Song of the Raven von Moku ================================================================================ Prolog: Stich Zero ------------------ Autor: Moku "And the raven, never flitting, still is sitting, still is sitting on the pallid bust of Pallas just above my chamber door; And his eyes have all the seeming of a demon's that is dreaming, And the lamp-light o'er him streaming throws his shadow on the floor; And my soul from out that shadow that lies floating on the floor Shall be lifted - nevermore!" ~Edgar Allen Poe ~ The Raven Sie küssten sich innig. Ihre heißen Körper bewegten sich im gleichen Rhythmus, berührten sich leidenschaftlich. Dann hob die untere Person ihre Beine, schlang sie um die Taille der anderen und presste sie noch enger an sich. Er löste den Kuss. Tränen rannen aus seinen katzengrünen Augen und er schloss sie. Aus seinem leicht geöffneten Mund drang ein leises Stöhnen. Sein Partner öffnete die Augen und bemerkte die Tränen, küsste sie weg und hielt für einen Moment in seiner Bewegung inne. Er sprach mit schwacher Stimme, wisperte leise Worte in das Ohr des anderen, doch der schüttelte nur den Kopf. "Ich liebe dich so sehr. Nie werde ich dich hergeben. Nie! Selbst wenn ich sterben sollte." "Deins." "Für immer..." -~-~-~-~-~-~- "Armer Junge!" "Sie waren die besten Freunde und liebevolle Geschwister." "Nicht nur Geschwister... Zwillinge." "Eineiige Zwillinge." "Will er jetzt allein in diesem Apartment wohnen?" "Ob er überhaupt das Geld zusammen bekommt?" "Sonst wohnten sie zu zweit, gingen beide Arbeiten." "Joe ist der intelligenteste von den beiden. Er schafft das!" "Stimmt, Jeff war mehr der... das Gegenteil von seinem Bruder." -~-~-~-~-~-~- Er betrat das Apartment und lächelte den Jungen, der am Küchentisch saß, an. Das Hemd war bis zum Bauchnabel aufgeknöpft und hing lose über seine Schultern. Seine grünen Augen funkelten schelmisch, als er bemerkte, dass der Junge eingetreten war. Dann lachte er sanft und drehte sich um. "Hey, Joe!" Joe grinste, ließ seine Tasche fallen und lief auf den anderen zu, sprang auf dessen Schoß und küsste ihn stürmisch auf den Mund. Seine Hände streichelten über die Arme, wanderten zum Bauch und dann zur Brust. "Hallo Jeff." "Begrüßt du mich jetzt immer so?" "Was immer du willst." -~-~-~-~-~-~- "Hey Joe." Der schwarzhaarige Junge wandte sich von den Hausaufgaben ab und lächelte das Mädchen, welches sich neben ihn setzte, an. "Ich habe gehört, dass dein Bruder gestorben ist.", sagte sie mitfühlend, verschränkte ihre Arme auf dem Tisch und bettete ihren Kopf darin. "Das tut mir wirklich Leid. Und das, nachdem Ligeia umgezogen ist." Joe nickte nur, blickte dann nachdenklich auf seine Aufgaben. "Ich wusste nicht, dass du einen Bruder hattest." Er zuckte nur mit den Schultern. "Ich wette, Ligeia wusste es. Schließlich ward ihr ein Paar." Plötzlich wurde der Schwarzhaarige hellhörig, legte seine Hausaufgaben zur Seite und blickte das Mädchen fragend an. "Was willst du, Caitlin?" "Ich will Jeff." -~-~-~-~-~-~- "Sie weiß etwas!", schrie Jeff und warf Joe auf das Bett. "Hast du ihr irgendwas erzählt?" Sein Ebenbild richtete sich wieder auf, sah ihn ernst an. "Ich habe ihr nichts erzählt, Jeff!" Der Angesprochene setzte sich neben seinen Bruder und sah ihn entschuldigend an. "Natürlich hast du ihr nichts gesagt.", meinte er zärtlich und beugte sich zu Joe runter, küsste ihn flüchtig auf den Mund. Als er sich aufrichten wollte, wurde er von Joe festgehalten und in einem Kuss gefangen. "Wir sollten Ligeia endlich loswerden." "Bin ganz deiner Meinung." -~-~-~-~-~-~- Er trat an den Grabstein und legte eine Lotusblüte und Veilchen auf das Grab. Dann kniete er sich nieder, fuhr mit den Fingerspitzen über die Inschrift und las jeden Buchstaben einzelnd vor. Leise, so dass keiner hören konnte, was er sagte. J-E-F-F E-B-O-N-Y 19. 01. 1986 - 07. 10. 2003 Sein schwarzes Haar wehte im sanften Wind und Tränen rannen seine Wangen hinab, tropften auf seine Lippen. Dann beugte er sich vor und küsste den kalten Grabstein. Er wusste, dass sie ihn sah. Hoffte, sie würde so reagieren, wie er es sich dachte. Und sie tat es, ging einen Schritt auf ihn zu, blieb dann stehen. Der Kiesel unter ihren Füßen knirschte, obwohl ihre Beine sich nicht bewegten. Er lehnte sich zurück, fuhr noch einmal über die Inschrift. Dann legte sich eine Hand auf seine Schulter. Er sah auf, blickte in Caitlins Gesicht. "Bedeuten die Veilchen, was ich denke, was sie bedeuten?" Er nickte stumm. "Aber er war mein Bruder.", sagte er, wandte sich ab. Caitlin blieb hinter ihm, lächelte. "Ich will dich, Jeff! Und ich werde dich bekommen." Dann drehte sie sich um und ging davon. Der schwarzhaarige Junge rührte sich nicht, seine grünen Augen funkelten und sein Körper war angespannt. "So bekommst du Ärger, Caitlin.", wisperte er zum Wind, ging dann weiter. -~-~-~-~-~-~- "Caitlin, hm?" Jeff nickte und ließ sich auf die Couch fallen. "Sie ist doch das Mädchen, das mit mir den Mathekurs besucht... wenn ich mich nicht irre... Wie sieht sie denn aus?" "1.69cm, langes schwarzes Haar, grüne Augen, trägt eine Lesebrille, flach wie ein Brett-" "Genau! Das ist Caitlin Inky! Die aus meinem Mathekurs. Was hat sie getan?" Der schwarzhaarige Junge kratzte sich am Hinterkopf, warf dann seine braunhaarige Perücke auf den Couchtisch, zog sich das Kleid aus, das er in der Schule angehabt hatte, wechselte es mit einem bequemen T-Shirt und einer Jeans. Die braunen Kontaktlinsen behielt er drinnen. Es war lästig sie zu entfernen und wieder einzusetzen. Dann ging er auf Joe zu, schlang seine Arme um den Körper des anderen. "Ich soll meine Hände von ihrem Joe lassen." Sein Bruder lachte, legte seine Hände auf die Jeffs. "Böse Ligeia... Kannst du nicht deine Hände von mir lassen?" Jeff grinste, presste seine Lippen auf den Hals des Jüngeren, wanderte mit seinen Händen die Brust hinab, stoppte kurz am Hosenbund, bevor er mit der Hand unter die Boxershorts fuhr. Joe keuchte überrascht auf, warf seinen Kopf in den Nacken. "Soll ich denn die Hände von dir lassen, liebster Bruder?" Er antwortete nicht, wandte seinen Kopf zu seinem älteren Bruder, zog den Kopf des anderen zu sich und küsste ihn. -~-~-~-~-~-~- "Ich möchte euch zwei neue Klassenkameraden vorstellen." Die Lehrerin deutete mit einer Hand auf die beiden Personen neben sich. Die eine war ein Mädchen, die andere ein Junge. "Das sind Joe Ebony und Ligeia Allan. Ich möchte, dass ihr sie in der Klassengemeinschaft freundlich willkommen heißt." Die Schüler nickten nur, betrachteten die beiden Personen, die dicht aneinander standen. Das Mädchen - Ligeia Allan - hatte lange, braune Haare und dunkelbraune Augen. Sie war von schmächtiger Statur, hatte keine besonders auffälligen Merkmale, außer ihr schlankes, makelloses und hübsches Gesicht, mit den schmalen Lippen und den dünnen Augenbrauen. Im linken Ohr trug sie einen kleinen silbernen Ohrring in Form eines Engels und im rechten war das Zeichen der Schlange. Joe Ebony wirkte auf dem ersten Blick wie ein Mädchen. Seine Haare waren kurz und schwarz und seine Augen grün - wie die einer Katze. Der Körperbau war schmächtig, aber schien trotzdem sportlich. Er war genauso groß wie das Mädchen, hatte fast das selbe Gesicht und die identischen Ohrringe. Bei ihm war nur rechts der Engel und links das Schlangenzeichen. Sie standen dicht beieinander und zeigten der Klasse, dass sie sich schon lange kannten, vielleicht sogar schon immer zusammen waren und eine Beziehung zueinander hatten. Doch sie war von so zurückhaltender Natur, schien so rein und zart, wie die, zwischen zwei naiven Kindern, dass jeder bei dieser Beziehung von Freundschaft ausging. -~-~-~-~-~-~- "Was willst du mit dieser Perücke, Jeff?" "Wir bauen uns ein freies Leben." "Was?" "Ich will mich nicht verstecken." "Aber blond?" "Ich wollte schon immer wissen, wie ich als Blondine aussehen würde." "So wie immer, bloß ... mit blonden Haaren." "Mach dich nicht über mich lustig, Joe." "Das mach ich doch gar nicht." "Wie sehe ich aus?" "... Blond." "Argh! SPINNER!" "Wer ist denn hier der Spinner?" "..." "Jeff..." "..." "Komm her..." "..." "Sei doch nicht so kindisch..." "Ich bin nicht kindisch..." "Doch." "Nein!" "Doch." "Nein!!" "Doch." "NEIN!!!" "Okay, dann bist du nicht kindisch... und du bist auch kein Spinner. Aber warum möchtest du dich als Mädchen verkleiden?" "Wenn uns Menschen auf der Straße sehen, wenn wir uns küssen, werden wir immer so komisch angestarrt. Ich mag diese Blicke nicht. Und ich will mich genauso verhalten können, wie andere gewöhnliche Liebespaare auch." "Wir sind aber kein gewöhnliches Liebespaar." "Ich weiß..." "Und wie wollen wir Joe-Jeff-Ebony-Weiblich nennen? "Ligeia..." "Und Nachname, oder war's das?" "Hm, wie wäre es mit Allan?" -~-~-~-~-~-~- "Sie ruiniert mir mein ganzes Leben!" "Jeff!" "Ich hasse diese Person." "Wie kannst du eine Person hassen, die du selbst geschaffen hast?" "Das verstehst du nicht, Joe." "Dann erklär's mir!" "Ich kann nicht." "Dann lass sie verschwinden. Lass Ligeia verschwinden." -~-~-~-~-~-~- "Du willst schon wieder umziehen?" Joe nickte geistesabwesend, blickte dann zu seinem älteren Bruder. "Soll ich schon wieder sterben?" Der Jüngere nickte wieder. "Ich bin es langsam Leid. Dieses ständige Hin und Her. Hast du außerdem schon einmal daran gedacht, was passiert, wenn wir entdeckt werden?" "Mach dir keine Sorgen. Uns kann nichts passieren." -~-~-~-~-~-~- "Du hast dich verändert, Jeff." Er nickte als Zustimmung, hatte selbst bemerkt, dass eine Wandlung in ihm vorging. Und sie gefiel ihm nicht. Joe kuschelte sich an seinen Bruder, schlang seine Arme um den Oberkörper, zog ihn an sich. "Du bist so kalt geworden." "Zu dir auch?" "Nein." "Vielleicht, weil ich so oft gestorben bin. Wenn Menschen sterben, werden sie kalt, verlieren ihre Wärme, ihre Gefühle..." "Sag das nicht." "Früher, bevor alles anfing... da war ich anders..." "Ja." "Glücklicher, naiver..." "...unbefangen, kindisch... Bist du vor mir erwachsen geworden?" Er lachte. "Ich werde nicht erwachsen. Meine Zeit ist schon längst stehen geblieben... seit ich das erste Mal gestorben bin..." -~-~-~-~-~-~- "Drillinge?" "Ja." "Drei Jungen?" "Ja." "Ein Geschenk Gottes." "Ja." "Drei Jungen..." "Ja." -~-~-~-~-~-~- Drillinge? -~-~-~-~-~-~- Und der Rabe rührt' sich nimmer, sitzt noch immer, sitzt noch immer Auf der bleichen Pallas-Büste überm Türgesimse wie vorher; Und in diesem Augenhöhlen eines Dämons Träume schwelen, und das Licht wirft seinen scheelen Schatten auf den Estrich schwer; und es hebt sich aus dem Schatten auf dem Estrich dumpf und schwer meine Seele - nimmermehr. ~Edgar Allan Poe - Übersetzung ~ Der Rabe Kapitel 1: Stitch 1 ------------------- Autor: Moku E-Mail: Mokuren@gmx.de Kommentar: Ah... mein vorletzter Versuch... Gruß: Hotei/Alita etc... -Stich 1- Once upon a midnight dreary, while I pondered weak and weary, Over many a quaint and curious volume of forgotten lore- While I nodded, nearly napping, suddenly there came a tapping, As of some one gently rapping, rapping at my chamber door. "'T is some visitor," I muttered, "tapping on my chamber door- Only this and nothing more." "Allan!" Ihr Mann sah bei dem Schrei auf, löste seinen Blick von dem alten, schwarzen Buch, das er in der Hand hielt. Dann trat Erkenntnis in seine Gesichtszüge und er ließ überrascht das Buch fallen. "Ligeia!" Sie biss sich auf die Unterlippe, sah dann verzweifelt auf ihren Mann. Unter ihren Füßen hatte sich eine Wasserlache gesammelt, die den hellroten Teppich blutrot färbte. Mit einer Hand stützte sie sich am kleinen Tisch ab, die andere lag verkrampft auf ihrem Bauch, ihre Knie vor Schwäche eingeknickt. "Atme!", rief der junge Mann aufgebracht, wusste nicht was er machen sollte. "Einatmen! Und ausatmen-" "Hol das Auto!" Er sprang auf und holte das Auto, fuhr es vor die Eingangstür. Dann lief er zurück ins Haus und trug seine Frau auf den Armen zum Fahrzeug, setzte sie sachte auf die Hintersitze. Seine Hände zitterten vor Aufregung und Angst, fanden mit dem Schlüssel den Anzünder nicht. "Allan!" "Ja... ich... ich..." "FAHR!" ~*~*~*~*~*~*~*~ Er durfte den Kreissaal nicht betreten, war zu aufgeregt und nervös, als dass er den Anstrengungen einer Geburt gewachsen sei. Doch die Ärzte versprachen ihm, ihn sofort zu holen, sobald das Kind geboren waren. Nun lief er auf und ab, strich sich das von Schweiß verklebte Haar aus der Stirn. Sein Blick ruhte immer wieder auf der großen weißen Tür hinter der seine Frau war. Er wollte sie sehen, wollte das kleine Baby in den Händen halten und es liebkosen. Er wollte, dass sein Sohn - oder seine Tochter - ihn, den Vater, als ersten von vielen Menschen sah. Wollte das Kind in dem Arm halten, wenn es seine Augen zum ersten Mal öffnete und sie - seine Eltern - zusammen erblickte. Die beiden wichtigsten Menschen in dem Leben eines Kindes. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und zwei Schwestern rannten heraus, hielten ein, oder zwei Bündel auf den Armen und eilten an ihm vorbei. Überrascht fiel er zurück, doch dann lief er auf den Saal zu in dem seine Frau lag. "Ligeia! Ligeia!" Doch bevor er seine Frau erreichen konnte, wurde er vom Arzt zurückgehalten. "Was ist mit ihr? Sie-" "Allan..." Er riss sich von dem Arzt los, lief zu seiner Frau, hielt ihre Hand in seiner, strich ihr die braunen Haare aus dem Gesicht. "Ligeia." Sie seufzte, unterdrückte einen Schrei, als der Schmerz stärker wurde. "Es... tut mir Leid, Allan." "Was?" "Ich bitte dich... pass auf unsere Kinder auf." "Aber... Ligeia!" "...pass auf unsere Kinder auf... lasse sie nie in Stich... sei immer für sie da..." "Ligeia!" "Ich liebe dich... Allan." "LIGEIA!" ~*~*~*~*~*~*~*~ Die Krankenschwester lief im Krankenhaus umher, eilte die Treppen hoch und runter, suchte überall. Dann fand sie den Oberarzt, blieb keuchend vor ihm stehen. "Die Ebony-Drillinge..." stieß sie hervor und der Arzt blickte sie fragend an. "...Das Jüngste, es..." Er verstand, stieß die Krankenschwester sanft zur Seite und eilte davon. Sie sah ihm nach, Verzweiflung spiegelte sich auf ihren Gesichtszügen wieder. ~*~*~*~*~*~*~*~ "Gestorben?" Er ließ sich schwach zurückfallen, beugte sich dann vor und ließ seinen Kopf verzweifelt auf seine Hände fallen. "Warum?", fragte er schwach und schüttelte unaufhörlich den Kopf. "Warum? Was habe ich getan, dass ich so gestraft werde?" Der Arzt sah mitleidig auf den kränklich gewordenen Mann. Nach dem Tod seiner Frau hatte er nur noch seine drei Kinder, von denen ihm nur noch zwei blieben. Es war ein Wunder gewesen. Ein Wunder, dass drei Jungen geboren wurden. Und ein noch größeres, dass sie alle drei lebend zur Welt kamen, trotz des schwachen und zierlichen Körpers der Mutter. Doch ein Wunder war vergänglich. Blieb trotzdem ein Wunder. "Ich möchte sie sehen." Der Arzt nickte einer Krankenschwester zu. Diese deutete Herrn Ebony an, ihr zu folgen. Er tat es, schlich langsam hinter der kleinen, aber stämmigen Frau her. Seine Augen waren ohne Freude, ohne Lebenslust. Doch sobald die Schwester ihm seine beiden Söhne zeigte, erhellte ein Lächeln sein Gesicht. Vorsichtig hob er die beiden kleinen Bündel auf seine Arme, betrachtete jedes der beiden Gesichter mit Stolz und Liebe. Die Krankenschwester warf einen mitleidigen Blick auf den Vater der Drillinge. Er wusste nicht, was mit dem kleinen dritten Kind passiert war und würde es auch nie erfahren. Vermutlich war es besser, vielleicht aber auch zerstörte es das Leben des jungen Mannes, sollte er die Wahrheit erfahren. Aber das dritte und jüngste Kind war offiziell gestorben und daran gab es nichts mehr zu rütteln. So wurde es festgehalten. Herr Ebony lächelte fröhlich und die kleinen Kinder glucksten, gähnten dann wie aus einem Munde. "Wenn ihr wirklich gleich aussehen werdet, wie halte ich euch denn auseinander?", fragte er sich selbst besorgt, hatte Angst, dass er als Vater die beiden Kinder nicht auseinanderhalten könnte. Plötzlich sprach die Krankenschwester zu ihm. Er blickte auf. "Wissen sie schon, wie sie die beiden Kinder nennen werden?", fragte sie lächelnd. "Wir müssen die Geburtsurkunden fertig stellen." Er nickte. "Joe und Jeff." Sie sah den Mann vor ihr verwundert an. "Joe und Jeff? Sind sie sich sicher?" Wieder nickte er nur. Er war sich sicher. ~*~*~*~*~*~*~*~ Zur Beerdigung von Ligeia Ebony und Jay Ebony kamen nur wenige Verwandte. Allan und Ligeia waren ein gemiedenes Paar gewesen - von Nachbarn, wie auch von Verwandten. Allan Ebony - ein Mann ohne Vergangenheit, schlug sich als introvertierter Schriftsteller von Theaterstücken und als objektiver Kritiker bei angesehenen Literaturmagazinen durch. Er verdiente genug zum Leben, konnte sich vieles leisten. Seine aufgeführten Werke waren viel besucht und seine Kritik wurde immer Ernst genommen. Ligeia Sable war eine Schauspielerin gewesen. Als Allan sie zum ersten Mal sah, spielte sie einen Engel in einem seiner eigenen Werke. Es war die Hauptrolle. Seither wurde sie in vielen Theaterstücken eingesetzt, bekam Anfragen als Schauspielerin für Fernsehrollen. Sie lehnte diese ab. Im Theater steckte Leben und Kraft. Man spürte die Reaktionen des Publikums, hörte sie lachen, hörte sie weinen. Die Atmosphäre war nicht wie die auf einem Set, mit Kameras und nörgelnden Regisseuren. Sie war einfach unglaublich. Sie waren ein glückliches Paar gewesen, auch wenn die Eltern nicht einverstanden waren mit der Hochzeit zwischen den beiden, genauso, wie sie nicht wollten, dass Ligeia Schauspielerin wurde. Doch sie verfolgte stur ihre Ziele, ließ sich nie etwas vorschreiben. So wurde sie von der Familie ausgegrenzt. Allan blickte auf. Der Himmel war grau und es schien, als würde es von neuem anfangen zu regnen. Er seufzte, blickte dann auf die beiden quirligen Jungen im Kinderwagen. Ein Lächeln lief über seine Lippen. Ihre Augen färbten sich beide grün und ihr schwarzes Haar wurde von Tag zu Tag länger. Immer mehr bekamen sie Ähnlichkeit mit ihrer Mutter und ein immerwährendes Lächeln lag auf ihren sanften Lippen wie auch bei Ligeia. Noch wenige Minuten stand er vor den Gräbern seiner Frau und seines jüngsten Sohnes, dann wandte er sich ab und ging. ~*~*~*~*~*~*~*~ "Papa!" Allan sah auf und bemerkte seinen fünfjährigen Sohn der mit ausgestreckten Armen auf ihn zukam und ihn strahlend anlächelte. Er breitete ebenfalls seine Arme aus, hockte sich hin und wartete, dass sein Sohn zu ihm gelaufen kam. "Jeff!", hörte er eine andere Stimme und eine weitere Person tauchte auf. "Das ist gemein Jeff!", maulte er weiter und Jeff warf sich mit viel Schwung in die Arme seines Vaters. Joe blieb stehen, warf einen wütenden Blick auf seinen älteren Bruder. Als Allan den Blick bemerkte, hob er seinen Sohn hoch, ging mit ihm auf seinen zweiten zu und hob auch diesen in seine Arme. "Hab ich euch nicht gesagt, ihr sollt euch nicht immer streiten?" Joe blickte mit seinen grünen Augen auf und lächelte seinen Vater an, doch dann verfinsterte sich das kindliche Gesicht. "Jeff hat gesagt, ich dürfte dich zuerst begrüßen.", meinte er und funkelte seinen Bruder an, doch dieser grinste frech, streckte dann die Hände nach Joe aus und zog ihn an sich, gab ihm einen schnellen Kuss auf den Mund. Joe kicherte, sah dann auf das Gesicht seines Vaters. Dieser lächelte sanft, gab beiden einen Kuss auf die Stirn und ging mit ihnen in das Haus. Drinnen ließ er sie von seinen Armen und sie rannten beide ein Stück, blieben dann gemeinsam stehen und drehten sich zu ihrem Vater um, warteten bis er sich entschied, wo er hinging und folgten ihm dann. "Gibt es etwas, was ihr mir sagen wollt?", fragte ihr Vater und die beiden nickten. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und die beiden Kinder stellten sich davor, sahen ihren Vater aus grünen Augen an. "Die Kinder aus dem Kindergarten sagten, dass wir Monster sind.", fing Jeff an und fasste seinen Bruder an die Hand. "Wir sollen komisch sein und gefährlich.", sagte Joe weiter. Ihr Vater betrachtete sie aus ernsten Augen, nickte dann langsam. "Haben die Kinder auch gesagt, warum?" "Wir haben Mama umgebracht, sagen sie.", stieß Jeff hervor. "Stimmt das? Haben wir Mama umgebracht?", fragte Joe traurig und senkte seinen Blick. "Nein, Joe! Das haben wir nicht. Das sagte ich dir schon einmal." Allan stand auf, ging um den Schreibtisch herum und hob die beiden Brüder hoch, setzte sich mit ihnen auf die Couch und blickte sie lange ernst an. "Ihr seid nicht Schuld, dass Mama gestorben ist. Gott wollte seinen Engel wieder haben und hat ihn zu sich geholt." "War Mama ein Engel?" "Ja, Joe. Sie war sein schönster und lieblichster Engel." Die beiden Brüder sahen sich an und lächelten dann. "Heißt das, dass wir auch welche sind, Papa?" "Ja, Jeff!", sagte Joe und klatschte freudig in die Hand. "Wir sind auch Engel. Mit strahlend weißen Flügeln! So wie in Papas Büchern." "Strahlend weiße Flügel.", wiederholte Jeff und gluckste vor Freude. "Papa, bist du auch ein Engel?" Er antwortete auf diese Frage nicht, stand nur auf und setzte sich an seinen Schreibtisch. Die beiden Geschwister spielten noch etwas in dem großen Arbeitszimmer, lachten und kicherten, während sie versuchten einige Geschichten ihres Vaters nach zu erzählen. Plötzlich fiel Jeff etwas ein. Er sah auf und blickte zu seinem Vater. "Papa, wenn man jemanden lieb hat, gibt man ihm doch einen Kuss, oder? Warum dürfen Brüder sich dann nicht küssen?", fragte er und blickte dabei auf Joe, der nun ebenfalls zu ihnen sah. "Natürlich dürfen Brüder sich küssen. Warum denn nicht?" "Die Geschwister aus dem Kindergarten küssen sich nie und wenn wir es machen sagen sie immer, dass man das nicht machen darf." "Ich darf es doch auch." "Ja, weil du unser Papa bist." Abermals stand der Vater auf und ging zu seinen Söhnen, er drückte sie an sich. "Versprecht mir etwas... Hört nie auf das Geschwätz der Leute. Bildet euch eine eigene Meinung und tut was ihr für richtig haltet. Lasst euch nie durch andere davon abschrecken, so zu sein, wie ihr seid." Sie sahen ihn aus ihren schimmernd grünen Augen an, nickten dann. "Ja, Papa." "Gut." ~*~*~*~*~*~*~*~ Joe und Jeff wurden eingeschulte und gleich von der Klasse ausgegrenzt. Sie wussten nicht wieso, doch sie kümmerten sich nicht darum. Solange sie sich hatten, so sagten sie sich, würde alles gut werden. Zu Schulfesten gingen sie nicht, feierten auch nie ihre eigenen Geburtstage oder suchten den Weg in die Gemeinschaft. Sie blieben unter sich, mieden die anderen Kinder und diese begannen, nachdem sie bemerkten, dass die Ausgrenzung den beiden nichts anhatte, sie zu hänseln, zu beleidigen und zu schlagen. Immer wieder hörten sie die selben Worte. Monster, Dämon, Mörder, Teufel. Doch sie prallten ab, wie das Wasser auf dem Gefieder einer Ente. Die Wunden versteckten sie vor ihrem Vater, pflegten es, sie sich gegenseitig zu säubern und zu verbinden. Und so vergingen die Jahre und Joe und Jeff wurden sich vom Aussehen immer ähnlicher, im Charakter aber grundverschieden. Joe, dem die Hänseleien seelisch zusetzten, wurde immer ruhiger, las viel und ging selten alleine nach draußen. Wenn er in der Schule war, bedachte er jeden mit einem kühlen, überlegenen Lächeln und sein Blick war eisig. Viele der Mitschüler und der Lehrer bekamen Angst vor seinem dunklen Gesichtsausdruck und vor allem vor seinen funkelnden, grünen Augen. Jeff dagegen schienen die Schikanen der anderen Jungen nichts auszumachen. Er war in der Schule wie auch Zuhause stets optimistisch und gut gelaunt. Oftmals steckte er seinen Bruder auch damit an und dessen kalter Ausdruck schwand von seinen schönen Gesichtszügen und wurde zu einem stets warmen und zärtlichen Lächeln. Jeff gegenüber wurden die Gemeinheiten weniger und er schien sich durch seine Lebensfreude einen neutralen Punkt unter den Kindern geschaffen zu haben. Sie baten ihm an mit ihnen zu spielen und luden ihn zu Schulfesten ein. Doch er warf nur einen Blick auf seinen Bruder, lächelte sie an und schüttelte dann den Kopf. ~*~*~*~*~*~*~*~ "Papa. Wer bin ich?", fragte der zwölfjährige Junge und stellte sich vor seinem Vater. Dieser lachte nur und streichelte ihm auf den Kopf. "Jo-e." antwortete der kleine Junge grinsend. Sein Vater lächelte. "Nein, Jeff." "Papa! Wieso kannst du uns auseinanderhalten, während andere ein Problem damit haben?" Allan blickte nachdenklich nach oben, hob dann die Schulter. "Weil ich euch liebe." "Heißt das, dass jeder der uns liebt, uns auseinanderhalten kann?" "Ja." Jeff legte den Kopf schief, lächelte dann einfach und verschwand aus dem Raum. Kurze Zeit später kamen beide Kinder lachend in das Arbeitszimmer und sie stellten sich nebeneinander. Sie hatten die selbe Frisur, die selbe Haarfarbe, fast die selbe Größe und glichen sich auch sonst in fast allen Einzelheiten. "Papa, dürfen wir Ohrringe tragen?" "Was?" Erschrocken blickte ihr Vater auf und sah seine beiden Söhne überrascht an. "Mit Ohrringen kann man uns auseinanderhalten." "Nein!" "Oh Papaaaa.", bettelten sie beide mit ihren süßesten Ich-hab-dich-lieb-Blick. Doch ihr Vater blieb stur und sagte jedes Mal, wenn sie die Frage stellten, nein. Und sie hörten auf ihn. Aufgegeben hatten sie aber nie. Immer wieder keimte die Hoffnung in ihnen auf, dass ihr Vater ja sagen würde. Aber das geschah nie. Nach einiger Zeit gaben sie es auf, vergaßen den Grund, warum sie Ohrringe wollten oder wurde für sie beide nichtig. ~*~*~*~*~*~*~*~ Ah, distinctly I remember it was in the bleak December; And each separate dying ember wrought its ghost upon the floor. Eagerly I wished the morrow; - vainly I had sought to borrow From my books surcease of sorrow - sorrow for the lost Lenore - For the rare and radiant maiden whom the angels name Lenore - Nameless here for evermore. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)