfer auf eben diese eine Hündin. Und er hatte Ausdauer, nur um das klar zu stellen. Er hatte einfach einen gewissen Stil und Charme, er war nicht einfach nur einer dieser verlausten Straßenköter der jeder beliebigen Hündin nachstellte! ER war ein Barsoi, ein russischer Windhund, durch seine Adern floss das Blut jener Hunde, die bereits bei den Zaren Dienste erwiesen! Da ließ er sich doch nicht mit Jeder ein! Aber hier fragte er sich wirklich was er hier tun sollte. Wenn alle Hunde hier gleich aussahen konnte er es gleich vergessen! All die, die er bisher gesehen hatte entsprachen so gar nicht seinem Niveau! In Russland, ja, DA gab es schöne Hunde, aber hier? Das hier war ein Witz, gar nicht zu vergleichen mit den Hunden auf der anderen Seite des Pazifiks. Aber es würde schon nicht auf Ewig dauern… Das sagte zumindest Stanislaw. Kapitel 13: Rosa Schleifen -------------------------- „So… Kommst du jetzt?“, verlangte Dixie ungeduldig. „Äh… Bitte was?“, fragte Kaskae genervt. „Tu nicht so als ob du mich nicht verstanden hättest, komm schon! Du musst noch einmal dran ziehen, dann ist der Knoten gelöst! Mach schon!“ „Wozu? Damit ich wieder Ärger bekomme? Vergiss es. Zudem wird es bald dunkel.“, wand Kaskae ein. „BALD? Wir haben Mittag.“ „Ja und? Ich will nicht. Ich häng jetzt schon an der Kette, wer weiß wo ich später lande.“ „Komm schon! Ich… Äh…“ Dixie brauchte jetzt irgendwas womit sie Kaskae locken konnte „Balto! Willst du Balto kennenlernen?“, „Was? Wirklich?“ Ha! Jetzt hatte Dixie sie! Kaskae wurde allein bei der Nennung von Baltos Namen neugierig. Grund dazu hatte sie alle Male, immerhin wurde hier so viel über ihn gesprochen, aber getroffen hatte sie ihn noch nie. „Jaaaa… Nun komm endlich! Komm schon!“, nörgelte Dixie und biss Kaskae spielerisch in den Schwanz. „Au! Ist ja gut, aber nur ganz kurz, klar?“ Wirklich wohl war Kaskae bei dem Gedanken mal wieder herrenlos durch die Gegend zu laufen, während Jane sonst was einkaufen war, nicht unbedingt. Aber gut, für die Wissenschaft! … Oder zumindest für ein Kennenlernen mit dem berühmtesten Halbwolf den dieses Kaff zu bieten hatte. Nach grade mal zehn Minuten schnellen Gehens, was bei Dixie aufgrund ihrer kurzen Beine wirklich bescheuert aussah, waren die Hündinnen bei Baltos Schiffswrack angelangt. Kaskae hatte irgendwie nicht damit gerechnet, dass der große Held Nomes in einer solch bescheidenen Behausung lebte. Obwohl… Ihre Hundehütte sah gegen einen ganzen Fischkutter auch recht alt aus. „Balto?“, rief Dixie. „Vielleicht ist er bei Jenna…“, meinte Kaskae und zog instinktiv den Schwanz ein, als sie das knarzende Wrack betraten. WOHL war ihr nicht hierbei, vor allem weil es hier deutlich nach Eisbär roch. Was zur Hölle hatten die hier wieder zu suchen? „Ach was, der ist bestimmt hier… Und hör auf dich wie ein Welpe auszuführen, ich seh neben dir ja fast schon wieder mutig aus.“, beschwerte sich Dixie. „Oh entschuldige, ich zeig nur etwas höfliche Zurückhaltung…“, knurrte Kaskae genervt. „Und knurr mich nicht an! Man, du bist echt ‘ne Memme.“ „Und du vergisst gelegentlich dass ich dir den Kopf abbeißen könnte.“, gabt der Malamute schnippisch zurück. „Und du vergisst gelegentlich, dass ich zu anmutig und süß bin um zu sterben.“ „Dafür dass du mit grade mal bis zum Bauch reichst bist du echt ziemlich frech.“, gab Kaskae zur Antwort und stellte die Ohren auf, als sie den Schnee hinter sich knirschen hörte. „He! Baltooo! Komm, Dixie ist da!“ Eine Gans? Ja, da sprach ganz eindeutig eine Gans. Diese Vermutung bestätigte sich such als sie den Kopf drehte. Da stand da tatsächlich eine Schneegans vorm Wrack und sah den beiden Hunden mit einer solchen Gelassenheit entgegen, als ob absolut keine Gefahr von ihnen ausgehen würde. Mutiges Gänschen… Und er war so schön fett… Woah, Kaskae bekam plötzlich solchen Hunger! „Balto! Komm schon.“ Der Gänserich flatterte zu Dixie und Kaskae, wobei diese ihn wie ein Marsmännchen anstarrte. „Na Dixie, wen hast du uns da angeschleppt? Hab sie noch nie gesehen.“, wollte er wissen. „Ich bin Kaskae… Ich komm nicht sonderlich oft vor die Tür, lebe auch noch nicht so lange hier.“, antwortete die Hündin. Sie hatte keine Lust dass andere für sie antworten, so als ob sie ein unfähiger Welpe war, der zu verschüchtert war um selbst das Maul auf zu bekommen. „Boris, was gibt’s denn?“ Wer nun vor dem Wrack auftauchte zerstörte so ziemlich jede Vorstellung, die Kaskae von Balto gehabt hatte. Sie hatte sich unter Balto dem Halbwolf immer einen gefährlich wirkenden, großen, kräftigen, silber-weißen Mischling vorgestellt, gewissermaßen unberechenbar, ein halber Wolf eben, doch der Balto der vor ihr stand war alles andere als das. Im Gegenteil, der Mischling vor ihr war unscheinbar. Grau-braun, orangene Augen, recht große Pfoten… Natürlich sah man den Wolf in ihm, doch es war nicht so, als ob er auf irgendeine Art und Weise besonders… besonders aussah. Was Kaskae vor allem verwunderte war die Größe. Sie konnte sich noch an den ausgestopften Wolf erinnern, den sie mal angefallen hatte. Der war mindestens so groß gewesen wie sie, doch Balto? Da war selbst Steele merklich größer! Ach was, sogar sie selbst überragte den Mischling um einen halben Kopf! Kurz um, sie war auf allen Ebenen enttäuscht worden. „Dixie? Ich hätte dich gar nicht erwartet“ Balto eilte zu ihnen „Ist was? Und wer bist du eigentlich?“ „Hi Balto“, begrüßte Dixie ihn stürmisch „Ich bin nur schnell vorbeigekommen um dir jemanden vorzustellen, das hier ist Kaskae, hat Jenna dir schon von ihr erzählt?“, plapperte sie. „Äh, ja, äh, also ja, kann sein… Tut mir leid, ich hab mich dir noch gar nicht vorgestellt.“, sagte Balto. Kaskae schmunzelte darüber wie Dixie sie Balto vorstellte. Sie fand die Unruhe und Nervosität dieses Wollknäuls irgendwie ganz reizend. Dixie war auf ihre Art einfach süß. „Ach, nicht so schlimm, wann hat man schon die Möglichkeit mich überhaupt kennenzulernen? Ich komm doch so selten unter Leute.“, spaßte Kaskae, auch wenn ihr bewusst war, wie wahr ihre Aussage eigentlich war. Oh verdammt, Jane sollte wirklich öfter mit ihr Gassi gehen… „Freut mich sehr dich endlich mal kennenzulernen. Jenna und ihre Freundinnen haben mir schon ein wenig über dich erzählt. Du kommst aus Ketchikan, nicht?“ „Ja, ich-“ „Ähm, Entschuldiguuung? Ich existiere auch noch!“, meldete sich plötzlich der Gänserich laut schnatternd zu Wort. Erst jetzt bemerkte Kaskae den russischen Akzent, mit dem er sprach. Aha, eine russischstämmige, dicke, alternde Schneegans… Irgendwie war die Welt grade sehr seltsam. „Ach, ja, darf ich vorstellen, Boris.“, stellte Balto ihr die Schneegans vor. Kaskae starrte den Gänserich noch immer mit einer Mischung aus Hunger und Verwirrung an. „Äh… ja, bin erfreut…“ Sie räusperte sich „Ich bin… Na ja, mich kennst du ja schon.“ „So, aber um auf deine Frage zurückzukommen“ Kaskae wand sich wieder Balto zu, auch wenn sie ein gewisses Misstrauen ihm gegenüber hatte „Ja, ich komme aus Ketchikan. Wirklich erstaunlich was hier jeder über mich weiß, ohne mich auch nur ein mal persönlich gesprochen zu haben. Ich seh schon, Dixie, Sylvie und Jenna leisten ganze Arbeit.“ Dixie grinste geschmeichelt. „Ach, du kennst uns inzwischen doch wohl gut genug, nicht?“ Balto schmunzelte amüsiert. „Na ja, du solltest Jenna da vielleicht raushalten, unsere größte Tratschtante ist gleichermaßen auch der kleinste Hund den Nome zu bieten hat.“ „Hey, jetzt wirst du beleidigend, Morse ist immer noch kleiner als ich!“, verteidigte Dixie sich und ihre elf Kilo Eigengewicht, von denen die Hälfte Fell war. „Wer zur Hölle ist Morse?“, fragte Kaskae. Sie hatte schon ein paar Hunde im Ort gesehen, mal von nahem, mal von weitem, aber Morse war ihr neu. „Morse ist dieser epileptische Mops.“ „Njet“, mischte sich Boris ein „Er ist eine Englische Bulldogge.“ „Dann eben so, was interessiert’s mich? Er sieht aus wie gegen eine Wand gerannt, ist doch das gleiche.“, sagte Dixie genervt. „Aha… Aber ihr seid doch sicher nicht nur gekommen um mir Kaskae vorzustellen, oder? Sei ehrlich Dixie, ich kenn dich inzwischen…“ Der kleine Samojede grinste unschuldig und sah gespielt schockiert zu Kaskae, die sich neben sie gesetzt hatte. Selbst wenn sie saß, war sie genauso groß wie Balto wenn er stand. „Ich FASS es einfach nicht! UNSERE Anwesenheit, ist dir also nicht Grund genug uns dabei zu haben? Balto, du hast mich auf ALLEN Ebenen enttäuscht.“ Kaskae lachte auf, als Dixie theatralisch die Pfote über den Kopf schlug. „Nana, nun übertreib mal nicht. Ich denke zudem kaum, dass sich jemand wie du den ganzen Weg hierher macht ohne irgendwas wirklich wichtiges zu sagen.“ Ach, Boris hatte eine wundervolle, direkte Art… „Hey, bin ich etwa unwichtig?“, wandte Kaskae spaßend ein. „Na ja, er hat schon recht, eigentlich hab ich tatsächlich noch eine Kleinigkeit zu erzählen. Pass auf, ich war vorhin bei Morse und wisst ihr wer nächstes Wochenende in Nome ankommt? Ihr werdet es nicht glauben, aber wir bekommen tatsächlichen mal ausländischen Besuch! Und zwar kommt ein russischer Pelzjäger her und er hat sogar einen Hund!“, erzählte Dixie voller Stolz. Hach, es war toll alle Neuigkeiten in diesem Kaff als erste zu wissen… „Jäger? Oj, warum können es keine Goldsucher sein? Dann würde ich mich weniger bedroht fühlen…“, sagte Boris und stieß einen langgezogenen Seufzer aus. „Dafür brauchst du einen Jäger? Reich ich dir nicht?“, fragte Kaskae hab spaßend, halb ernst. Die Blicke, die sie ansahen, sprachen jedoch für sich. Oh super, ja Kaskae, komm, mach erst mal einen richtig guten Eindruck! „Okay, deine Humor muss man mögen.“, meinte Dixie kichernd und löste die Situation, bevor ein unangenehmes Schweigen entstehen konnte. Oh verdammt, wie unfassbar dankbar Kaskae ihr doch war… Doch plötzlich glaubte sie, das Herz bliebe ihr stehen und sämtliches Blut schoss ihr aus dem Kopf. „Äh, tut mir leid wenn ich euch jetzt hier stehen lasse, aber ich muss ganz dringend zurück, ich… Oh Scheiße, ich, es tut mir leid, aber man sieht sich sicherlich noch mal, ich… Äh, bi dann!“ Und weg war sie. „Wow, rennen kann sie ja…“, war Boris‘ Kommentar. „Was war denn jetzt los?“, fragte Balto. Das war nicht grade die Art, auf die man hofft, dass eine erste Begegnung endet. „Keine Ahnung, ich… Ach, ihr Frauchen! Ich kann dir sagen“ Dixie setzte sich und verdrehte genervt die Augen „DAS ist so eine… Die verbietet ihr einfach ALLES!“ Und dann begann Dixie Balto in allen Einzelheiten von Kaskaes schrecklicher Misere, natürlich wie immer ein bisschen übertrieben, zu erzählen. Währenddessen schlitterte Kaskae in die Straße, von der sie wusste, dass Jane sie dort angebunden hatte. Sie wäre jedoch beinahe auf einer zugefrorenen Pfütze ausgerutscht und mit ihrer Pfote in ihrer eigenen Leine hängen geblieben und sich dabei fast die Schulter ausgekugelt, was schon echt extrem erbärmlich war. Generell war ihr Anblick, wie sie da die Straße entlangstolperte, mehr als dämlich. Nur der Anblick eines Hundes, der an die fünfzig Kilo wog und dabei die Eleganz eines sterbenden Bären hatte, war kurzum tölpelig. Stark hechelnd setzte Kaskae sich wieder an den Pfosten, wo Dixie es geschafft hatte sie loszubekommen und legte erschöpft den Kopf in den Nacken. Jedoch blieb ihr nicht viel Zeit zum Verschnaufen. „Kaskae?“ Star und Kaltag kamen um die Ecke und liefen natürlich sofort auf sie zu, als sie die Hündin vor dem Laden sitzen sahen. Dabei hatte Kaskae gerade gar keine Lust auf die beiden… „Ja?“ „Hast du schon gehört?“, begann Kaltag. „Hm?“ „W-wir bekommen bald besuch! Nächste Woche kommt-“ „Jaja“, unterbrach Kaskae ihn ungehalten, wobei sie noch immer mit ihrer Atmung beschäftigt war„ein Russe inklusive Hund kommt nächste Woche in den Ort, ist gut! Mein Gott, ich hab dauernd Dixie um mich herum, natürlich weiß ich es. Wie kann man etwas denn nicht wissen, wenn man Dixie um sich hat?“ Star, der aufgrund ihrer scharfen Zurechtweisung plötzlich sehr verunsichert war, zog es plötzlich vor zu schwiegen. Jedoch hätten sie einander sowieso nichts mehr sagen können, da Jane gut gelaunt aus dem Laden kam, in dem sie die ganze Zeit gewesen war. „Heeey, schau mal was ich dir gekauft hab! Ohhh, du wirst SO SÜß aussehen!“ Jane quiekte fast als sie das sagte und ging vor Kaskae in die Hocke „Hey, hat sich deine Leine etwa gelöst? Wow, du bist sogar sitzen geblieben, du bist ja so ein liebes Mädchen? Hm? Jaaaaaa, das bist du! So, schau mal…“ Sie kramte in ihrer Tüte rum und was sie da raus holte, war Erniedrigung auf allein Ebenen, zumindest wenn Kaskae ein Rüde gewesen wäre. Trotzdem! Sie wog über fünfzehn Kilo und alles was mehr als eine Ratte wog, hatte eine solche Schmach nicht verdient! Sie hingegen… Toll, dann auch noch vor Kaltag und Star, die das ganze Spektakel irritiert beobachteten. Sie hatten wohl noch nie gesehen, wie einem Hund eine rosa Schleife um den Hals gebunden wurde. „Sagt nichts… ich bin so peinlich…“ „Was? Nein, gar nicht!“, widersprach Kaltag ihr, jedoch wahrscheinlich nur um sich ein bisschen bei ihr einzuschleimen. Ja, Kaltag und sein Glück bei den Weibern. Wenn er ihnen schon erzählen wollte, was sie hören wollten, dann sollte er das glaubwürdiger machen. „A-also was er damit sagen wollte, also nicht DU bist peinlich, sondern das was dir… also die Schleife, also nicht direkt du, du bist toll, nur, n-nur…“ Wenn Kaskae gekonnt hätte, so hätte sie Star wahrscheinlich eine runtergehauen. Sein dummes Gestottere half ihr nicht im geringsten und irgendwie ließ er sich grade wie einen Idioten dastehen. Jedoch schien Kaltag diese Aufgabe liebend gern zu übernehmen und schlug Star eine über die Rübe. Durch dessen Aufjaulen wurde jetzt sogar Jane endlich mal auf die beiden Rüden aufmerksam. „Hey, was macht ihr hier die ganze Zeit? Kusch, bleibt bloß von ihr… Na los, kuschkusch!“ Sie machte ein par zischende Laute und wedelte mit den Armen herum, was effektiv genug war um Kaltag und Star ein paar Meter weiter weg zu treiben. „Ach, Mistviecher. Ich hasse es wenn die Hündinnen nachstellen als wären die Frischfleisch… Aber jetzt komm, wir werden heute ganz lange spazieren gehen, ja?“ Und schon war ihr Tag gerettet! „Nach dem Mittagessen.“ Na ja… Fast. Und sie hatte ihr Versprechen gehalten. Etwa eine Stunde später durchstöberte Kaskae den Hochschnee, wobei sie sich recht nah an den Wald traute. Jane beobachtete sie zwar mit Argusaugen, doch verließ die befestigten Wege nicht mal im Traum. Doch es freute Kaskae einfach mal so schnell sie konnte völlig ungebremst durch den Schnee rennen zu können, OHNE nach einigen Metern gegen einen Zaun zu rennen. Ganz ehrlich, Kaskae hätte nicht in Worte fassen können wie sehr sie das hier leibte und vor allem wie sie es vermisst hatte! Nicht mal ihre peinliche Schleife störte sie, es war ihr absolut egal ob sie jemand sah. Und was sie wirklich freute war die Tatsache, dass Jane ihr endlich mal wieder merkbar Vertrauen entgegenbrachte. Jane war jemand, die immer besorgt darüber war, dass etwas schief gehen könnte und es fiel ihr schwer Kaskae in offenem Gelände von der Leine zu lassen. Wenn Kaskae es sich so überlegte war das hier sogar das erste mal, dass sie, seit sie vor etwa einem Monat hergezogen waren, überhaupt mal ohne Leine durch die Gegens gehen durfte. Vertrauen… Wenn Kaskae so darüber nachdachte, war das etwas, was sie sich mehr von Janes Seite wünschte. Kaskae vertraute ihr blind, sie hatte nie Leid durch sie erfahren, aber dennoch schien das Mädchen ihr gewisse Dinge nicht zuzutrauen. Gehorsamkeit zum Beispiel. Es stimmte ja, wenn Kaskae jetzt etwas hochinteressantes sehen würde und Jane nach ihr rufen würde, würde es eine Weile dauern bis sie kam. Doch sie würde kommen, Kaskae würde niemals weglaufen, auch wenn es vielleicht mal so aussehen würde. Sie würd IMMER zurückkommen, wenn auch nicht sofort. Der Blick der Hündin schweifte nun zur Küste ab. Moment, waren da Möwen?! Sie warf zwar noch einen schnellen Blick zu Jane, doch als diese ihr nichts sagte, hetzte sie bereits in Richtung Meer. Die Möwen, die so lange wie möglich versucht hatten an ihren Ruheplätze verbleiben zu können, in der Hoffnung, dass Kaskae sich vielleicht doch noch umentscheiden würde, schreckten nun furchtbar auf und flogen panisch in alle Richtungen davon. Jane, die ihren Hund aus einigen hundert Metern Entfernung beobachtete, musste Schmunzeln, einfach weil Kaskae sich so sehr zu freuen schien. Es war so süß ihr dabei zuzusehen, wie dieser riesige Hund mit seinem Pinken Halsband und der süßen Schleife im Nacken durch den Schnee, der ihr schon fast bis zum Bauch reichte, zum Ufer rannte und dann laut bellend und um sich schnappend, Möwen in alle Richtungen jagte. Sie wusste gar nicht wann sie sie das letzte Mal so glücklich gesehen hatte. Kaskae achtete darauf jedoch gar nicht. Sie hatte Jane völlig vergessen, sie war nur noch auf ihre Möwen fixiert. Zumindest so lange, bis ihr nach einiger Zeit ein anderer Hund zeigte, welcher sie nun schon eine gewisse Zeit beobachtet hatte. Nein, es war nicht so als ob Steele aus Langeweile Hündinnen nachstellte, so verzweifelt und unausgeglichen war er bei weitem noch nicht, aber es war ja nicht das erste Mal, dass er aus Langeweile an den Strand gegangen war. Er mochte das Meer und hin und wieder jagte auch er gerne mal Tieren hinterher, die kleiner waren als er. Möwen eben. Und manchmal da beobachtete er die Vögel auch einfach nur so. Manchmal legte er sich einfach hinter einen kleinen Schneehaufen, ließ den Kopf auf den Pfoten Ruhen und beobachtete die Welt um ihn herum mit allen Sinnen, wie ein ganz normaler Hund. Ja, kaum zu glauben, aber auch Steele war ein ganz normaler Hund wie jeder andere, auch wenn er selbst wohl einfach zu stolz war zuzugeben, dass er nicht besser war. Aber auch er war eben was er war: Ein simpler Hund, der manchmal einfach nur seine Ruhe vor der Welt haben wollte, sich irgendwo hinsetzen wollte und stillschweigend seine Löcher in die Luft starrte und überlegte was er denn nur als nächstes tun könnte. Und hier konnte man das eben am besten. Vor allem jetzt, wo noch Packeis auf dem Meer schwamm, waren kaum Menschen an der Küste. Er hatte sie dann meist ganz für sich. Nur selten bekam er Gesellschaft. Früher hätte er das einfach ignoriert oder gar eine Konversation angefangen, doch seit der Sache mit Balto mied er Kontakt mit den Hunden generell. Und sie halfen ihm dabei ganz vorzüglich, indem sie ihn einfach ignorierten. Irgendwie war es ihm inzwischen egal geworden, aber bei Kaskae war er vorsichtig. Sie hatte anscheinend noch immer keine Ahnung wer er eigentlich war und das sollte so lange so bleiben, bis er sie um den Finger gewickelt hatte, wenn möglich sogar noch länger. Kaskae generell schien sich aber gar nicht um Namen zu kümmern. Sie fragte einfach gar nicht nach, wer denn alles in Nome lebte, sie kannte eben ein paar Hunde, manche mehr, manche weniger und ansonsten fragte sie auch nicht weiter nach. Und ihm konnte es recht sein, das war nur umso besser für ihn. Er wusste, dass es unausweichlich war. Irgendwann würde sie wissen wer er war, was er getan hatte, aber wenn sie erst mal bis dahin eine solche Symphatie oder gar mehr für ihn empfand, dann würde es ihr egal sein. So wie Steele sie bisher kennengelernt hatte, erschien sie ihm wie einer von dem Typ Hund der, wenn du ihm nur das Gefühl gibst genug geliebt zu werden, dir alles verzieh. Und Steele mochte sie doch, wirklich! Er hatte absolut nichts gegen sie, er fand sie in so vielen Dingen liebenswürdig, von ihrer Reinrassigkeit mal abgesehen. Sie war einfach nett. Aber nicht die Art von nett wie er es von den anderen Hündinnen gewohnt war. Sie kannte ihn nicht, sie war in keiner Weise von ihm voreingenommen, er hatte keinen Ruf bei ihr, für sie war er einfach ein Fremder gewesen, den sie kennenlernen musste. Und am besten, so empfand er es, würde sie den Steele kennenlernen, den sie haben wollte. Sie musste ja nicht wissen, dass er die schlimmste Dreckstöle sein konnte, die es gab. Nicht dass er das zugab! Neiiin, er hätte nicht zugegeben, dass er ein leiiiichtes Autoritätsproblem besaß… Sah ER etwa aus wie ein Fall für Martin Rütter? Was auch einen Unterschied machte, ihrer Sicht ihm gegenüber war, dass er sich ihr gegenüber nicht so derartig aufspielte weil er eben genau wusste, dass er es mit ihr feinfühliger angehen wusste. Sie war eben seine einzige Möglichkeit erstens mal wieder eine Hündin von oben zu sehen und zweitens hin und wieder mit irgendwem zu reden und nicht völlig durchzudrehen. Und sie brachte ihn zum Lachen. So wie jetzt grade. „Nette Schleife.“, gab er von sich und schaffte es das Kreischen der Möwen ein wenig zu übertönen. Kaskae, die bis grade eben noch immer ziemlich kopflos und unbeschwert den Möwen hinterhergehetzt war und inzwischen mit den Pfoten im Meerwasser stand, zuckte zusammen und starrte Steele an als ob er sie umbringen wollte. „Was? Oh, äh, ja, äh… Oh Gott. Das ist so peinlich…“, gab sie beschämt von sich und versuchte durch einziehen des Kopfes die Schleife irgendwie in ihrem Fell zu verstecken. Jane hatte jedoch viel zu gute Arbeit geleistet, die Schleife sah man deutlich. „Nein, ist sie nicht“, erwiderte Steele sofort „Die ist einfach nur niedlich. An dir zumindest.“ „Oh… äh, danke… Findest du wirklich?“, hakte Kaskae nach und entspannte den Hals ein wenig. „Ja, hat dir das noch niemand gesagt?“ „Na ja, Jane eben, ausgiebig… Aber was wissen Menschen schon darüber was Hunden untereinander gefällt“ Ein Hauch Sarkasmus ließ sich in ihrer Stimme ausmachen, als sie dieses abwertende Auflachen von sich gab „Und Star und Kaltag… Zumindest glaub ich dass sie es versucht haben.“ Zu gerne hätte Steele jetzt irgendein abwertendes Kommentar über die beiden rausgehauen. Ja, er spürte sogar so was wie Neid oder Eifersucht gegenüber den beiden. Es war dumm von ihm zu glauben, dass Kaskae NIE mit einem anderen männlichen Wesen in Kontakt kommen würde, aber er hätte es gerne so gut wie möglich verhindert. Er mochte den Gedanken an mögliche Konkurrenten bei der EINZIGEN Hündin, bei der er Chancen hatte, überhaupt nicht. „Ach, ich finde du siehst ganz entzückend mit der Schleife aus. Schäm dich doch nicht dafür.“, bestärkte er sie nochmals „Und willst du nicht langsam aus dem Meerwasser?“ „Oh, haha, ja.“ Sie ließ schnell ein paar Schritte weiter nach rechts, wo das Wasser vom Meer aus nicht mehr mit jeder Welle gegen ihre Pfoten gespült wurde. „Was machst du eigentlich hier?“, fragte er sie nun und kam ihr ein paar Schritte näher. „Möwen jagen. Ich darf endlich mal in ruhe durch die Gegend rennen.“, erklärte sie. Dass sie bestimmt bald wieder nach Hause musste, wollte sie jedoch gar nicht erst erwähnen. „Denkst du nicht auch, dass du zu alt für so was bist? Du bist doch kein Wolf, jagen ist für uns Hunde doch völlig unnötig.“, sagte er und sah einigen Möwen hinterher, die noch immer über ihnen kreisten. „Ich fress sie ja nicht und es macht Spaß. Aber apropos Wolf, rate wen ich heute endlich mal kennengelernt habe!“, begann sie nun aufgeregt zu erzählen und sah Steele vorfreudig entgegen. Sie konnte es gar nicht abwarten ihm davon erzählen, sie war generell recht erzählfreudig. Steele war das jedoch herzlich egal, er hätte liebend gern über alles mit ihr gesprochen, nur warum ausgerechnet dieses eine Thema? Er hasste Balto und er hasste die Tatsache dass sie ihn kannte. Er mochte ihn nicht, er mochte es nicht wenn Dinge nicht der Norm entsprachen, er mochte diesen Wolfshybriden nicht, er mochte es nicht, dass er schneller war als er, er mochte es nicht, dass nun auch Kaskae mit diesem Subjekt Kontakt hatte, Stelle verachtete ihn einfach! Doch was sollte er schon tun? Und überhaupt, grade als er irgendwas erwidern wollte, sprach sie sowieso schon weiter… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)