Little Moments von Fara_ThoRn (~Kurzgeschichtensammlung~) ================================================================================ Kapitel 13: Das Weihnachts-Massaker ~ Ole und Paul die Zweite ------------------------------------------------------------- Na? Den zweiten Adventssonntag gut überstanden? Und gespannt, wie das Zusammentreffen von Paul und Oles Vater verläuft? Also ich bin es xD Hier die Auflösung. ^^ Viel Spaß dabei. Das Weihnachts-Massaker ~ Ole und Paul die Zweite "Paul?" Wo ist er denn bloß? "Paul?" "Hier." Sein Kopf floppt aus dem Badezimmer hervor. "Was machst du noch? Ich dachte, du bist fertig." Jedenfalls sagte er das vor einer Viertelstunde. Ich laufe zu ihm ins Bad, wo er vor dem Spiegel steht und an seiner Krawatte herumnästelt. "Das Mistding sitzt einfach nicht!", schimpft er. "Warte. Lass mich mal." Ergeben lässt er seufzend die Hände sinken, damit ich das Krawattendilemma wieder richten kann. "Warum bist du denn so nervös? Du kennst meine Familie doch." Auf meinem Geburtstag vor zwei Monaten haben sich alle kennengelernt. "Da liegt doch gar nicht das Problem!", zischt Paul aufgebracht. So habe ich ihn noch nie erlebt. Ich muss nicht lange überlegen, weshalb er so drauf ist. "Du hast mir versprochen nett zu Paps zu sein", erinnere ich ihn. Die beiden treffen sich heute zum zweiten Mal in ihren Leben. Das erste Mal war auf meinem 6ten Geburtstag. Paul war noch nie ein großer Fan von ihm und hat ihn dies auch spüren lassen. In seinen Augen hat mein Paps Ma und mich im Stich gelassen. Was nüchtern betrachtet ja auch stimmt. Doch inzwischen betrachte ich das alles viel gelassener. Pauls Krawatte gerichtet, klopfe ich mit den Handflächen auf seine Brust. "Bereit?" Er nickt. "Jetzt guck nicht so grimmig. Wenn's gar nicht mit Paps klappt, geh ihm einfach aus dem Weg." Mein Schatz nickt abermals. Ich drücke ihm noch einen Kuss auf, ehe ich seine rechte Hand ergreife und hinter mir her ziehe. Bei meiner Mutter ist schon einiges Los. Autos säumen den Gehweg. Alles Verwandte von mir. "Wir sind ganz schön spät", seufze ich und finde erst fünf Häuser weiter eine Parklücke. Schon wieder fummelt Paul an seiner Krawatte herum. "Hör auf damit!" Leicht schlage ich ihm auf die Hände. "Die sitzt hervorragend." "Mit ist heiß", quengelt er. Man könnte meinen, es mit einem Kleinkind zu tun zu haben. Paul kann doch unmöglich so sehr nervös wegen meines Paps sein! Nachdenklich sehe ich ihn an. Seine Kiefermuskeln sind total verspannt. Ich stelle den Motor des Wagens ab und greife nach seiner Hand, die auf seinem Oberschenkel liegt. "Hey. Mach dir keinen Kopf." Paul lächelt hilflos. "So schlimm, dass mein Vater heute auch dabei ist?" Mein Partner atmet tief durch und sieht mich endlich an. "Wenn du wüsstest, welche Existenzängste deine Mutter wegen ihm durchgestanden hat. Und wie sehr es mir das Herz gebrochen hat, immer wieder dein enttäuschtes Gesicht zu sehen, wenn dein Vater mal wieder ein Treffen mit dir nicht einhalten konnte, dann würdest du jetzt bei dem Gedanken, ihm gegenüber zu stehen, auch keine Freudensprünge machen." Ich blinzle ein paar mal perplex. Natürlich hat er recht mit allem, was er gesagt hat. Doch er hat dabei etwas vergessen. Ich drücke seine Hand fester. "Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber du hast mich damals ebenfalls zurückgelassen, als du nach England bist." Paul verzieht reumütig das Gesicht. "Ich weiß, du hattest deine Gründe. Die hatte Paps aber auch." So blöd wie sich das anhört, es stimmt. "Wärst du mein leiblicher Sohn gewesen, wäre ich niemals ohne dich weggezogen." Ich fange an zu grinsen. "Das ist zwar lieb gemeint, und ich glaube dir das sofort, aber um Glück bist du nicht mein leiblicher Vater." Nun grinst auch Paul endlich wieder. "Und soll ich dir noch etwas sagen?" Er nickt. "Wärst du damals geblieben, würden wir ganz sicher jetzt nicht hier sitzen und das machen." Ich beuge mich zu Paul rüber und verschließe seinen Mund mit meinen. Sacht lasse ich meine Zunge zwischen Ober- und Unterlippe gleiten, woraufhin sie sich für mich teilen. Schwer atmend lösen wir uns wieder. "Siehst du? Alles hat seinen Sinn und Zweck", flüstere ich und ringe meine leicht erwachte Libido nieder. "Sieht so aus." Mein Paul lächelt sein von mir so geliebtes Paul-Lächeln, das mich von Anfang an hat schwach werden lassen. "Trotzdem kann ich deinen Erzeuger nicht leiden." Ich seufze. Anscheinend wird mein alter Herr für immer ein Dorn in Pauls Auge sein. "Ach Paul! Ma geht's gut, mir geht's gut ... Nein. Mir geht es hervorragend." Und das verdanke ich nur ihm. "Stress dich nicht wegen meinem Vater. Das ist er nicht wert. Glaub' mir. Diese Lektion musste ich auch lernen. Und seitdem geht es mir viel besser." Paul lächelt mich dankbar an und küsst mich erneut. Leider viel zu kurz. "Na schön. Du hast ja recht. Ich werde mich beherrschen." Na darauf bin ich ja mal gespannt! Besonders weil ich nur zu gut weiß, wie schwer es war, die Flucht vor Familie und Verantwortung - anders kann man das leider nicht nennen - meines Vaters zu akzeptieren. An Paps unsteten Lebensstil konnte ich mich nur schwer gewöhnen. Es war schwer im Alltag ohne Vater dazustehen. Wo alle anderen Jungs in der Schule von den tollen Ausflügen oder Erlebnissen mit ihren Vater erzählen könnten, blieb mir nur zu schweigen und bei Fragen ausweichend zu antworten. Irgendwann, in einer Trotzphase, erzählte ich jedem, mein Vater wäre tot. Das Donnerwetter, als meine Mutter davon erfuhr, könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Das ist das erste und einzige Mal gewesen, wo sie mir eine Schelle verpasst hat. Kurz danach lagen wir uns heulend in den Armen. Einzig ihr habe ich es zu verdanken, dass ich heute locker mit meinem Vater umgehen kann. Sie hat nie ein böses Wort über ihn in meiner Gegenwart verloren. Obwohl sie es wegen ihm ebenfalls schwer hatte und immer versuchte, mir meinen Paps bestmöglich zu ersetzen. Am schwierigsten war das während meiner Pubertät. Ich sage nur erster Bartflaum. Glaubt mir, es gibt nichts schlimmeres, als mit seiner Mutter im Bad zu stehen, während sie einem anhand ihrer Beine versucht zu erklären, wie man sich richtig den Bart rasiert, wobei es doch eins gegeben hätte, das schlimmer gewesen wäre ... Aber daran will ich jetzt beim besten Willen nicht denken! Paul und ich steigen aus und laufen Hand in Hand* auf das Häuschen meiner Mutter zu. Schon vor der Haustür hören wir lautes Gelächter und Unterhaltungen. "Die sind ja schon ganz schön am Feiern", grinst Paul. "Du meinst: ganz schön besoffen." Ich mag nicht wissen wie viel Wein, Punsch und Sekt meine werte Familie schon intus hat. Ich betätige die Klingel. Hinter der Tür poltert es, weiteres Gelächter. Und wie erwartet öffnet mir eine gut angeduselte Ma die Tür. "Liebling! Pauli! Da seid ihr ja endlich! Frohe Weihnachten!" Schon werden wir in die Wohnung geschliffen. "Hey! Guckt mal wer endlich hier ist!", ruft sie in die Runde, als wir das Wohnzimmer betreten. "Frohe Weihnachten!" Ich winke grinsend. "Hallo und frohe Weihnachten", wünscht Paul meiner Idiotenfamilie ebenfalls. Eine große Drück- und Knutscharie folgt. Irgendwer schiebt mir eine Tasse Glühwein in die Hand, Apfelglühwein wie ich erschnuppern kann. Lecker! Paul wird genauso herzlich empfangen. Aus der Anlage neben dem Fernseher dröhnt Jingle Bells Rock von Bobby Helms. Vorn an der langen Fensterfront des Wohnzimmers hat Ma eine lange Festtafel aufgestellt. Dabei habe ich ihr gestern Morgen noch schnell geholfen. Der kitschig bunte Tannenbaum daneben blinkt fröhlich vor sich hin und hinten in der Ecke steht die kleine Grippe, die noch von meinen Uropa stammt. Apropos Opa. "Ma? Wo ist Großmutti?" Großmutti, damit meine ich Ma's Mutter. Also meine Großmutter. "In der Küche. Sie hat das Regime an sich gerissen und kümmert sich um das Essen." Super! Dann wird das Weihnachtsessen mal kein Lotteriespiel. "Danke." Dann werde ich sie mal schnell begrüßen. "Großmuttchen!", trällere ich und betrete die Küche. Meine kleine Oma steht am Herd und rührt in einem der Töpfe herum. Sie dreht den Kopf zu mir und ich muss lachen. Ihre Brille ist beschlagen vom Wasserdampf. "Ole!" Fest ziehe ich sie in meine Arme. "Pass auf. Der Herd ist an", mahnt sie mich, was mich wieder zum Lachen bringt. Typisch Oma. "Wie geht es dir?", frage ich sie. "Gut, gut." "Das freut mich. Und wie geht's Opa?" "Ach. Wie immer." Ihr Blick wird traurig. "Im Januar habe ich zwei Wochen das Lokal geschlossen. Da komme ich euch besuchen." Lächelnd tätschelt sie mir die Wange. "Erschrick aber nicht. Opa sieht aus wie ein anderer Mann." "Nicht schlimm." Ich versuche es mir nicht anmerken zu lassen, wie viel Angst mir ihre Worte machen. Dabei weiß ich ja, wie sehr Opa diese beschissene Demenz verändert hat. Nicht nur geistig, auch körperlich. "Und Katharina? Hilft sie dir auch ordentlich?" Jetzt lacht Oma wieder. Katharina ist Omas Pflegebetreuerin. Seit sie allein ist und nicht mehr so gut kann, hielten wir es für das Beste, ihr etwas Hilfe für den Alltag zu organisieren. Oma hat es sogar richtig gut aufgenommen. Über die Feiertage ist sie bei ihrer Familie, weshalb sich meine Tante um Oma kümmert. Sie wohnt nicht weit entfernt. "Oh ja, das tut sie", antwortet meine Oma. "Stell dir vor, sie hat beschlossen, den Garten wieder auf Vordermann zu bringen." Ihre Augen leuchten. Der Garten ist ihr und Opas ganzer Stolz. Leider hat er arg gelitten die letzten Jahre über. Ma und ich versuchten zwar ein paar Mal den verwilderten Garten zu bändigen, doch vergebens. Ich habe anscheinend Ma's braunen Damen geerbt. "Das ist ja toll. Aber sie soll sich nicht überanstrengen. Wenn was schweres zu machen ist, sag Bescheid." Großmuttchen lächelt und drückt mir einen Schmatzer auf die Wange. "Hey! Und ich?" Paul taucht hinter mir auf. Sofort strahlt meine Oma, als wäre sie wieder ein junges Mädchen und bekommt sogar rosige Wangen. "Paul! Mein Herzensbrecher!" Sie hebt die Hände vor den Mund. "Sieh dich an! So ein galanter, junger Mann! Du bekommst natürlich einen besonders dicken Kuss. ... Ole? Guck mal. Die Kartoffeln Kochen über." Was? Super! Ich darf mich um die sprudelnden Kartoffeln kümmern während Omchen meinen Paul abknutscht. So was ungerechtes! *** "Paul? Hilfst du uns mal?" Ma späht um die Ecke ins Wohnzimmer. "Klar." Schon dampft Paul los in die Küche. "Einen richtigen Kavalier hast du dir da angelacht", kichert Tante Frederike. Wir nennen sie alle nur Frieda. "Ja, habe ich." Dass er eigentlich Ma's 'Entdeckung' ist, verschweige ich. Überhaupt weiß keiner, dass Paul früher mit Ma befreundet war. Von Familienfeiern hat er sich damals immer ferngehalten. Meist wegen Paps. Allein bei meinen Geburtstagen war er immer dabei, wo ihn aber niemand so wirklich auf den Schirm hatte, glaube ich. Oder inzwischen wieder vergessen, was mir ganz recht ist. Ich habe keine große Lust auf lange Erklärungen, auch wenn meine Family zum Glück recht aufgeschlossen ist. "Meine Damen und Herren: Der heutige Ehrengast." Paul trägt den großen Bräter mit der Weihnachtsgans an den langen Esstisch. Ohhh! Ahhh!, ertönt es rings um. Es duftet wirklich köstlich! "Und keine Angst, das Rezept ist von Mutti", lacht meine Mutter, die zusammen mit meiner Oma im Schlepptau Klöße und Soße herein trägt. "Etwas anderes würden wir auch gar nicht essen", lacht Lothar, Friedas Ehemann. Paul stellt die Gans in die Mitte, direkt vor meine Nase. "Magst du?" Meine Mutter reicht ihm das große Drangiermesser. Just in diesem Moment läutet es an der Haustür. Sicher mein Paps. Während meine Mutter zur Tür läuft, nehme ich Paul das lange Messer aus der Hand und lege es neben meinen Teller. Sicher ist sicher. Neugierig schaue ich vorn Richtung Flur. Schon höre ich Paps Stimme. "Gleich wieder da", sage ich in die Runde und stehe auch auf. Bevor wieder das große Hallo anfängt, will ich mit Paps reden. Er weiß noch nichts von Paul und mir. Wahrscheinlich erinnert er sich auch gar nicht mehr an ihn. "Pa!", begrüße ich ihn und umarme meinen alten Herrn, der gerade seine Lederjacke an die Garderobe gehängt hat. "Ole. Wie schön dich wieder zu sehen." "Finde ich auch." Seit Ostern haben wir das nicht mehr. Manchmal telefonieren wir miteinander, aber das auch eher selten. "Lass dich anschauen." Er schiebt mich ein Stück von sich weg und mustert mich. "Gut siehst du aus. Erholt und so ... rosig." "Rosig?" Ma neben uns kichert hell. "Das liegt an Paul. Ole ist wieder in festen Händen." Und das soll mich rosig aussehen lassen?! In diesem Moment, ohne dass Paul und ich ... Ach die spinnen doch! "Du hast wieder einen Freund?" Ich nicke, immer noch perplex wegen meines 'rosigen' Aussehens. "Ist er hier?" "Ja", antwortet meine Mutter. "Das ist ja toll! Endlich lerne ich mal einen deiner Freunde kennen!" Stimmt ja. Paps hat vorher noch nie einen meiner Kerle getroffen. Wann auch? "Los! Stell' ihn mir vor!" Mein Vater stürmt enthusiastisch ins Wohnzimmer. Verdutzt schaue ich ihm nach, bis meine Mutter mich anstubbst. "Du solltest dich beeilen. Ich weiß nicht, ob er Paul noch erkennt." "Und? Wäre das so schlimm?", frage ich sie. "Nun ja ..." Ma druckst herum. "Sag schon!" Ich schiele ins Wohnzimmer. Oma hat meinen Vater gerade in Beschlag. "Paul und er ... Damals auf deinem Geburtstag ..." "Ja was?!" Muss ich ihr alles aus der Nase ziehen? Ma seufzt. "Paul hat deinem Vater eine verpasst." "Was?!" Davon höre ich zum ersten Mal! "Wann?" "Kurz bevor sein Vater gehen wollte. Du warst draußen mit deinen Freunden spielen und Hannes musste los. Seinen Flieger erwischen. Als Paul mitkam, dass er abhauen wollte, ohne sich von dir zu verabschieden, ist er ihm nach. Mir ist fast das Herz stehen geblieben! Sie haben sich übel gestritten. Um was, muss ich dir sicher nicht groß erklären. Es sind sehr unschöne Worte gefallen, bevor es ein Handgemenge gab und dann ... hat's geknallt. Paul hat ihn voll eins auf die Zwölf gegeben." Oh Gott! "Dein Vater ist danach trotzdem gegangen. Und Paul konnte ich gar nicht mehr beruhigen." "Scheiße!" Deshalb war Paul so extrem mies drauf! Ich eile ins Wohnzimmer. Zu spät. Mein Paps hat Paul schon gesichtet, denn er steht direkt vor ihm. "Du?!" Mein Vater hat ihn auf Anhieb erkannt. "Was machst du hier? Ich dachte, du wärst endlich abgehauen." "Paps!" Ich laufe um den Tisch herum, berühre seine Schulter und stelle mich halb vor ihn, baue somit eine Barriere zwischen ihn und Paul. "Setz dich doch erstmal, ja?" Ich spüre seine Anspannung. Seine Augen funkeln wütend. Paul sieht nicht besser aus. Er sitzt zwar noch auf seinem Stuhl, doch ich merke, dass er bereit ist, jederzeit aufzuspringen, wenn nötig. "Komm Papa. Das Essen wird kalt." Als würde ich einen wutschnaubenden Stier vom Torero weg dirigieren, schiebe ich Paps unter den ratlosen Blicken meiner restlichen Familie ans andere Ende des Tisches, wo noch ein freier Platz ist. "Was macht der hier?", zischt er mich an, behält Paul aber weiter fest im Blick. "Du erinnerst dich? Mein Freund. Das ist Paul. Deswegen ist er hier." Ja, vielleicht hätte ich eine beschwichtigendere Antwort geben können, aber er erfährt es ja sowieso. "WAS?!" Der Stier nimmt Anlauf. Lothar, ein Bär von einem Mann, steht auf und kommt mir zu Hilfe. "Hannes. Beruhige dich doch. Was ist denn mit dir los? So kenne ich dich ja gar nicht." Da hat er Recht. Normal ist mein Vater immer freundlich und gut gelaunt. Lothar klopft ihm auf den Rücken, was sicher beschwichtigend wirken soll, hilft nur leider nicht. Paps' Kopf läuft rot an. "Was mit mir los ist?! Dieser Kerl da", er zeigt auf Paul, der zu meiner Erleichterung immer noch relativ ruhig dasitzt "hat mich geschlagen und auf's Übelste beschimpft. Und nun hockt er bei meiner Familie und soll noch mit MEINEM Sohn zusammen sein?!" Aus der Anlage erklingt Joy to tue World, was angesichts der Szene hier fast schon sarkastisch wirkt. Paul schluckt sichtbar seine Wut runter. Ich kann sehen, wie sich seine Kiefermuskeln anspannen, aber zu meiner Beruhigung nicht auf Paps' Worte eingeht. "Jetzt gib Ruhe, Hannes. Du hast kein Recht über Oles Partnerwahl zu urteilen." Meine Mutter schreitet ein. "Setz dich, dann reden wir." "Reden? Der Vogel wird kalt." Mein Cousin, Joachim, versucht mit dem Spruch die Lage aufzulockern. Klappen tut's nicht. Mein Paps steht immer noch da wie ein explodierender Vulkan. So wird das nichts! "Fangt ihr doch schon mal an", sage ich zu allen Anwesenden. "Und wir reden jetzt." Damit meine Ma, Paps und meine Wenigkeit. Zusammen ziehen wir ihn in die Küche. Schnaubend läuft Paps vor uns auf und ab. "Jetzt beruhige dich, Herr-Gott nochmal!" Meine Mutter verschränkt genervt die Arme vor der Brust. Paps stellt sich vor uns und sieht mich so wütend an, wie ich es noch nie erlebt habe. Allgemein habe ich ihn noch nie so erlebt. Er macht mir wirklich ein wenig Angst. "Du bist wirklich mit diesem ... diesem Wichtigtuer zusammen?", fragt er. Ich bejahe. "Ich liebe Paul." Wieder schnaubt mein alter Herr. "Der ist doch doppelt so alt wie du! Oder noch älter!" "Und? Was ist daran so schlimm?", möchte meine Mutter wissen. Paps brummt nur und setzt seinen Spaziergang in der Küche fort. Plötzlich betritt Paul den Raum. So schnell kann ich gar nicht gucken, wie mein Vater zu ihm stürmt. "Hannes!" Ma setzt ihm als erste nach. Zusammen können wir ihn aufhalten, bevor er Paul erreicht. "Schluss jetzt! Setz dich, oder du bekommst von mir eine geleiert, dass du es noch bis nächstes Jahr in deinen Ohren klingeln hörst!" Wenn Ma droht, ist mit ihr nicht zu spaßen. Das weiß auch mein Vater und setzt sich notgedrungen. Wir atmen erleichtert auf. "Paul? Geh lieber. Wir kommen zurecht." "Sicher?" Ich glaube, wir kommen hier ohne Paul besser zurecht als mit ihm. Doch das sage ich natürlich nicht. "Sicher", erwidere ich daher nur und streichle über seine Seite. Er küsst mich auf die Schläfe, was Paps aufpusten lässt. Ma knallt daraufhin mit der Handfläche auf den Küchentisch. Als Paul zögernd das Feld geräumt hat, setze ich mich neben meine Mutter an den Tisch. Paps sitzt uns gegenüber. "Tolle Idee, Paps nichts von Paul zu erzählen, bevor er hier her kommt", lobe ich sie, weil das unbedingt gesagt werden musste. Ma wirft mir bloß einen giftigen Blick zu. "Hätte ich das gewusst, wäre ich gar nicht erst gekommen", schnaubt mein Vater. "Deshalb habe ich ja nichts gesagt." "Und wieso hast du mich nicht vorgewarnt?", möchte ich von ihr wissen. "Weil du dann auch nicht aufgekreuzt wärst. Und so hättet ihr beiden euch niemals getroffen." Ich hasse es, aber gegen ihre Antwort kann ich nichts sagen, weil es sehr wahrscheinlich genau so passiert wäre. "Wir klären das jetzt. Ich habe keine Lust auf ständige Streitereien, sobald du hier auftauchst." Ma sieht meinen Vater an. Dieser guckt mit verschränkten Armen wie ein kleiner Junge trotzig zur Seite. "Paps. Ich liebe Paul. Er ist ein wichtiger Teil meines Lebens und wird es hoffentlich noch lange bleiben." "So ein selbstgerechter Arsch! Wie kannst du mit so einem zusammen sein?" "Er ist kein selbstgerechter Arsch, Papa! Du kennst ihn doch gar nicht!" Ich werde sauer. "Oh das eine Mal, wo ich ihn getroffen habe, hat mir gereicht um zu erkennen, dass bei dem Typ was faul ist." "Paps!" Er soll aufhören, so über meinen Paul zu reden! "Weißt du, was dein feiner Paul gemacht hat?", fragt er mich und lehnt sich vor an den Tisch. "Ja. Ma hat es mir erzählt." Mein Vater sieht mich erst verblüfft, dann wieder wütend an. "Und da hältst du immer noch zu ihm?" "Natürlich! Er hatte doch recht damit!" Die Wut in meinem Bauch ist kaum noch zu bändigen. Ich fühle mich fast wie damals, als ich noch ein Teenager war. Ich war so dermaßen sauer auf meinen Vater, dass ich ihn jedes Mal zum Teufel gejagt habe, sobald er bei uns zuhause aufgetaucht ist. Paps Gesichtszüge entgleisen, doch das besänftigt mich nicht. Wutschnaubend fahre ich fort. "Jedes Mal bist du klammheimlich abgehauen, kaum dass du angekommen bist. Weißt du, wie beschissen ich mich dann jedes Mal gefühlt habe? Du warst einfach weg! So viele Male! Hallo Junge, wie geht es dir. Schön dich zu sehen, bla bla bla. Und kaum habe ich dir den Rücken gekehrt, warst du verschwunden! Und weißt du, wer mich danach getröstet hat? Paul! Weil es Ma selbst beschissen ging wegen dir! Also wage dich ja nicht, Paul in irgendeiner Form anzugreifen! Das steht dir überhaupt nicht zu, weil du dich einen Dreck um Ma und mein Leben gekümmert hast!" Ich habe mich richtig in Rage geredet. So sehr, dass ich sogar aufgestanden bin und nun meinen noch sitzenden Vater überrage, während sich erste Tränen aus meinem Augenwinkeln lösen. "Du bist Schuld, dass ich kaum Vertrauen zu anderen fassen kann!" Mein Vater sieht mich wie ein geprügelter Hund an. Ich atme heftig, schlucke hart und versuche seinen erschütterten Blick stand zu halten. "Das ... Ole, ich ...", stottert er und senkt den Kopf. In diesem Moment weicht die Anspannung aus mir und ich falle zurück auf den Stuhl. Ma's Hand legt sich auf meinen Rücken, streichelt mich. "Es tut mir ... Ich ..." Plötzlich steht mein Vater auf und verlässt den Raum. Ich seufze auf und wische mir die Tränen mit den Handballen von der Wange. Mit einem lauten Rums fällt die Haustür zu. Erschrocken drehe ich mich zum Küchenausgang. "Paps?" Er haut doch jetzt nicht wieder einfach ab?! "Alles in Ordnung?" Paul kommt mit großen Schritten zu uns gelaufen, aber ich lasse ihn stehen und eile an ihm vorbei, meinem Vater nach. Ich hätte ihn nicht so anfahren dürfen! Auch wenn es gestimmt hat, was ich gesagt habe, aber das ist doch alles schon längst gegessen! Oder? Mein Gefühlsausbruch eben war ziemlich heftig. Ich habe es vorher nicht bemerkt, aber da scheint sich doch noch einiges in mir angestaut zu haben. Es raus zu lassen hat gut getan. Trotzdem fühle ich mich schlecht. "Paps!" Ich renne den kurzen Weg vor Ma's Haus herunter und hechte durch das offene hölzerne Gartentor. Auf dem Gehweg schaue ich erst nach links, dann nach rechts. Da läuft er! "PAPS!" Ich nehme die Beine in die Hand. "Warte!" Er steht an seinem Mietwagen, will gerade die Fahrertür aufschließen, da erreiche ich ihn. "Hau nicht schon wieder ab", keuche ich und lehne mich gegen die Wagentür. Er sieht mich immer noch nicht an, hält den Kopf gesenkt. "Ole ..." Spielen mir meine Ohren einen Streich, oder hört sich seine Stimme brüchig an? Er zieht die Nase hoch, und ich bin mir sicher. Mein Paps weint! Mir wächst ein dicker Kloß im Hals, also ziehe ich ihn wortlos an mich heran und umarme seinen zitternden Körper. So gern ich es täte, aber ich kann die Worte, die in der Küche gefallen sind, nicht zurücknehmen. Nach kurzem Zögern erwidert mein Paps die Umarmung, klammert sich so fest an meinen Pullover, dass ich seine Fingernägel durch seinen dicken Stoff fühlen kann. So langsam realisiere ich, dass nicht nur Ma und ich früher gelitten haben müssen ... "Es tut mir so leid", flüstert er ein paar Mal hintereinander, dann beruhigt er sich langsam wieder. Ich streichle über seinen Rücken und lasse ihn erst los, als er leicht von mir weicht. Sichtbar aufgelöst und mit der Situation überfordert, wischt Paps sich mit den Fingern über die Augen. Er atmet stockend tief ein und wagt es erst jetzt, mich direkt anzusehen. "Ich wollte dich nie verletzen", beginnt er. "Oder Edith. Es war so ... Ich habe mich so verdammt eingeengt gefühlt!" Das hatte ich mir schon denken können. Paps lehnt sich neben mir an seinen Wagen und betrachtet seine Lederstiefel. "Ich habe niemals jemanden so sehr geliebt wie deine Mutter. Wegen ihr bin hier in der Stadt geblieben. Alles war so einfach mit ihr. Und dann wurde sie plötzlich schwanger mit dir. 'Okay', dachte ich. 'Das ist doch wundervoll!' Mit ihr und mir lief alles perfekt. Also machte ich Nägeln mit Köpfen. Wir heirateten, suchten uns eine Wohnung und ich einen Job bei der Zeitung. Dort als Fotograf zu arbeiten war zwar total öde und stupide, aber ich war trotzdem glücklich. Erst recht, als du mit einem Schlag in unser Leben getreten bist." Er sieht mich lächelnd an. Ich meine sogar, Stolz in seinem Blick zu sehen. "Du warst das Wundervollste, das ich jemals im Arm hatte." Das rührt mich. So etwas hat er noch nie zu mir gesagt. "Doch dann ..." Sein Lächeln verschwindet und er mustert abermals seine Treter. "Mir wurde alles zu eng. Mein Leben erstickte mich. Das konnten noch nicht mal Edith oder du ändern. Ich kündigte bei der Zeitung und machte mich als Fotograf selbstständig. Erst blieb es bei regionalen Jobs. Dann Deutschland weit. Na ja ... Und den Rest kennst du. Deine Mutter hat das nicht mehr ausgehalten. Wir ließen uns scheiden." "Damals dachte ich immer, du wärst wegen mir nicht so oft zuhause", sage ich. "Nein! Es war niemals deine Schuld gewesen! Im Gegenteil. Wärst du nicht geboren worden, hätte ich Edith viel früher verlassen." Ich weiß nicht, ob mich das jetzt glücklich oder traurig machen soll. Daher lächle ich ihn einfach an, während er fortfährt. "Du bist das Einzige, das ich in meinem Leben wirklich hinbekommen habe. Ich bin so stolz auf dich. Aus dir ist ein ganz toller junger Mann geworden. Edith hat das allein gut hinbekommen." "Ich werde es ihr ausrichten", grinse ich leicht verlegen. Mein Paps ist stolz auf mich ... "Nochmal wegen Paul ..." Mein Vater macht ein zerknirschtes Gesicht. "Du liebst ihn wirklich?" "Tue ich. Mehr als das." Unsere Verbindung reicht viel tiefer. Wir verstehen uns meist blind. Das mag an damals liegen, wer weiß. Aber das ist mir auch egal. "Ich fühle mich sicher und geborgen bei ihm." Paps knabbert auf seiner Unterlippe herum, scheint nachzudenken. "Ist es wegen mir?", fragt er plötzlich. "Was?" Worauf will er hinaus? "Ist das mit dir und ihm irgend so eine Vaterersatzsache? Weil ich nicht da war. Er aber schon?" Wieder wallt Zorn in mir auf. Ich stoße mich vom Wagen ab und stelle mich vor meinen Vater. "Paul ist kein Ersatz! Für nichts und niemanden! Ich liebe ihn, seit ich ihm wieder getroffen habe, wo ich ihn übrigens gar nicht erst erkannt habe! Egal, ob wir uns kannten oder wie groß unser Altersunterschied ist! Also wage dich, über uns ein Urteil zu fä..." "Schon gut, schon gut." Paps hebt entwaffnend die Hände. "Ich habe es verstanden. Ich wollte nur nochmal sichergehen." Langsam beruhige ich mich wieder. Mich kotzt es einfach an, dass jeder unsere Beziehung auf unser Alter beschränkt. Da könnte ich aus der Haut fahren! Ich atme durch. Paps klopft mir auf die Schulter. "Wenn Paul dir gut tut, dann werde ich damit leben können. Weißt du, er hatte recht." "Mit was?" "Auf deinem Geburtstag. Ich wollte wieder verschwinden. Ohne dir Tschüss zu sagen. So wie immer ..." Er senkt traurig den Blick. "Ich habe es nicht über das Herz gebracht, dir auf Wiedersehen zu sagen, weil du jedes Mal in Tränen ausgebrochen bist und mich angefleht hast, nicht zu gehen. Es hat mir das Herz gebrochen, dich so flehen zu hören." "Ach Paps ..." Ich lege meinen Arm um seine Schulter. "Wenn du mit Paul glücklich bist, dann bin ich es auch." Hört, hört! "Also dann. Schöne Feiertage dir noch." Ich werde gedrückt. Bedröbbelt stehe ich da, sehe zu, wie mein Paps ins Auto steigen will. "Warte! Was soll das werden?" Wieder schiebe ich mich zwischen ihn und das Auto. "Du haust jetzt nicht ab!" Ich glaub ja wohl! "Ole. Es ist bestimmt besser, wenn ich nach dem Theater, das ich veranstaltet habe, nicht mehr zurückgehe. Paul ist das sicher auch lieber." "Pappalapapp! Paul soll sich nicht so anstellen! Du kommst mit und feierst mit uns!" Basta! Ich überhöre seinen Einwand und schleife ihn vom Auto weg. Nach ein paar Metern stolpert er ergeben neben mir her. Drinnen empfängt uns wohlige Wärme. In all der Hektik bin ich ohne Jacke raus und bin total durchgefroren, was ich erst jetzt so richtig merke. "Da seid ihr ja wieder! Ich habe mir schon Sorgen gemacht." Ma stürmt aus dem Wohnzimmer, gefolgt von Paul. "Ich wollte euch schon suchen, aber Paul meinte, ich solle noch etwas warten, bevor ich Suchtrupps nach euch aus schicke. Was habt ihr denn da draußen gemacht?" "Schon gut Ma. Wir haben geredet", erkläre ich ihr. Sie seufzt und stemmt die Arme in die Hüfte, kommt aber nicht dazu, mir zu antworten, denn Paps läuft an uns vorbei, auf Paul zu. Angespannt verfolge ich das Geschehen. Paps streckt die Hand nach Paul aus. "Hannes", stellt er sich ihm vor. Eindeutig ein Friedensangebot. Paul ergreift sie Hand. "Paul." Kurzes Schütteln, während sich ihre Blicke miteinander verhaken. Doch beide Lächeln, obgleich ein wenig verspannt. Nein, große Freunde werden die beiden bestimmt nie, aber wenigstens herrscht ab jetzt Waffenstillstand zwischen ihnen. *** Erschöpft lasse ich mich ins Bett fallen. Der Tag hatte es echt in sich. Zwar sind sich Paps und Paul nicht mehr an die Gurgel gegangen, doch blieben sie weiter auf Abstand zueinander. Aber damit kann ich leben. Und die beiden hoffentlich auch. Paul sieht genauso groggy aus wie ich, als er aus dem Badezimmer geschlichen kommt und sich neben mich legt. Seufzend rolle ich mich auf die Seite und lehne mich gegen seine freie Brust. Sie ist vom Duschen noch leicht feucht. Mit geschlossenen Augen drücke ich meine Nase gegen seine Haut. "Was für ein Tag", brummt er leise. "Hmhm", pflichte ich ihm bei. "Ich fürchte, morgen wird's ebenfalls ... turbulent." "Erinnere mich bloß nicht an morgen!" Das Treffen mit seiner Familie! Ich hab totales Muffensausen. "Das wird schon." Paul versucht aufmunternd zu klingen, schafft es aber nicht wirklich. "Warum bleiben wir morgen nicht einfach zuhause? Bleiben im Bett liegen und spielen krank." Paul schmunzelt, gibt mir einen Kuss auf die Stirn und drückt mich an sich. "So gern ich das täte, aber das geht nicht. Sie sollen dich endlich kennenlernen. Ob sie damit klarkommen, oder nicht." Mein Bauch beginnt zu grummeln. So wie er es immer tut, wenn mir etwas nicht gefällt. Oder zu gut gefällt, wie bei Paul, als ich ihn wiedergetroffen habe. Diesmal kommt das Grummeln allerdings eindeutig vom Nichtgefallen. "Mach dir keinen Kopf, Ole. Das wird schon schief gehen." Na wenn er das sagt ... Nur wieso glaube ich nicht daran?** ****** * aus Hand in Hand wollte mein Korrekturprogramm im Handy 'Hand in Hans' daraus machen. Liebes Handy. Ich werde ganz sicher keine Hand in Hans Aktion in irgeneine meiner Storys einbauen. Dass das schon mal klar ist xD ** Weil die Autorin manchmal eine leicht sadistische Ader hat *muhahahaha* So! Das wars auch schon wieder. Ob ich nächste Woche zum Schreiben komme, weiß ich noch nicht. Die Woche vor Heilig Abend ist bei uns immer viel Arbeit angesagt. Falls ich es nicht schaffe, versuche ich bis spätestens Silvester nachzuliefern. ;-) Einen schönen Sonntag euch noch und falls wir uns nicht mehr lesen, schöne Feiertage im Kreise eurer Familie ^^ Eure Fara Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)