Therapiestunden von KankuroPuppet (( Psychological Affairs )) ================================================================================ Kapitel 5: Laubgeflüster ------------------------ Fünfter Teil Zehn Minuten später saß der angehende Arzt auf einen dreckigen Gepäckträger, hielt sich an diesem fest und winkelte die Beine an, um nicht mit den Fußspitzen über den Boden zu schleifen. „Gehört dir das Fahrrad eigentlich?“, fragte er skeptisch, während sein Körper unter extremer Anspannung stand, bereit, jeden Augenblick panisch das wackelnde Gefährt zu verlassen. „Klar“, bestätigte ihm eine Stimme, von dessen Besitzer Law lediglich den Hinterkopf erkennen konnte – er glaubte ihm jedoch kein Wort. Und so saß er nun da, auf dem Ende eines gestohlenen Rads und vertraute sein Leben einem Kerl an, von dem er nicht mehr wusste, als dass er vor fünf Jahren seinem besten Kumpel das Gesicht in Brand gesteckt hatte. Vielleicht sollte er sich nach diesem kleinen Höllentrip gleich selbst einweisen. „Warum keine Autos?“, fragte Law neugierig, kurz bevor er erschrocken zusammenzuckte, als ein LKW extrem nah an ihnen vorbeifuhr und vom wacklig steuernden Kid beinahe erwischt wurde – wie viel Bier hatte er getrunken, während er da unten gewartet hatte? Der angehende Mediziner sollte jedoch nie eine Antwort erhalten. Stattdessen wechselte sein Fahrer das Thema. „An welchen Song denkst du gerade?“, rief er, als wäre es die normalste Frage der Welt. „Bitte was?“, erkundigte sich Law und hielt seine Mütze fest, als ein Windstoß drohte, sie von seinem Kopf zu wehen. „Welcher Song?!“, rief Kid, laut genug, um die Aufmerksamkeit einiger Passanten auf sich zu ziehen. „Wieso sollte ich an einen Song denken?“, entgegnete sein Beifahrer verwirrt und krallte seine Finger immer fester um das instabile Metall des wackligen Gepäckträgers, mit einem Mal von dem plötzlichen Bewusstsein erfüllt, dass er während dieser Fahrt sterben würde. Kid lachte laut, bog in eine Seitenstraße ein und beschleunigte zu Laws Unbehagen das Tempo. „Wie kann man nicht an einen Song denken?“, fragte er und klang geradezu abschätzig in Angesicht mit Laws Unwissenheit. Der Gefragte stutzte, sah sich kurz um und versuchte auszumachen, wohin sie fuhren, während ihm der Fahrtwind angenehm kühl durchs Gesicht wehte. „An welchen Song denkst du denn?“, erwiderte er und hob fragend eine Augenbraue, auch wenn der Rotschopf sein Mienenspiel nicht sehen konnte. Kaum war es ausgesprochen, da stand der Junge aus dem Sattel auf, klammerte sich mit beiden Händen an den Lenker und trat mit aller Kraft in die Pedale, wodurch das Fahrrad verräterisch zu wackeln begann. Für einen Moment hörte Law vor sich ein zufriedenes Lachen, danach wurden die Schlenker, die das Rad machte, regelmäßig, als würden sie einer lautlosen Melodie folgen. Mit einer todesmutigen Geschwindigkeit bretterten sie um die nächste Kurve. Law zog erschrocken nach Luft, machte sich bereit, dem Sensenmann die Hand zu schütteln, dann stabilisierte sich der Todesmarsch auf zwei Rädern erneut und die Fahrt ging weiter. Wieder fuhren sie in schlangenartige Bewegungen, doch dieses Mal gab ein leises Pfeifen aus Kids Richtung den Rhythmus vor. Law hatte keine Ahnung, um welchen Song es sich handelte, ob es diesen überhaupt gab oder ob es lediglich eine spontane insane Idee des Patienten seines Onkels war, doch irgendwie amüsierte ihn die Gesamtsituation. Die Menschen, die sie verwundert angafften, der Herbstwind, der unnachgiebig durch Kids feuerroten, wilden Haare wehte und die bunten Blätter, die von den Bäumen tänzelnd herabfielen – er fühlte sich an - ja, was war dieses Gefühl? Lebendig? Es war ihm egal, was die Leute dachten. Das erste Mal seit Jahren schaltete er sein Gehirn ab und ließ sich vom Strudel der Verrücktheiten mitreißen. In diesem Moment bog Kid um eine weitere Ecke und Law erkannte endlich, wohin ihre Reise ging. Der Rotschopf machte sich augenscheinlich nichts aus den Blicken der Passanten und Law begann diesen Wesenszug an ihm zu mögen. Warum machte sich überhaupt irgendwer Gedanken darüber, was Leute, die man nicht einmal kannte und mit großer Wahrscheinlichkeit niemals kennen würde, dachten? Reine Verschwendung kostbarer Zeit. In diesem Moment passierten sie ein großes Tor aus eisernen, dunklen Stangen und erreichten damit den Stadtpark, welcher sich wie ein Fremdkörper pflanzlichen Lebens durch die graue Monotonie der Stadt zog. Gerade zu dieser Jahreszeit leuchtete er in allen denkbaren Farben. Mit den letzten Tönen seiner kleinen Pfeifeinlage verließ Kid ohne jede Vorwarnung den begradigten Weg und fuhr über eine der Grünflächen, deren holpriger Untergrund Law auf seinem ohnehin unbequemen Gepäckträger schmerzhaft auf und ab hüpfen ließ. Er wollte gerade über den unvorteilhaften Kurswechsel protestieren, als der Rotschopf vor ihm einen letzten schrillen Ton hören ließ, den Lenker losließ und sein Gewicht auf die rechte Pedale verlagerte, wodurch das Fahrrad ruckartig zur Seite kippte und die beiden jungen Männer in einen aufgetürmten Laubhaufen fallen ließ. Law keuchte erschrocken auf, als sein Bein unter dem Hinterrad eingequetscht wurde, während sich Kid einem lauten, kindlichen Lachen hingab. „Bist du völlig bescheuert?“, schrie der junge Mediziner wütend aus und versuchte sich vom Gewicht des Fahrrads zu befreien. Kid lachte immer noch, zog seine Beine elegant nach oben und setzte sich mit einem breiten Grinsen auf, wobei er laut nach Luft zog. „Es heißt ‚nicht zurechnungsfähig‘, wenn ich mich richtig erinnere“, antwortete er überzeugt, schloss seine Hand um einige der bunten, feuchten Blätter und streute sie über Law, der sich endlich befreien konnte und die leichte Berieselung unter angesäuertem Blick mit harten Schlägen gegen das fallende Laub abwehrte. Angewidert fand der Student nun Zeit, den Ort zu begutachten, auf dem er unfreiwillig gelandet war. Vor zwei Tagen hatte es geregnet und es schien ganz so, als wäre der Haufen zu dieser Zeit bereits aufgetürmt gewesen, denn er war immer noch feucht. Ameisen, Asseln, kleine Spinnen… Abertausende Tiere konnte er auf einen Blick um sich herum krabbeln sehen und spürte bereits ein erstes Kribbeln auf der Haut – auch wenn es noch Einbildung sein mochte. Von der ganzen Situation abgestoßen, verzog er den Mund und sah missbilligend zu seinem Begleiter, der sich in aller Seelenruhe auf dem Blättermeer ausstreckte, als wäre es das Himmelbett eines Fünf-Sterne Hotels. Für einen Augenblick lenkte ihn der Anblick sogar von einem Ekel ab. Nahezu fasziniert schaute er auf die bleiche Haut, die sich von den bunten Farben des Herbsts hervorhob, während die grüne Kapuzenjacke und die feuerroten Haare wirkten, als wären sie selbst von einem der Bäume gefallen. Anstelle der Sonnenbrille trug Kid an diesem Tag ein hellbraunes Tuch um die Stirn, das durch die liegende Position weit genug hochgerutscht war, um den Mediziner eine Idee davon zu geben, wie weit sich die blasse Narbe über seinen Kopf zog. „Wo ist die her?“, fragte er in Gedanken versunken und hätte beinahe eine Hand ausgestreckt, um die alte Verletzung zu berühren, wären in diesem Atemzug nicht die Augen seines Gegenübers geöffnet worden. Kids Mimik verriet, dass er die Frage nicht einordnen konnte, doch wartete er mit tüftelndem Gesichtsausdruck ab, bis Laws starrer Blick das Rätsel löste. „Hmm“, ließ er daraufhin mit wenig begeistertem Unterton vernehmen und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. „Das ist langweilig“, beklagte er sich. „Was ist langweilig?“, fragte Law perplex nach und war wieder einmal beeindruckt von der Tatsache, dass er die Denkstrukturen des Rotschopfes einfach nicht nachvollziehen konnte, weil sie sich offenkundig drehten und wendeten wie ein Blatt im Wind. „Das Spiel“, erklärte Kid weiter, freute sich über Laws Verwirrung und seufzte herzlich. „Du stellst ein Frage, ich stell eine Frage, du stellst eine Frage, ich stell eine…“, säuselte vor sich hin, bis der Student ihn unterbrach: „Du brauchst keine Fragen zu stellen“, entgegnete er entschieden. Als Antwort auf diesen unfairen Vorschlag, wurde Law abermals mit Laub beworfen. Kein weiterer Kommentar nötig. „Wir spielen das andere, ok?“, sprach Kid nach einer kleinen Pause des Schweigens weiter, doch wurde sein Sitznachbar einfach nicht schlau aus ihm. Als Kid das erkannte, seufzte er noch lauter und genoss es immer mehr, die Führungsrolle in diesem Gespräch zu haben, was Law augenscheinlich störte. „Du stellst keine Fragen, sondern sagst etwas, von dem du glaubst, dass es richtig ist und ich sage dir, ob es stimmt oder nicht. Is‘ nen lustiges Spiel“, beendete der Rotschopf die Erklärung und drehte sich voller Vorfreude im Blick zu Law. Dieser konnte langsam spüren, wie sich die Nässe des Laubhaufens in den Stoff seiner Jeans zog und erschauderte angewidert. Das Spiel würde er allerdings mitspielen. „Na schön“, erklärte er dementsprechend und schloss aus Kids Schweigen, dass er beginnen sollte. Nachdenklich legte er seinen Kopf auf das Laub und zog die Krempe seines Hutes tiefer ins Gesicht, um nicht von der inzwischen tiefstehenden Sonne geblendet zu werden. Die Narbe war es, die ihn zuletzt interessiert hatte. Kurz fasste er sich an seinen Kinnbart: „Du hattest einen Autounfall. Daher stammt die Narbe und deshalb fährst du auch kein Auto mehr.“ Mit einem stolzen Grinsen über seine Spurensuche schloss er die Aussage und wartete gespannt auf die Antwort. „Stimmt!“, stieß Kid wie aus der Pistole geschossen hervor und ließ Law dadurch zusammenschrecken, nur um ein enttäuschendes: „…nicht!“, hinzuzufügen, für welches er extra in tiefere Stimmlagen wechselte. Law zog die Mundwinkel nach unten, während sein Laubhaufennachbar begann, mit dem Reißverschluss seiner Jacke zu spielen. Kid war an der Reihe, doch Law glaube kaum, dass er irgendetwas über ihn wissen konnte. „Du findest dein Leben langweilig, weißt aber auch nicht, wie du den Zustand ändern kannst“, hörte er schließlich eine vertraute Stimme neben sich und hielt unmittelbar die Luft an. Verunsichert drehte er seinen Kopf, nur um festzustellen, dass Kid gedankenverloren die Wolken beobachtete. „Stimmt“, murrte er leise und verfolgte, wie sich ein zufriedenes Lächeln auf blasse Lippen legte. Tatsächlich fragte sich Law schon lange, was er mit seinem Leben anfangen sollte, denn nichts was er tat, vermochte ihn vollends in seinen Bann zu ziehen – ausgenommen das Puzzle der Medizin. Symptome erkennen, bestätigen, sammeln, analysieren, synthetisieren und das Rätsel lösen – war er einmal dem Spiel beigetreten, gab es kein Zurück mehr. Eben diese Sucht hatte ihn wohl auch in diesen Park getrieben, auf diesen kalten, von Käfern verseuchten Haufen verfaulender Blätter. Doch das Rätsel war verlockender als alle anderen zuvor – Kids Puzzle schien nicht nur viele Teile zu haben, die meisten davon waren bereits verloren gegangen, lange bevor Law den Deckel der Spielschachtel geöffnet hatte. Außerdem war es eine Beschäftigung, die er sogar aus dem Klinikum mitnehmen durfte, um einen ansonsten eintönigen Nachmittag mit belebender Tüftelei zu verbringen – seine Runde! Law schloss nachdenklich die Augen und rieb seine Nasenwurzel – er hatte so viele Fragen, doch wie verpackte er sie in Aussagen? Was hatte den Jungen wohl zu dem gemacht, der er war? Der Medizinstudent war so verzweifelt, dass er in die altvertraute Ideenkiste der Klischees griff: „Deine Eltern haben dich misshandelt“, sagte er und drehte seinen Kopf, um jeden Aspekt der folgenden Reaktion aufzusaugen. Wie lächerlich und albern die Frage war, bestätigte Kids gelangweiltes Seufzen. „Stimmt sowas von nicht“, stöhnte er und mischte unter seine Worte ein herzhaftes Gähnen. Die Abendsonne schien durchs lichte Blätterwerk auf sein Gesicht und so hatte Kid die Lider fest geschlossen, um den letzten Lebenshauch der schwindenden Spätsommersonne zu genießen. Law begutachtete einen Moment den Anblick, dann drehte er sich wieder auf den Rücken. Der Student hielt die Luft an und wartete auf Kids nächste Aussage, während er eine Ameise beobachtete, die langsam seine Jacke hinaufkletterte. „Der Sex, den du in letzter Zeit hattest, ist zwar gut, aber du weißt, dass irgendetwas fehlt und du fragst dich, was es ist.“ Der Satz war so beiläufig gesagt und doch ließ er Laws Gesichtszüge entgleisen. Unsicher über eine Reaktion, richtete er sich schlagartig auf, was das Insekt auf seinem Ärmel allerdings nicht sonderlich störte. „Was soll das denn heißen?“, spie er beleidigt hervor und begann sich abzuklopfen, aus Angst, er könne noch mehr Tiere angelockt haben. Augenblicklich musste er an ihr Gespräch vor einigen Tagen denken und an Kids gefeixtes 'Schade…', als Law betont hatte, dass er hetero sei. „Und als nächstes erzählt du mir, du würdest fehlen?“, rief er aus und schaute empört auf den Rotschopf neben sich. Kid grinste, machte sich allerdings nicht die Mühe, seinen Sitznachbarn anzuschauen. „So funktioniert das Spiel nicht“, erklärte er mit entschwindender Leichtigkeit in der Stimme. Law schob entrüstet seine Unterlippe nach vorn. Dieses Mal nahm er eine Hand voll Laub, ließ dieses jedoch nicht hinabrieseln, wie es sein Vorgänger getan hatte, sondern drückte es frech in Kids Gesicht. Zu seiner Enttäuschung blieb sein Opfer vollkommen ruhig. Als der Mediziner dann doch Bewegungen spürte, ließ er neugierig von Kid ab und schaute kurz zu, wie die Blätter aus dem roten Haar geschüttelt wurden, wobei eines übrig blieb, da seine gelblich verfärbte Spitze zwischen Lippen eingeklemmt war. „Und?“, fragte Kid mit dreckigem Gesicht und einer Stimmlage, als sei nichts gewesen, währenddessen er erwartungsvoll auf dem Laub knabberte. Law war mehr als irritiert, wusste nicht, wie er all diese Eindrücke zu verstehen hatte und tat daher das Einzige, was sein verwirrter Verstand fertig brachte – antworten. „Stimmt“, brachte er unter einem rauen Husten hervor. Der junge Mediziner hatte sich schon auf ein schadenfrohes Grinsen eingestellt und war nur noch verblüffter, als seine Antwort dazu führte, dass jeglicher Ausdruck aus Kids Gesicht verschwand und dieser lediglich bestätigend nickte. Dann hob er die Augenbrauen und ließ seine hypnotisierenden grünen Augen zu seinem Nachbarn wandern, doch schien dieser seine Sprache zwischen dem losen Blätterwerk unter ihnen verloren zu haben. Law ruckelte frustriert an der Krempe seiner Mütze, war genervt von der Tatsache, dass er gerade von einem Patienten seines Onkels über den Tisch gezogen wurde. Er schnaubte, zog einen langen Mund und beobachtete in der Ferne einen Jungen, der verzweifelt versuchte, an diesem windstillen Herbsttag vergebens einen Drachen steigen zu lassen. Die Sonne war beinahe hinter dem Horizont verschwunden und mit ihr schien auch Laws Selbstachtung von Dannen zu ziehen, als ihm die Lösung wie ein Blitz durch den Körper fuhr. Schlagartig richtete er seinen Rücken auf, drehte seinen Kopf wieder zu Kid und grinste vergnügt über seinen Einfall: „Du bist heute in die Praxis gekommen, weil du mich wiedersehen wolltest.“ Kid verlor das Blatt aus dem Mund, riss verwundert die Augen auf und erfreute Law dadurch umso mehr. Dann erwiderte der Rotschopf das Grinsen und richtete nachdenklich das Tuch um seine Stirn. „Du wirst besser“, kommentierte er die Aussage und brauchte nicht lange auf Laws altkluge Reaktion zu warten: „So funktioniert das Spiel nicht“, äffte er Kid nach, wobei seine Mimik andeutete, dass er die Antwort zu kennen schien. Sein Gegenspieler würde ihn den Sieg jedoch nicht so einfach machen, wie er es sich erhofft hatte. Gerade als Law dachte, er hätte zum ersten Mal die Führung in ihrem kleinen verbalen Schlagabtausch errungen, konterte Kid und setzte zum K.O. an. In einer raschen Bewegung, die keine Verteidigung erlaubte, hatte sich der Rotschopf auf die Seite geschwungen, hob einen Arm und ein Bein, stützte sich halb über Law, nur um daraufhin sein Knie zwischen den Oberschenkeln und eine Hand neben den Kopf des jungen Mediziners zu platzieren. Der Untergrund war weich, ihre beiden Körper wurden mit dem Laub unaufhaltsam nach unten gedrückt, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Law war so überrascht, dass er die Luft angehalten hatte. Nun traute er sich nicht, auch nur einen Hauch wieder freizugeben, solange dieser Irre über ihm hockte. Sprach- und ebenso atemlos lag der angehende Arzt da, war fasziniert von den leuchtenden Augen, betrachtete das helle Grün in der Mitte, welches zum Rand der Iris immer dunkler wurde. Gleichzeitig nahm der das Grinsen wahr, welches sich breit über beide Wangen zog, und die roten Haarsträhnen, die dem Ruf der Schwerkraft folgten und nun auf Laws Stirn kitzelten. Es roch nach Alkohol, der sich unter die Atemluft gemischt hatte, die in regelmäßigen Abständen seine Haut streifte. Der fremde Körper war warm, lag beinahe auf ihm, während Law auffiel, wie Kids Knie frech und immer fester gegen seinen Schritt drückte, bevor er sich noch weiter runterbeugte und sein Opfer damit vollends paralysierte. Mit einer nicht eindeutigen Intention, die Law erschaudern ließ, leckte sich der Rotschopf angriffslustig über die Lippen, genoss offensichtlich das kleine Universum der Anspannung, welches er gerade zwischen sich und dem jungen Mann unter ihm erschaffen hatte. „Stimmt nicht“, säuselte er mit hämisch belegter Stimme und wartete auf eine Reaktion, die Dank eines erlittenen Schocks allerdings ausblieb. Doch davon ließ sich Kid nicht verunsichern. Stattdessen wurde das Leuchten in seinen Augen nur noch fesselnder, als er in einem Flüstern weitersprach: „Du hast gelogen.“ Er hob seine stützende Hand vom Laub, verlor kurz das Gleichgewicht, doch fing sich schnell genug, um Law keine Gelegenheit zur Flucht zu bieten. Allerdings war die Unterbrechung wohl ausreichend, um den sonst so schlagfertigen Mediziner seine Stimme wiederfinden zu lassen. Krampfhaft ließ er die verbrauchte Luft aus seinen schmerzenden Lungenflügeln entweichen, wollte sich gerade aufrichten, als Kids Gesicht über ihm sein Vorhaben verhinderte. Er saß in der Falle wie eine Maus vor einer Schlange und doch konnte er nicht leugnen, dass er die Gänsehaut auf seinem Körper zu genießen begann. Zum zweiten Mal in seinem Leben, hatte er keinen Plan davon, was in den nächsten Augenblicken passieren würde – und beide Male war Kid der Auslöser dieses Zustands. „Gelogen?“, fragte er, ebenso leise wie sein Gegenüber. Dieser wartete kurz ab, dann biss er sich auf die Unterlippe, bevor er abermals grinste. Es war kein Geheimnis, dass Kid die offensichtliche Verunsicherung des Studenten Spaß bereitete und zu mehr anstiften konnte. Die nun frei gewordene Hand schob er langsam unter die seltsame Mütze seines Begleiters, spürte an seinen Fingerspitzen Hitze und gleichzeitig Feuchtigkeit von angesammelten Schweißtropfen, zögerte jedoch nicht, seine Hand weiter wandern zu lassen, bis die Mütze schließlich von Laws Kopf fiel und Kid somit kein Hindernis mehr hatte, das ihn davon abhalten konnte, seine Stirn auf der des jungen Mannes unter ihm abzulegen. Kaum berührten sie sich, verfolgte er, wie sich das Augenpaar unter ihm erschrocken weitete – pure Bestätigung! Law vernahm ein erheitertes Kichern, das Kids Lippen entwich, die nun nicht mehr weit von seinen eigenen entfernt sein konnten, denn er spürte bereits, wie dessen heißer Atem ihn deutlich streifte. Sein Herz schlug bereits am Limit und legte durch die andauernde Anstrengung einen roten Schimmer auf seine Wangen, für den er sich hätte verfluchen können. Er wollte diese Nähe nicht, es war erschreckend, mehr als gefährlich, leichtsinnig von vorne bis hinten. Er wollte sich endlich wehren, dem Kerl für diese Unverschämtheit ins Gesicht schlagen und doch! – und doch berauschten ihn die blitzartigen Stöße der Spannung und Ungewissheit, die sich durch seinen Körper zogen, mit jedem Millimeter, den Kid ihm näher kam. Für eine Sekunde fragte er sich sogar, ob er Irre plante, ihn zu küssen und auch, wie er darauf reagieren würde… Kid kicherte abermals, drückte sein Knie noch fester zwischen Laws Beine, sodass dieser unmittelbar jeden Muskel seines Körpers anspannte. „Du hast gelogen“, wiederholte er und genoss seine Macht in vollen Zügen. Er hätte nicht gedacht, dass es so einfach werden würde, den sonst so nüchtern wirkenden Doktorenanwärter aus dem Konzept zu bringen. Umso besser. „Du stehst auf Jungs“, vollendete er endlich seinen Gedanken und wartete nun selbst unter leichter Anspannung auf eine Antwort. Law drückte seinen Kopf weiter in das Laub, versuchte so einen besseren Blick auf den Kerl über ihm zu erhaschen. Sein Mund wurde trocken, kaum war der Satz formuliert, sein Herz sprang in erschreckenden Abständen, seine Handflächen waren feucht und sein Unterkiefer zitterte. Der Mann über ihm schloss seine Lippen, sah erwartungsvoll auf ihn runter, lächelte. Als jedoch keine Reaktion folgte, ergriff Kid die Initiative und begann sich aufreizend langsam zu Law hinab zu beugen... ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)