Taijiya !? von Mimiteh (Kurzgeschichte zu "☾ Mikadzuki") ================================================================================ Kapitel 5: Taijiya ------------------ „Hier“ Kohaku reichte Sachio und der jungen Frau seine Decke. Für heute Nacht mussten sie sich irgendwie behelfen und da war es wichtiger, dass die beiden ‚Gäste‘ der Gruppe sich nicht erkälteten. Sie anderen waren das Übernachten im Freien gewohnt, wie waren etwas abgehärteter. Und es war ja auch schon Frühsommer, wirklich kalt wurde es nicht mehr, schon gar nicht so weit im Süden von Japan. Dankbar nahm Sachio die Decke entgegen. Koume hatte derweil das letzte, übriggebliebene Proviant gesichtet. „Es ist wenig. Morgen, wenn es heller ist, werden wir in der Umgebung etwas suchen können, aber ich fürchte, heute Abend müssen wir hungern. Schau: Ein paar Fetzen Gemüse und ein paar Wurzeln. Kein Reis, keine Hirse, kein Fisch“ Sie seufzte etwas. Kohaku zuckte die Schultern. „Bis morgen werden wir es wohl überleben“, kommentierte er nur, während er ein paar neue Äste ins Feuer legte. Gierig leckten die Flammen daran. „Wo ist Sango eigentlich?“, fragte Koume da, die den kümmerlichen Essensrest beiseite gepackt hatte. „Mit Miroku unterwegs, nehme ich an. Sie werden etwas für sich sein wollen“, antwortete Kohaku nur und stocherte mit einem bereits angekohlten Zweig in der Glut, um das Feuer noch etwas anzufachen. „Allein?“, fragte Sachio nach, der die Zweideutigkeit offensichtlich nicht ganz mitbekommen hatte. Kohaku nickte ohne aufzublicken. „Warum nicht? Sie sind schließlich verheiratet“ Jetzt wollte Sachio es genau wissen: „Verheiratet? Aber ein Mönch…“ Kohaku lachte leise auf. „Kein Hinderungsgrund. Und abgesehen davon kann unsereins ganz froh sein, dass mein Herr Schwager sich inzwischen nur noch für Sango interessiert. Das war früher einmal anders. Miroku kann ein richtiger Frauenheld sein“ „Das kenne ich…“, murmelte die Frau neben Sachio, die sich bisher still verhalten hatte. Sie behielt den Kopf gesenkt, sodass ihre Miene im Dämmerlicht nicht zu erkennen war. Sachio nickte leicht, ein Seufzen strich über seine Lippen. Koume blickte zwischen den beiden hin und her, dann schmunzelte sie etwas. „Sie ist gar nicht deine Gemahlin, oder, Sachio-san? Zumindest nicht offiziell“, sagte sie dann leise. Sachio zuckte zusammen. Kohaku sah auf, blinzelte sie verwundert an. „Wie kommst du denn darauf?“ „Sie hat Recht“, ließ sich da wieder die Frau vernehmen, leise war ihre Stimme und etwas erstickt. Eine Träne rann über ihre Wange, glitzerte im Feuerschein. Sofort legte Sachio ihr einen Arm um die Schultern, zog sie an sich. Mit dem Daumen der anderen Hand wischte er sanft die Träne beiseite. Dann sah er auf. „Auf der einen Seite sind ihre Brüder in der ganzen Siedlung als Verführer bekannt, es gehen auch Gerüchte um, dass sie schänden. Dementsprechend ist Anzu auch nicht gerade beliebt im Dorf. Der Grund, warum mein Herr Onkel sie nicht für seinen Sohn haben wollte. Kann mir eigentlich ganz Recht sein. Aber leider haben sich die Herren Brüder in den Kopf gesetzt, genau diesen meinen Cousin weichzuklopfen und würden einer anderen Heirat niemals zustimmen. Und ihre Brüder haben das Sagen, so ist das nun einmal“, erklärte er etwas stockend. „Ihre Brüder haben das Sagen? Hat sie keinen Vater?“, fragte Koume nach. Sachio schüttelte den Kopf. „Keine Eltern mehr. Anzu hat nur noch ihre Brüder. Auch wenn die sich nur wie solche verhalten, wenn es darum geht, über sie zu bestimmen“ Koume lächelte mitleidig, als Sachio das Gesicht verzog. Sie verstand. „Noch eine Waise…“, murmelte sie leise vor sich hin. Kohaku wandte den Blick gen Himmel. Mit fragendem Blick nahm Sachio das zur Kenntnis. Koume atmete tief durch. „Kohaku und Sango haben auch nur noch sich. Ihre Eltern sind ebenfalls schon tot“, erklärte sie behutsam. „Meine Mutter starb bei meiner Geburt, da war Sango fünf Jahre alt. Unser Vater hat uns allein aufgezogen, hat uns trainiert und ausgebildet. Er starb während eines Auftrags“, fügte Kohaku hinzu, ohne die Augen vom Himmel zu nehmen. „Das tut mir Leid“, murmelte Sachio. Koume, die Kohakus nachdenkliche Haltung besser kannte, legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter. „Dennoch bist du nicht allein, Kohaku. Sango ist für dich da, wie du für sie. Und das trotz der Kinder“ Und trotz allem was geschehen ist, aber das sagte sie nicht laut. Sie kannte das, was geschehen war, schließlich auch nur aus Erzählungen. Dann sollte sie nicht darüber richten, ob und was für einen Keil das zwischen die Geschwister getrieben hatte. Kohaku wusste das ebenso gut, aber er schwieg. ~*~ Am nächsten Morgen brachen sie das Lager früh ab. Sie wussten nicht, was aus dem Dorf geworden war, sie wussten nicht, ob man Sachio oder seine ‚inoffizielle‘ Gemahlin vielleicht suchen würde. Um Konflikte zu vermeiden, sollten sie besser hier weg. Da sprang Kirara plötzlich auf, breitbeinig und mit gesträubtem Fell stand sie da und fauchte. Die Freunde nahmen das als die Warnung, die es war. Da kam jemand. „Sachio, Anzu, bleibt zurück“, sagte Kohaku nur, während er bereits in seinen Rücken fasste, die Kusarigama aber noch nicht hervorzog. Ein Blick richtung Miroku hatte gereicht, um ihm klar zu machen, dass sich dort keine Dämonen näherten. Der Mönch hätte so etwas als Erster gespürt, er war am empfindlichsten dafür. Tatsächlich waren es zwei Menschen, junge Männer, die aus dem Gebüsch kamen. Als sie der Gruppe ansichtig wurden, zeigten beide sofort die Handflächen. Keine Waffe in der Hand. Aber hieß das, dass sie in friedlicher Absicht kamen? „Ryozo? Taki?“, ließ sich da Sachio sichtlich überrascht vernehmen. Er kam nach vorne, stellte sich neben Kohaku. „Sachio! Wie bist du denn davon gekommen?“, fragte einer der beiden perplex. „Die vier hier haben mich gerettet. Mich und Anzu“, sagte er schlicht. „Anzu?“, kam die lauernde Gegenfrage. Sachio lächelte etwas verlegen, antwortete aber nicht. „Erzählt uns jetzt einmal wer, wen wir da vor uns haben?“, mischte sich Sango ein, die Kirara auf den Arm genommen hatte. Ebenso wie die Nekomata blickte sie etwas skeptisch drein. Sachio zuckte leicht zusammen. „Oh, ja. Entschuldige bitte. Der Braunhaarige ist mein jüngster Cousin Ryozo. Der andere ist Taki, ein guter Freund von uns beiden“ „Halbcousin“, fügte der Braunhaarige der Neuankömmlinge hinzu und kam nun langsam näher. Keiner stellte sich ihm und seinem Begleiter in den Weg. Alle warteten bloß ab. Der Ryozo genannte blickte ernster drein. „Das halbe Dorf ist dem Erdboden gleichgemacht, Sachio. Und mein Vater ist tot, Ryoichi hat nun das Sagen“ Sachio riss die Augen auf. „Onkel…“, murmelte er nur leise, aber sein Gesichtsausdruck zeigte, dass er mit sich haderte. Wirklich zu trauern schien er nicht. Miroku sah mit gegen die Sonne zusammengekniffenen Augen zum Himmel. „Wir sollten aufbrechen, Sachio“, mischte er sich ein. Sachio schreckte auf. „Ihr… wollt uns wirklich mitnehmen?“ „Warum sollten wir euch sonst aus dem Kampfgetümmel geholt haben, hm?“, fragte Kohaku zurück und grinste sogar etwas. Sachios Strahlen war Antwort genug. Da riss ihn Taki aus seiner Freunde. „Wie heißt er?“, fragte er mit gedämpfter Stimme, während er Sangos Bruder ansah. „Kohaku“, gab Sachio zurück. „Nun… Kohaku-san…“, setzte Taki an und blickte dann zu Ryozo, der ihm nur zunickte. „Dürfen wir uns… vielleicht anschließen?“, fragte er zögernd nach. Kohaku blinzelte überrascht, dann wechselte er einen Blick mit Sango, dann mit Miroku. Beide wirkten gleichermaßen erstaunt. „Ihr wisst, was wir sind?“, wollte Sango absichernd wissen. Ryozo nickte. „Wahre Taijiya. Dämonenjäger. Das…“, und jetzt zögerte er kurz, „… das, was wir auch einmal waren. Vor Jahrhunderten, als unser Volk begründet wurde“ „Du weißt, dass es so war?“, wollte Miroku interessiert wissen. Ryozo nickte mit leicht verlegenem Gesichtsausdruck. „Anscheinend wird die wahre Geschichte und die Bedeutung der Waffen, die im Haus des Dorfvorstehers lagern, nur dem jeweiligen Erben während dessen Ausbildung erzählt. Ich… ich habe gelauscht, wenn ich ehrlich bin. Ich wollte wissen, was mein Bruder… Halbbruder für Geheimnisse vor mir hat“ „Das heißt?“, mischte Kohaku sich wieder ein. „Das heißt, dass wir einmal als Volk von Dämonenjägern gegründet wurden. Aber vor so einigen Generationen meinte ein Anführer wohl, dass es lukrativer war, Menschen zu jagen und gegen Kopfgeld zu töten. So wurden wir eine Art Assassinen. Die Waffen in Anführerhaus sind die übriggebliebenen jener letzten Dämonenjägergeneration, wenn man so will“, erklärte Ryozo knapp. Miroku nickte nachdenklich. „Und ihr wollt wieder zurück zu diesem echten Taijiya-Stand?“ Taki nickte. „Nehmt uns mit zu eurem Volk, damit wir richtig ausgebildet werden können. Das ist unser Wunsch“, fasste er zusammen, sichtlich verständnislos, als seine Worte bei Sango und den anderen etwas beklommene Gesichtsausdrücke hervorriefen. Schließlich riss Sango sich zusammen. „Ehrlich gesagt… auch wir haben euch nicht ganz die Wahrheit gesagt“, sagte sie fast tonlos. Kohaku fuhr fort, als ihre Stimme versagte und sie den Kopf senkte: „Es gibt kein Volk der Taijiya weiter im Norden. Wir sind das Volk der Taijiya. Sango und ich sind die letzten Überlebenden, Koume unsere einzige Auszubildende“ Damit sah auch er gen Boden. Die Angesprochenen sogen scharf die Luft ein. „Nur… ihr drei?“, vergewisserte Sachio sich. Miroku nickte. Er sah kurz zwischen Sango und Kohaku hin und her, ehe er fortfuhr: „Weiter im Norden gab es bis vor ein paar Jahren ein dämonisches Ungeheuer namens Naraku. Aus unterschiedlichen Gründen hatte er es sowohl auf mich, als auch auf Sangos Dorf und auf einige andere abgesehen. Durch seinen infamen Plan gingen Beziehungen zu Bruch, wurden Leben zerstört – und Sangos Dorf ausgelöscht. Kohaku und sie sind die einzigen Überlebenden. Das Schicksal führte uns und einige andere zusammen und es gelang uns, Naraku zu besiegen. Aber die einzigen hier, die im Blute Taijiya sind, sind die beiden hier“ Für einen Moment herrschte Stille. „Was… wolltet ihr denn dann bei uns?“, wollte Sachio schließlich wissen. Kohaku lachte trocken auf, wie Sachio das schon von ihm kannte. „Wie wir sagten; Erfahrungen austauschen. Meine Schwester und ich, wir können nur schwer damit leben, dass die Taijiya nicht mehr sind. Wir hatten gehofft, bei euch etwas lernen zu können und vielleicht Leute unter euch zu finden, jüngere Söhne zum Beispiel, die nichts erben können, die bereits sind, mit uns zu kommen und sich ein neues Leben fernab der Verwandten aufzubauen“, sagte er schlicht. Ja. Das war ihr ursprünglicher Plan gewesen. Und der war dann wohl gescheitert. Aber… „Wir sind dazu bereit“, ließ Taki sich vernehmen. Ruckartig blickte Kohaku auf. „Was?“, fragte nun er. „Wir sind dazu bereit. Wir wollen mit euch gehen“, wiederholte Ryozo, was sein Freund gesagt hatte und ein Leuchten zog durch Kohakus, wie auch durch Sangos Augen. Das war zu schön um wahr zu sein. Sachio trat einen kleinen Schritt vor. Sein Blick war fragend. Und Sango nickte. „Also gut“ Da lächelte der junge Mann und zu Sangos Erstaunen verneigte er sich leicht in ihre Richtung. „Aijin“, sagte er ruhig. Sango riss die Augen auf. Hatte er sie gerade tatsächlich ‚Herrin‘ genannt? Anscheinend, denn die anderen beiden Männer traten nun neben ihn, imitierten seine Geste und seine Ansprache. Dann verneigten sich alle drei auch gen Kohaku: „Senpai“ Herr. ~*~ Fast zwei Wochen später lagerten sie an einem Waldrand, nicht mehr fern von Musashi. Es war bewölkt, kaum Sterne zu erkennen und die einzige Lichtquelle weit und breit war das Lagerfeuer. In einem Dorf auf dem Weg hatten sie neue Decken erstanden – indem Sango und Kohaku den neuen Gruppenmitgliedern schon einmal gezeigt hatten, was von nun an ihr täglich Brot sein würde. Das besagte Dorf war nämlich von zwei Froschdämonen bedroht worden. Damit hatten sie nicht nur die Decken bezahlt, sondern auch gleich Haut und ein paar Knochenstücke behalten, die nun unter Bannsiegeln verborgen mit ihnen reisten. Sobald sie wieder einen festen Wohnort hatten, würden diese Häute als Rohstoff für neue Kampfanzüge herhalten. Die schwarze Stoffkleidung von Sachio und den anderen war fürs Menschenmorden vielleicht zu gebrauchen, hatte den Klauen oder Zähnen eines Dämons aber nichts entgegenzusetzen und war somit ziemlich nutzlos. Daher beließen Sango und Kohaku die zwischenzeitlichen Übungen auch bei Theorie und einfacher Verteidigung gegen nicht nennenswerte Wurmdämonen, weil ein richtiger Übungskampf zu gefährlich hätte werden können. So fühlte sich auch Koume nicht ausgeschlossen, die bei der einfachen Theorie sogar schon mit erklären konnte. Auch wenn sie erst seit zwei Jahren lernte. Gerade beendete Miroku den heutigen Unterricht mit der obligatorischen Frage nach Unklarheiten. Ryozo war es, der ein wenig die Hand hob. „Mal abseits des Themas… eure tierischen Begleiter, ihr sagtet, die beiden sind Nekomata. Also Dämonen. Warum stehen sie auf eurer Seite, hm?“ Sango, die neben ihrem Mann kniete, Kirara auf dem Schoss, hielt inne darin, die kleine Kätzin zu streicheln und sah stattdessen auf. „Wir sind Partner, helfen uns gegenseitig. Weißt du, Dämon ist nicht gleich Dämon, genauso wenig, wie Mensch gleich Mensch ist. Es gibt Dämonen, die können wir jagen. Oni oder schwache Youkai. Das tun wir aber nur, wenn sie uns oder andere Menschen angreifen. Lassen sie uns in Ruhe, so lassen wir sie auch in Ruhe. Dann gibt es Dämonen, die jagen wir nicht, weil sie für das natürliche Gleichgewicht wichtig sind. Dazu zählen die Wächter. Dieses Waldstück hier gehört bereits zu Royakans Gebieten. Er ist auch das beste Beispiel dafür, dass Wächter normalerweise sanftmütig sind. Und dann gibt es starke Youkai, gibt es Daiyoukai. Auch solche werdet ihr noch kennenlernen. Und solche würden wir schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb niemals angreifen oder jagen, denn sie würden uns mit einem Fingerschnippen töten, wenn sie wollten. Die meisten übersehen uns und andere Menschen aber einfach. Und einige wenige von ihnen haben gelernt, auch menschliches Leben zu akzeptieren, sogar mit ihm zusammenzuarbeiten. Aber meistens lebt man nebeneinander her. Nekomata sind dagegen eigentlich keine echten Dämonen. Sie sind urmagische Wesen, wie Bakus auch. Manchmal schließen sie sich uns an, manchmal auch nicht. Zu uns – oder besser zu Koume – gehört zum Beispiel eigentlich noch eine dritte Nekomata. Die hatte sich Koume bereits als Freundin ausgesucht, da war Koume noch ein kleines Kind und hatte mit uns Tajiya rein gar nichts zu tun. Kohaku und ich kennen Kirara, seit wir klein sind. Sie kann verschmust und verspielt sein wie eine tierische Katze, das siehst du hier gerade. Gleichzeitig diente sie bereits unserem Großvater als Kampfpartnerin, ja zog schon vor Jahrhunderten mit einer Miko durch die Lande. Wir Menschen werden bei allem Kontakt mit Dämonen und ähnlichen Lebensformen wohl niemals ganz durchschauen, was welche Einschätzung hervorruft, aber wir können lernen zu unterscheiden. Und das ist ganz wichtig, ihr vier“, erklärte sie ernst. Ryozo war nach einem Moment der erste, der nickte, die anderen taten es ihm nach. „Außerdem…“, fügte Kohaku da mit etwas bitter klingender Stimme hinzu, „… ist es auch möglich mit echten Dämonen auf einer Seite zu stehen, mit Oni auch. Es kommt immer auf die Perspektive an. Ich zum Beispiel bin auch schon auf Oni geritten, weil ich mit ihnen gekämpft habe. Heute würden sie mir niemals gehorchen, denn heute bin ich ihr Gegner. Aber damals standen wir auf ein und derselben Seite – wenn ich auch nicht ganz freiwillig“ Das das noch stark untertrieben war, wussten nur Miroku, Koume und Sango, aber auch die anderen hörten heraus, dass Kohaku ziemlich betrübt war. Überhaupt ahnten sie alle inzwischen, dass Mirokus kurze Zusammenfassung ihrer aller Geschichte so einige Details ausgelassen hatte. Wohlweislich vermutlich. Für einen Moment war Stille am Lagerfeuer, ehe Sango sich auf einmal erhob. „Gegen Abend werden wir das Dorf erreichen, in dem wir bisher gelebt haben. Dann werdet ihr auch den Rest unserer Freunde kennen lernen. Lange werden wir dort nicht bleiben, aber ihr sollt Bescheid wissen. Und jetzt entschuldigt uns, wir müssen noch etwas für uns allein besprechen“ Damit wandte sie sich ab und ging ein paar Schritte am Waldrand entlang, bis zu einem kleinen Tümpel. Die anderen, samt Kirara, folgten ihr und blieben neben ihr stehen. Ein leichter Wind kam auf, kräuselte die Wasseroberfläche und riss die Wolken auseinander, sodass sich Sterne schaukelnd auf der Wasseroberfläche spiegelten. Ein Fisch sprang aus dem Wasser, wohl in der Annahme, die Stern-Spiegelbilder seien schmackhafte Glühwürmchen. Er wurde enttäuscht. Sango beobachtete das Lichtspiel einen Moment lang versonnen, ehe sie die anderen drei anblickte. „Wenn wir zurück sind, bricht ein neues Zeitalter an. Für uns, für das, was einmal die Taijiya waren und für das, was sie einmal wieder sein sollen“, bemerkte sie ernst. Miroku sah sie aufmunternd an: „Mach‘ dir keine so großen Sorgen. Morgen sind wir wieder bei unseren Freunden, morgen sehen wir unsere Kinder wieder und morgen können wir uns auch weiter Gedanken machen“ Kohaku nickte bekräftigend, setzte aber hinzu: „Übrigens… was machen wir eigentlich mit InuYasha? Sie wissen vermutlich nur vom Hören-Sagen, was ein Hanyô ist und außerdem… ich bin mir nicht sicher, ob deine Erklärung gerade ausreichte, ihnen das Unterscheiden von Dämonen wirklich verständlich zu machen, Aneue“ Sango atmete tief durch. „Das fürchte ich auch. Aber ich glaube…“, und ein kurzes Grinsen zuckte über ihre angespannten Züge, „… ich glaube, da ist die Schocktherapie die beste Möglichkeit. Eine kleine Herausforderung für unsere neuen Freunde. Und die heißt ‚Alle auf InuYasha‘“ Kohaku wiegte etwas den Kopf von einer auf die andere Seite. „Meinst du das funktioniert?“, wollte er wissen. „Hast du eine bessere Idee? Wenn wir ihnen lang und breit erklären, was ein Hanyô ist und dass InuYasha zwar sehr stark ist, aber sie keine Angst vor ihm haben sollen, dann fürchten sie sich nur noch mehr. Abgesehen davon… wir haben ihn ja auch im Schockverfahren kennengelernt. Und hat‘s uns geschadet?“ Nun grinste Kohaku auch. Miroku schmunzelte. „Naja, bei mir war ja wohl eher ich der Schock für InuYasha. Immerhin hab‘ ich ihm Kagome weggenommen“ „Nun, das sollten wir besser nicht wiederholen. Wenn jetzt noch jemand ihm Kagome entführt, bezahlt er das endgültig mit dem Leben. Und von den Vieren da hinten hat keiner ein Kazaana“, konterte Kohaku nicht ohne Spott in der Stimme. Und dann lachten sie alle. Als Koume und Kohaku schließlich zum Feuer zurückkehren, blieben Sango und Miroku noch einen Moment am Teichufer zurück. Stumm betrachteten sie das Spiel der Lichtreflexion. Schließlich war es Sango, die leise sprach: „Damals, als Suzuna und Serina bei mir waren, habe ich ihnen gesagt, dass ihr Vater nicht wollte, dass sie kämpfen, sondern dass sie glücklich werden. Ich wusste das, weil mein Vater sich genau das Gleiche für mich gewünscht hätte. ‚Werde ein starker Mensch‘, hat er gesagt. Aber damit meinte er, ich solle hier drin stark werden“ Dabei legte sie eine Hand auf ihr Herz. Miroku legte seine Hand auf ihre. „Das bist du, Sango. Ich habe selten einen Menschen kennengelernt, der so stark ist wie du, es so unbeugsam mit seinem Schicksal aufnimmt“, sagte er leise, aber er wusste, warum Sango wieder einmal mit sich haderte. „Auch ein starker Mensch darf einmal verzweifeln, Sango. Niemand kann alles ertragen. Und schau, was du aus dir gemacht hast. Du hast deinen Bruder wieder. Du hast Familie“ „Und ich habe dich“, fügte sie fast tonlos hinzu, ehe es aus ihr herausbrach: „Aber das ist es ja gerade. Ich komme mir so undankbar vor. Ich habe dich gefunden, ich habe wunderbare Freunde, drei fabelhafte Kinder. Und dennoch hat mir immer etwas gefehlt“ Miroku lächelte nachsichtig. Er zog sie mit sich hinab ins Gras, legte seinen Shakujô beiseite, ehe er sagte: „Du bist du, Sango. Und du bist eine Taijiya. Mit Leib und Seele eine Taijiya. Keiner kann aus seiner Haut. Ich werde wohl bis an mein Lebensende vollkommen anders sein als ein Hoshi vielleicht sein sollte und du könntest niemals glücklich werden, ohne eine Taijiya zu sein und als solche zu leben. So ist das Leben nun einmal. Ich weiß, dass dein Plan hochgegriffen ist, aber wenn er gelingt, kannst du alles miteinander vereinen. Kannst das Leben führen, das du dir immer ersonnen hast, seit du wieder in die Zukunft blicken konntest. Mit deinen Freunden, deinem Bruder, deiner Familie – und als Taijiya“ Ein zaghaftes Lächeln strich über Sangos Züge. Ihr Blick glitt zum Himmel und just in diesem Moment huschte eine Sternschnuppe durch eine Wolkenlücke. Sango atmete tief durch, während sie die Augen schloss. Dann bleibt mir wohl nur, zu wünschen, dass alles glatt geht. Dass ich es schaffe, ihn zu überzeugen. Dass ich mir das Leben zusammenbauen kann, das mir vorschwebt, in dem ich wunschlos glücklich sein kann… Miroku betrachtete ihre entrückte Miene einen Moment lang, ehe er behutsam eine Hand an ihre Wange legte, ihr Gesicht in seine Richtung drehte. Sie brauchten keine Worte, damit er wusste, was ihr Wunsch gewesen war. Er hatte ihn schon vorher gekannt. „Hab‘ Vertrauen, Sango. Wir schaffen das. Und hab‘ Vertrauen in dich. Du bist toll, so wie du bist“ Das letzte Satz sagte er schon wieder weit weniger ernst, als bisher, stattdessen funkelte wieder die ihm so eigene Zweideutigkeit in seinen Augen. Sango, die bisher einfach nur verharrt hatte, schnaubte belustigt, entzog sich ihm aber nicht, als sich vorbeugte und ihre Lippen mit den seinen versiegelte. Stattdessen erwiderte sie den Kuss nur zu gerne. Miroku legte den freien Arm um sie, zog sie näher zu sich, vertiefte den Kuss. Im nächsten Moment war seine Hand schon wieder an ihrer Kehrseite. Ohne die Lider, die sie genießerisch geschlossen hatte, wieder zu öffnen, verdrehte sie die Augen. Er hat ganz Recht. Manches wird sich niemals ändern. Gerade das zeichnet uns aus und darauf sollten wir stolz sein, auch wenn es so seltsame Eigenarten sind, wie die von Miroku. Aber gerade weil er ist, wie er ist, liebe ich ihn ja. Und weil ich bin, wie ich bin, liebe ich mein Leben… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)