Die Unverzeihlichen Flüche von SweeneyLestrange ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Winter 1976 „Ich hab gehört, du interessierst dich für die dunklen Künste.“ So hatte alles angefangen, mit diesem einen Satz gesprochen von Voldemorts treuester Dienerin. Barty zuckte nur vage mit den Schultern und heftete seinen Blick auf das Festmahl, das sich vor ihm auftürmte. „Jaah“, murmelte er lahm. Er hätte so viel mehr sagen können. Er dachte an all die angeregten Unterhaltungen, die er mit Regulus geführt hatte, an die verbotenen Bücher, die er gefunden und verschlungen hatte. Aber sein Mund war trocken. Sein Kopf war leer. Er fühlte sich wie gelähmt. Bellatrix lachte angesichts der verhaltenen Reaktion und fügte mit einem wissenden Lächeln hinzu: „Regulus hat von dir erzählt.“ Bartys Blick huschte zu Regulus, der neben ihm saß und dem das Ganze genauso unangenehm war. Er glaubte eine stumme Entschuldigung in den hellen Augen seines Freundes sehen zu können. Dann hatte sich der Black wieder abgewandt. „Er sagte, ihr hättet euch zusammen ein paar simple Dinge angeeignet.“ Bellatrix hatte sich leicht vorgebeugt. Etwas Lauerndes lag in ihrem Gesicht. Doch Barty erkannte mit einem Mal seine Chance. „Das stimmt“, antwortete er leise. „Das worauf man nun mal so Zugriff hat … Aber viele Sachen …“ Sollte er sagen, dass sie gefährlich schienen? Natürlich waren sie das. Sonst wären sie keine schwarze Magie. Dennoch kam Barty sich dämlich vor, das jemandem wie Bellatrix zu sagen. „Es erschien uns sinnvoller, wenn wir dafür vielleicht jemanden fragen, der sich auskennt?“ Zweifelnd beendete Barty den Satz nicht sicher, das Richtige gesagt zu haben. Doch Bellatrix’ Lippen hatten sich zu einem kleinen Lächeln verzogen. „So, so“, sagte sie. „Crouchs kleines Sohnelein hat einen Blick in die bösen, bösen Künste geworfen.“ Barty erbleichte. „Mein Vater … hat keine Ahnung. Er-“, er stockte und entschied sich dafür einfach gar nicht weiterzusprechen. Bellatrix beobachtete ihn belustigt. Dann lehnte sie sich in dem großen Stuhl zurück und sah erhaben auf ihre Gastgeber. Niemand sprach ein Wort. Walburga und Orion hatten sich stumm ihrer gefüllten Rinderpastete gewidmet, während Regulus noch immer kein Wort von sich gab. Unbehaglich griff Barty wieder nach der silbernen Gabel und begann in seinem Essen herumzustochern. Er spürte, dass er Bellatrix’ Aufmerksamkeit hatte und das verunsicherte ihn. „Warum ist Rodolphus nicht mitgekommen, sagtest du noch mal?“, durchbrach die schneidende Stimme von Walburga schließlich die eingetretene Stille. „Oh, er hat zu tun“, erklärte Bellatrix. „Er erledigt etwas für den Dunklen Lord.“ Walburga verzog keine Miene, als Bellatrix von Voldemort sprach. Dennoch war ihr anzusehen, dass es sie herzlich wenig interessierte. Unbeeindruckt griff sie nach ihrem Kelch und nahm einen Schluck Wein. „Das ist schade“, sagte sie schließlich und tupfte sich bedächtig mit der Serviette die Mundwinkel ab. Ein Schatten fiel über Bellatrix’ Gesicht. „Du solltest dich ihm langsam anschließen...“ Barty indessen fiel jeder Bissen schwerer. Jedes Wort drang glasklar an seine Ohren, als seien sie allesamt mit einem Sonorus-Zauber belegt. Er fühlte sich wie ein Spion. Zwar hatte er es mit Regulus’ Hilfe geschafft, die Skepsis zu beseitigen, die ihm wegen seines Vaters entgegen gebracht wurde, doch wurde er letztlich nur wegen seines Blutstatus’ bei den Blacks geduldet. Was aber Bellatrix gerade von sich gab, waren blacksche Familienangelegenheiten, die nicht für ihn bestimmt waren. Es waren Informationen, die, wenn sie weiter an seinen Vater kämen … Alles verkrampfte sich in Barty. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er wusste, dass er in dieser Situation jegliche nur vorstellbaren Grenzen überschritt. Er gab sich mit einem Todesser ab und hörte Gesprächen zu, in denen es um die Rekrutierung neuer Mitglieder ging! „Bellatrix, wir haben das Thema zu Genüge diskutiert“, erklärte Orion auf einmal entschieden und legte sein Besteck beiseite. Das Gespräch war für ihn beendet. Unwillig verzog Bellatrix das Gesicht und ihr raubtierhafter Blick fiel wieder zu den beiden Jungen. „Habt ihr schon mal einen der Unverzeihlichen ausprobieren wollen?“, fragte sie stattdessen. Barty zuckte zusammen. Konzentriert stocherte er mit seiner Gabel in dem bereits vermanschten Essen herum und tat, als wäre er nicht sicher, welchen Teil genau er nun aufspießen wollte. „Jetzt kommt schon, seid keine Spielverderber.“ „Bellatrix“, sagte Orion mahnend. „Das sind heikle Themen, von denen ich nicht möchte, dass sie weiter in meinem Haus besprochen werden.“ „Aber warum denn? Wäre doch lustig, zu sehen, was der kleine Crouch so denkt.“ Erschrocken sah Barty auf. Sein Blick irrte unsicher von Bellatrix zu Orion und Walburga und suchte dann schnell wieder die Überreste seines ungegessenen Abendmahls. „Ich … ich weiß, dass man dafür nach Askaban kommt“, murmelte er kaum verständlich und wünschte, er wäre in der Lage, sich einfach unsichtbar zu machen. So wie Winky es manchmal tat, wenn sie die feinen Herrschaften nicht mit ihrer Anwesenheit stören wollte. „Das hast du aber schön gesagt“, lachte Bellatrix. „Das hast du bestimmt von Papi, hm?“ Orion räusperte sich vernehmlich. Regulus indessen stand abrupt auf. Ein Klirren durchbrach das unangenehme Schweigen, als er dabei gegen die dunkle Tischplatte stieß. „Das Essen war sehr lecker“, brachte er höflich heraus. „Barty und ich gehen jetzt besser nach oben, wir müssen noch unseren Aufsatz für Verwandlung beenden.“ Eilig tat Barty es ihm nach, bedankte sich artig für das gute Essen und lief Regulus hinterher, durch das große düstere Haus. „Es tut mir leid“, sagte Regulus, kaum dass die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war. „Sie hätte dich nicht über die dunklen Künste ausfragen dürfen, schließlich weiß sie, wer dein Vater ist und kann sich die Bredouille denken, in die sie dich damit bringt.“ Doch Barty winkte ab. In seinen Augen blitzte es und Regulus hatte das ungute Gefühl, dass der Jüngere etwas ausbrütete. „Meinst du, sie kann uns mehr erzählen?“, fragte Barty unvermittelt. „Bellatrix?“ „Ja, Bellatrix.“ „Das“, Regulus suchte nach Worten. Barty kannte seine große Cousine nicht, da war ihm diese Überlegung zu verzeihen, aber der bloße Gedanke seine launische, unberechenbare Cousine über etwas derart Gefährliches auszufragen, schien geradezu absurd. „Das, nein. Nein, Barty. Vergiss es, niemals.“ „Aber …“ „Nein! Du kennst sie nicht. Du gerätst in Teufelsküche.“ Unzufrieden ließ Barty sich auf das große Bett fallen. Sein Blick schweifte durch das Zimmer, das in den stolzen Farben des Hauses Slytherin gehalten war. Eine Seite der grünen Wände zierten Zeitungsberichte. Es waren noch nicht viele, doch Barty wusste, was es mit ihnen auf sich hatte. „Du willst es doch auch wissen“, sagte er schließlich. Sein Tonfall hatte etwas Quengelndes. „Aber nicht so! Außerdem sind wir minderjährig wir-“ Es klopfte. Verwirrt sahen sich Barty und Regulus an. „Herein“, rief Regulus unsicher und beobachtete, wie die große, schlanke Gestalt seiner Cousine durch die Tür trat. Ihr Gesicht trug ein selbstsicheres Lächeln. „Da seid ihr ja“, sagte sie. „Ich wollte mich doch noch verabschieden, bevor ich gehe.“ Regulus Miene war anzusehen, dass er ihr alles glauben würde, nur das nicht. „Es war schön, dich zu sehen“, entgegnete er freundlich, auch wenn seine Stimme etwas Gegenteiliges zu behaupten schien. Doch Bellatrix ignorierte ihren Cousin. Stattdessen hatte sie sich an Barty gewandt und streckte ihm die Hand entgegen. Vorsichtig erhob sich Barty von dem Bett und ergriff, die ihm dargebotene Hand. „War nett, dich kennenzulernen. Hoffe, man sieht sich wieder“, sagte Bellatrix. Unsicher nickte Barty. Plötzlich wurde der Griff fester und ehe er’s sich versah, hatte Bellatrix ihn dicht zu sich gezogen. „Ihr müsst nur etwas sagen“, flüsterte sie, „dann kann ich euch zeigen, was ihr wissen wollt.“ Barty hatte keine Gelegenheit mehr zu antworten, denn da hatte sich Bellatrix bereits ihrem Cousin zugewandt. „Wir sehen uns“, sagte sie beschwingt, wobei es mehr unheilverkündend als einladend klang. Regulus antwortete bloß mit einem stummen Nicken und sah zu, wie Bellatrix wieder sein Zimmer verließ. „Siehst du?“, meinte Barty mit einem Anflug von Triumph. „Wir können-“ Aber Regulus schnitt ihm das Wort ab: „Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst.“ „Aber du?“ „Ja, zumindest mehr als du.“ „Ach ja?“ Verärgert sah Barty seinen Freund an. „Ich weiß sehr wohl, um was es geht. Mein Vater hat…“ Er hielt inne. „Ich habe ein Buch bei ihm gefunden, das sich mit den Flüchen befasst“, sagte er leiser. „Ehrlich?“ In Regulus Stimme schlich sich ein Anflug von Interesse. „Ja. Aber er versteckt es gut. Ich weiß nicht, wie ich da drankommen soll, ohne dass er was davon bemerkt. Ich dachte, vielleicht könntest du noch einmal gucken, was ihr in eurer Bibliothek habt, denn es schien wirklich informativ zu sein…“ Mit einem Mal war der aufkommende Streit wieder vergessen. Voller Feuereifer steckten die beiden die Köpfe zusammen und begannen ihre spärliches Wissen über die unverzeihlichen Flüche zusammenzutragen. Bellatrix’ Angebot hing jedoch im Raum und senkte unmerklich seine folgenschwere Last auf die beiden Jungen. Kapitel 1: Crucio ----------------- Sommer 1978 Ein markerschütternder Schrei gellte durch das große Kellergewölbe der Lestranges und hallte von den dicken Wänden wider. Noch nie in seinem Leben glaubte Barty, solche Schmerzen empfunden zu haben. Seine Nervenenden brannten wie Feuer. Verzweifelt rang er nach Luft, doch wurden seine qualvollen Atemzüge von den Schreien erstickt, die aus seiner Kehle drangen. Es tat so unglaublich weh. Jedes Mal, wenn er dachte, dass es endlich vorbei war, wurde die Pein noch unerträglicher. Ein klägliches Wimmern entwich seinen Lippen, als er keine Kraft mehr hatte zu schreien. Er musste stark sein! Er musste sich zusammenreißen! Doch die Gedanken wurden bereits im Ansatz von der qualvollen Flut ertränkt, die in seine Glieder schlug. Er konnte nicht mehr denken. Alles, was er sah, war verschwommen. Bunte Flecken tanzten vor seinen Augen. Realität verfloss in Bedeutungslosigkeit. Diese Pein. Er wollte nicht. Er wollte nicht mehr. Es sollte aufhören. „Das reicht!“, sagte auf einmal eine tiefe Stimme barsch. „Aber er soll doch lernen, wie man den Fluch vernünftig benutzt“, entgegnete eine dunkle Frauenstimme. „Es nützt uns nichts, wenn er vor Schmerzen halb in den Wahnsinn getrieben worden ist. Sieh ihn dir doch an.“ Barty rang keuchend nach Luft, während er mit verbissener Miene darum kämpfte, sich zusammenzureißen. Er musste stark sein … durfte sich … keine Schwäche anmerken lassen! Mühsam stemmte er sich auf und versuchte wankend auf die Beine zu kommen. Seine Glieder fühlten sich zittrig und taub an. Plötzlich spürte er, wie ihn jemand grob beim Arm packte und hochzog. „Ich kann alleine…“, brachte Barty hervor. Trotzig wollte er den Arm abschütteln, doch verlor er bei dieser abrupten Bewegung beinahe den Halt. „Natürlich“, höhnte die tiefe Stimme, „das sehe ich.“ „Ich-“, begehrte Barty auf und spürte, wie er auf einmal losgelassen wurde. Er gab einen überraschten Laut von sich, dann fiel er auf die Knie. Wütend senkte er den Kopf und biss die Zähne zusammen. „Er zeigt immerhin Entschlossenheit“, erklang die raue Frauenstimme erneut. Barty war sich jedoch nicht sicher, ob das nun was Positives oder etwas Negatives zu bedeuteten hatte. „Aber leider reicht das noch nicht.“ Die harte Spitze eines Zauberstabs grub sich unter sein Kinn und zwang ihn dazu, aufzusehen. Warmer Atem schlug Barty ins Gesicht, während sein Blick auf ein dunkles Paar Augen traf, das ihn unter schweren Lidern hervor anstarrte. Etwas Herablassendes glomm in ihnen, das Wut in Barty schürte. „Ich hätte noch viel mehr ausgehalten“, stieß er hervor. Bellatrix Lestrange lachte. „Sicher hättest du das“, flüsterte sie, nachdem ihr Gelächter wieder verstummt war. Ihre Finger strichen über Bartys Wange und ließen ihn erschauern. „Aber Rodolphus hat recht. Wir sollten dich ein kleines bisschen schonen.“ Barty wollte etwas erwidern, doch da fuhr Bellatrix fort: „Aber nur ein kleines bisschen.“ Beinahe schon zärtlich sah sie zu ihrem Zauberstab, dann schenkte sie Barty ein boshaftes Lächeln. „Crucio“, flüsterte sie. Erneut erschütterte ein Ansturm von Schmerzen Bartys Körper, der ihn zu Boden warf. Ein gellender Schrei entfuhr dem Jungen. Er wollte stark sein! Er wollte … Jegliche Entschlossenheit schwand bei der rohen Gewalt, die jede einzelne Stelle seines Körpers zermarterte. „Bellatrix!“ Barty versuchte dem Geschehen zu folgen, aber es gelang ihm nicht. Seine Gedanken waren verklärt von dem Stechen und Reißen und Glühen und … Plötzlich spürte er, wie der Fluch wieder aufgehoben wurde. Er japste nach Luft und versuchte benommen das Gefühl zu erfassen, keinen Schmerz mehr zu spüren. Es war unwirklich. Vorsichtig bewegte sich Barty. Zusammenreißen, zusammenreißen, zusammenreißen, rief eine Stimme in seinem Kopf. Unmerklich ballte er eine Hand zur Faust, als er sich zittrig darum bemühte aufzustehen. „Du musst wissen, wie der Fluch richtig eingesetzt wird“, erklärte Bellatrix schlicht, ganz so als würde das die Schmerzen rechtfertigen, die sie über ihren Schüler gebracht hatte. Barty nickte nur und antwortete mit einem heisere „Ja“, während er taumelnd wieder auf die Beine kam. Erst da bemerkte er, dass seine Wangen tränennass waren, wie seine beiden Lehrer ihn durchdringend musterten. Skepsis stand in ihren Gesichtern geschrieben und machte ihm klar, was für einen lächerlichen Anblick er darbieten musste. Barty gab sein Bestes, das Zittern zu unterdrücken. Noch immer erfüllte ihn ein dumpfer Nachhall der Schmerzen und erinnerte an die unsagbare Pein, die Bellatrix über ihn gebracht hatte. Die er bald über andere bringen würde … Der Gedanke gab ihm Kraft, zeigte ihm, dass er es geschafft hatte, den ersten Schritt zu tun, um sich die verbotenen Flüche anzueignen. „Wann darf ich den Fluch ausprobieren?“, rutschte es aus ihm heraus. „Ganz der Musterschüler, hm?“ Ein Lächeln zierte Bellatrix’ schmale Lippen. „Was meinst du, Rodolphus, sollen wir nicht einmal Rabastan herunterholen?“ Rodolphus sah sie nur kalt an. „Es war ja nur eine Überlegung, nicht dass der Kleine überhaupt in der Lage wäre, ernsthaften Schaden anzurichten … in seinem Zustand.“ Barty versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn diese Worte kränkten. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, sein Gesicht leer werden zu lassen. Er verdrängte alle Gedanken in den Hintergrund. Zwar loderte irgendwo noch immer eine große Flamme der Wut, doch schaffte er es, sie einzudämmen. Eines Tages würde er sich ihnen bewiesen haben! Dann war er nicht mehr der kleine Junge, dessen Bemühungen niedlich zu sein schienen. „Wie wäre es…“, es knallte und plötzlich hatte sich Bellatrix hinter Barty appariert. Erschrocken zuckte der Junge zusammen, was der Hexe ein kleines Lachen entlockte. „Wenn wir heute Nacht deinen Tatendrang stillen.“ „Ich … ich kann nicht“, Barty schluckte einen Kloß hinunter. „Ich muss heute Abend zurück sein.“ „Oooch wirklich?“ Panik überkam ihn. Er wirbelte herum und wäre beinahe getaumelt, als ihn unvermittelt ein starker Schwindel packte. „D-der Portschlüssel, ich muss ihn benutzen, sonst kommt raus-“ „-dass sich Papis kleines Mustersöhnchen mit bösen Todessern abgibt?“ Barty schwieg. Er holte tief Luft. „Den Dunklen Lord wird es nicht freuen, wenn unnötiges Misstrauen bei meinen Eltern aufkommt“, sagte er, wobei seine Stimme vor Nervosität eine Oktave höher zu rutschen schien. Das gab Bellatrix jedoch zu denken. „Dann eben jetzt“, entschied sie und schnippte gebieterisch mit dem Finger. Eine Hauselfe erschien im Kellergewölbe und trat mit ehrerbietig gesenktem Kopf vor. „Was wünscht die Herrin?“, fragte sie mit piepsiger Stimme. „Ich will, dass du dich nicht von der Stelle rührst - egal, was passiert.“ Die Elfe nickte. Erwartungsvoll sah Bellatrix zu Barty, der wiederum um Fassung ringend auf die Hauselfe starrte. Die Hauselfe, die ihn mit einem Mal so sehr an Winky erinnerte. Seine Hand zitterte, als er nach seinem Zauberstab griff. Ob vor Schwäche oder Angst, wusste er nicht. Wahrscheinlich beidem. „Ein Muggel oder Schlammblut wäre natürlich schöner gewesen, aber leider müssen wir hiermit auskommen.“ Barty traute sich nicht zu antworten. Seine Hals fühlte sich so trocken an. Seine Stimme schien ihn verraten zu wollen. Fahrig leckte er sich über die Lippen. Er konnte das. Das vor ihm war nicht Winky! Und selbst wenn. Was kümmerten ihn Hauselfen? Hauselfen standen unter ihm. Hauselfen waren … „C-crucio“, flüsterte er zaghaft. Bellatrix schnalzte verächtlich mit der Zunge, als nichts geschah. „Du musst es auch wirklich so meinen“, flüstere sie ihrem Schüler ins Ohr. „Versuch’s noch mal!“ Bartys Atmung beschleunigte sich. Alles krampfte sich in ihm zusammen. In Gedanken formulierte er noch einmal das verbotene Wort, das ihn nach Askaban bringen konnte. Nein, nicht Askaban! Es würde ihm Macht geben. Macht, die so viele Dummköpfe zu gebrauchen fürchteten. Macht und Anerkennung. „Crucio!“, rief er dieses Mal mit festerer Stimme. Noch nie hatte Barty etwas Dergleichen gespürt. Ein unbekanntes Etwas regte sich in seinem Inneren und brach schließlich in einem zerstörerischen Wirbel hervor. Es fühlte sich eisig an, kalt und unberechenbar und hinterließ ein berauschendes Gefühl der Macht. Fasziniert beobachtete Barty, wie die Hauselfe zu schreien begann. Er erinnerte sich an die Schmerzen, die er kurz zuvor noch empfunden hatte und versuchte die empfindlichsten Stellen seines Opfers zu treffen. Auf einmal zog sich etwas in ihm zusammen. Er spürte einen schrecklichen Sog, der ihn immer mehr lähmte. Die Schreie der Hauselfe verstummten. Barty keuchte. Schweiß rann seine Stirn hinab. Seine Hand, die den Zauberstab hielt, zitterte und schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen. Barty holte tief Luft und wollte noch einmal den Fluch aussprechen, als Rodolphus dazwischen trat. „Genug!“, sagte er barsch. „Das sollte für heute reichen. Du bist völlig verausgabt, Junge.“ Erschöpft sah Barty zu der großen Gestalt. Ein Grinsen umspielte seine Lippen. „Ich hab’s geschafft“, flüsterte er. „Ich hab … ich hab es getan!“ Ehrfürchtig sah er auf seinen Zauberstab. Seine Augen glänzten. „Nicht schlecht“, bemerkte da Bellatrix und ging zu Rodolphus, während sie die wimmernde Hauselfe mit ihrer Stiefelspitze grob stieß und ihr so bedeutete, zurück an die Arbeit zu gehen. „Da wird sich noch einiges machen lassen.“ Bartys Grinsen wurde breiter. „Ein Tee wäre nicht schlecht“, rief Bellatrix der Hauselfe hinterher. Dann wandte sie sich an ihren Schützling. „Hmm … wir sollten wirklich zusehen, dass wir dich wieder intakt kriegen, bevor du gehst. Du siehst schrecklich aus.“ Barty konnte nur mit einem schwachen Lächeln nicken. Ein Triumphgefühl erfüllte ihn. Mit dem heutigen Tag hatte er eine Grenze überschritten. Es gab kein Zurück mehr und es fühlte sich gut an. Auf wackligen Beinen folgte Barty den beiden Lestranges aus dem kalten Kellergewölbe hinaus durch das große Anwesen, bis sie in das prachtvoll eingerichtete Wohnzimmer kamen. Auf einen Wink von Rodolphus hin nahm er in einem von mehreren ledernen Ohrensesseln Platz. Sofort spürte er, wie ihm seine geschundenen Glieder dankten, als er in die weichen Polster fiel. Alles in ihm entspannte sich und seine Lider waren gefährliche nahe, einfach zuzufallen. Doch da fiel sein Blick auf seine beiden Gastgeber. Hastig riss sich Barty wieder zusammen und nahm Haltung an. Er hatte seine Umgebung vollkommen vergessen und dabei verbrachte er gerade seine Zeit mit den wohl gefährlichsten Zauberern des Landes, befand sich auf deren Anwesen und war ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Dennoch stellte Barty fest, wie dieser Gedanke nur noch leichte Beunruhigung in ihm auslöste. „Du hast dich nicht schlecht geschlagen“, sagte Bellatrix schließlich. Ungeduldig trommelte sie mit ihren langen Fingernägeln auf die Armlehne des Sofas. Neben sie hatte sich Rudolphus gesetzt. Der Abstand zwischen ihnen und ihre Körperhaltung ließen kaum darauf schließen, dass diese beiden Personen verheiratet sein könnten. „Wenn du so weiter machst, kann ich dem Dunklen Lord von deinen guten Fortschritten berichten.“ „Es wäre mir eine Ehre“, murmelte Barty. Seine Finger strichen gedankenverloren über das glatte Holz seines Zauberstabs, während er beobachtete, wie Bellatrix elegant die Beine übereinander schlug und ungeduldig Richtung Tür sah. In dem Moment erschien endlich die Hauselfe, die Barty wenige Minuten zuvor noch mit dem Cruciatus-Fluch gefoltert hatte. Mit gesenktem Kopf und zittrigen Gliedern trug sie ein vollbeladenes Tablett zum Tisch. Neugierig beugte sich Barty vor und entdeckte neben dem üblichen Tee und den Keksen eine kleine Phiole. Bellatrix, die seinem Blick gefolgt war, beugte sich ebenfalls vor und griff nach der Phiole. „Hier“, sagte sie und hielt sie ihm hin. „Trink das. Das ist ein Stärkungstrank, damit wir das Misstrauen deiner … fürsorglichen Eltern zerstreuen können.“ „Danke“, erwiderte Barty und nahm den Trank entgegen. Er ignorierte dabei den Seitenhieb. Noch lebte er Zuhause, war minderjährig und besuchte Hogwarts. Von daher war es nur sinnvoll, seine Übungsstunden gut zu verbergen. Der Trank schmeckte widerlich, doch sofort spürte Barty eine schmerzlindernde Welle durch seinen Körper strömen. Er konnte nicht anders, als sich mit einem entspannten Seufzer zurückzulehnen. So einschüchternd Bellatrix Lestrange und ihr Ehemann noch für ihn sein konnten, er konnte nicht leugnen, dass er sich gut fühlte. Viel zu gut als für so eine Situation angemessen war. Aber das war Barty egal. Er hatte endlich in seinem Leben das Gefühl, etwas richtig zu machen und dieses Gefühl erfüllte ihn mit Zufriedenheit. Als Barty wieder nach Hause kam, erwartete ihn seine Mutter bereits in der Tür. „Barty!“, rief sie, kaum dass er vor ihrem Anwesen erschienen war. Er fühlte sich noch immer schwach auf den Beinen und das brachiale Reisen mit dem Portschlüssel ließ ihn beinahe sein Gleichgewicht verlieren. „Hat alles gut geklappt?“, fragte sie besorgt. „Ja“, murmelte Barty und machte sich auf den Weg ins Haus, ohne seiner Mutter große Beachtung zu schenken. Alles, was er in diesem Moment wollte, war für sich allein zu sein. Jetzt, da er das Anwesen der Lestranges verlassen hatte, kroch allmählich die Bedeutung von dem soeben Geschehenen in seinen Verstand. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ „Ja, Mutter, mir geht es gut.“ „Bist du sicher?“, ernst sah ihn seine Mutter an. „Liebling, du siehst nicht gut aus. Bist du sicher, dass-" „Mutter, nichts ist passiert. Der Portschlüssel hat mich von unserer Haustür zu Regulus gebracht und von dort wieder zurück. Niemand hatte die Möglichkeit, mich abzufangen oder anzugreifen.“ Seine Mutter lächelte schwach. „Es tut mir Leid, ich habe mir nur Sorgen gemacht und wenn dein Vater davon erfahren hätte. Du weißt, wie wenig er deinen Kontakt zu den Blacks billigt…“ „Deswegen weiß er davon auch nichts“, erwiderte Barty. Doch plötzlich zog sich alles in ihm zusammen. „Oder?“ Ein böser Verdacht war in ihm aufgekommen. „Natürlich nicht, Liebling“, flüsterte seine Mutter. Sie wusste, wie gut Barty mit dem jüngsten Spross der Blacks befreundet war. Sie mochte Regulus und es tat ihr leid, dass ihre Freundschaft so sehr unter den strengen Ansichten ihres Mannes leiden musste.
 Ein erleichtertes Lächeln huschte daraufhin über Bartys blasses Gesicht. „Danke“, murmelte er. Ihm war klar, dass er sich irgendetwas Neues ausdenken musste. Je öfter er seine Mutter über seine geheimen Besuche bei den Blacks - oder zumindest seine vorgeblichen Besuche dort - einweihen musste, desto gefährlicher wurde es. Er wollte so wenig wie möglich von seiner ahnungslosen Mutter abhängig sein. Zumal immer die Gefahr bestand, dass Dinge zu seinem Vater vordringen konnten, die den Mistkerl einen verdammten Trolldreck angingen. Aber darum würde er sich später kümmern. Im Moment fühlte er sich einfach nur schrecklich erschöpft. Irgendwo tief in seinem Inneren lag ein schwerer Klumpen und er verspürte ein leichtes Gefühl von Übelkeit. „Ich glaube, ich gehe nach oben, Mutter“, sagte er, wobei er versuchte seiner Stimme einen unbeschwerten Klang zu geben. „Es war ein anstrengender Tag heute …“ „Bist du sicher, dass es dir gut geht?“ „Natürlich!“, sagte Barty ein wenig zu entschieden. Seine Mutter seufzte. „Ich weiß, dass du immer sehr fleißig bist und das macht mich stolz, aber pass auf, dass du dich nicht überanstrengst.“ „Ich überanstrenge mich nicht!“ „Vielleicht hast du dir ja eine leichte Erkältung geholt“, fuhr seine Mutter fort, ohne ihm richtig zugehört zu haben. „Ich schicke Winky später mit einem Trank für dich hoch.“
 „Den brauche ich nicht“, wandte Barty störrisch ein, während er seinen Umhang auszog und ihn an die Garderobe hängte. Aber er merkte, wie unnütz sein Widerstand war. Ärger breitete sich in seinem leeren Inneren aus. Kalter Ärger. Er war kein kleines Kind mehr! Mit zusammengebissenen Zähnen wandte er sich von seiner Mutter ab und begann die Treppen hochzugehen. Ein schwaches Echo der Schmerzen hallte in seinem Körper nach. Mit einem Mal erschien ihm der Aufstieg der Stufen unglaublich qualvoll. Wie jämmerlich! Verbissen kämpfte sich Barty einen Weg in sein Zimmer und ließ die Tür hinter sich laut ins Schloss fallen. „Colloportus“, flüsterte er, auch wenn er wusste, wie unnütz das war. Jeder Mitbewohner dieses Hauses würde ohne Probleme in sein Zimmer gelangen. Doch für den Moment erfüllte ihn die verschlossene Tür mit Zufriedenheit. Er brauchte die Illusion der Abgeschiedenheit. Er brauchte sie. Niemand sollte sehen, was für einen kläglichen Anblick er auf seinem Bett geben musste, alle Glieder von sich gestreckt und nicht in der Lage begreifen zu können, was geschehen war. Irgendetwas Schmutziges befand sich in seinem Inneren. Es war widerlich. Am liebsten hätte Barty den Kopf zur Seite gelegt und gekotzt, wenn er es damit loswerden würde. Nachdenklich griff er nach seinem Zauberstab und drehte ihn im schwachen Flackern des Kerzenlichts. Der glatte, hölzerne Griff in seiner Handfläche reichte aus, um ihn abzulenken. Er dachte an all die Dinge, die er bewirken konnte und fühlte sich besser. „Meister Barty, Sir“, piepste auf einmal eine Stimme. Erschrocken fuhr Barty zusammen und ließ beinahe seinen Zauberstab fallen. „Winky!“ „Winky bittet um Verzeihung, Sir, Winky wollte den jungen Herrn Barty nicht erschrecken.“ „Schon gut“, murmelte Barty und starrte an die dunkle Decke. Er hörte das Klappern des Tablets, als die Hauselfe einen weiteren Schritt in das Zimmer wagte. „Stell es einfach irgendwo ab“, murmelte er heiser. Hörte sich seine Stimme nur für ihn mit einem Mal so fremd an? Ein Klappern begleitete die leisen Schritte, die durchs Zimmer tapsten. Was seine Mutter Winky wohl gesagt hatte? Barty drehte den Kopf und spähte aus dem Augenwinkel zu der Hauselfe, die beflissen das Tablett auf den Tisch abstellte. Als sie seinen Blick bemerkte, wandte sie sich mit einer leichten Verbeugung zu ihm um. „Winky hat dem jungen Herrn noch eine warme Milch mit Honig gemacht und hofft, dass es ihm schnell wieder besser geht.“ Dann verschwand sie und ließ Barty mit einem heftigen Stich im Magen zurück. Etwas stimmte nicht. Mit einem Mal fiel das Atmen schwerer, seine Kehle hatte sich zugeschnürt. Bilder der gefolterten Hauselfe traten vor seine Augen. Winky! Liebe, gute Winky. Umständlich versuchte Barty sich aufzurichten. Ihm schwindelte. Hastig stützte er sich an der Kante des Bettes ab, während er verbissen die Tränen aus seinen Augen blinzelte. Wie konnte er nur so erbärmlich sein? Und ehe er wusste, was er tat, schlug er nach dem Glas mit Milch. Der Milch mit Honig, die Winky ihm immer machte, wenn es ihm schlecht ging. Er sah, wie das Glas am Boden zerschellte, hörte das laute Poltern und Klirren und beobachtete die weiße, dampfende Flüssigkeit, die sich einen Weg in die Bodendielen suchte. „Ist alles in Ordnung, Sir?“ Alles war verdammt noch mal gut! Warum fragten sie ihn das? Er wollte seine Ruhe! „Raus“, sagte er mit brüchiger Stimme. Verwundert sah Winky, die schon dabei war, die Sauerei zu beseitigen, auf. „Aber Sir?“, piepste sie, ihre Stimme eine Mischung aus Sorge und Verwirrung. „Ich sagte raus“, rief Barty. „Ich will meine Ruhe!“ Tränen liefen über das sommersprossige Gesicht. Ohne ein weiteres Wort tat Winky wie ihr geheißen und verschwand wieder. Schweratmend starrte Barty auf den Fleck, an dem sie sich gerade befunden hatte und versuchte nicht daran zu denken, wie sich die Hauselfe der Lestranges Stunden zuvor zu seinen Füßen gerollt hatte… Alles an ihrer gekrümmten Haltung hatte von dem unsagbaren Schmerz gesprochen, den er ihr zugefügt hatte. Verbissen schloss Barty die Augen, als würde er so das Bild der gefolterten Hauselfe aus seinem Kopf verbannen können und ließ sich in die weichen Decken fallen. Seine Züge waren vor Anstrengung verzerrt, seine Gefühle in den Griff zu bekommen. Doch schließlich konnte er sich nicht mehr länger zurückhalten. Ein Schluchzen entfuhr seiner Kehle. Und dann noch eins. Wütend vergrub er den Kopf in das Kissen und versuchte sich zu beruhigen, darauf zu warten, dass es vorbeigehen würde. Schließlich war doch alles in Ordnung. Kapitel 2: Imperio ------------------ Sommer 1978 Voller guter Dinge lief Barty die Treppen hinunter. Es kostete ihn eine Menge Zurückhaltung, die Stufen in seiner Vorfreude nicht hinab zu hüpfen, das wäre kindisch gewesen. Noch immer erfüllte der leckere Duft nach gebratenem Speck sowie Ei und Frühstückswürstchen das Haus. Genießerisch schloss Barty die Augen und verharrte einen Moment im sonnendurchfluteten Eingangsbereich. Ein zufriedenes Lächeln zierte seine Lippen. Der Tag konnte keinen besseren Anfang nehmen! Beschwingt griff er nach seinem leichten Umhang und schlüpfte in seine Schuhe. „Ich bin dann jetzt weg, Mutter!“, rief er über die Schulter. Er hatte keine Lust, das gleiche Gespräch wie bereits am Frühstückstisch zu führen. Sie wusste, dass er Freunde besuchen würde. Gute Freunde. Gute, ehrliche Leute wie Aidan Lynch einer war. „Barty?“ Die zierliche Gestalt seiner Mutter erschien in der Tür. „Pass gut auf dich auf, ja?“ „Natürlich.“ Seine Mutter lächelte. Sorge stand ihr ins Gesichts geschrieben, die Barty einfach ignorierte. Schließlich hatte sie keinen Grund sich Sorgen zu machen. „Mach’s gut“, sagte sie. „Bis heute Abend.“ Barty grinste, während er seine Tasche schulterte. „Bis heute-" Plötzlich ging die Eingangstür auf. Eine hochgewachsene Gestalt hob sich als schwarze Silhouette gegen die warmen Strahlen der Mittagssonne ab. „Vater!“ Jegliche Freude war aus Bartys Gesicht getilgt. Unheilschwanger beobachtete er, wie sein Vater mit regungsloser Miene das Haus betrat und langsam die Tür hinter sich zuzog. Ein flüchtiger Blick von seiner Seite und er hatte alles durchschaut. „Wo soll es denn hingehen?“, fragte er mit drohendem Unterton. „Ich wollte Freunde besuchen.“ Barty schluckte und wünschte sich verzweifelt, dass sein Hals nicht mit einem Mal so trocken war. „Warum hast du mir nichts davon erzählt?“ „Weil … weil das ganz spontan war, wir haben ja nur noch wenige Tage Ferien und da wollten wir…“ „Nichts da“, fuhr sein Vater ihm barsch ins Wort. „Du weißt, welche Regeln es in diesem Haus gibt!“ „Ich wollte lernen. Bei Aidan! Aidan Lynch. Er wollte mir den Stoff für Pflege Magischer Geschöpfe erklären, der dieses Jahr drankommen wird.“ Die Augenbrauen Mr Crouchs hatten sich finster zusammengezogen. „Das kann er genauso gut nächste Woche auf Hogwarts tun.“ „Nein!“ Verärgert ließ Barty seine schwere Tasche wieder zu Boden fallen. Warum musste sein Vater ausgerechnet jetzt wiederkommen? Er hatte gehofft, dass er heute Morgen zum Ministerium gegangen war, doch so wie er aussah, musste er die Nacht durchgearbeitet haben, um sich jetzt eine kurze Erholungspause Zuhause zu genehmige - genau dann wenn Barty gehen wollte. Eine Woge von Abscheu stieg in ihm auf, als er den Blick seines Vaters trotzig erwiderte. „Das geht nicht, weil Aidan mit Hogwarts fertig ist.“ Damit schien sein Vater nicht gerechnet zu haben. „So?“, entfuhr es ihm nur, während in seinen übermüdeten Gesichtszügen keinerlei Regung zu erkennen war, dass ihn das in seiner Meinung umstimmen würde. „Liebling“, sagte Bartys Mutter beschwichtigend. „Das ist die letzte Chance für Barty, dass er seinen Freund noch einmal sehen kann.“ Mr Crouch schwieg. Unruhig verlagerte Barty sein Gewicht von einem Bein aufs andere. Die Zeit rann ihm davon. Die große Uhr, die am Eingang stand, zeigte, dass ihm nur noch wenige Minuten blieben, bis der Portschlüssel aktiviert werden würde. Bis dahin wollte er das Haus verlassen haben. „Dieser Aidan, was hattest du gesagt, macht er jetzt?“ Auch das noch! „Quidditch“, brummte Barty. „Quidditch!“, wiederholte sein Vater, ohne sich die Mühe zu machen, sein Missfallen zu verbergen. „Ja, Barty hat erzählt, dass er ein ganz hervorragender Spieler ist. Wenn er so weiter macht, wird er wahrscheinlich sogar bei den Kenmare Kestrels eine Position bekommen!“, fügte seine Mutter hinzu. „Aber er ist auch gut mit Tieren und wir wollten die Gelegenheit nutzen … und heute hat er kein Training, deshalb ist das die letzte Chance für mich, Vater“, sagte Barty. „Bitte…“ Wie er diese Kontrolle hasste! Wie er wünschte, dass er sich wie jeder andere in seinem Alter einfach verabreden konnte, wann und mit wem er wollte. „In Ordnung“, seufzte sein Vater schließlich. Barty glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Beinahe misstrauisch sammelte er seine Tasche wieder auf. Sein Vater fuhr indessen fort: „Wie besuchst du diesen Aidan?“ „Mit einem Portschlüssel.“ „Portschlüssel?“ „Ich dachte, das Flohnetzwerk könnte zu unsicher sein, jetzt mit dem … Gefolge von Du-weißt-schon-wem draußen.“ „Todessern“, Mr Crouch spie das Wort förmlich aus. „Genau.“ „Ich möchte trotzdem, dass du mit dem Flohpulver zurückkommst.“ „Aber ich weiß gar nicht, ob Ai-", wandte Barty zaghaft ein und wurde sofort unterbrochen: „Unsinn! Du machst, was ich sage, haben wir uns verstanden?“ Barty nickte. „Das Flohnetzwerk ist eins der sichersten Transportsysteme! Ich weiß nicht, woher du diesen Unfug hast, Junge. Wir im Ministerium kontrollieren es und sorgen dafür, dass es sicher ist. Würgende Wasserspeier, unsere Auroren benutzen das!“ „Vater, bitte entschuldige“, sagte Barty bemüht darum, seine Stimme so reuevoll wie möglich klingen zu lassen. Auf eine Gardinenpredigt konnte er in diesem Moment allemal verzichten. Teilnahmslos beobachtete er, wie eine dicke Ader auf der Stirn seines Vaters pulsierte. Barty kannte den Ablauf: Wenn sich sein Vater noch ein bisschen mehr in Rage steigerte, würden dessen helle Augen hervortreten, seine Stimme würde noch lauter werden und so konnte es dann Stunden zugehen. „Liebling“, flüsterte Mrs Crouch auf einmal. „Ich glaube Barty wollte um zwölf los.“ Mr Crouch sah von seinem Sohn zu seiner Frau und seufzte erschöpft. „Dann geh jetzt, Bartemius. Aber denk dran, was ich dir gesagt habe: Du benutzt das Flohnetzwerk, wenn du wieder zurückgehst, ist das klar?“ „Ja, Vater“, erwiderte Barty schwach und umklammerte den ledernen Riemen seiner Tasche fester. „Bis heute Abend, Barty“, sagte seine Mutter und schenkte ihrem Sohn ein aufmunterndes Lächeln. „Ich wünsche euch ganz viel Spaß.“ „Bis heute Abend“, murmelte Barty, als er an seinen beiden Eltern vorbei die Tür hinauslief. Von seinem Vater kam kein Wort des Abschieds. Draußen schlug ihm die warme Luft des späten Augusts entgegen. Das Wetter war geradezu traumhaft und - wie Barty mit einem ironischen Grinsen feststellte - perfekt für ein Quidditchspiel geeignet. Doch so etwas musste warten. Eilig lief er durchs Gras zu der Stelle, wo er den Portschlüssel versteckt hatte: Einen alten Socken. Hoffentlich war es noch nicht zu spät! Er wusste, dass das Zeitfenster nur sehr eng war, da nach wie vor die Gefahr bestand, dass irgendein Außenstehender an den Schlüssel geraten konnte. Aber er hatte Glück. Kaum hatte Barty den Socken berührt, da spürte er schon das vertraute Ziehen in seiner Nabelgegend und die Welt um ihn herum verlor sich in einem kunterbunten Rausch aus Farben. Dann hatte er wieder festen Boden unter den Füßen. Für einen Moment schwirrte Barty der Kopf und er kämpfte darum, das Gleichgewicht zu bewahren. Als er glaubte, sich wieder so weit im Griff zu haben, dass es sicher war aufzuschauen, ohne dabei zu schwanken, tat er das. Er befand sich in einem kleinen Waldstück, das an das große Anwesen der Lestranges angrenzte. Entschlossen rückte sich Barty noch einmal seine Tasche zurecht und begann den vertrauten Weg entlangzulaufen. „Da ist ja unser kleiner Musterschüler“, empfing ihn Bellatrix’ Stimme, kaum dass er die Villa betreten hatte. „Hallo“, grüßte Barty nur respektvoll und wünschte sich im selben Moment, dass er eloquentere Worte der Begrüßung gefunden hätte. Doch Bellatrix störte sich nicht im Geringsten daran. Mit einem gefährlichen Blitzen in den dunklen Augen bewegte sie sich anmutig auf ihn zu. Das tiefgrüne Kleid, das sie an diesem Tag trug, brachte die Vorzüge ihrer Figur schmeichelhaft zur Geltung und zog alle Aufmerksamkeit auf sich. Auffordernd streckte Bellatrix die Hand aus. „Komm mit“, sagte sie. „Wir haben heute einen ganz besonderen Besuch.“ Verwirrt sah Barty zu der großen Hexe und ehe er handeln konnte, hatte sie schon seine Hand ergriffen und führte ihn wie ein kleines Kind zum Wohnzimmer. Es war seltsam, wie vertraut Barty der große Raum über den Sommer geworden war. Ohne es selbst bemerkt zu haben, hatte er bereits einen der schwarzen ledernen Sessel zu seinem Lieblingsessen erkoren. So fiel ihm gleich auf, das dort eine einsame Gestalt mit einem unverkennbaren Schopf dunkler, lockiger Haare saß. „Regulus?“, rief Barty überrascht. Völlig erstaunt drehte sich Regulus zum Eingangsbereich. „Barty?“, fragte er. „Was …“, er suchte nach Worten. „…was machst du hier?“ Ein Grinsen breitete sich in Bartys Zügen aus. „Lernen.“ „Dein kleiner Freund ist ein ganz begieriger Schüler der dunklen Künste“, ergänzte Bellatrix, die Bartys Hand wieder losgelassen hatte und sich nun auf Regulus zu bewegte. Regulus blieb sitzen. Sein markantes Gesicht hatte einen ausdruckslosen Anblick angenommen, während er Barty stumm beobachtete. „Jetzt können wir doch noch zusammen die Flüche üben“, rief Barty begeistert und stützte sich an der Lehne des Sessels ab. Als Regulus noch immer keine Reaktion von sich gab, boxte er ihn spielerisch gegen die Schulter. „Na komm schon“, grinste er. „Etwas mehr Freude, bitte.“ Ergeben sah Regulus auf und schenkte ihm ein schiefes Lächeln. Dann wandte er sich an Bellatrix. „Stand das so in deinem Sinn?“ Belatrix’ schmale Lippen verzogen sich unheilverkündend. „Ja“, sagte sie, „so stand das in meinem Sinn. Ein bisschen Zeit hast du ja noch, bis du mit Rodolphus losmusst.“ Neugierig sah Barty von einem zum anderen, wagte jedoch nicht nachzufragen, um was es ging. Es musste wohl eine Mission sein, so wie das klang. Er spürte Neid in sich aufsteigen. Wenn er bloß weiter wäre! Wenn er wenigstens schon mit Hogwarts fertig wäre! Doch das würde noch dauern. Wahrscheinlich würde es eine Ewigkeit brauchen, bis er so weit kam wie Regulus. „Ich würde vorschlagen, dass wir langsam anfangen“, meinte Bellatrix. „Wir wollen ja keine Zeit verlieren.“ Erwartungsvoll wandte sich Barty Bellatrix zu. Er versuchte das mulmige Gefühl, das sich in seiner Magengegend regte, zu ignorieren. Heute würde er endlich mit dem Imperius-Fluch anfangen. Was sollte er da für einen Grund zur Beunruhigen haben? Vor allem wenn Regulus mit dabei war. Bellatrix entschied kurzerhand, dass es - anders als beim Cruciatus-Fluch - lächerlich wäre, in den Keller zu gehen. Stattdessen forderte sie Barty und Regulus auf, sich auf den großen Teppich vor dem Kamin zu stellen. „Der Imperius-Fluch ist wirklich nützlich, wenn man an irgendwelchen Vollidioten vorbei muss, die leider zu kostbar sind, als dass man sie töten könnte. Mit dem Fluch…“, Bellatrix hielt inne. „Oh, du weißt, was der bewirkt. Was erzähle ich das eigentlich? Lasst uns lieber gleich zum spannenden Teil gehen.“ Barty verlagerte unruhig sein Gewicht und spähte zu Regulus, der mit ausdrucksloser Miene zu seiner Cousine sah. Plötzlich zuckte etwas in seinem Gesicht. Verwundert guckte Barty Regulus an und wich erschrocken zurück, als sein Freund unvermittelt den Kopf in den Nacken legte und laut loszulachen begann. Es hörte gar nicht mehr auf! Stattdessen wurde das Lachen immer unkontrollierter und warf Regulus schließlich zu Boden, wo er japsend nach Luft schnappte, während er unaufhörlich von neueren Lachanfällen geschüttelt wurde. Entsetzt machte Barty einen Schritt vor. „Regulus?“ Das, was gerade geschah, war alles andere als lustig. Mit jeder Sekunde, die verstrich wurde, das Lachen hysterischer. Und selbst wenn etwas lustig gewesen wäre, es war überhaupt nicht Regulus’ Art, sich so zu benehmen. In den seltensten Fällen … Bartys Blick huschte zu Bellatrix’ und richtig: Mit einer Mischung aus Herablassung und Freude war ihr Zauberstab auf Regulus gerichtet. Für einen kurzen Moment spürte Barty den Impuls, sich auf sie zu stürzen, um seinem Freund zur Hilfe zu eilen, doch schnell ermahnte er sich, dass das ganz und gar nicht Sinn der Übung war. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, als er sich Zwang, dem Treiben ruhig zuzusehen. Irgendwann legte sich das Lachen und stattdessen begann Regulus wilde Sprünge zu vollführen, bis er plötzlich einfach stoppte. Sein Gesicht war zu einer angestrengten Grimasse verzogen, während er sich keuchend gegen den Fluch wehrte. „Du bist ja doch etwas besser geworden“, sagte Bellatrix in gespielter Freude. „Und du solltest wirklich aufhören, immer so griesgrämig dreinzuschauen. So ein Lachen steht dir gleich viel besser.“ Regulus antworte nur mit einem knappen Nicken, während er sich seine zerknitterte Robe wieder glatt strich. „Möchtest du es mal ausprobieren?“, fragte Bellatrix plötzlich an Barty gewandt. „Aber…“ Unsicher sah Barty zu seiner Lehrmeisterin und dann seinem Freund. Sollte das etwa bedeuten, dass er den Fluch auf Regulus anwenden sollte? „Nur zu, dafür ist Regulus da.“ Auf einmal fühlte sich Barty schrecklich allein in diesem riesigen Zimmer. Nervös leckte er sich über die Lippen, als er zu seinem Freund sah, der sich nichts anmerken ließ. Stattdessen blickte er ihm ruhig entgegen. Ob er ihm ein Zeichen geben würde? Barty zögerte. Nebel füllte sich in seinen Verstand. Hatte er sich gerade noch einsam gefühlt, fühlte er sich nun wohl und geborgen. Eine Stimme sagte ihm, dass alles richtig sei, dass er nur seinen Zauberstab nehmen müsse. Verwirrt guckte Barty auf seine Hand, die mit einem Mal seinen Zauberstab hielt. Wann hatte er…? „Na los“, sagte Bellatrix auffordernd. Barty hatte das ungute Gefühl, dass seine Zwickmühle ihr wundervolle Unterhaltung verschaffte, die sie nicht so schnell beenden würde. „Was … was soll ich denn machen?“, fragte er vorsichtig. Er wollte nicht ‚ihn machen lassen‘ sagen. Es kam ihm falsch vor. Nicht Regulus. „Du sollst den Imperius-Fluch benutzen.“
 „Und dann?“ Die Worte waren nicht ganz seinen Lippen entwichen, da fühlte er sich bereits furchtbar dämlich und Bellatrix war anzusehen, dass sie nichts anderes von ihm dachte. „Dann“, sagte sie gefährlich leise, „wirst du kreativ.“ Barty nickte. Seine Vorfreude war von dem wachsenden unguten Gefühl in seiner Magengegend verschlungen worden. Schnell warf er Regulus einen um Verzeihung bittenden Blick zu, bevor er mit fester Stimme sagte: „Imperio!“ Für einen kurzen Moment glaubte Barty zu sehen, wie Regulus Blick leer wurde. Er begann zwei, drei Schritte zu laufen, dann stand er plötzlich stocksteif da und sah ihn bloß fragend an. „Noch einmal!“, verlangte Bellatrix. Wieder brachte Barty nur eine klägliche Version des Fluchs hervor, die kaum zehn Sekunden anhielt, da hatte Regulus sie wieder abgeschüttelt. Und auch bei den nächsten Malen wurde es nicht besser, bis Bellatrix schließlich ungeduldig ihren Zauberstab schwenkte. Erneut spürte Barty, wie jegliche Sorge von ihm abfiel. Ein unbestimmtes Gefühl von Glück erfüllte ihn, während er auf die leise Stimme hörte und den Imperius-Fluch anwandte. Dieses Mal begann sich Regulus ganz merkwürdig zu verhalten. Er fiel auf alle Vieren, kroch zu Bartys Füßen und rutschte weiter auf dem Boden zu Bellatrix, um ihr die Stiefel zu lecken. Irgendwo in einer entfernten Ecke seiner Gedanken, glaubte Barty zu wissen, dass das falsch war. Ganz entschieden falsch. Aber das alles war so weit weg. Er musste sich um nichts mehr sorgen… „Genug!“ 
Wie eine eisige Welle schlugen Ängste und Unbehagen über Barty zusammen. Verwirrt blinzelte er und versuchte sich zu erinnern, was er getan hatte. Es war nur ein verschwommener Gedanke, der sich seinem Griff entziehen wollte. Regulus, dem es ähnlich zu ergehen schien, sprang hastig auf die Füße, als er sich seiner Situation bewusst wurde und da dämmerte auch Barty, was geschehen war. „Regulus, alles in Ordnung?“, rief er und eilte zu seinem Freund. „Ich wollte da-…“ „Nichts da!“, ertönte Bellatrix’ Stimme in einem heiteren Singsang und ehe Barty wusste, wie ihm geschah, wurde er von den Füßen gerissen und zurück an seinen Platz gesetzt. „Ich hoffe ihr wisst, was für einen erbärmlichen Anblick ihr abgebt“, fuhr sie mit vor Verachtung triefender Stimme fort. „Ist doch so, oder?“ Die stämmige Gestalt von Rodolphus war neben Bellatrix getreten. Hohn lag in seinen Gesichtszügen, als er auf die beiden Jungen sah. „Schön ist der Anblick von zwei Reinblütern, die auf dem Boden herumkriechen jedenfalls nicht.“ Barty spürte, wie eine Welle heißer Scham in ihm hochschoss. Verbissen starrte er auf einen Fleck, der sich auf dem kunstvollen Muster des Teppichs befand. Er würde diesen Fluch meistern! Von niemanden wollte er sich damit verspotten lassen. Hastig riss er sich zusammen und versuchte eine würdevolle Haltung einzunehmen. Der Griff um seinen Zauberstab war fester geworden und in seinen Augen loderte Entschlossenheit. „Auf ein Neues“, hörte er Bellatrix spöttische Stimme sagen. Mehr brauchte es nicht, da hatte er bereits Imperio gerufen. Diesmal schien Regulus sofort dem Fluch zu unterliegen. Mit leerem Blick begann er ein paar vorsichtige Schritte im Raum zu machen, dann hatte er den Fluch wieder von sich abgeschüttelt. Frustriert stieß Barty erneut den Fluch aus, ohne irgendeinem der Anwesenden überhaupt die Möglichkeit zu geben, etwas zu sagen oder gar zu reagieren. Doch es war immer das gleiche Spiel: Regulus unterlag zwar augenblicklich dem Fluch, schaffte es aber genauso schnell die Kontrolle nach wenigen Sekunden wieder abzuschütteln. „Junge, du musst wissen, was du willst“, fuhr Rodolphus irgendwann dazwischen, als er dem Geschehen überdrüssig geworden war. „Ich weiß, was ich will!“, gab Barty patzig zurück. Er hatte vergessen, mit wem er es zu tun hatte. Er hatte vergessen, mit wem er übte. Was in diesem Augenblick zählte, war einzig und allein der Erfolg. „Und was willst du?“, fragte Bellatrix mit zuckersüßer Stimme. „Ich will den Fluch benutzen können.“ Bellatrix brach in gackerndes Gelächter aus. „Wie süß“, höhnte sie. „Er möchte den Fluch benutzen können“, äffte sie ihn spöttisch nach und wechselte mit Rodolphus einen amüsierten Blick. „Crouch, den Fluch benutzen zu wollen, reicht nicht. Es geht nicht darum, jemanden zu verfluchen. Es geht darum, jemanden zu kontrollieren! Der Imperius-Fluch ist nur ein Mittel zum Zweck. Du musst wissen, was du dein Gegenüber wirklich machen lassen willst.“ Die Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Barty bemerkte gar nicht, wie er erbleichte und unauffällig zu Regulus sah. „Warum kann ich dann nicht einfach gesagt bekommen, was ich machen soll?“, wagte Barty einzuwenden. „Weil dir niemand deinen Arsch hinterhertragen wird, wenn du dem Dunklen Lord dienen willst“, antwortete Rodolphus kühl. Barty schluckte. Seine Wut war zu einem kleinen Häuflein Asche zusammengefallen und ließ ihn mit nichts weiter als der lähmenden Tatsache zurück, dass er dabei war schmählich zu versagen. Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und zwang sich gewaltsam, sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Er musste sich beweisen! „Vielleicht hat Barty nicht ganz unrecht“, wandte Regulus auf einmal ein. „Es wäre für den Anfang hilfreich, mit ein paar einfachen Aufgaben anzufangen und dann langsam freier zu werden.“ Bellatrix schenkte ihrem Cousin einen verächtlichen Blick. „Findest du das wirklich?“ Ihr war anzusehen, dass es in ihrem Kopf am Arbeiten war. Ein diabolisches Lächeln verzog ihren Mund. „Wenn du Vorgaben haben willst, Crouch“, sagte sie leise, „dann bringe doch deinen Freund dazu … den Cruciatus-Fluch auf dich anzuwenden. Den sollte er nämlich dringend mal üben.“ Barty und Regulus sahen gleichermaßen fassungslos aus, als sie zu Bellatrix schauten. Diese zog jedoch bloß auffordernd die Augenbrauen hoch. Die Aufgabe war gestellt. Unruhig verlagerte Barty sein Gewicht, während seine Finger nervöse den Zauberstab in seiner Hand drehten. „Barty“, sagte Regulus. In seiner Stimme lag etwas Warnendes. Entschlossen sah Barty auf. Er wusste, dass Regulus ihn in Schutz nehmen wollte, ihn für schwach hielt, glaubte entscheiden zu können, was das beste für sie wäre. Aber was wusste Regulus schon? „Imperio“, flüsterte Barty. Er sah wie, Regulus den Zauberstab hob, er hörte ein ausdrucksloses Crucio und spürte Schmerzen über sich hereinbrechen, die seinen Imperius-Fluch augenblicklich aufhoben. Schwerfällig rappelte sich Barty auf und sah zu den beiden Lestranges. „Das war doch mal nicht schlecht“, meinte Bellatrix. „Mach weiter.“ „Aber…“, Barty wollte einwenden, wie sinnlos das war. Der Fluch würde augenblicklich gebrochen werden, wenn der Crucatius ihn traf. Doch davon schien Bellatrix nichts hören zu wollen. Stattdessen ruhte ihr Blick lauernd auf Regulus, der alles andere als glücklich wirkte, aber nichts zu alledem sagte. Schließlich hatten sie genug geübt und es war Zeit für eine Pause. Eine Hauselfe trug Tee mit Scones und Marmelade sowie anderem leckeren Gebäck auf. Es war merkwürdig, auf einmal dieser alltäglichen Tradition zu folgen, nachdem was sie kurz vorher getan hatten. Vorsichtig nippte Barty an seinem heißen Tee, während sein Blick zu Regulus fiel. In diesem Moment würde er so gerne mit seinem Freund ungestört reden können, doch in Anwesenheit der Lestranges war das unmöglich. Also tat er sein bestes sich nichts anmerken zu lassen, ganz so als wäre nichts vorgefallen. Das war ohnehin das einfachste. „Wann wollt ihr los?“, fragte Bellatrix irgendwann, um dem Schweigen ein Ende zu bereiten, denn niemand der anderen war sonderlich gesprächig, allen voran nicht Regulus und Rodolphus. „In einer Stunde“, brummte Rolophus. „Rabastan müsste gleich kommen, dann können noch die letzten Einzelheiten geklärt werden.“ Bellatrix nickte nur und spielte verdrossen mit ihrem silbernen Teelöffel herum. Ihr war anzusehen, dass es ihr herzlich wenig gefiel, nicht dabei zu sein. Unwillkürlich fragte sich Barty, ob es an ihm lag. Aber das wäre lächerlich. So wichtig und offiziell waren seine Übungsstunden nicht. Das aufkommende Gespräch war wieder verstummt. Schweigend schlürfte jeder weiter seinen Tee oder nahm einen süßen Bisschen Gebäck. Bartys Blick wanderte nachdenklich durch das Wohnzimmer der Lestranges. Es war groß genug, um den meisten Mitgliedern der reinblütigen Zaubererfamilien bei einer Versammlung Platz zu bieten. Die Wände zierten düstere Gemälde und vor den Fenstern hingen schwere Vorhänge, die den Einfall der blendenden Sommersonne verhinderten. Barty sah zu dem Kamin, auf dessen Sims merkwürdige Ziergegenstände sowie das übliche Kästchen mit Flohpulver standen. Flohpulver! Erschrocken fiel Barty wieder sein Dilemma ein. Vorsichtig spähte er zu seinen Gastgebern und überlegte, wie er am besten seine Situation darstellen konnte. Regulus, der ihm gegenüber saß, hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt, sein Blick war fragend. Barty bedeutete ihm unmerklich, nichts zu fragen, dass alles gut sei. Aber Regulus kannte ihn. Seine Brauen zogen sich skeptisch zusammen. Resigniert sammelte Barty Mut, um das leidliche Thema anzusprechen, als auf einmal die Türglocke ertönte und wenig später Rabastan eintrat. „Was ist denn hier für eine Stimmung?“, fragte er ohne ein Wort der Begrüßung, während er sich schwungvoll in seinen Sessel fallen ließ. „Wie läuft’s mit deiner Übung, Barty?“ „Ganz in Ordnung“, erwiderte Barty, der nicht wusste, ob er sich über die plötzliche Ankunft von Rabastan nun freuen oder ärgern sollte. So konnte er den Moment noch etwas aufschieben… „Er zeigt weniger Hemmungen als Regulus“, sagte Bellatrix stichelnd. „Aber den Imperius-Fluch muss er üben.“ „Ernsthaft?“ Barty zuckte die Achseln. „Das mit den Anweisungengeben klappt nicht so.“ „Tja Bella, es sind nicht alle Leute so autoritär wie du“, meinte Rabastan gelassen. „Oh und bevor ich’s vergesse, ich soll dir von Lucius ausrichten, dass du heute Abend vorbeischauen sollst.“ Er warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. „Geht es um…?“ Bellatrix Augen leuchteten auf und ihr Gesicht vorzog sich zu einem Grinsen, als Rabastan bloß nickte. Barty hörte dieser Geheimniskrämerei missmutig zu. Er hasste es. Sowie es dazu kam, dass Namen nicht genannt wurden oder Gegenstände und Orte plötzlich mit einem geheimnisvollen Blickaustausch angedeutet wurden, wusste Barty, dass er fehl am Platz war. Dass er nicht dazu gehörte. Manchmal hatte er auch mit Misstrauen zu kämpfen, das ihm wegen seines verdammten Vaters entgegen gebracht wurde. Es weckte eine seltsame Mischung aus Wut und Einsamkeit in ihm. „Ich habe ein Problem mit dem Portschlüssel“, wagte Barty schließlich zu sagen. Nun, da die Stimmung durch Rabastans Ankunft etwas aufgelockert worden war, fühlte sich Barty sicherer. „Was ist damit?“, fragte Bellatrix. „Ich …“, Barty überlegte, wie er das Ganze am besten formulieren sollte. „Ich … also es ist das beste, wenn ich übers Flohnetzwerk zurückreise. Es gibt da nämlich ein Problem mit meinem Vater.“
 „Mit deinem Vater?“, hakte Rodolphus nach. In seiner Stimme schwang ein drohender Unterton mit. Doch plötzlich wusste Barty, was er sagen musste: „Der Mistkerl hat mich überrascht, als ich gerade losgehen wollte. Hat sich fürchterlich aufgeregt, dass ich einen Portschlüssel benutze und darauf bestanden, dass ich mit dem Flohnetzwerk zurückkomme, weil es ja viel sicherer ist.“ Spott lag in den Zügen von Bellatrix, als sie ihm zuhörte. Barty konnte sehen, wie sie ihn belächelte, dass er so unter der Fuchtel seines Vaters stand. „Dann hältst du dich heute nicht an Papis Regel“, sagte sie. „Das kann ich nicht. Wenn das rauskommt, kriege ich Hausarrest. Ich wette, er würde sogar mit irgendwelchen Flüchen dafür sorgen, dass ich auch wirklich im Haus bleibe, wenn er in der richtigen Stimmung ist“, entgegnete Barty düster. „Und wenn das passiert“, er schluckte, „wird es zu keinen weiteren Übungsstunden kommen.“ Das Bedauern, das er dabei empfand, hatte unbemerkt einen Weg in seine Stimme gefunden und brachte Bellatrix zum Lachen. „Sieh an, der Kleine ist nach wie vor ganz wild darauf, die vielen bösen Dinge zu lernen.“ „Außerdem“, fuhr Barty fort und versuchte sich nicht von Bellatrix’ Hohn beeinflussen zu lassen, „weiß ich nicht, wie ich es erklären soll, wenn herauskommt, dass ich von euch aus zurückreise.“ „Was hast du denn deinem Vater gesagt, wo du bist?“, fragte Regulus hilfsbereit. „Bei Aidan zum Lernen.“ „Aidan Lynch? Ist der nicht wieder in Irland?“
 „Schon, aber das weiß mein Vater nicht und letztens hab ich Aidan hier in der Nähe bei seinen Verwandten besucht“, entgegnete Barty. „Dann ist die Sache ja einfach: Wir gehen zu diesen Verwandten und du benutzt deren Flohnetzwerk“, meinte Bellatrix. Barty wurde unwohl. „Einfach so?“ „Natürlich!“ Dieses Mal war es Rabastan, der lachte. „Sowas sollte kein Problem sein.“ Dann sprang er auf und klatschte voller Tatendrang in die Hände. „Genug geredet. Regulus? Komm mal mit, ich muss mit dir noch was besprechen. War schön dich zu sehen, Barty.“ Und mit einem lässigen Wink verließ Rabastan wieder den Raum gefolgt von Regulus, der sich mit leisen Worten von Barty verabschiedet hatte. „Hat dein Vater eigentlich noch irgendetwas zum Flohnetzwerk gesagt?“, fragte auf einmal Rodolphus. „Nur dass es einige Auroren benutzen.“ „Mehr nicht?“ Barty schüttelte den Kopf. „Ich kann gucken, ob ich mehr dazu herausfinden kann“, fügte er leise hinzu. „Das könnte hilfreich sein.“ Barty lächelte schwach und griff nach der feinen Porzellantasse. Der Tee war längst kalt geworden. „Denk dran, du musst es wirklich wollen“, erinnerte ihn Bellatrix. Es war abends und zusammen waren sie zu dem Haus von Aidans Verwandten appariert. Es war ein kleines Farmhaus, das - wie Barty wusste - unter anderem einige magische Wesen bewohnten. Barty nickte und strich sich nervös seinen Umhang zurecht. Die Kapuze hatte er tief ins Gesicht gezogen. Danach klopfte er. Er musste nicht lange warten, da öffnete ihm eine ältere Frau die Tür. „Wer is-“, setzte sie an und verstummte augenblicklich, als sie Bartys Imperius-Fluch traf. „Ach Aidan“, sagte die Frau, „so eine Überraschung! Möchtest du nicht hereinkommen?“ Bellatrix kam neben Barty zum Vorschein. „Und Meaghan! Kommt herein, Charles kümmert sich gerade um die Knuddelmuffs.“ Auf Bartys Gesicht breitete sich langsam ein Lächeln aus, während er mit ruhigen Schritten der alten Frau durch das Haus ins Wohnzimmer folgte. „Ich habe es hingekriegt“, sagte er, als er vor dem Kamin stand und spähte unter der Kapuze zu seiner Lehrmeisterin. Stolz erfüllte ihn, dass er nicht ganz versagt hatte. Bellatrix erwiderte das Lächeln kühl. „Immer der Musterschüler, hm?“ Doch Barty grinste nur. „Also gut, ich übernehme von hier. Geh du nach Hause und sag Papi, dass alles in Ordnung ist.“ Barty schnaubte und verkniff sich einen Kommentar. Stattdessen schenkte er dem Kaminsims seine Aufmerksamkeit und wollte nach dem Flohpulver greifen, als sein Blick auf ein kleines gerahmtes Foto fiel. Der unverkennbare blonde Lockenkopf Aidans strahlte ihm entgegen. Fröhlich winkte der Ire mit der einen Hand in Richtung Kamera, während er mit der anderen das neueste Nimbus Modell hielt. „Ist etwas?“, fragte Bellatrix auf einmal. „Nichts“, sagte Barty hastig, nahm sich eilig eine Handvoll Flohpulver und schlüpfte in den Kamin. „Wir sehen uns“, flötete Bellatrix. Ihre Worte verloren sich im wilden Rauschen seiner Reise und doch glaubte Barty dumpfe Schreie gehört zu haben, bevor er aus den smaragdgrünen Flammen in sein Zuhause stolperte. Kapitel 3: Avada Kedavra ------------------------ Herbst 1978 Der Herbst war ins Land gezogen und hatte das Grün der Bäume in warme Gelb- und Rottöne gefärbt. Nebel lag über den Ländereien von Hogwarts. Der Himmel war grau und die Luft eisig, weshalb es die meisten Schüler an diesem Wochenende vorzogen, in den warmen Hallen des Schlosses zu bleiben. Zwei Gestalten jedoch schienen das ungemütliche Wetter den überfüllten Hallen der Schule vorzuziehen. In warme Umhänge gekuschelt und den Schal eng um den Hals geschlungen, liefen die beiden am See entlang. „Ich verstehe nicht, was das soll“, beschwerte sich der Strohblonde der beiden. „Warum lässt du mich nicht einfach machen?“ „Weil du nicht weißt, was dich erwartet, Barty!“ „Ich weiß, was mich erwartet. Ich weiß, worauf ich mich einlasse. Ich mache nichts anderes als du!“ „Nein“, erwiderte Regulus bestimmt und blieb unvermittelt stehen, „was ich gemacht habe, war etwas vollkommen anderes. Du hingegen hast eine Wahl. Und ich bitte dich einfach nur, dir das durch den Kopf gehen zu lassen. Noch kannst du zurück.“ Barty schnaubte verächtlich und verschränkte die Arme. Trotz lag in den Zügen seines sommersprossigen Gesichts. „Es gibt kein Zurück mehr.“ „Doch. Dein Vater ist in einer sehr mächtigen Position. Kaum jemand würde dir etwas anhaben können. Alles, was diesen Sommer passiert ist, wäre einfach nur ein Versehen gewesen.“ „Ein Versehen?“, wiederholte Barty ungläubig. „Regulus, wenn mein Vater Wind davon kriegt, was ich getan habe, dann…“, er suchte nach Worten, „dann bin ich tot!“ „Du hättest unter dem Imperius-Fluch stehen können“, erwiderte Regulus trocken. Wütend schob Barty die Lippe vor. „Du willst wirklich nicht, dass ich das tue, stimmt’s?“ „Ich will nur nicht, dass dir zu spät klar wird, in was du da steckst“, versuchte Regulus seinen Freund zu beschwichtigen. „Dein Teil deiner Familie hält sich aus vielen Reinblüter-Traditionen raus, das meiste geht an euch vorbei.“ „Vielleicht möchte ich das ja ändern.“ „Aber nicht so!“ Regulus verlor die Geduld. „Barty, du weißt, was bald kommt, oder?“ Barty legte fragend den Kopf schief. „Der Todesfluch.“ „Ja, und?“, gab er patzig zurück. Regulus Miene verfinsterte sich angesichts Bartys gespielter Unbekümmertheit. „Weißt du, was du dann tust?“, fragte er mit Nachdruck. „Ich wende den Fluch an“, antwortete Barty kühl. „Hast du schon einmal über die Folgen nachgedacht?“, wandte Regulus nun mit sichtlichem Ärger ein. „Du tötest! Du wirst damit jemanden umbringen!“ „Wenn ich das halt machen muss“, entgegnete Barty schulterzuckend und wandte sich von seinem nervigen Freund ab, um weiterzugehen. Er hatte keine Lust mehr auf die Unterhaltung. „Bleib stehen!“ Wütend packte Regulus ihn beim Arm und zwang ihn dazu, ihm in die Augen zu sehen. „Du bringst nicht einfach etwas um. Du bringst jemanden um, ist dir das klar? Es kann jeder sein. Stell dir mal vor, es wäre Aidan!“, fuhr Regulus ihn an. „Würdest du dann immer noch so tun, als wäre das nichts?“ Er konnte sehen, wie sich in Bartys Gesicht etwas veränderte. Unsicherheit verdrängte jegliche zur Schau gestellte Entschlossenheit. „Aber“, brachte Barty kleinlaut hervor, „Aidan würde doch nie deren Ziel sein.“ „Das glaubst du“, erwiderte Regulus düster. Verärgert riss sich Barty los. „Du spinnst doch! Du denkst dir jetzt nur irgendetwas aus, um mich abzuhalten.“ „Weißt du, was Bellatrix mit Aidans Großeltern gemacht hat, nachdem du verschwunden warst?“ Barty erstarrte. „Du hast davon nicht gehört, oder? Die Sache ist gut vertuscht worden. Niemand im Ministerium hat davon Wind bekommen. Zumindest nicht die richtigen Leute.“ „Was … was ist passiert?“, fragte Barty heiser. „Charles kam rein und hat Bellatrix entdeckt, kurz nachdem du verschwunden warst. Sie hat ihm einen Cruciatus auf den Hals gehetzt. Danach wurden beide Gedächtnisse bearbeitet … es kann sein, dass sie einigen Schaden davon getragen haben. Mehr weiß ich nicht. Niemand hat sich darum gekümmert. Und die beiden alten Leute sind den meisten egal. Es hätte aber auch anders kommen können.“ „Weiß Aidan davon?“ Regulus zuckte die Achseln. „Keine Ahnung, woher soll ich das wissen?“ „Meinst du man kann rauskriegen, dass ich daran beteiligt war?“, flüsterte Barty. Er hatte sich damals so sicher gefühlt; ihm war nie in den Sinn gekommen, dass die Dinge einen anderen Lauf nehmen könnten. Doch zu seiner Erleichterung schüttelte Regulus den Kopf. „Dafür war Bellatrix zu gründlich. Es kam ja nicht einmal zu einer offiziellen Meldung, dass etwas vorgefallen ist.“ Erleichtert atmete Barty aus. „Na dann, was willst du eigentlich?“ Zu seinem Missfallen merkte Barty aber, wie seine Stimme schwankte. Regulus’ Worte hatten ihn getroffen, wie es sein Freund beabsichtigt hatte. „Du willst wirklich, dass ich zu meinem Vater krieche“, sagte Barty. Er spürte wie kalter Zorn in ihm aufwallte. „Weißt du überhaupt, wozu der alte Mistkerl in der Lage ist? Für ihn gibt es nur gut und böse. Da ist kein dazwischen. Jeder, der mit potentieller dunkler Magie in Berührung kommt, ist böse. Glaubst du wirklich, dass ich länger als nötig diesem fanatischen Irren folgen will? Glaubst du das?“ Seine Stimme überschlug sich. „Einem Verrückten, der mir sogar eine Freundschaft verbietet, weil es so gekommen ist, dass du Black heißt!“ Barty spürte nicht, wie sich seine Fingernägel tief in seine Haut gruben, so fest hatte er die Hände zu Fäusten geballt. Heiße Tränen stiegen in ihm empor, die ihn nur noch wütender machten. Warum verstand Regulus nicht? Frustriert trat er in den Dreck und beobachtete, wie einige Klumpen Erde mit einem leisen Plätschern in den See fielen. Stille trat ein. In seiner Hilflosigkeit ließ sich Barty einfach auf den kalten Boden fallen. Finster starrte er aufs Wasser hinaus und tat sein Bestes, Regulus zu ignorieren, der vorsichtig neben ihm Platz nahm. „Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass es vielleicht eine dritte Möglichkeit gibt?“, fragte Regulus irgendwann leise. „Du hast noch fast zwei Jahre Hogwarts vor dir. Vielleicht ist ja alles ganz anders, wenn du die Schule verlässt.“ „Mach dir nichts vor“, erwiderte Barty verächtlich. „Es kann eigentlich nur schlimmer werden. Und ich werde nicht irgendwo untätig herumsitzen und mir anhören, wie unnütz ich bin.“ Ein bedrückendes Schweigen trat ein. Noch immer sah Barty auf die spiegelnde Wasseroberfläche, als könnte er dort die Antworten auf seine unzähligen Fragen finden. Die nachdenklichen Blicke, die Regulus ihm gelegentlich zuwarf, ignorierte er geflissentlich. „Du hast recht. Du bist unwichtig“, sagte Regulus plötzlich. „Du bist ein Nichts für die Todesser. Es ist ein Spiel für sie, Crouchs Sohn irgendwelche dunklen Künste beizubringen. Aber sie haben keinen Nutzen mit dir. Du bist ein kleiner Junge, der nicht einmal volljährig ist. Du bist völlig bedeutungslos.“ Barty fühlte sich wie geohrfeigt. Seine Augen waren leer, als er in die Ferne starrte und die volle Bedeutung von Regulus’ Worten zu erfassen versuchte. Doch je länger er sie sich durch den Kopf gehen ließ, desto mehr wuchs seine Entschlossenheit. „Dann werde ich ihnen eben einen Nutzen bringen“, erwiderte Barty grimmig. Dezember 1978 Lustlos schlürfte Barty sein Butterbier in den Drei Besen und lauschte teilnahmslos den Gesprächen seiner Mitschüler, die sich alle um die anstehenden Ferien drehten. Ihre belanglosen Worte verloren sich im Lärm, der in der vollen Gaststube herrschte und wurden zu einem einheitlichen Brei. Immer wieder prüfte Barty die Uhrzeit und musste zu seinem Missfallen feststellen, dass die Zeit nach wie vor im Schneckentempo zu verlaufen schien. Er seufzte und versuchte sich auf andere Gedanken zu bringen, indem er halbherzig der Geschichte von Elliot lauschte, wie sie mal wieder einen Zaubertrank vermasselt hatte. Aber schon nach kurzer Zeit driftete er ab und dachte an die Nachricht, die er kürzlich erhalten hatte. Wort von den Lestranges. Barty spürte, wie sich sein Puls vor Vorfreude beschleunigte. Jede Möglichkeit, mit ihnen in Kontakt zu treten, war wertvoll. Er konnte sich ihnen gegenüber beweisen. Und wenn er Glück hatte … wenn er Glück hatte, würde er so einen Schritt weiter in die Gruppierung der Todesser kommen. Irgendwann war es dann endlich soweit und Barty konnte sich mit der Entschuldigung, noch ein paar Erledigungen machen zu müssen, von den anderen loseisen. Den Schal fest um sich geschlungen und tief in seinen warmen Winterumhang eingemummelt, verließ er die geborgene Wärme der Drei Besen und stapfte durch die eisige Luft Richtung Honigtopf. „Crouch!“, hörte er die vertraute Stimme Rabastans, ehe er ganz angekommen war. Grüßend klopfte ihm der Ältere auf die Schulter, während er ihm mit der anderen Hand eine Tüte von Bertie Bott’s Bohnen hinhielt. „Willst du eine?“ Barty winkte dankend ab und zog sich die Mütze stattdessen noch tiefer ins Gesicht. Er wollte so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen. Zu seinem Glück hatten sich die meisten Schülerscharen jedoch in die Wärme der Drei Besen geflüchtet oder standen schwatzend vor Schaufenstern. Auf den großen jungen Mann mit den rotbraunen Haaren schien niemand zu achten. „Na dann“, meinte Rabastan achselzuckend und verstaute die Süßigkeiten in einer Tasche seines Umhangs, „würde ich vorschlagen, wir halten uns nicht mit irgendwelchen Belanglosigkeiten auf.“ Neugierig folgte Barty ihm und versuchte all die Fragen, die ihm auf der Zunge lagen, hinunterzuschlucken. Wo auch immer Rabastan ihn hinbringen würde, dort würde er schon erfahren, was es mit diesem Treffen auf sich hatte. Nach kurzer Zeit hatten sie ein unscheinbares Haus erreicht, das sich in einer kleinen Seitengasse befand. „Also Barty“, meinte Rabastan, wobei er die Tür verschloss und seinen warmen Umhang achtlos in eine Ecke warf. „Wie läuft’s so?“ Barty zuckte vage die Achseln und begann sich aus seiner warmen Winterkleidung zu schälen. „Ganz in Ordnung“, brummte er, während er seine Sachen ordentlich über die Lehne eines Stuhls hängte. „Wie immer halt. Der Unterricht könnte interessanter sein.“ „Interessanter?“ Rabastan lachte. „Stimmt ja, hab gehört, du bist einer dieser intelligenten Leute, die furchtbar gerne ihre Nase in Bücher stecken.“ „Wenn ich dadurch besser werden kann.“ „Keine Freunde, kein gar nichts?“, bohrte Rabastan weiter. Wieder zuckte Barty nur mit den Schultern. Regulus war zur Zeit äußerst distanziert und wenn er ehrlich mit sich selbst war, hatte er wenig Lust auf ihn. Er erinnerte ihn nur daran, dass Regulus schon längst da war, wo er selbst sein wollte. Und mit seinen anderen Mitschülern hatte er auch nicht viel zu tun. „Es gibt viele nervige Schlammblüter und der Rest ist nicht besser.“ Wieder lachte Rabastan. „Wenn das so ist, sollten wir uns schnell darum bemühen, mal wieder etwas Spannung in dein eintöniges Howgwartsleben zu bringen.“ Gespannt sah Barty ihn an. „Bist du heute allein hier?“, rutschte es aus ihm heraus, ehe er sich zurückhalten konnte. „Wonach sieht es denn aus? Rodolphus liegt das Unterrichten nicht so und Bella hat einen wichtigen Auf-“ Rabastan unterbrach sich. Ihm schien erst jetzt klar zu werden, mit wem er da eigentlich sprach. „Die beiden sind beschäftigt. Und ich hab heute ein bisschen Zeit, also dachte ich mir, ich schau mal nach deinem Wohlbefinden.“ „Danke“, sagte Barty schlicht, wobei seine Augen unbemerkt zu leuchten begannen. „Womit fangen wir an?“, fragte er dann lerneifrig und sah erwartungsvoll zu Rabastan, der sich auf ein Sofa gelümmelt hatte. „Anfangen?“, wiederholte Rabastan jedoch nur belustigt. „Setz dich erstmal hin, Kleiner.“ Etwas verwundert befolgte Barty die Anweisung und machte es sich auf einem Sessel bequem. „Also pass auf“, fuhr Rabastan fort, „bevor wir loslegen, hast du hier erst einmal ein Buch, das dein Studium vielleicht etwas interessanter machen dürfte.“ Neugierig nahm Barty, ein schweres, in dunkles Leder gebundenes Buch entgegen. Ein silberner Totenkopf zierte die Schnalle, die die beiden Buchdeckel zusammen hielt. Vorsichtig strich Barty mit seinen Fingerspitzen die Runen entlang, die in den abgegriffenen Einband geprägt waren. Als Rabastan auf seinen fragenden Blick hin aufmunternd nickte, öffnete Barty das Buch. Sein Magen verkrampfte sich beim Anblick des verbotenen Wissens. Begierig überflog Barty das Inhaltsverzeichnis und begann in den pergamentenen Seiten zu blättern, als auf einmal ein schwarzer Umschlag heraus rutschte. Überrascht klappte Barty das Buch wieder zu und griff nach dem Fund. „Und das wäre eine Einladung, die du bekommen solltest“, kommentierte Rabastan, der mit einem amüsierten Lächeln beobachtete, wie Barty mit großen Augen auf seinen in silbernen Lettern geschriebenen Namen starrte. „Von den Malfoys. Nur die reinsten Zauberer sind zu ihrem Fest Ende diesen Jahres eingeladen.“ Hastig verstaute Barty seine Einladung ebenso wie das Buch in seine Tasche, um zu kaschieren, wie er vor Freude fast zitterte. „Vielen Dank“, hauchte er. „Es … es ist mir eine große Freude. Ich werde selbstverständlich die Einladung annehmen!“ „Das musst du mir nicht sagen“, erwiderte Rabastan ungerührt. „Klär das mit den Malfoys ab und pass am besten auf, dass dein Alter davon nichts mitkriegt. Der wird wahrscheinlich ’ne Absage schicken, ehe er den kompletten Brief gelesen hat.“ Barty nickte düster. Das klang ganz nach seinem Vater - wenn er denn Zeit für so etwas hatte. „Ich werde das schon machen.“ „Gut“, meine Rabastan beschwingt, „dann lass uns den Rest der Zeit nutzen und noch ein bisschen was zaubern.“ Bartys Augen leuchteten auf. „Können wir den Imperius-Fluch üben?“, fragte er fast ehrfürchtig. Die leise Stimme in seinem Hinterkopf, die ihn anschrie, wie falsch das Ganze war und dass es furchtbar leichtsinnig war, an diesem Ort die dunklen Künste zu gebrauchen, ignorierte er. Er brannte darauf sich zu verbessern. Und wer wusste schon, wann er wieder die Möglichkeit dazu hatte. Tatsächlich zeigte sich sehr schnell, dass er gut daran tat, diesen Fluch zu üben. „Warum kann das nicht so einfach wie der Cruciatus-Fluch sein?“, beschwerte sich Barty irgendwann, als Rabastan ihn zum wiederholten Male dazu gebracht hatte, irgendwelche lächerlichen Akrobatikübungen zu vollführen. „Du klingst ja fast wie Bella“, meinte Rabastan belustigt. „Da sieht man, bei wem du … Unterricht … genossen hast…“ Seine letzten Worte wurden plötzlich immer leiser und ein merkwürdiger Ausdruck war in Rabastans Gesicht getreten. Fragend sah Barty zu dem älteren Zauberer und beobachtete, wie dieser flüchtig nach dem Ärmel seiner Robe griff und ihn hochschob. Bartys Augen weiteten sich ehrfürchtig beim Anblick der pechschwarzen gewundenen Linien, die das dunkle Mal auf dem linken Unterarm bildeten. Er hatte es einmal kurz bei Regulus gesehen, der es jedoch vorzog, es so gut es ging zu verbergen. Selbst vor Barty. „Ich muss los“, sagte Rabastan knapp. Jegliche Ausgelassenheit war von ihm abgefallen, während er eilig nach seinen Sachen griff. Hastig tat Barty es ihm nach, in seinen Gedanken noch immer bei dem dunklen Mal, das er gerade gesehen hatte. „Rabastan“, rutschte es aus Barty heraus, bevor sie wieder in die eisige Kälte treten würden. Ungeduldig sah der jüngste Lestrange ihn an. Barty war dabei, kostbare Zeit zu vergeuden, doch dass er überhaupt Gehör bekam, bestärkte ihn in seinem Anliegen. „Kannst du … kannst du in Erfahrung bringen, wann ich das nächste Mal wieder kommen kann?“ „Du meinst es wirklich ernst, oder?“ Barty nickte. „Lies dir noch einmal Malfoys Einladung durch und setz dich mit denen in Kontakt.“ Ein seltsames Lächeln umspielte Rabastans Züge, dann trat er eilig in die kalte Winterluft, gefolgt von Barty. „Also dann, Kleiner, man sieht sich“, rief er und disapparierte. Lieber Bartemius Crouch Junior, hiermit sind Sie herzlichst zu unserer jährlichen Feierlichkeiten auf unserem bescheidenen Anwesen eingeladen. Wir bitten um baldige Zusage. Lucius und Narzissa Malfoy Lieber Bartemius Crouch Junior, es ist sehr bedauerlich, dass Sie durch Ihre Familie an diesem Tag verhindert sind. Dennoch sind wir sehr über Ihren Wunsch erfreut, Ihre Familie bei uns vertreten zu wollen. Es ist alles Nötige arrangiert worden und es wäre uns eine Freude, Sie dafür am 28. Dezember in unserem Heim begrüßen zu dürfen. Lucius und Narzissa Malfoy Barty konnte nicht fassen, was er da las. Die Worte schienen sich in sein Gedächtnis eingebrannt zu haben, so oft hatte er sie bereits gelesen und doch haftete dem Ganzen noch immer etwas Unwirkliches an. Er war eingeladen worden. Trotz seiner Absage wünschte man seine Anwesenheit! Alles Nötige sei dafür arrangiert worden. Mit klopfendem Herzen vergewisserte sich Barty erneut, dass er sich nicht verlesen hatte. Was damit wohl gemeint war? Egal, was es war, Barty konnte nicht erwarten, es herauszufinden. Zwei dunkle Gestalten apparierten in der weiten Schneelandschaft, die sich vor dem Anwesen der Malfoys erstreckte. Eilig zogen sie los, um die letzten Meter zu bewältigen und aus der eisigen Kälte zu kommen. „Sind viele da?“, fragte Barty atemlos, während er ehrfürchtig auf das prachtvolle, steinerne Gemäuer sah, das sich vor ihm aus der Dunkelheit erhob. Regulus murmelte etwas und das eiserne Tor öffnete sich für sie. „Viele wichtige Zauberer“, antwortete Regulus und blieb kurz stehen. „Mich überrascht es immer noch, dass du kommen solltest.“ „Warum?“, entgegnete Barty mit einem Anflug von Trotz. „Ich vertrete die Familie Crouch!“ Regulus schüttelte den Kopf. Eine weiße Atemwolke folgte dieser Bewegung, als er sein Auflachen zu unterdrücken versuchte. „Sei nicht so naiv. Die Festlichkeiten waren vor ein paar Tagen.“ Ein Kribbeln regte sich in Bartys Magengegend und er spürte ein Triumphgefühl in sich aufwallen. Also hatte er vielleicht recht mit seiner Vermutung. Es ging nicht bloß um eine traditionelle Familienfeier, sondern um mehr … Dennoch versuchte er sich zusammenzureißen und sich keine allzu falschen Hoffnungen zu machen. Ein Hauself öffnete ihnen schließlich. Vorsichtig folgte Barty Regulus in die große Eingangshalle. „Wenn die Herren Dobby bitte folgen würden“, piepste der Elf mit einer ergebenen Verbeugung und lief voraus. Neugierig wanderte Bartys Blick durch die pompöse Halle, deren Boden aus teuerem Marmor zu bestehen schien und in der mehrere gewundene Säulen die Decke stützten. Sie stiegen eine große Treppe in den ersten Stock hinauf. Barty glaubte gedämpfte Stimmen zu hören und spitzte die Ohren in der Hoffnung, Worte heraus hören zu können. Gelächter mischte sich unter die lauter werdenden Stimmen. Dann hatten sie eine dunkle Holztür erreicht, die der Hauself mit einer weiteren Verbeugung für die beiden jungen Zauberer aufstieß. Barty fühlte sich wie auf dem Präsentierteller. Sein Blick huschte verunsichert über die vielen unbekannten Gesichter, die auf die beiden Neuankömmlinge starrten, bis er auf einmal den vertrauten Anblick von Evan Rosier entdeckte, der ihm mit einem anerkennenden Lächeln zunickte. „Regulus“, erklang eine klare Frauenstimme neben ihm, „und Bartemius, ich freue mich, dass ihr beide kommen konntet.“ Regulus schenkte seiner Cousine, die sofort auf sie zugeeilt kam, ein Lächeln, während Barty höflich die ihm dargebotene Hand nahm. „Die Freude ist ganz meinerseits“, sagte er, „danke für die Einladung.“ Ein Mann mit längeren hellblonden Haaren war neben Narzissa getreten. Barty erkannte sofort, dass es sich dabei um Lucius Malfoy, seinem Gastgeber, handelte. Er war ihm mehrere Male begegnet - einmal sogar in seinem eigenen Zuhause als sein Vater für wichtige Mitglieder des Zaubereiministerium ein Dinner gegeben hatte. „Bartemius Crouch Junior“, sagte er kühl, „schön dass du kommen konntest.“ Barty nickte nur. Sein Vater konnte Malfoy nicht ausstehen, was auf Gegenseitigkeit beruhte und ein Blick in das arrogante Gesicht verriet Barty, dass Lucius ebenfalls nicht sonderlich viel von ihm zu halten schien. Grimmige Entschlossenheit wallte plötzlich in Barty auf. Ihm würde er es zeigen! Er war nicht sein Vater und genauso wenig würde er nutzlos sein. Nach einem flüchtigen Austausch weiterer Höflichkeitsfloskeln schenkte Barty seine Aufmerksamkeit seiner Umgebung. Er befand sich in einem festlich hergerichteten Salon, in dem in Form von mehreren Sofas und Sesseln Sitzmöglichkeiten für die geladenen Gäste geboten wurden. Überall in dem großen Raum verteilt befanden sich auf Tischen und Kommoden kleine Buffets, an denen jeder nach Belieben zugreifen konnte. „Ich hab dich schon lange nicht mehr gesehen, Barty. Was macht Hogwarts so?“, sagte auf einmal Evan Rosier, der sich zu ihm gesellt hatte. Mit einer Mischung aus Überraschung und Erleichterung wandte sich Barty dem ehemaligen Vertrauensschüler von Slytherin zu. „Ganz gut“, meinte er. „Ohne euch ist es irgendwie langweiliger geworden.“ Evan grinste. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dich heute Abend hier zu sehen. Hat Regulus dich etwa mitgeschleppt?“ „Ich wurde eingeladen“, erklärte Barty schlicht. „Eingeladen?“ Evan zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Ja, warum auch nicht?“ Etwas verunsichert blickte Barty zu den anderen Gestalten, die sich in dem Raum verteilt hatten. Viele Gesichter kamen ihm vollkommen unbekannt vor, manche glaubte er schon einmal gesehen zu haben - wahrscheinlich im Tagespropheten - und andere, ganz wenige kannte er tatsächlich. Es kam ihm nichts daran falsch vor, heute an diesem Ort zu sein. Im Gegenteil es fühlte sich richtig an, es machte ihn wichtig. Er gehörte dazu. Plötzlich hatte Rabastan ihn entdeckt und löste sich von dem Gespräch, das er gerade mit zwei Zauberern geführt hatte. „Barty!“, rief er gut gelaunt. „Freut mich, dass du’s doch noch geschafft hast, ich hatte schon Sorge, dein Alter würde dir komplett einen Strich durch die Rechnung machen.“ Barty schnaubte verächtlich. „Der ist im Ministerium beschäftigt, dem wird nie im Leben auffallen, dass ich nicht da war und interessieren tut’s den auch nicht.“ „Das ist gut. Was hältst du übrigens von dem Buch, das ich dir gegeben habe…?“ Jegliche Anspannung war von Barty abgefallen. Unbeschwert vertiefte er sich in eine Unterhaltung mit Rabastan, Evan und Regulus über die dunklen Künste und bemerkte nicht mehr, wie sich die Zeit an ihm vorbei stahl und der Abend zur Nacht wurde. Die schwere Wanduhr hatte zehn geschlagen, als plötzlich die Tür aufgestoßen wurde und Bellatrix Lestrange auf der Schwelle stand. „Die Party muss nun umziehen, alle herunterkommen!“, kommandierte sie herrisch. Ein Gespräch nach dem anderen verstummte. Barty verfolgte, wie Narzissa zu ihrer Schwester eilte und ihr etwas zuflüsterte. Bellatrix’ knappe Antwort wischte den Ärger in Narzissas Gesicht augenblicklich weg. Sie schien blasser geworden zu sein und nickte bloß. Dann wandte sie sich mit neu aufgesetztem Hochmut an ihre Gäste: „Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, aber anscheinend haben wir heute noch einen Programmpunkt.“ Murmelnd verließen die Anwesenden den Salon, keiner schien zu wissen, was vor sich ging. Auch Regulus schüttelte auf Bartys fragenden Blick hin nur den Kopf. Erst als sie die Treppe erreicht hatten, fanden sie Antwort auf ihre Fragen. Unten im Foyer standen drei dunkle Gestalten, alle in schwarze Roben gekleidet und einer silbernen Maske vor dem Gesicht. Zu ihren Füßen lag ein regungsloser Körper. „Was…“, entfuhr es Barty unwillkürlich und er schluckte. Plötzlich wurde ihm flau im Magen. Er hatte mit vielem gerechnet, er hatte auf vieles gehofft, nicht jedoch auf das, was sich ihm darbot. Vorsichtig folgte er Regulus und Evan Rosier die Treppe hinunter, darauf bedacht, sich im Hintergrund zu halten. Stärker denn je fühlte er sich als Eindringling und wollte so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen. Doch seine Mühe war vergebens. „Crouch“, sagte auf einmal eine dunkle Frauenstimme an seinem Ohr. „Du bist ja tatsächlich gekommen.“ Barty dreht sich langsam zu Bellatrix Lestrange um und schenkte ihr eins der selbstsichersten Lächeln, die er zustande bringen konnte. „Warum hätte ich nicht kommen sollen?“, fragte er mit überraschend fester Stimme. Bellatrix warf den Kopf in den Nacken und lachte. „Guter Junge“, lobte sie. „Gleich wirst du sehen warum.“ Ihre Augen flackerten und ihre schmalen Lippen zierte ein freudiges Grinsen. Dann hatte sie sich wieder abgewandt und zu den drei Gestalten gesellt, die erwartungsvoll der Eingangstür zugewandt waren. Die übrigen Gäste hatten einen Halbkreis um sie gebildet, in dem sich auch Barty befand und wie er zu seiner Beunruhigung feststellen musste, für alle gut zu sehen war. Plötzlich zerriss ein lautes Knarren die Stille und Barty beobachtete, wie die große Tür aufschwang. Eine hochgewachsener Zauberer betrat erhabenen Schrittes das Foyer. Die Enden seiner langen schwarzen Robe flatterten im kalten Nachtwind, der durch die offene Tür herein blies und seine bleiche Haut schimmerte im schwachen Licht des Kronleuchters wächsern. Barty wusste sofort, wer da soeben das Anwesen der Malfoys betreten hatte, auch wenn er ihn nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte: Lord Voldemort. Unwillkürlich tat er es den anderen Anwesenden nach und neigte leicht den Kopf, als der gefürchtete Zauberer zum Stehen kam und hinter ihm die Tür wieder ins Schloss gefallen war. „Ich begrüße euch“, sprach er mit einer kalten, hohen Stimme leise. Er brauchte nicht lauter zu werden. Jedes einzelne Wort drang klar und deutlich durch die große Eingangshalle. „Es freut mich, dass ihr alle heute kommen konntet und ganz besonders freut es mich, dass der Abend von Erfolg gekrönt zu sein scheint.“ „Ja, mein Lord“, antwortete Bellatrix ohne Umschweif, trat einen Schritt aus der Reihe der anderen drei Todesser heraus und ging vor ihrem Herrn in die Knie. „Wir haben saubere und ordentliche Arbeit verrichtet. Ihr hättet diese Blutsverräter schreien hören sollen …“ „Sehr gut, Bellatrix, sehr gut“, sagte der Dunkle Lord, ohne eine Miene zu verziehen und bedeutete ihr mit einer kleinen Handbewegung, sich wieder zu erheben. „Und was haben wir hier?“ Der regungslose Körper begann auf einmal in die Höhe zu steigen. „Antonin, Rodolphus, Severus?“ Die drei Todesser hatten ihre Masken abgenommen und sahen nun zu ihrem Lord, während der Körper noch ein Stückchen höher schwebte, bis er knapp über ihren Köpfen war. Barty bemerkte, wie sich etwas in dem zerschundenen Gesicht der Frau regte. Ihre Augen weiteten sich erschrocken und rollten wild in ihren Höhlen. Aus ihrem aufgerissenen Mund drang jedoch kein Laut. Mit einem mulmigen Gefühl verfolgte er das Geschehen und versuchte unsichtbar zu werden. „Ihr hattet doch nicht etwa…“, begann der Dunkle Lord mit einem Hauch gespielten Tadels in der Stimme, aber sofort lenkte Antonin Dolohow ein: „Natürlich nicht, mein Lord. Wir haben dafür gesorgt, dass alle die größten Schmerzen für ihren Verrat erleiden, bevor wir ihnen ihr unwürdiges Leben genommen haben.“ „Und warum sehe ich dann diesen Schmutzfleck über mir?“ „Mein Lord, das war meine Idee“, wandte Bellatrix ein. Ihre Augen glänzten fanatisch, während ihr Blick von der halbtoten Frau zu Lord Voldemort huschte. „Ich dachte an einen ganz bestimmten Weg, diese dreckige Blutsverräterin zu beseitigen.“ Und plötzlich umspielte auch die Züge des Dunklen Lords ein kleines grausames Lächeln. „Natürlich“, flüsterte er, „eine ausgezeichnete Idee.“ Der Dunkle Lord wirbelte herum, sodass er seine Anhänger einen nach dem anderen ansehen konnte. Barty erschauerte unwillkürlich, als ihn der Blick der katzenhaften Augen streifte. „Wir haben heute einen Gast in unseren Reihen und wie ich mir habe sagen lassen, einen äußerst lerneifrigen Gast.“ Alles gefror in Barty zu Eis. Wie ein Tier in der Falle sah er zu Lord Voldemort, der sich just in diesem Moment zu ihm drehte und ihn direkt ansah. „Willkommen Bartemius Crouch Junior.“ Barty konnte nichts sagen. Sein Hals war trocken und gab seiner Stimme nicht den Hauch einer Chance Worte zu artikulieren. Und doch … und doch spürte er, wie es in seinen Mundwinkeln verräterisch zuckte. Sein Herz schlug schneller beim Anblick der flüchtigen einladenden Armbewegung des Dunklen Lords. Wie von selbst tätigten seine Füße einen Schritt vor den anderen auf seine Lehrmeisterin und Lord Voldemort zu. Fragen überschwemmten sein Denken, kaum dass er stehen geblieben war. Was war nun von ihm erwartet? Was sollte er tun? Sollte er es wagen? Sollte er es sagen? Durfte er das? Einfach so? Sein Körper handelte jedoch ein weiteres Mal unabhängig von seinem Denken. „Mein Lord“, brachte er mit heiserer Stimme hervor und verneigte sich. Ein leichtes Nicken Voldemorts gab ihm zu verstehen, dass er richtig gehandelt hatte. Noch immer mit klopfendem Herzen richtete sich Barty wieder auf. Sein Blick folgte dem des Dunklen Lords zu Bellatrix und der namenlosen Frau. „Ich habe gehört, dass du ein sehr begabter Schüler im Studium der Unverzeihlichen Flüche bist“, sprach Voldemort. „Ich möchte dir hier die Gelegenheit geben, dich zu beweisen.“ Barty schwante, was nun kommen würde. Vorsichtig tastete seine Hand nach seinem Zauberstab. Das Gefühl der glatten Oberfläche auf seinen Fingerspitzen schenkte ihm etwas Beruhigendes und erfüllte ihn mit Zuversicht. Er würde sich beweisen! „Also Barty“, sagte da Bellatrix, „ich habe dir das hier extra mitgebracht, damit du endlich dazu kommen kannst, den Todesfluch auszuprobieren.“ Barty holte tief Luft und versuchte Ruhe zu bewahren. Angst, Zweifel und Euphorie waren fehl am Platz für diesen Moment. Alles, was er tun musste, war sich zu konzentrieren. Er kannte die Formel. Er hatte von ihr gehört und über sie gelesen. Zwei Worte, ein gezielter Schwenk mit seinem Zauberstab, dann würde er sich bewiesen haben. Dann hätte er jemanden getötet … „Danke“, entgegnete er mit schwacher Stimme und heftete den Blick fest auf den schwebenden Körper. „Es ist mir eine Ehre.“ Langsam hob er den Zauberstab. Sein Kopf war leer, seine Haltung entschlossen. „Avada Kedavra!“ Ein grüner Lichtblitz schoss aus der Spitze seines Zauberstabs und bohrte sich in die Frau. Sofort konnte Barty mitansehen, wie jegliches Leiden aus ihren Gesichtszügen zu einer Grimasse des Schmerz erstarrte. Ihr Blick war gebrochen, ihr Leben ausgehaucht. Voller Genugtuung starrte er auf sein Werk, dann sah er zu Bellatrix. „Ausgezeichnet Junge!“, rief sie. „Du machst deiner Familie alle Ehre.“ Danach wagte es Barty sich Lord Voldemort zuzuwenden. Er spürte, wie sich der Triumph einen Weg in sein Gesicht suchte und rang damit, stattdessen ehrerbietig zu Boden zu sehen. „Mein Lord“, wiederholte er in Ermanglung der richtigen Worte. Er hatte getan, was von ihm verlangt worden war. Und auch wenn ihm die Aufmerksamkeit gefiel, wusste er nicht damit umzugehen und fühlte sich unbehaglich bei den mehr als zwanzig Augenpaaren, die auf ihm ruhten. „Ein sehr schöner Zauber für den Anfang ich hoffe, ich werde noch mehr solcher Art sehen.“ Damit war Barty entlassen. Wie im Traum, schien es ihm, wandelte er zurück zu seinem Platz neben Regulus. Alles war mit einem Mal so unwirklich. Er verfolgte, wie der Leichnam schließlich verbrannt wurde. Er nahm am Tisch Platz fern von Lord Voldemort, verlor sich in Gesprächen, lachte und versuchte noch immer zu begreifen, was geschehen war. Er fühlte sich trunken vor Glück. Vor Erfolg. Vor Triumph. Barty erwachte aus einem tiefen, traumlosen Schlaf. Für einen kurzen Moment blieb er einfach liegen und genoss die Erinnerungen an vergangene Nacht, die allmählich wieder in ihm empor krochen. Der anstehende Tag schien so furchtbar bedeutungslos; wenn er gekonnt hätte, würde er sich einfach wieder aufmachen zu den Leuten, zu denen er sich zugehörig fühlte. Doch das musste warten. In Gedanken war er noch immer bei seiner Begegnung mit dem Dunklen Lord, als er die Treppen hinunter lief. Erst im Flur, der ihn ins Wohnzimmer führte, wurde ihm bewusst, das es angebracht sein konnte, sich etwas zurückzuhalten. Würde es nicht Misstrauen erwecken, wenn er so voll guter Laune den Tag anfing? Aber Bartys Grübeleien, beantwortete sich von selbst, kaum dass er das Wohnzimmer betreten hatte. Seine Eltern saßen am Tisch; vor ihnen lag der Tagesprophet ausgebreitet und beide schienen in eine ernste Diskussion vertieft. „…nicht so weitergehen!“, beendete sein Vater gerade mit lauter Stimme seinen Satz, als seine Mutter das Eintreten ihres Sohns bemerkte. „Guten Morgen, Barty“, sagte sie. Barty erkannte sofort, dass etwas nicht stimmte. Der erzwungene unbekümmerte Tonfall seiner Mutter konnte ihn nicht trügen. Vorsichtig näherte er sich seinen Eltern und nahm am Kopfende des Tisches Platz. Sein Vater sagte nichts. Das übermüdete Gesicht war zu einer wütenden Grimasse verzerrt. Tatsächlich deutete nichts darauf hin, dass er das Eintreten seines Sohns überhaupt zur Kenntnis genommen hatte. „Guten Morgen“, sagte Barty in das Schweigen hinein. „Ist irgendetwas?“, fügte er hinzu, nachdem sich niemand dazu berufen gefühlt hatte, ihm zu antworten. Sein Vater sah auf und musterte seinen Sohn, als handelte es sich bei ihm um irgendeinen lästigen Eindringling, der das Gespräch mit seiner Frau störte. „Deine Mutter und ich haben beschlossen, dass du heute Abend noch nach Hogwarts zurückfährst.“ „Was?“, entfuhr es Barty ungläubig. Fassungslos sah er zu seinen Eltern und versuchte zu begreifen, was gerade vor sich ging. „Aber … aber warum? Die Ferien sind doch noch gar nicht zu Ende. Ich will noch nicht zurück…“ „Ruhe“, schnauzte sein Vater ihn an. „Du fährst heute Abend zurück, verstanden? Das ist das Beste für dich.“ Mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Ärger sah Barty zu seinem Vater. Was sollte das plötzlich? Er wollte noch nicht zurück! Er hatte mit Rabastan ausgemacht, dass sie sich vor seiner Rückkehr nach Hogwarts noch einmal treffen würden, aber das konnte er nicht, wenn er schon wieder auf diesem alten Schloss herumhocken musste. „Wieso?“, war letztlich alles, das Barty herausbrachte. „Es ist zu deiner Sicherheit“, erklärte da seine Mutter und beugte sich zu ihm, um verständnisvoll nach seiner Hand zu greifen. „Dein Vater und ich glauben, dass du auf Hogwarts am besten aufgehoben bist im Moment …“ Barty verstand die Welt nicht mehr. Verwirrt entzog er seine Hand wieder der fürsorglichen Berührung seiner Mutter und sah nach Antworten verlangend zu seinem Vater. Für den jedoch schien sich die Sache erledigt zu sein. Er hatte seinen Befehl gegeben und den musste Barty jetzt befolgen. Er hasste es! Er hasste es abgrundtief. Eines Tages, da würde er … Plötzlich fiel Bartys Blick auf den Tagespropheten, der noch immer aufgeschlagen auf dem Tisch lag. Ehe seine Eltern eingreifen konnten, hatte er ihn sich geschnappt. Grausame Morde erschüttern Zauberergesellschaft hieß es auf der Titelseite. Eigentlich musste Barty nicht mehr weiterlesen, um zu wissen, worum es ging, doch konnte er seine Augen nicht mehr von dem Artikel abwenden. Um kurz vor elf fand gestern Nacht eine Gruppe von Auroren die Familie Davis tot in ihrem Zuhause auf, nachdem Meldung von einem grünen Mal das Ministerium ereilt hatte. Der Verbleib von der Mutter Eliza Davis ist noch unklar. Dennoch liegt die Vermutung nahe, dass auch sie Opfer des grausamen Angriffs war, wie Auror Alastor Moody bestätigte. Die Familie Davis ist seit jeher für ihre Aufgeschlossenheit Muggeln gegenüber bekannt… Mit blassem Gesicht sah Barty von dem Artikel auf. „Wollt ihr mich deswegen zurück nach Hogwarts schicken?“, fragte er mit belegter Stimme. Er wollte nicht daran denken, dass er genauestens wusste, was aus dem Verbleib von Mrs Davis geworden war. Seine Mutter nickte. „Es ist …“ „Es ist nicht sicherer“, unterbrach sie Barty und warf die Zeitung wieder zurück auf den Tisch. „Es ist nicht das erste Mal, dass diese Todesser irgendwen angreifen.“ Trotz und Verzweiflung schlich sich in seine Stimme. Er verstand nicht, warum auf einmal so ein großes Thema daraus gemacht wurde, wenn doch schon vorher ähnliche Vorfälle passiert waren. „Bisher“, erwiderte sein Vater düster. „In den letzten Monaten ist dieses Pack immer gefährlicher geworden und das“, sein Vater deutete auf den Artikel, „treibt das Ganze auf die Spitze! Ich werde nicht mehr untätig dastehen und lesen, wie weitere Unschuldige ermordet werden!“ „Und was hat das mit mir zu tun?“, fragte Barty vorsichtig. „Barty, ich möchte dich in Sicherheit wissen. Dumbledore und das Zaubereiministerium arbeiten im Moment eng zusammen für weitere Schutzmaßnahmen. Außerdem siehst du so deine ganzen Freunde eher. Ich dachte, das gefällt dir, dann musst du niemanden mehr besuchen gehen“, erklärte seine Mutter. Tiefe Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben. Nachdenklich sah Barty zu seinen Eltern und versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Seine Euphorie war in sich zusammengefallen und hatte Wut und Angst Platz gemacht. Er wollte nicht daran denken, was passieren würde, wenn herauskam, was mit Eliza Davis passiert war. Genauso wenig wollte er akzeptieren, dass alles vorbei war, dass er schon wieder sein langweiliges Dasein auf Hogwarts antreten musste. Aber was hatte er für eine Wahl? „In Ordnung“, brummte Barty schließlich. „Ich gehe dann mal packen.“ Missmutig erhob er sich und strebte den Weg Richtung Zimmer an. Im Flur blieb er jedoch noch einmal stehen, als er erneut die Stimmen seiner Eltern hörte. „Ich kann immer noch nicht fassen, dass es ausgerechnet sie getroffen hat“, erklang die zittrige Stimme seiner Mutter. „Sie haben doch niemandem was getan!“ „Darum geht es diesen Reinblutfanatikern nicht“, antwortete sein Vater grimmig. „Es ist nur eine Frage der Zeit, da wird es weitere Opfer wie die Davis’ geben. Aber das werde ich verhindern. Und wenn ich dafür jeden Einzelnen dieser verdammten Todesser nach Askaban schleifen muss!“ „Ich hoffe, dass du das nicht tun musst, Liebling.“ „Wahrscheinlich wird mir keine andere Wahl bleiben“, antwortete Mr Crouch. „Ich werde jetzt erst einmal ins Ministerium gehen und mit Moody besprechen, wie wir weiter vorgehen werden. Vielleicht haben wir ja Glück und können immerhin noch Eliza finden. Kümmere du dich darum, dass Barty nach Hogwarts kommt, ja?“ Mit einem Schnauben befand Barty, dass er genug gehört hatte und wandte sich ab. Wie wichtig sich sein Vater fühlte! Wie er glaubte, alles unter Kontrolle zu haben. Alles … Ein finsteres Grinsen erschien in seinem Gesicht. Aber nicht mehr lange. Von nun an würde er dafür sorgen, dass ihm allmählich die Kontrolle entglitt. Epilog: Epilog -------------- Herbst 1980 Der lange kräftige Körper einer Schlange wand sich über den steinernen Boden und glitt durch den flackernden Schein des Feuers auf ihren Herrn zu. Bleiche, dürre Finger strichen flüchtig über ihren schuppigen Leib, dann ruhte die Aufmerksamkeit Lord Voldemorts wieder auf der einsamen Gestalt, die vor ihm kniete. Es war ein Junge von knapp achtzehn Jahren. Das strohblonde Haar fiel ihm in das sommersprossige Gesicht, so tief hatte er den Kopf geneigt. „Steh auf, mein Junge“, forderte er ihn auf. Bartemius Crouch Junior tat, wie ihm geheißen. Etwas unsicher stand er nun in dem riesigen Raum und sah ehrfürchtig zu seinem Herrn, der erhaben aus den Schatten zu wachsen schien. Dennoch wagte der junge Todesser es kaum, in das schlangenhafte Antlitz zu blicken und suchte stattdessen nach Punkten, die sich aus dem spärlichen Licht hervortaten. Es war das vierte Mal, das er seinem Herrn leibhaftig gegenüberstand und das erste Mal, das dies unter vier Augen geschah. „Ich habe mir sagen lassen, dass du bereits wertvolle Dienste für mich verrichtet hast“, fuhr Lord Voldemort mit seiner hohen kalten Stimme fort. „Es ist mir immer wieder eine große Freude, jemand so Begabtes in meinen Reihen begrüßen zu dürfen.“ Barty schluckte. Sein Verstand mühte sich vergebens darum, die volle Bedeutung der gerade gesprochenen Worte zu erfassen. Er wusste, dass, wenn er es zulassen würde, alles in ihm jubilieren würde. Euphorie würde einem Feuerwerk gleich in ihm explodieren und ihn jeglichen klaren Gedankens berauben. Aber das konnte er nicht zulassen. Nicht vor seinem Herrn. Nicht wenn es um ernste Angelegenheiten ging! „Ich danke Euch, mein Herr“, brachte Barty mit belegter Stimme heraus und neigte erneut den Kopf. „Es ist mir eine Freude, mein Können in Eure Dienste zu stellen.“ „Das weiß ich, Bartemius.“ Etwas an diesen Worten ließ Barty aufschauen. Sein Blick traf den Lord Voldemorts. Er fühlte sich wie erstarrt, alles in ihm rang nach Worte, Worte, die ausdrücken konnten… mit denen er sich artikulieren konnte. Aber es ging nicht. Er stand einfach da und sah zu seinem Herr und Meister. „Crouch“, sagte Voldemort leise. „Ein Name, der für großes Missfallen unter meinen treuen Anhängern sorgt. Ein Name, der eigentlich für eine lange Tradition reinblütiger Zauberer steht.“ Barty wusste nicht, was er sagen sollte. Er wusste, um wen es ging und er spürte Abscheu in sich aufsteigen. Es war eine Schande, dass sein Name so sehr in Verruf geraten war! „Herr“, sagte er und merkte kaum, wie seine Stimme leicht bebte, „ich werde alles tun, um zu beweisen, dass ich Euren Reihen würdig bin.“ „Das weiß ich“, sprach Voldemort mit einem selbstzufriedenen Lächeln in der Stimme. „Schon jetzt besetzt du einen der wichtigsten Posten in meinem Kampf gegen die fehlgeleiteten Muggelfreunde und stellst dich dabei äußerst geschickt an.“ Bartys Herz schlug schneller. Diesmal konnte er nicht verhindern, wie ein grimmiges Lächeln seinen Mund umspielte. „Ich werde alles tun, um meinem Vater den Untergang zu bringen“, sagte er mit fester Stimme. „Ich werde ihn vernichten.“ Geradezu wohlwollend blickte Lord Voldemort auf Bartemius Crouch Junior und schritt dann nachdenklich die kunstvoll verzierte Kaminfront entlang. „Weißt du, Bartemius, ich kenne deine Schmach.“ Verwundert sah Barty zu seinem Herrn. „Auch ich hatte das Unglück, nach meinem unwürdigen Vater benannt worden zu sein.“ Etwas schnürte sich in Barty zusammen. Konnte es sein? Konnte es wirklich sein, dass er das gleiche Schicksal wie Lord Voldemort teilte, dass er endlich jemandem gegenüberstand, der ihn verstand? Voldemort wandte sich ihm wieder zu. Sein Mund umspielte ein freudloses Lächeln und die roten Augen schimmerten kalt, als er sagte: „Ich habe meinen Vater getötet und mit ihm diesen elenden Namen begraben, den man mir gegeben hatte.“ Gebannt sah Barty zu seinem Herrn. Dieses Wissen, dieses Vertrauen, das ihm entgegen gebracht wurde, beflügelte ihn. Es war wie ein Rausch, diese Worte zu hören. „Wenn die Zeit reif ist, werde ich auch dir die Möglichkeit geben, deinen Namen von diesem Schandfleck reinzuwaschen.“ Ein Grinsen verzog Bartys Mund, das er dieses Mal nicht unterdrückte. „Ich danke Euch, mein Herr“, hauchte er und spürte, wie Euphorie durch jede einzelne Faser seines Körpers schoss, „ich werde Euch nicht enttäuschen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)