Die Unverzeihlichen Flüche von SweeneyLestrange ================================================================================ Kapitel 1: Crucio ----------------- Sommer 1978 Ein markerschütternder Schrei gellte durch das große Kellergewölbe der Lestranges und hallte von den dicken Wänden wider. Noch nie in seinem Leben glaubte Barty, solche Schmerzen empfunden zu haben. Seine Nervenenden brannten wie Feuer. Verzweifelt rang er nach Luft, doch wurden seine qualvollen Atemzüge von den Schreien erstickt, die aus seiner Kehle drangen. Es tat so unglaublich weh. Jedes Mal, wenn er dachte, dass es endlich vorbei war, wurde die Pein noch unerträglicher. Ein klägliches Wimmern entwich seinen Lippen, als er keine Kraft mehr hatte zu schreien. Er musste stark sein! Er musste sich zusammenreißen! Doch die Gedanken wurden bereits im Ansatz von der qualvollen Flut ertränkt, die in seine Glieder schlug. Er konnte nicht mehr denken. Alles, was er sah, war verschwommen. Bunte Flecken tanzten vor seinen Augen. Realität verfloss in Bedeutungslosigkeit. Diese Pein. Er wollte nicht. Er wollte nicht mehr. Es sollte aufhören. „Das reicht!“, sagte auf einmal eine tiefe Stimme barsch. „Aber er soll doch lernen, wie man den Fluch vernünftig benutzt“, entgegnete eine dunkle Frauenstimme. „Es nützt uns nichts, wenn er vor Schmerzen halb in den Wahnsinn getrieben worden ist. Sieh ihn dir doch an.“ Barty rang keuchend nach Luft, während er mit verbissener Miene darum kämpfte, sich zusammenzureißen. Er musste stark sein … durfte sich … keine Schwäche anmerken lassen! Mühsam stemmte er sich auf und versuchte wankend auf die Beine zu kommen. Seine Glieder fühlten sich zittrig und taub an. Plötzlich spürte er, wie ihn jemand grob beim Arm packte und hochzog. „Ich kann alleine…“, brachte Barty hervor. Trotzig wollte er den Arm abschütteln, doch verlor er bei dieser abrupten Bewegung beinahe den Halt. „Natürlich“, höhnte die tiefe Stimme, „das sehe ich.“ „Ich-“, begehrte Barty auf und spürte, wie er auf einmal losgelassen wurde. Er gab einen überraschten Laut von sich, dann fiel er auf die Knie. Wütend senkte er den Kopf und biss die Zähne zusammen. „Er zeigt immerhin Entschlossenheit“, erklang die raue Frauenstimme erneut. Barty war sich jedoch nicht sicher, ob das nun was Positives oder etwas Negatives zu bedeuteten hatte. „Aber leider reicht das noch nicht.“ Die harte Spitze eines Zauberstabs grub sich unter sein Kinn und zwang ihn dazu, aufzusehen. Warmer Atem schlug Barty ins Gesicht, während sein Blick auf ein dunkles Paar Augen traf, das ihn unter schweren Lidern hervor anstarrte. Etwas Herablassendes glomm in ihnen, das Wut in Barty schürte. „Ich hätte noch viel mehr ausgehalten“, stieß er hervor. Bellatrix Lestrange lachte. „Sicher hättest du das“, flüsterte sie, nachdem ihr Gelächter wieder verstummt war. Ihre Finger strichen über Bartys Wange und ließen ihn erschauern. „Aber Rodolphus hat recht. Wir sollten dich ein kleines bisschen schonen.“ Barty wollte etwas erwidern, doch da fuhr Bellatrix fort: „Aber nur ein kleines bisschen.“ Beinahe schon zärtlich sah sie zu ihrem Zauberstab, dann schenkte sie Barty ein boshaftes Lächeln. „Crucio“, flüsterte sie. Erneut erschütterte ein Ansturm von Schmerzen Bartys Körper, der ihn zu Boden warf. Ein gellender Schrei entfuhr dem Jungen. Er wollte stark sein! Er wollte … Jegliche Entschlossenheit schwand bei der rohen Gewalt, die jede einzelne Stelle seines Körpers zermarterte. „Bellatrix!“ Barty versuchte dem Geschehen zu folgen, aber es gelang ihm nicht. Seine Gedanken waren verklärt von dem Stechen und Reißen und Glühen und … Plötzlich spürte er, wie der Fluch wieder aufgehoben wurde. Er japste nach Luft und versuchte benommen das Gefühl zu erfassen, keinen Schmerz mehr zu spüren. Es war unwirklich. Vorsichtig bewegte sich Barty. Zusammenreißen, zusammenreißen, zusammenreißen, rief eine Stimme in seinem Kopf. Unmerklich ballte er eine Hand zur Faust, als er sich zittrig darum bemühte aufzustehen. „Du musst wissen, wie der Fluch richtig eingesetzt wird“, erklärte Bellatrix schlicht, ganz so als würde das die Schmerzen rechtfertigen, die sie über ihren Schüler gebracht hatte. Barty nickte nur und antwortete mit einem heisere „Ja“, während er taumelnd wieder auf die Beine kam. Erst da bemerkte er, dass seine Wangen tränennass waren, wie seine beiden Lehrer ihn durchdringend musterten. Skepsis stand in ihren Gesichtern geschrieben und machte ihm klar, was für einen lächerlichen Anblick er darbieten musste. Barty gab sein Bestes, das Zittern zu unterdrücken. Noch immer erfüllte ihn ein dumpfer Nachhall der Schmerzen und erinnerte an die unsagbare Pein, die Bellatrix über ihn gebracht hatte. Die er bald über andere bringen würde … Der Gedanke gab ihm Kraft, zeigte ihm, dass er es geschafft hatte, den ersten Schritt zu tun, um sich die verbotenen Flüche anzueignen. „Wann darf ich den Fluch ausprobieren?“, rutschte es aus ihm heraus. „Ganz der Musterschüler, hm?“ Ein Lächeln zierte Bellatrix’ schmale Lippen. „Was meinst du, Rodolphus, sollen wir nicht einmal Rabastan herunterholen?“ Rodolphus sah sie nur kalt an. „Es war ja nur eine Überlegung, nicht dass der Kleine überhaupt in der Lage wäre, ernsthaften Schaden anzurichten … in seinem Zustand.“ Barty versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn diese Worte kränkten. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, sein Gesicht leer werden zu lassen. Er verdrängte alle Gedanken in den Hintergrund. Zwar loderte irgendwo noch immer eine große Flamme der Wut, doch schaffte er es, sie einzudämmen. Eines Tages würde er sich ihnen bewiesen haben! Dann war er nicht mehr der kleine Junge, dessen Bemühungen niedlich zu sein schienen. „Wie wäre es…“, es knallte und plötzlich hatte sich Bellatrix hinter Barty appariert. Erschrocken zuckte der Junge zusammen, was der Hexe ein kleines Lachen entlockte. „Wenn wir heute Nacht deinen Tatendrang stillen.“ „Ich … ich kann nicht“, Barty schluckte einen Kloß hinunter. „Ich muss heute Abend zurück sein.“ „Oooch wirklich?“ Panik überkam ihn. Er wirbelte herum und wäre beinahe getaumelt, als ihn unvermittelt ein starker Schwindel packte. „D-der Portschlüssel, ich muss ihn benutzen, sonst kommt raus-“ „-dass sich Papis kleines Mustersöhnchen mit bösen Todessern abgibt?“ Barty schwieg. Er holte tief Luft. „Den Dunklen Lord wird es nicht freuen, wenn unnötiges Misstrauen bei meinen Eltern aufkommt“, sagte er, wobei seine Stimme vor Nervosität eine Oktave höher zu rutschen schien. Das gab Bellatrix jedoch zu denken. „Dann eben jetzt“, entschied sie und schnippte gebieterisch mit dem Finger. Eine Hauselfe erschien im Kellergewölbe und trat mit ehrerbietig gesenktem Kopf vor. „Was wünscht die Herrin?“, fragte sie mit piepsiger Stimme. „Ich will, dass du dich nicht von der Stelle rührst - egal, was passiert.“ Die Elfe nickte. Erwartungsvoll sah Bellatrix zu Barty, der wiederum um Fassung ringend auf die Hauselfe starrte. Die Hauselfe, die ihn mit einem Mal so sehr an Winky erinnerte. Seine Hand zitterte, als er nach seinem Zauberstab griff. Ob vor Schwäche oder Angst, wusste er nicht. Wahrscheinlich beidem. „Ein Muggel oder Schlammblut wäre natürlich schöner gewesen, aber leider müssen wir hiermit auskommen.“ Barty traute sich nicht zu antworten. Seine Hals fühlte sich so trocken an. Seine Stimme schien ihn verraten zu wollen. Fahrig leckte er sich über die Lippen. Er konnte das. Das vor ihm war nicht Winky! Und selbst wenn. Was kümmerten ihn Hauselfen? Hauselfen standen unter ihm. Hauselfen waren … „C-crucio“, flüsterte er zaghaft. Bellatrix schnalzte verächtlich mit der Zunge, als nichts geschah. „Du musst es auch wirklich so meinen“, flüstere sie ihrem Schüler ins Ohr. „Versuch’s noch mal!“ Bartys Atmung beschleunigte sich. Alles krampfte sich in ihm zusammen. In Gedanken formulierte er noch einmal das verbotene Wort, das ihn nach Askaban bringen konnte. Nein, nicht Askaban! Es würde ihm Macht geben. Macht, die so viele Dummköpfe zu gebrauchen fürchteten. Macht und Anerkennung. „Crucio!“, rief er dieses Mal mit festerer Stimme. Noch nie hatte Barty etwas Dergleichen gespürt. Ein unbekanntes Etwas regte sich in seinem Inneren und brach schließlich in einem zerstörerischen Wirbel hervor. Es fühlte sich eisig an, kalt und unberechenbar und hinterließ ein berauschendes Gefühl der Macht. Fasziniert beobachtete Barty, wie die Hauselfe zu schreien begann. Er erinnerte sich an die Schmerzen, die er kurz zuvor noch empfunden hatte und versuchte die empfindlichsten Stellen seines Opfers zu treffen. Auf einmal zog sich etwas in ihm zusammen. Er spürte einen schrecklichen Sog, der ihn immer mehr lähmte. Die Schreie der Hauselfe verstummten. Barty keuchte. Schweiß rann seine Stirn hinab. Seine Hand, die den Zauberstab hielt, zitterte und schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen. Barty holte tief Luft und wollte noch einmal den Fluch aussprechen, als Rodolphus dazwischen trat. „Genug!“, sagte er barsch. „Das sollte für heute reichen. Du bist völlig verausgabt, Junge.“ Erschöpft sah Barty zu der großen Gestalt. Ein Grinsen umspielte seine Lippen. „Ich hab’s geschafft“, flüsterte er. „Ich hab … ich hab es getan!“ Ehrfürchtig sah er auf seinen Zauberstab. Seine Augen glänzten. „Nicht schlecht“, bemerkte da Bellatrix und ging zu Rodolphus, während sie die wimmernde Hauselfe mit ihrer Stiefelspitze grob stieß und ihr so bedeutete, zurück an die Arbeit zu gehen. „Da wird sich noch einiges machen lassen.“ Bartys Grinsen wurde breiter. „Ein Tee wäre nicht schlecht“, rief Bellatrix der Hauselfe hinterher. Dann wandte sie sich an ihren Schützling. „Hmm … wir sollten wirklich zusehen, dass wir dich wieder intakt kriegen, bevor du gehst. Du siehst schrecklich aus.“ Barty konnte nur mit einem schwachen Lächeln nicken. Ein Triumphgefühl erfüllte ihn. Mit dem heutigen Tag hatte er eine Grenze überschritten. Es gab kein Zurück mehr und es fühlte sich gut an. Auf wackligen Beinen folgte Barty den beiden Lestranges aus dem kalten Kellergewölbe hinaus durch das große Anwesen, bis sie in das prachtvoll eingerichtete Wohnzimmer kamen. Auf einen Wink von Rodolphus hin nahm er in einem von mehreren ledernen Ohrensesseln Platz. Sofort spürte er, wie ihm seine geschundenen Glieder dankten, als er in die weichen Polster fiel. Alles in ihm entspannte sich und seine Lider waren gefährliche nahe, einfach zuzufallen. Doch da fiel sein Blick auf seine beiden Gastgeber. Hastig riss sich Barty wieder zusammen und nahm Haltung an. Er hatte seine Umgebung vollkommen vergessen und dabei verbrachte er gerade seine Zeit mit den wohl gefährlichsten Zauberern des Landes, befand sich auf deren Anwesen und war ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Dennoch stellte Barty fest, wie dieser Gedanke nur noch leichte Beunruhigung in ihm auslöste. „Du hast dich nicht schlecht geschlagen“, sagte Bellatrix schließlich. Ungeduldig trommelte sie mit ihren langen Fingernägeln auf die Armlehne des Sofas. Neben sie hatte sich Rudolphus gesetzt. Der Abstand zwischen ihnen und ihre Körperhaltung ließen kaum darauf schließen, dass diese beiden Personen verheiratet sein könnten. „Wenn du so weiter machst, kann ich dem Dunklen Lord von deinen guten Fortschritten berichten.“ „Es wäre mir eine Ehre“, murmelte Barty. Seine Finger strichen gedankenverloren über das glatte Holz seines Zauberstabs, während er beobachtete, wie Bellatrix elegant die Beine übereinander schlug und ungeduldig Richtung Tür sah. In dem Moment erschien endlich die Hauselfe, die Barty wenige Minuten zuvor noch mit dem Cruciatus-Fluch gefoltert hatte. Mit gesenktem Kopf und zittrigen Gliedern trug sie ein vollbeladenes Tablett zum Tisch. Neugierig beugte sich Barty vor und entdeckte neben dem üblichen Tee und den Keksen eine kleine Phiole. Bellatrix, die seinem Blick gefolgt war, beugte sich ebenfalls vor und griff nach der Phiole. „Hier“, sagte sie und hielt sie ihm hin. „Trink das. Das ist ein Stärkungstrank, damit wir das Misstrauen deiner … fürsorglichen Eltern zerstreuen können.“ „Danke“, erwiderte Barty und nahm den Trank entgegen. Er ignorierte dabei den Seitenhieb. Noch lebte er Zuhause, war minderjährig und besuchte Hogwarts. Von daher war es nur sinnvoll, seine Übungsstunden gut zu verbergen. Der Trank schmeckte widerlich, doch sofort spürte Barty eine schmerzlindernde Welle durch seinen Körper strömen. Er konnte nicht anders, als sich mit einem entspannten Seufzer zurückzulehnen. So einschüchternd Bellatrix Lestrange und ihr Ehemann noch für ihn sein konnten, er konnte nicht leugnen, dass er sich gut fühlte. Viel zu gut als für so eine Situation angemessen war. Aber das war Barty egal. Er hatte endlich in seinem Leben das Gefühl, etwas richtig zu machen und dieses Gefühl erfüllte ihn mit Zufriedenheit. Als Barty wieder nach Hause kam, erwartete ihn seine Mutter bereits in der Tür. „Barty!“, rief sie, kaum dass er vor ihrem Anwesen erschienen war. Er fühlte sich noch immer schwach auf den Beinen und das brachiale Reisen mit dem Portschlüssel ließ ihn beinahe sein Gleichgewicht verlieren. „Hat alles gut geklappt?“, fragte sie besorgt. „Ja“, murmelte Barty und machte sich auf den Weg ins Haus, ohne seiner Mutter große Beachtung zu schenken. Alles, was er in diesem Moment wollte, war für sich allein zu sein. Jetzt, da er das Anwesen der Lestranges verlassen hatte, kroch allmählich die Bedeutung von dem soeben Geschehenen in seinen Verstand. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ „Ja, Mutter, mir geht es gut.“ „Bist du sicher?“, ernst sah ihn seine Mutter an. „Liebling, du siehst nicht gut aus. Bist du sicher, dass-" „Mutter, nichts ist passiert. Der Portschlüssel hat mich von unserer Haustür zu Regulus gebracht und von dort wieder zurück. Niemand hatte die Möglichkeit, mich abzufangen oder anzugreifen.“ Seine Mutter lächelte schwach. „Es tut mir Leid, ich habe mir nur Sorgen gemacht und wenn dein Vater davon erfahren hätte. Du weißt, wie wenig er deinen Kontakt zu den Blacks billigt…“ „Deswegen weiß er davon auch nichts“, erwiderte Barty. Doch plötzlich zog sich alles in ihm zusammen. „Oder?“ Ein böser Verdacht war in ihm aufgekommen. „Natürlich nicht, Liebling“, flüsterte seine Mutter. Sie wusste, wie gut Barty mit dem jüngsten Spross der Blacks befreundet war. Sie mochte Regulus und es tat ihr leid, dass ihre Freundschaft so sehr unter den strengen Ansichten ihres Mannes leiden musste.
 Ein erleichtertes Lächeln huschte daraufhin über Bartys blasses Gesicht. „Danke“, murmelte er. Ihm war klar, dass er sich irgendetwas Neues ausdenken musste. Je öfter er seine Mutter über seine geheimen Besuche bei den Blacks - oder zumindest seine vorgeblichen Besuche dort - einweihen musste, desto gefährlicher wurde es. Er wollte so wenig wie möglich von seiner ahnungslosen Mutter abhängig sein. Zumal immer die Gefahr bestand, dass Dinge zu seinem Vater vordringen konnten, die den Mistkerl einen verdammten Trolldreck angingen. Aber darum würde er sich später kümmern. Im Moment fühlte er sich einfach nur schrecklich erschöpft. Irgendwo tief in seinem Inneren lag ein schwerer Klumpen und er verspürte ein leichtes Gefühl von Übelkeit. „Ich glaube, ich gehe nach oben, Mutter“, sagte er, wobei er versuchte seiner Stimme einen unbeschwerten Klang zu geben. „Es war ein anstrengender Tag heute …“ „Bist du sicher, dass es dir gut geht?“ „Natürlich!“, sagte Barty ein wenig zu entschieden. Seine Mutter seufzte. „Ich weiß, dass du immer sehr fleißig bist und das macht mich stolz, aber pass auf, dass du dich nicht überanstrengst.“ „Ich überanstrenge mich nicht!“ „Vielleicht hast du dir ja eine leichte Erkältung geholt“, fuhr seine Mutter fort, ohne ihm richtig zugehört zu haben. „Ich schicke Winky später mit einem Trank für dich hoch.“
 „Den brauche ich nicht“, wandte Barty störrisch ein, während er seinen Umhang auszog und ihn an die Garderobe hängte. Aber er merkte, wie unnütz sein Widerstand war. Ärger breitete sich in seinem leeren Inneren aus. Kalter Ärger. Er war kein kleines Kind mehr! Mit zusammengebissenen Zähnen wandte er sich von seiner Mutter ab und begann die Treppen hochzugehen. Ein schwaches Echo der Schmerzen hallte in seinem Körper nach. Mit einem Mal erschien ihm der Aufstieg der Stufen unglaublich qualvoll. Wie jämmerlich! Verbissen kämpfte sich Barty einen Weg in sein Zimmer und ließ die Tür hinter sich laut ins Schloss fallen. „Colloportus“, flüsterte er, auch wenn er wusste, wie unnütz das war. Jeder Mitbewohner dieses Hauses würde ohne Probleme in sein Zimmer gelangen. Doch für den Moment erfüllte ihn die verschlossene Tür mit Zufriedenheit. Er brauchte die Illusion der Abgeschiedenheit. Er brauchte sie. Niemand sollte sehen, was für einen kläglichen Anblick er auf seinem Bett geben musste, alle Glieder von sich gestreckt und nicht in der Lage begreifen zu können, was geschehen war. Irgendetwas Schmutziges befand sich in seinem Inneren. Es war widerlich. Am liebsten hätte Barty den Kopf zur Seite gelegt und gekotzt, wenn er es damit loswerden würde. Nachdenklich griff er nach seinem Zauberstab und drehte ihn im schwachen Flackern des Kerzenlichts. Der glatte, hölzerne Griff in seiner Handfläche reichte aus, um ihn abzulenken. Er dachte an all die Dinge, die er bewirken konnte und fühlte sich besser. „Meister Barty, Sir“, piepste auf einmal eine Stimme. Erschrocken fuhr Barty zusammen und ließ beinahe seinen Zauberstab fallen. „Winky!“ „Winky bittet um Verzeihung, Sir, Winky wollte den jungen Herrn Barty nicht erschrecken.“ „Schon gut“, murmelte Barty und starrte an die dunkle Decke. Er hörte das Klappern des Tablets, als die Hauselfe einen weiteren Schritt in das Zimmer wagte. „Stell es einfach irgendwo ab“, murmelte er heiser. Hörte sich seine Stimme nur für ihn mit einem Mal so fremd an? Ein Klappern begleitete die leisen Schritte, die durchs Zimmer tapsten. Was seine Mutter Winky wohl gesagt hatte? Barty drehte den Kopf und spähte aus dem Augenwinkel zu der Hauselfe, die beflissen das Tablett auf den Tisch abstellte. Als sie seinen Blick bemerkte, wandte sie sich mit einer leichten Verbeugung zu ihm um. „Winky hat dem jungen Herrn noch eine warme Milch mit Honig gemacht und hofft, dass es ihm schnell wieder besser geht.“ Dann verschwand sie und ließ Barty mit einem heftigen Stich im Magen zurück. Etwas stimmte nicht. Mit einem Mal fiel das Atmen schwerer, seine Kehle hatte sich zugeschnürt. Bilder der gefolterten Hauselfe traten vor seine Augen. Winky! Liebe, gute Winky. Umständlich versuchte Barty sich aufzurichten. Ihm schwindelte. Hastig stützte er sich an der Kante des Bettes ab, während er verbissen die Tränen aus seinen Augen blinzelte. Wie konnte er nur so erbärmlich sein? Und ehe er wusste, was er tat, schlug er nach dem Glas mit Milch. Der Milch mit Honig, die Winky ihm immer machte, wenn es ihm schlecht ging. Er sah, wie das Glas am Boden zerschellte, hörte das laute Poltern und Klirren und beobachtete die weiße, dampfende Flüssigkeit, die sich einen Weg in die Bodendielen suchte. „Ist alles in Ordnung, Sir?“ Alles war verdammt noch mal gut! Warum fragten sie ihn das? Er wollte seine Ruhe! „Raus“, sagte er mit brüchiger Stimme. Verwundert sah Winky, die schon dabei war, die Sauerei zu beseitigen, auf. „Aber Sir?“, piepste sie, ihre Stimme eine Mischung aus Sorge und Verwirrung. „Ich sagte raus“, rief Barty. „Ich will meine Ruhe!“ Tränen liefen über das sommersprossige Gesicht. Ohne ein weiteres Wort tat Winky wie ihr geheißen und verschwand wieder. Schweratmend starrte Barty auf den Fleck, an dem sie sich gerade befunden hatte und versuchte nicht daran zu denken, wie sich die Hauselfe der Lestranges Stunden zuvor zu seinen Füßen gerollt hatte… Alles an ihrer gekrümmten Haltung hatte von dem unsagbaren Schmerz gesprochen, den er ihr zugefügt hatte. Verbissen schloss Barty die Augen, als würde er so das Bild der gefolterten Hauselfe aus seinem Kopf verbannen können und ließ sich in die weichen Decken fallen. Seine Züge waren vor Anstrengung verzerrt, seine Gefühle in den Griff zu bekommen. Doch schließlich konnte er sich nicht mehr länger zurückhalten. Ein Schluchzen entfuhr seiner Kehle. Und dann noch eins. Wütend vergrub er den Kopf in das Kissen und versuchte sich zu beruhigen, darauf zu warten, dass es vorbeigehen würde. Schließlich war doch alles in Ordnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)