Allein zu zweit… von Nightprincess (…oder doch zu dritt?) ================================================================================ Kapitel 4: Tag danach --------------------- ~~~~~ 4. Tag danach ~~~~~ Es ist Samstagmorgen. Es ist der Tag danach. Der Tag nach dem Tag, an dem mein Leben zum dritten Mal in Schutt und Asche gelegt wurde. Das erste Mal hat mich meine Mutter verlassen und hat meine Schwester mitgenommen, das zweite Mal hat mich mein Vater verlassen und dieses Mal ist es meine Frau, die mich verlassen hat. Meine Mutter und meine Schwester kann ich wiedersehn, wenn ich es will, meinen Vater und meine Frau jedoch nicht. Schweigend sitze ich vor dem Bett meiner Tochter und streiche ihr beruhigend durchs Haar. Ihre Augen sind gerötet und Tränen sammeln sich in den Augenwinkeln, sie schnieft leise vor sich hin und murmelt immer wieder: Mama und jedes Mal bricht es mir fast das Herz. Als ich sie gestern von der Schule geholt habe und sie erneut nach ihrer Mama fragte, hab ich die schwerste Entscheidung meines Lebens getroffen. Ich hab ihr die Wahrheit gesagt. Dass ihre Mama tot ist und dass sie nicht mehr zurückkommen wird. Dass sie nie wieder die Möglichkeit hat, ihre Mama wiederzusehen. Joanne kannte den Tod nicht nur aus Geschichten und aus den Nachrichten. Im letzten Jahr ist unsere Nachbarin gestorben, eine Frau Ende 70. Damals hat meine Tochter mich gefragt, was tot sein bedeutet, nachdem sie ein Gespräch zwischen zwei weiteren Hausbewohnern mitangehört hatte. Damals war es Mai, die versucht hat, Joanne den Tod zu erklären. Wir haben es uns dann zur Aufgabe gemacht mit unserer Tochter zu reden, wenn jemand aus unserem Bekanntenkreis verstarb oder wir tote Tiere bei unseren Spaziergängen fanden. Es war keine einfache Zeit, weil Joanne immer Fragen stellte wie: Kommen gute Menschen wirklich in den Himmel? Wohin kommen die toten Igel? Können Bäume sterben? Wir haben immer versucht auf jede ihrer Fragen eine ehrliche aber kindgerechte Antwort zu geben, sie hat jedes Mal genickt und wenn wir wieder ein totes Tier fanden, dann war sie auch traurig und hat uns gebeten, das Tier zu beerdigen und Blumen auf das Grab zu legen. Aber ihr zu erklären, dass nun auch ihre Mama beerdigt werden muss, war für mich dennoch nicht einfacher. Joanne hat mich erst völlig verständnislos angeschaut und den Kopf geschüttelt, dann ist sie durch die Wohnung gerannt und hat nach Mai gerufen, sie wollte auch aus der Wohnung laufen, um im Hausflur weiterzusuchen. Ich hielt sie noch rechtzeitig davon ab und nahm sie in den Arm. Als Antwort hat sie mein Gesicht zerkratzt und in meinen rechten Oberarm gebissen. Sie hat mich angeschrien, mir irgendwelche Schimpfwörter entgegen gebrüllt, die sie wohl von irgendwelchen Leuten aufgeschnappt hatte und dessen Bedeutung sie mit Sicherheit nicht kannte. Eine halbe Stunde dauerte ihr Wutausbruch, erst danach hat sie geweint und sich in völliger Verzweiflung an mich geklammert. Und erst dann brach auch ich in Tränen aus. Als ich gestern Vormittag Mais Leichnam identifizieren musste, habe ich nicht geweint, ich fühlte mich einfach nur leer. Mais Anblick war schrecklich. Ihre blonden Haare waren teilweise rot von ihrem Blut. Ihr Gesicht war seltsam entstellt. Ich war froh, dass der Rest ihres Körpers von einem weißen Laken bedeckt war. Herr Maynard war bei mir und erklärte mir, dass die nötigen Vorkehrungen für die Beerdigung vom Casino übernommen werden, da es sich beim Unfall um einen sogenannten Wegeunfall handelt, da sich Mai auf dem direkten Weg von ihrer Arbeitsstelle nachhause befand. Er erklärte mir außerdem, dass er für das Casino arbeitet, um eben solche Dinge in die Wege zu leiten und sich um zurückgebliebene Angehörige ihrer verstorbenen Angestellten zu kümmern, sollten diese es wünschen. Ich fragte nicht, warum ein Casino es für nötig erachtet, einen Angestellten wie Herrn Maynard zu beschäftigen. Ich konnte mir denken, dass es vermutlich Leute gab, die sich an den Angestellten rächen wollten, für ein verlorenes Spiel oder Ähnliches. Das war mit ein Grund, warum ich erfreut darüber war, dass Mai befördert wurde, um am Spieltisch der Superreichen zu arbeiten, dort würde sich vermutlich keiner dafür rächen wollen, wenn mal etwas Geld beim Spiel verloren wurde. Ein leises Wimmern lässt mich zusammenzucken. Joanne bewegt sich unruhig in ihrem Bett. „Ssshhht. Ist schon gut. Papa ist da.“ Ich streiche wieder beruhigend durch ihr Haar. Ich bin froh, dass heute kein Schultag ist. Ich bin auch froh, dass in einer Woche die Sommerferien anfangen und ich es geschafft habe, Joanne für die restliche Zeit vom Unterricht zu befreien. Ihr Zeugnis für die 1. Klasse schickt uns Joannes Klassenleiterin mit der Post. Sie war sehr verständnisvoll und hat ihre Hilfe angeboten und mir einige Telefonnummern von Therapiegruppen gegeben, für den Fall, dass Joanne oder ich psychologische Unterstützung benötigen. Dafür war ich sehr dankbar. Die nächste Zeit wird nicht einfach für uns, denn ich muss nicht nur damit fertig werden, dass Mai nicht mehr da ist. Ich werde mich auch damit anfreunden müssen, für uns eine neue, kleinere Wohnung zu suchen, die ich mir als nun alleinerziehender Vater leisten kann. Ganz kurz habe ich mit dem Gedanken gespielt, zu Kaiba zu gehen und ihn um Hilfe zu bitten, dafür dass ich seine Tochter großziehe, aber ich habe den Gedanken schnell wieder verdrängt. Kaiba bekäme es fertig, mir das Sorgerecht für Joanne zu entziehen, wenn er erfährt, dass sie seine leibliche Tochter ist und nicht meine. Und das könnte ich nicht ertragen! ~~~~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)