Star Trek TOS - Strandurlaub oder Abenteuer? von leni1983 ================================================================================ Kapitel 3: Gefährlicher Bann ---------------------------- „Jim!“ Spocks Stimme klang eindringlich und eindeutig besorgt. Der Vulkanier hielt James Kirk fest und stützte ihn, er hatte ihn ein weiteres Mal aus dem tieferen Wasser des iridianischen Ozeanes gezogen. „Jim!?“ Endlich rührte sich der Angesprochene und hustete erst einmal eine ziemliche Menge des salzigen Meerwassers aus. Jim schnappte nach Luft und Spock atmete erleichtert auf. Der Captain war noch ein weiteres Mal untergetaucht gewesen, um den seltsamen Gesängen der iridianischen walähnlichen Meereswesen zuzuhören. Aber die Wirkung der außerirdischen Klänge auf ihn war wirklich fatal. Als er von alleine nach einer für Spock viel zu langen Zeit nicht mehr aufgetaucht war, hatte dieser ihn erneut aus dem Wasser gezogen. Erschreckenderweise hatte sich Jim trotz seiner offenkundigen Atemnot einen Moment lang sogar gegen das Auftauchen gewehrt. Der Captain der Enterprise fühlte sich benebelt und schwindelig. Er versuchte die Benommenheit loszuwerden, die so gefährlich schleichend über ihn gekommen war. Es dauerte etwas, bis sein Blick sich wieder klärte. Fragend schaute er in Spocks dunkle, sorgenvolle Augen. Der Vulkanier musterte ihn einige Sekunden, erkannte dann, dass Jim wieder zurück war und ließ langsam dessen Arme los. „Spock, was ist denn passiert?“, murmelte Kirk. Spock ließ ihn nicht aus den Augen, während er nach eine Erklärung suchte und seine Worte schließlich mit Bedacht wählte. „Die Töne, welche diese Wesen produzieren, wirken sich scheinbar irgendwie auf Teile ihres Nervensystems aus, Captain. Sie lösen einen betäubenden Effekt aus und führen zur Verwirrung und Orientierungslosigkeit. Das hat wiederum dazu geführt, dass Sie nicht rechtzeitig aufgetaucht sind, um zu atmen.“ Spock machte eine kurze Pause, bevor dann etwas leiser ergänzte: „Jim, Sie sollten wirklich in Zukunft vorsichtiger sein.“ „Das sag ich ihm andauernd, Mr. Spock. Aber auf mich will er einfach nicht hören“, sagte da eine nur allzu bekannte Stimme hinter ihnen. Jim und Spock fuhren erschrocken herum. Spock hatte die Nähe der Crewmitglieder aufgrund der Ereignisse ganz vergessen. Schiffsarzt Leonard McCoy stand direkt am Ufer und machte sich nun daran zu Jim und Spock ins Wasser zu kommen, dabei scherte er sich nicht um nasse Füße. Mühsam, aber von Sorge getrieben, stampfte er in Stiefeln durch die an den Strand rollenden Wellen. Scotty und die anderen der Gruppe hielten währenddessen zögerlich etwas Abstand. „Pille, verdammt! Was macht ihr alle hier?“, schimpfte Jim empört und wollte McCoy entgegen gehen. Er marschierte in Richtung Ufer los und wurde sich im selben Moment mehrerer Tatsachen bewusst. Erstens - er war nach seiner Benommenheit gerade viel zu schnell losgegangen und ihm wurde wieder ziemlich schwindlig. Zweitens - er war nicht nur tropfnass, sondern drittens auch immer noch splitterfasernackt vom Schwimmen. Letzteres galt auch für Spock, trotzdem war er sofort an Jims Seite und griff besorgt nach seinem Arm, um den Captain zu stützen. McCoy konnte trotz seiner Sorgen ein Grinsen nicht unterdrücken. Versöhnlich reichte er Jim und Spock die Handtücher, die Jim bereits vorsorglich zum Strand mitgebracht hatte. Der Captain und sein Erster Offizier benutzten sie, um sich abzutrocknen und sich anschließend darin einzuhüllen. Mit seinem Handtuch fühlte Jims sich gleich viel besser, er gewann damit einen Teil seiner Würde und so auch seine alte Selbstsicherheit zurück. „Also nochmal, Pille... Was hast du hier draußen zu suchen?“, brummte der Captain, während sie zu dritt und wesentlich langsamer zum Strand zurückgingen, wobei Jim doch einige Probleme beim Laufen in der Strömung der Wellen hatte. Trotzdem bestand er darauf allein und ohne Stütze zu gehen. Am Ufer angekommen zog Jim sich seine Kleidung wieder an. Seine Bewegungen beim Anziehen waren ziemlich vorsichtig, aber er wollte keinen weiteren Schwindelanfall riskieren. Auf Schuhe und Strümpfe verzichtete der Captain, da seine Füße voller Sand waren. Leonard McCoy verschränkte die Arme. „Verdammt nochmal, Jim! Du kannst es einfach nicht lassen, oder? Selbst im Urlaub... Ich habe nach euch gesucht, weil ich mir Sorgen gemacht habe! Und das offenbar völlig zu Recht! Was zum Teufel denkst du dir dabei, nachts auf einem fremden Planeten mal eben in ein Meer voller riesiger Monster zu springen?“ Jim ließ McCoys Ausbruch über sich ergehen, er nahm es seinem Freund nicht übel. Widerwillig gestand er sich heimlich ein, dass der Doktor Recht hatte. Als McCoy schließlich geendet hatte, gesellte sich Spock wieder zu den beiden, er hatte sich mittlerweile ebenfalls wieder angezogen, auch mit Ausnahme seiner Füße. Er schien allerdings etwas unbehaglich zu fühlen, weil der Sand an seinen nassen Füßen beim Gehen kleben blieb, doch er versuchte das Gefühl zu ignorieren. Dass Spock nichts auf McCoys Worte erwiderte, beunruhigte den Captain etwas. Offenbar war der Vulkanier heute McCoys Meinung. Vielleicht war er ebenfalls sauer auf Jim, auch wenn Spock das niemals zugegeben hätte. Jim wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sein Erster Offizier ihn besorgt fragte: „Captain, geht es Ihnen jetzt wieder besser?“ Etwas in Spocks Tonfall ließ den Arzt in McCoy aufhorchen, so dass er aufhörte, sich weitere Verwünschungen für seinen risikofreudigen Freund zu auszudenken. Sein Groll war vergessen, von Sorge verdrängt. Prüfend musterte er den Captain von oben bis unten. Kirk spürte die sorgenvolle Blicke seiner beiden besten Freunde auf sich. Er entzog sich ihnen mit geübter Gewandtheit, indem er entschlossenen Schrittes zu Scotty und den anderen ging. Hinter seinem Rücken tauschten Spock und McCoy einen Blick, ehe der Doktor Spock leise etwas zu flüsterte. Jim konzentrierte sich darauf, Spock und McCoy einen Moment lang auszublenden, sein Blick blieb dabei an Scotty haften, der sich ziemlich unbehaglich dabei fühlte. Auch Uhura, Chekov und Sulu traten nervös von einem aufs andere Bein. Würde der Captain ihnen allen jetzt eine Standpauke halten - aufgrund seiner verletzten Privatsphäre? Doch Jim hatte nichts dergleichen im Sinn. „Mr. Scott, ist unser Aquashuttle derzeit einsatzbereit?", fragte er geradeheraus. Scotty hatte mit einer solchen Frage nicht gerechnet und brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu sortieren. Dann antwortete er: „Aye, Sir. Die Nautilus ist jederzeit startklar, ich habe sie erst letzte Woche selbst gecheckt und eine Wartung erster Klasse durchgeführt. Wenn Sie wollen, kontaktiere ich sofort das Schiff und schicke jemanden los, um sie hier herunter zu bringen.“ James T. Kirk war mit dieser Aussage sehr zufrieden. So kannte er seine Crew und Scotty war nochmal ein ganz besonderer Fall. Der Chefingenieur würde niemals Landurlaub nehmen, wenn an Bord noch irgendeine Arbeit auf ihn warten würde. „Danke Scotty, aber heute brauchen wir alle noch ein bisschen Schlaf, denke ich. Es war eine lange Nacht.“ Jim blickte alle der Reihe nach an und stemmte dann die Arme in die Hüften. Er warf einen Blick auf den östlichen Horizont. Der Morgen graute bereits. „Also, ich schlage vor, wir ruhen uns jetzt alle einige Stunden aus. Und heute Abend bei Einbruch der Dämmerung breche ich mit der Nautilus auf, um mir dieses Phänomen und diese Wesen mal von nahem anzusehen. Das heißt, falls sie hier in der Nähe nochmal auftauchen. Falls die Wesen nicht da sein sollten, werde ich mich trotzdem unter Wasser mal umsehen. Da Sie alle Landurlaub haben, werde ich niemandem befehlen, mich zu begleiten. Gibt es trotzdem interessierte Freiwillige?“ Es dauerte keine Sekunde, bis Spock antwortete: „Ich melde mich freiwillig, Sir.“ McCoy brummte daraufhin leise: „Das war ja klar.“ Jim lächelte nur zufrieden und blickte seinen Bordarzt erwartungsvoll an. „Und? Was ist mit dir, Pille?“ Der Doktor zögerte und sagte dann: „Nein, lass mal gut sein, Jim. Ich bin hier im Urlaub.“ Etwas leiser fügte er an Jim gewandt hinzu: „Tut mir leid. Aber du weißt genau, dass ich es überhaupt nicht leiden kann, in einem Schiff unter Wasser zu sein.“ Jim nickte verständnisvoll und legte McCoy kurz eine Hand auf die Schulter. Dem Captain war nur allzu bekannt, warum McCoy um größere Mengen Wasser einen großen Bogen machte. Mit einem Schaudern dachte Jim an die Ereignisse auf dem Eisplaneten Nordstral zurück. Zusammen mit McCoy war Jim in einem Unterwasser-Plankton-Sammlerschiff unterwegs gewesen, um rätselhafte Fälle von Wahnsinn aufzuklären. Damals hatte McCoy Jim gegenüber von seinen traumatischen Kindheitserinnerungen im Bezug auf Wasser gesprochen.* „Also, dann gehen wir jetzt erst mal ins Lager zurück.“, sagte der Captain und versuchte die beunruhigenden Erinnerungen zu vertreiben. Gemeinsam machten sie sich alle auf den Rückweg. „Ob noch etwas von dieser köstlichen Suppe da ist, die Christine gekocht hat?“, fragte sich Scotty, ohne jemand bestimmten anzusprechen. Das sogenannte Lager war eine kleine Ansammlung von Zelten, die alle um ein Shuttle herum errichtet waren. Insgesamt waren es drei Zelte, eines bewohnten Christine Chapel und Nyota Uhura. Ein Weiteres teilten sich Sulu und Chekov mit dem Chefingenieur und das dritte Zelt war die Schlafstätte von Kirk, Spock und McCoy. Das Lagerfeuer brannte bereits wieder und Christine Chapel, die am Vorabend als Einzige früh zu Bett gegangen war, hatte schon mit der Zubereitung des Frühstücks begonnen. Die ersten Sonnenstrahlen krochen gerade über den Horizont und ließen den Himmel in den schönsten Farben erstrahlen. „Hallo! Guten Morgen! Schön, dass Sie alle wieder da sind. Ich hatte mir bereits Sorgen gemacht, weil Sie alle solange fort waren.“ Kirk und die anderen nickten der Krankenschwester zu. Christine musterte den Captain und den Ersten Offizier verwundert, die noch immer nasse Haare hatten. Kirk ließ Spock den Vortritt und ging in sein Zelt, während Spock in die Ultraschalldusche des Shuttles verschwand. Christine sah ihnen nachdenklich nach und fragte dann McCoy: „Doktor, ist etwas passiert?“ McCoy zuckte die Schultern. „Wie man es nimmt... Auf jeden Fall ist eine längere Geschichte, die ich jetzt nicht mehr erzählen möchte... Ich werde versuchen, ein paar Stunden zu schlafen...“ Christine nickte nur und ließ ihn gewähren, sie wusste, dass er früher oder später reden würde, wenn ihm danach war. Als McCoy kurz darauf in sein Zelt kroch, hatte Jim sich schon auf seinem Schlafplatz zusammengerollt. Zumindest tat er so, als würde er schlafen. McCoy war sich ziemlich sicher, dass der Captain wach war. Der Doktor konnte sich nicht helfen, er war irgendwie immer noch sauer, weil Jim sich immer ohne Nachzudenken in potentiell gefährliche Situationen begab. Sogar in seiner Freizeit ging der Captain Risiken ein - und das völlig unnötig. Zumindest war das McCoys Ansicht. Missmutig setzte der Arzt sich auf sein Bett neben Kirk und zog sich trockene Sachen an. Eben erst hatte McCoy seine nassen Schuhe und Strümpfe mit viel Mühe und Anstrengung am Zelteingang ausgezogen. Hin und her gerissen zwischen Sorge und Wut musterte er seinen angeblich schlafenden Freund. Inzwischen hätte er sich doch schon längst daran gewöhnt haben müssen, dabei zuzusehen, wie leichtsinnig Jim oft mit seinem eigenen Leben umging, vor allem wenn es Neues und Unbekanntes zu entdecken gab oder wenn jemand in Gefahr war und Hilfe brauchte. Wie oft würde der Captain in Zukunft noch in letzter Sekunde davon kommen? Wie viele Male war bis jetzt alles gerade so nochmal gut gegangen? Irgendwann hatte Pille aufgegeben, es zu zählen... Irgendwann würde dieser schreckliche Tag kommen. Der Tag, an dem alles zu spät sein würde für Jim. Der Tag, an dem sie, McCoy oder auch Spock zu spät am Ort des Geschehens sein würden... Und Spock... Spock würde an diesem Tag den einzigen Menschen verlieren, dem er erlaubt hatte, hinter die Mauern der vulkanischen Selbstbeherrschung zu blicken. Leonard erschauerte. Warum musste er jetzt an so etwas denken? Eigentlich hatte er doch Urlaub... Er ballte die Fäuste. Eine hochgewachsene Gestalt tauchte vor dem Zelteingang auf. „Doktor?“ McCoy zuckte ertappt zusammen. „Doktor, könnte ich Sie bitte kurz sprechen?“, fragte Spock. Eigentlich wollte McCoy ablehnen, die ganze Sache mit Jim hatte ihn wirklich erschöpft. Doch er ahnte, dass er trotzdem keine Ruhe finden würde, daher überlegte er sich anders. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, mit Spock zu reden. Schließlich ging es dem Vulkanier ebenso gegen den Strich, wenn der Captain nötige und unnötige Risiken einging, nur das Spock darüber weitaus weniger laut nörgelte, als McCoy. Leonard zog sich also wieder Schuhe an und krabbelte aus dem Zelt. Jim wälzte sich unruhig hin und her. Er hörte, dass McCoy das Zelt wieder verlassen hatte, dennoch hielt er die Augen geschlossen. Es fiel ihm sehr schwer, Schlaf zu finden, obwohl er hundemüde war. Die Sonne stieg immer höher und es wurde immer heller im Zelt. Der Captain war gleichzeitig erschöpft und aufgeregt von den Ereignissen der Nacht. Das Geheimnis dieser Wesen, ihr Gesang ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Schließlich gab er genervt auf. Er rieb sich nochmal die Augen und krabbelte dann aus dem Zelt, um sich einen Kaffee zu aufzubrühen. Von den anderen war weit und breit nichts zu sehen und zu hören. Spock und McCoy waren nirgends zu entdecken, vielleicht machten sie einen Spaziergang oder erforschten irgendwelche einheimischen Lebensformen. Sie waren auf Landurlaub und Jim machte sich frei davon, zu wissen, was seine einzelne Crewmitglieder gerade taten. Von den anderen ihrer Gruppe war auch keine Spur, wahrscheinlich waren sie wirklich nochmal zu Bett gegangen, so wie er es auch besser hätte tun sollen. Jim legte ein paar Stücke Holz auf das Feuer, damit es nicht ausging und machte sich dann eine Tasse Kaffee. Nach dem Kaffee fühlte er sich etwas wacher und hatte Lust auf einen Spaziergang. McCoy und Spock waren eine Weile schweigend nebeneinander hergegangen und hatten sich schon ein Stück vom Lagerplatz entfernt. Es sah Spock gar nicht ähnlich, zunächst um ein Gespräch zu bitten und dann nicht mit der Sprache rauszurücken. Schließlich blieb McCoy abrupt stehen und blickte den Vulkanier entschlossen an. „Was ist los, Spock? Wo gehen wir eigentlich hin? Sie wollten mir doch etwas sagen, oder?“ Spock straffte sich und schien sich zu sammeln, bevor er antwortete: „Das ist wahr, Doktor. Ich habe bisher überlegt, was die beste Wortwahl ist, damit sie meiner Bitte entsprechen.“ McCoy knurrte: „Spock... Wenn Sie was von mir wollen, dann raus mit der Sprache! Ich kann es nicht leiden, wenn jemand um den heißen Brei herumredet. Und Ihnen sieht das auch gar nicht ähnlich...“ Noch während er sprach, kam McCoy ein beunruhigender Gedanke. Er musterte den Vulkanier forschend. „Spock... Ist irgendetwas mit Jim? Ich meine, etwas von dem ich nicht weiß?“ Spock zögerte. „Meine Bitte hat etwas mit dem Captain zu tun.“, sagte er ausweichend. „Spock...“ Der Vulkanier wusste McCoys warnenden Unterton inzwischen zu deuten und versuchte auf den Punkt zu kommen, was ihm heute doch ungewöhnlich schwerfiel. „Doktor, aufgrund der heutigen Ereignisse, mache ich mir große Sorgen um den Captain. Bezüglich dieser Wesen und ihrer Gesänge scheint er sehr beeinflussbar zu sein und das sieht Jim gar nicht ähnlich. Ich bitte Sie daher, uns auf unsere Unterwasser-Expedition zu begleiten.“ McCoy wollte Einwände erheben, doch Spock ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ich weiß wohl, dass Sie abgelehnt haben, uns zu begleiten, Doktor. Ich kenne auch die offiziellen Berichte der Ereignisse auf Nordstral, obwohl diese Ihre Abneigung gegen Wasser für mich nicht ausreichend erklären. Im Bezug auf den Captain bin ich nicht immer fehlerfrei in meiner Logik. Möglicherweise brauche ich Ihre Einschätzung zu seinem... Befinden, wenn wir diesen Wesen wieder begegnen.“ McCoy fehlten ausnahmsweise einmal die Worte. Er war nicht nur verblüfft, sondern auch gerührt, ob des Vertrauens, welches Spock ihm entgegenbrachte. Der Vulkanier hatte ihm gerade ziemliche viele Einblicke in seine persönlichen Gedanken gewährt. Er machte sich nicht nur Sorgen wegen Jim, er gab sogar zu, dass diese besondere Freundschaft manchmal sein vulkanisches Urteilsvermögen beeinflusste. Das war schon eine ziemliche Offenbarung. McCoy beschloss, Spock mit der gleichen Offenheit zu begegnen. „Spock...“, begann er, „Meine Abneigung gegen größere Mengen Wasser hat nicht nur etwas mit den Ereignissen auf Nordstral zu tun. Die Erlebnisse auf dem Eisplaneten haben in mir nur bestimmte Erinnerungen wachgerufen...“ Er verstummte und suchte nach Worten. Dabei traten Ereignisse wieder so klar in sein Gedächtnis, als wäre alles erst vor kurzem geschehen. Er sah sich wieder zum Grund des Sees sinken, beobachtete mit erschrecken das verblassende Licht... McCoy schüttelte sich und versuchte zurück in die Gegenwart zu finden. Schließlich sammelte er sich und blickte zu dem Vulkanier auf. Einerseits fiel es ihm schwer, vor Spock davon zu sprechen, aber andererseits waren sie beide Freunde, wenn das auch keiner von beiden vor Zeugen zugegeben hätte. „Spock... Als ich ein kleiner Junge war, wäre ich beim Spielen mit Freunden fast ertrunken. Ich wurde schließlich gerettet, aber einer meiner Freunde hatte nicht so viel Glück.“* Leonard spürte den alten Schmerz in sich aufsteigen und wandte den Blick ab, als seine Augen feucht wurden. Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und schaute in Spocks dunkle Augen. „Ich verstehe... Ich bedaure Ihren Verlust.“, sagte Spock leise. Sie schauten sich einen Moment schweigend an. Dann lockerte McCoy seine angespannten Schultern und atmete tief durch. „Ich werde mitkommen, Spock.“ „Danke, Doktor.“, sagte Spock und war wieder in seinen üblichen vulkanisch-neutralen Tonfall zurückgekehrt. „Gehen wir jetzt zurück?“, fragte McCoy Spock, nachdem dieser Punkt nun geklärt war. Der Vulkanier schüttelte den Kopf. „Ich werde zunächst zur Enterprise zurückkehren. Ich möchte den Bibliothekscomputer bezüglich der hiesigen Meeresfauna konsultieren. Möglicherweise gibt es Informationen, die die Wirkung der sogenannten Walgesänge auf den Captain erklären. Wir müssen außerdem annehmen, dass nicht nur er für diese Gesänge anfällig ist. Alles andere wäre unter den gegebenen Umständen unlogisch. Aus diesem Grund werde ich den diensthabenden Kommunikationsoffizier bitten, alle Crewmitglieder, die derzeit Landurlaub haben bzw. in Kürze antreten werden, über die mögliche Gefahr aufzuklären.“ McCoy musterte Spock nachdenklich. „Was ist mit Ihnen, Spock? Haben Sie die Wirkung der Gesänge ebenfalls gespürt? Sie waren doch auch im Wasser.“ „Ich war in der Tat im Wasser, Doktor. Allerdings waren die Gesänge nur unter Wasser zu hören. Auch als ich den Captain mehrmals aus dem Wasser gezogen habe, vermied ich es, mit dem Kopf unterzutauchen. Allerdings gehe ich davon aus, dass ich eine natürliche Immunität gegen den Einfluss dieser Klänge habe.“ An dieser Stelle protestierte McCoy sofort: „Woher wollen Sie das wissen, Spock? Wie Sie gerade selbst zugegeben haben, haben Sie diese Gesänge ja noch nicht einmal gehört!“ Spock zog eine Augenbraue in die Höhe. „Doktor, warum regen Sie sich so auf? Die vulkanische Physiologie unterscheidet sich in vielen Bereichen erheblich von der menschlichen Natur - was Sie auch sehr genau wissen. Vor allem im Bezug auf das Nervensystem. Ich glaube, eine natürliche Immunität zu besitzen. Sicher bin ich mir nicht. Bei nächster Gelegenheit sollte ein praktischer Test erfolgen.“ McCoy war keineswegs beruhigt durch die Aussage des Vulkaniers -im Gegenteil. Seine Sorge steigerte sich noch. „Ein praktischer Test? Und wenn Sie feststellen, dass Sie nicht immun sind? Vergessen Sie nicht, dass Sie zumindest zur Hälfte ebenfalls ein Mensch sind.“ Spock unterdrückte ein Seufzen und behielt seine übliche stoische Haltung bei. Aber es kostete ihn heute große Mühe. Diese Diskussion um vorhandene oder nicht vorhandene menschliche Schwächen hatten sie beide schon oft genug erörtert. Spock spürte, dass auch seine Geduld Grenzen hatte. Sein Tonfall war ruhig, allerdings war es die Ruhe vor dem Sturm, als er antwortete: „Doktor McCoy, meine biologischen Besonderheiten sind mir bekannt. Außerdem ist es mir unmöglich, jenen Teil meiner Physiologie zu vergessen, da Sie mich unablässig daran erinnern.“ Der Schiffarzt der Enterprise spürte Spocks Stimmungsumschwung nicht nur, er sah auch in seinen Augen, dass es jetzt besser war, sich in Zurückhaltung zu üben. Leonard trat einen Schritt zurück. Ihm war gerade eingefallen, dass Sie ja eigentlich Urlaub hatten und dass selbst bei Spock irgendwann der Punkt erreicht sein musste, wo er von ihren ständigen Wortgefechten genervt war. Auch wenn Spock sicher nicht bereit war, dass zuzugeben. „Tut mir leid, Spock.“, murmelte er versöhnlich. Überrascht wanderte eine von Spocks Brauen in die Höhe. Er nickte dem Arzt dankbar zu, ehe er sagte: „Ich werde jetzt zum Schiff zurückkehren. Bitte informieren Sie den Captain über meine Absichten. Sie können ihm auch ausrichten, dass ich bei meiner Rückkehr die Nautilus mitbringe. Wenn er weiteres Personal für das Aquashuttle anfordern möchte, kann er sich vorher mit mir in Verbindung setzen. Ich werde dann an Bord alles in die Wege leiten.“ McCoy nickte, nachdem Spock geendet hatte. „Ich werde Jim Bescheid geben.“, bestätigte er. Daraufhin klappte der Erste Offizier seinen Kommunikator auf. „Spock an Enterprise. Eine Person zum Hochbeamen.“ Leonard McCoy sah noch zu, wie der Vulkanier im Transporterstrahl verschwand, ehe er sich langsam auf den Rückweg zum Lager machte. Gedanklich erstellte er eine Liste medizinischer Ausrüstungsteile, die er auf Jims Mission unter Wasser möglicherweise brauchen würde. Er war noch nicht weit gegangen, als er auf Jim Kirk stieß. „Hallo, Pille!“, begrüßte der ihn gut gelaunt. McCoy musterte seinen Freund und Captain fachmännisch. „Du siehst nicht sehr ausgeruht aus, Jim. Wolltest du nicht eine Runde schlafen?“ Kirk winkte ab. „Ach, ich bin viel zu aufgeregt und finde keine Ruhe. Ich kann es kaum erwarten, dass die Reise losgeht.“ Der Captain sah sich suchend um. „Wo ist Spock? Hast du ihn gesehen?“, fragte er dann. Der Doktor nickte. „Ja, ich habe ihn gesehen. Er ist auf die Enterprise zurückgebeamt. Er wollte deine Ruhe nicht stören und lässt dir ausrichten, dass er den Bibliothekscomputer bezüglich der singenden Meeresbewohner befragt. Anschließend kehrt er mit dem Aquashuttle hierher zurück.“ Jim wirkte einen Moment lang nachdenklich. Dann wandte er sich wieder an McCoy: „Ist Spock schon lange weg?“ McCoy schüttelte den Kopf. „Nein, er hat sich erst vor ein paar Minuten hinauf beamen lassen. Ist noch nicht lange her.“ Jim wirkte ein wenig enttäuscht. Dann würde es bis zu Spocks Rückkehr wohl noch etwas dauern. Da kam ihm ein Gedanke und er fragte verwundert. „Pille... Spock und du...Was habt ihr denn eigentlich hier gemacht?“ McCoy verschränkte die Arme. „Wir hatten etwas zu besprechen.“, gab er kurz angebunden zurück. „So?“ Jim konnte seine Neugierde nicht zügeln. „Was denn?“ „Du wirst es wahrscheinlich nicht glauben, aber dein spitzohriger Erster Offizier hat mich gebeten, euch auf die Unterwassermission zu begleiten.“ „Tatsächlich? Und?“ „Und was?“ „Wirst du uns begleiten, Pille?“ „Ja, das werde ich wohl.“, antwortete McCoy zähneknirschend. „Das freut mich. Ich weiß, was für eine Überwindung dich das kosten muss. Verrätst du mir, wie Spock das angestellt hat?“ Kirk konnte sein Grinsen nicht unterdrücken. Er freute sich wirklich, dass nun seine beiden besten Freunde mitkamen. McCoys Tonfall ließ ihn allerdings wieder ernst werden. „Jim...“, sagte dieser nun eindringlich. „Spock macht sich große Sorgen um dich - wegen dieser Wesen. Er befürchtet, dass diese seltsame Gesänge dein Urteilsvermögen auch dann beeinträchtigen können, wenn wir im Shuttle unter Wasser sind. Und er befürchtet, dass nicht nur du, sondern auch andere Mitglieder der Crew von den Gesängen beeinflusst werden könnten. Außerdem weiß ich ja, dass du es absolut nicht lassen kannst, dich von einer gefährlichen Ecke in die nächste zu begeben....“ An dieser Stelle seiner Erklärung seufzte McCoy resigniert. Der Captain allerdings war verärgert. „Nun, hör aber auf, Pille. Wenn du nur mitkommst, um den Babysitter zu spielen, dann bleib lieber gleich an Land. Ruh dich aus, entspann dich und genieß deinen Urlaub...“ McCoy schüttelte den Kopf. „Nein, Jim. Spock hat mich aufgrund meiner Kenntnisse als Mediziner gebeten, mitzukommen und ich werde seiner Bitte nachkommen. Ich tue es nicht gerne und das weißt du auch, aber Spock hat Recht. Es könnte gefährlicher werden, als auf den ersten Blick erkennbar ist.“ „Spock hat dich wirklich gebeten mitzukommen, weil er einen Arzt dabei haben möchte...“ Das musste Jim erst mal verdauen. „Er musste mich sogar überreden, Jim. Und er hat mich überzeugt. Mein Entschluss steht fest. Ich komme mit.“ Für Leonard McCoy war die Diskussion damit beendet. Er verschränkte die Arme und wartete auf die Erwiderung seines vorgesetzten Offiziers. Captain James T. Kirk war nun so gar nicht mehr nach Urlaub zumute. Er dachte konzentriert nach. Der Vulkanier schien sich wirklich sehr große Sorgen zu machen. Jim versuchte objektiv darüber nachzudenken. War die Sorge seiner Freunde berechtigt? Wenn er ehrlich zu sich selbst war, musste er das auf jeden Fall bejahen. Ohne Spocks Eingreifen wäre er ertrunken, weil er so sehr von den Gesängen der iridianischen Wale gefesselt war, dass er seine Atemnot gar nicht gespürt hatte. Selbst jetzt machte ihn die Neugier auf diese Wesen fast wahnsinnig. Er konnte es kaum erwarten, die Erkundung unter Wasser zu starten. War das noch seine natürliche Neugier? Sein normaler gesunder Forscherdrang? Sollte er seine Entscheidung, die Nautilus durch den iridianischen Ozean zu steuern, nochmal überdenken? Kirk stellte sich vor, wie er das Geheimnis links liegen lassen würde. Er würde stattdessen zu Ruhe und Entspannung zurückkehren und am Ende seines Urlaubs den Planeten verlassen. Und mit ihm das ungelöste Geheimnis in den Tiefen des iridianischen Ozeans. Jim schüttelte sich. Es ging nicht. Er konnte es nicht ignorieren. Das Meer lockte ihn - mit all seinen Bewohnern und mit all seinen Gefahren, so wie sonst der Weltraum mit seinen unendlichen Weiten. Nein, er würde keinen Rückzieher machen. Er würde Spocks und McCoys Warnungen im Hinterkopf behalten, wenn er mit der Nautilus und mit ihnen zusammen auf die Reise ging. Es gab eine neue Welt zu entdecken. Und diesmal lag sie eben unter Wasser. Sie hatten die technischen Möglichkeiten dazu und er würde sie nutzen. Plötzlich wurde Jim aus seinen Gedanken gerissen. Er spürte sanft eine vertraute Hand auf seiner Schulter und blickte auf, direkt in McCoys forschende, wasserblaue Augen. „Jim... Ist alles in Ordnung mit dir?“ Der Captain lächelte. „Es ist alles okay, Pille. Verzeih, dass ich zunächst wütend auf dich war. Du meinst es ja gut. Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht. Wenn Spock zurückkehrt, werden wir starten.“ McCoy wollte Einwände erheben, aber Jim kam ihm zuvor. „Keine Sorge. Ich behalte eure Warnungen im Hinterkopf. Jetzt lass uns zurück zu den Anderen gehen und auf Spock warten.“ Und zusammen machten sie sich auf den Weg zurück zu den Zelten. * An diesen Stellen verweise ich auf die Geschehnisse und Schilderungen des Romans „Die Eisfalle“ von L.A. Graf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)