Der Wolfsprinz von Mad-Dental-Nurse (Wenn das kälteste Eis zu schmilzen beginnt) ================================================================================ Kapitel 4: Dunkle Vorzeichen ---------------------------- Mit einem lauten Knall warf er die Türe hinter sich zu, sobald er im Elternhaus war und lehnte sich dagegen, als wollte er verhindern, dass das Ding, welches ihn verfolgte, ins Haus kam. Minutenlang stand er so da, spürte wie sein Herz gegen das Innere seiner Brust hämmerte und das Blut in seinen Ohren rauschte. Seine Lungen schmerzten. Fühlten sich trocken an und als wären sie von Dornenranken umschlossen. Erst als ihm schwindelig wurde, wurde ihm klar, dass er die Luft angehalten hatte und nun gierig frische Luft in seine ausgedörrten Lungen saugte. Solange bis das Schwindelgefühl nachließ und er sich wieder beruhigt hatte. Das Zittern in seinen Beinen aber blieb. Mit langsamen Schritten ging er zu einem Stuhl und ließ sich auf diesen niedersinken. Verschränkte die Arme auf den Tisch und legte den Kopf darauf. Schloss die Augen. Atmete weiterhin tief ein und nach einiger Zeit ließ auch das Zittern nach und Rene fühlte sich einigermaßen besser um hoch zu gehen. Dennoch konnte er nur mit Mühe aufstehen. In seinem Zimmer legte er legte seine Sachen ab und ging dann in die Küche um etwas Wasser ab zu kochen, um sich zu waschen. Während er darauf wartete, dass der Teekessel endlich pfiff, bemerkte er, dass weder seine Mutter, sein Vater noch seine Schwester zuhause waren. Das wunderte ihn ein wenig. Normalerweise waren sie um diese Zeit immer zuhause. Oder vielleicht waren seine Eltern in der Bäckerei und machten die nächsten Brote fertig. Aber wo könnte dann Flora sein? Bei einer Freundin? Oder sie half ihren Eltern. Das musste es sein. Rene hoffte es, denn er hatte die leise Befürchtung, dass sie nach ihm suchen gegangen war und womöglich nun auch in diesem unheimlichen Wald stand. „Oh bitte nicht. Lieber Gott, bitte mach, dass sie bei Ihnen ist!“ Das Pfeifen riss ihn aus seinen Gedanken und ließ ihn zusammenzucken. Schnell nahm er den Teekessel von der Platte und ging damit ins Badezimmer. Vorsichtig goss er das heiße Wasser und sah, wie der Spiegel von dem Dampf beschlagen wurde. Doch das kümmerte Rene erstmal nicht. Er nahm einen Lappen und tauchte diesen schnell in das heiße Wasser. Schon als seine Hände das Wasser berührten, spürte er eine gewisse Erleichterung und er seufzte wohlig auf. Schnell machte er sich daran, diese Wärme auch auf seinen Oberkörper zu verteilen. Die Wärme des Wassers sorgte dafür, dass sich seine angespannten Muskeln wieder lockerten und die Kälte, die ihn seit, er aus dem Wald gelaufen war nicht mehr losließ, von ihm abfiel. Als er nichts mehr von dieser beklemmenden Kälte spürte, wollte er sich nun das Gesicht waschen und wischte daher den Spiegel sauber. Doch kaum dass seine Hand einen Streifen klaren Glases freigab, stieß er einen Schrei aus, als er hinter seinem Spiegelbild zwei weitere Augenpaare entdeckte, die ihn kalt ansahen. Der Schrecken fuhr durch seinen Körper und lähmte ihn. Sein Herz raste wie zuvor, als er aus dem Wald gerannt war. In seinem Kopf schrie es, dass das nur Einbildung sei. Dass er sie sich die Augen einbildete. Wie ein Kind, dass etwas schreckliches sah, kniff er die Augen zu und atmete einige Male hörbar ein und aus. Als er sich sicher war, dass diese Augen weg sein mussten, öffnete er sie wieder und zu seiner Erleichterung waren sie auch verschwunden. Jedoch blieb das Entsetzen darüber und Minuten lang blickte er in den Spiegel und obwohl die eisigen Augen verschwunden waren, spürte er dennoch ihren bohrenden Blick auf sich. Erneut spürte er diese Kälte um sich herum und begann zu zittern. Schnell zog er sich sein Hemd über und eilte in sein Zimmer. Er wollte nur noch die Tür hinter sich in Schloss schmeißen und sich unter der Bettdecke verkriechen. Dass er sich dabei wie ein Kleinkind benahm war ihm egal. Er fürchtete sich. Es waren nicht nur die Augen, die ihn mit solch einer Angst erfüllten, sondern das die Bedrohung allgegenwärtig sei und nicht zu greifen. Rene warf sich auf sein Bett und zog sich die Bettdecke über den Kopf. Hielt sie wie einen Schutzschild fest. Wollte diese Kälte und die Angst damit aussperren. Und nach einiger Zeit schlief er ein. Er wurde jedoch wieder geweckt als er das dumpfe Klopfen von Pfoten auf dem Boden hörte, die näher kamen und ein tiefes Knurren, genau über seinem Kopf. Rene überlief es kalt und obwohl dagegen schrie, es nicht zu tun, wagte er es dennoch, die Decke etwas zurück zu schieben. Seine Augen weiteten sich als er den großen weißen Wolf sah, der ihn aus wütenden eisblauen Augen anschaute und die Zähne bleckte. Wie kam er hier rein? Er war sich sicher gewesen, dass er die Tür hinter sich verschlossen hatte. Also wie kam dieses Monster hinein? „Du wagst es mich Monster zu nennen? Du warst es, der als erster einen Fuß in mein Reich gesetzt hast!“, hörte er plötzlich eine Stimme in seinem Kopf. Rene glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Hatte der Wolf mit ihm gesprochen? Aber das war doch unmöglich? „Ob unmöglich oder nicht. Du bist in mein Reich eingedrungen und dafür sollst du büßen!“, knurrte der Wolf, riss sein Maul auf und stürzte sich auf ihn. Rene schrie auf und landete hart auf dem Holzboden. Einige Minuten wusste er nicht wo er war. Er dachte, er würde auf seinem Zimmer sein, aber als er wieder einigermaßen zu sich kam, musste er feststellen, dass er immer noch in der Wohnstube war. Er hatte geträumt. Aber es hatte sich so echt angefühlt. Rene schauderte als er sich diesen Wolf wieder vor Augen sah und sein Maul, welches nach ihm schnappte. Aber was wenn das kein Traum gewesen war? Ein schrecklicher Gedanke kam in ihm hoch. Schnell eilte er zur Tür und vergewisserte sich, dass sie verschlossen war. Dann sah er nach den Fenstern. Ebenso verschlossen. Dann machte er sich auf die Suche nach seinen Eltern und seiner Schwester. Sie waren, wie er es sich gedacht hatte, in der Bäckerei. Rene war froh, dass sie hier waren, aber als seine Familie die Sorge in seinem Gesicht sah, dachten sie, es sei etwas Schlimmes passiert. „Rene was ist los? Du siehst ja aus, als seist du einem Geist begegnet!“, sagte sie Mutter bestürzt und wischte sich das Mehl von ihren Händen ab. „Ich…ich habe mir Sorgen gemacht!“, sagte er. „Ihr wart nicht zuhause!“ „Wir dachten, du wüsstest dass wir hier sind!“ „Ich…ja…aber…ich…!“, sagte Rene und fasste sich an die Stirn. Er hatte auf einmal schreckliche Kopfschmerzen. Das alles war zu viel für ihn. „Setz dich, Junge!“, sagte sein Vater und drückte ihn auf einen Stuhl nieder. „Flora bring deinem Bruder etwas zu trinken!“ Flora nickte und ging an einen kleinen Schrank, aus dem sie sogleich eine kleine Flasche holte und etwas von der Flüssigkeit in einen Becher füllte. Sie reichte ihm den Becher, doch kaum hatte er ihn ergriffen und ihn an die Lippen setzte, verzog das Gesicht, als ihn der scharfe Geruch in die Nase drang. „Was ist das für ein Zeug?“, würgte Rene angewidert. „Honiggeist!“, sagte sein Vater knapp. „Das wird dich wieder beruhigen!“ „Muss ich das wirklich trinken?“, fragte Rene wie ein kleines Kind, dass eine übelschmeckende Medizin schlucken musste. „Es wird dich beruhigen!“, sagte sein Vater nur und Rene fügte sich. Es schmeckte genauso scheußlich wie es roch und Renes Magen krampfte sich zusammen. In seiner Kehle brannte es und er schmeckte den bitteren Geschmack von Alkohol. Rene hustete etwas. Wie soll mich das beruhigen, dachte er. „Geht es wieder?“, fragte seine Mutter besorgt und Rene nickte. „Ich gehe wieder nachhause!“ Als seine Eltern und Flora wieder daheim waren, wartete Rene bis seine Schwester die Treppen hochkam, um sie zur Seite zu nehmen und mit ihr zu sprechen. „Flora!“, flüsterte er und ergriff ihre Hand. „Rene, hast du mich erschreckt!“ „Ich muss mit dir reden!“, sagte er ohne Umschweife und zerrte sie in sein Zimmer. „Rene, was soll das?“, fragte sie erstaunt. Als sie ihn sich genauer ansah, ahnte sie, dass etwas nicht stimmte. So wie er sie festhielt und nun ansah, als er hinter sich die Tür geschlossen hatte, wirkte er als habe er ein schlimmes Geheimnis. Ein Geheimnis, welches er nur mit ihr teilen kann. Das spürte sie. „Das was ich dir jetzt sage, darfst du niemand anderen verraten!“, bat er sie dringlich und sah sie flehend an. Flora schluckte. Seit ihrer Kindheit kannte sie den Blick in seinen Augen, wenn er was angestellt hatte und sich nicht traute, es seinen Eltern zu beichten. So wie auch jetzt. Aber dieser war wesentlich panischer und sie hatte das dumme Gefühl, dass er mehr als nur einen Dummen-Jungen-Streich angestellt hatte. „Rene, was ist los? Sag schon!“, drängte sie ihn dann und berührte mit ihrer freien Hand seine Wange. Wollte ihn beruhigen. Doch Renes Augen wurden nur noch ängstlicher und er schüttelte den Kopf. „Versprich mir, es niemanden zu sagen. Nicht unseren Eltern und auch nicht unserer Großmutter!“ „Rene…!“ „Versprich es mir!“ „Also gut, ich verspreche es dir!“, sagte Flora beschwichtigend. „Jetzt sag mir aber, was um alles in der Welt passiert ist?“ Rene sagte nichts, sondern biss sich auf die Unterlippe und schaute beschämt zu Boden. „Ich…ich war heute im Wald!“, flüsterte er dann schließlich und wagte es nicht, seine Schwester an zu sehen. Sie wusste von dem Verbot und die Gefahr, die einem im Wald erwartete. Ebenso Rene. Den Dörflern war es nur gestattet die Bäume am Rande des Waldes zu fällen und das wagten sich nur die mutigsten von ihnen. Es gab schlimme Geschichten, die wohl wahr waren. Denn es hatten sich schon so manch leichtsinnige Männer hinein gewagt und waren nie wieder gesehen. Das ihr Bruder nun den Wald betreten hatte und damit sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, kam ihr wie ein schrecklicher Scherz vor. „Rene, das…das ist doch ein Scherz? Oder? Oder?“, sagte sie dann und packte ihn an den Schultern. Schüttelte ihn. Erst da sah Rene sie an und in seinen Augen sah sie die schreckliche Wahrheit. „Nein, sag mir, dass du das nicht getan hast?“, keuchte sie. „Es tut mir leid, Flora. Ich weiß auch nicht, was mich dazu getrieben hat!“ „Du hättest sterben können. Weißt du denn nicht mehr, was uns Mutter erzählt hat?“ „Natürlich weiß ich das. Ich…ich wollte eigentlich nicht gehen. Aber etwas hatte mich da in diesen Wald hineingezogen!“, erklärte Rene hilflos. „Etwas? Etwa das Ungeheuer?“, fragte Flora und musste sich bemühen, leise zu sprechen. „Ich weiß es nicht. Aber es hat mich einiges an Kraft gekostet, mich aus dessen Griff zu befreien. Ich bin so schnell, wie ich konnte nachhause gerannt…!“ „Und dann?“, fragte Flora und malte sich die schlimmsten Dinge aus, denen er entkommen oder schlimmer noch nicht entkommen wäre. Rene setzte sich auf sein Bett und stützte seinen Kopf mit den Händen. Schaute wieder zu Boden und versuchte seine Gedanken zu sortieren. Doch trotz dass er sich wohl überlegt hatte was er sagen und wie er es sagen wollte, schien es ihm dennoch schwer weiter zu sprechen. Zumal er wusste dass er Flora genauso Angst einjagen würde, die er selbst hatte. Aber er wusste nicht, an wen er sich wenden konnte. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sprach weiter:„ Ich…ich habe mich kurz ausgeruht, dabei muss ich wohl eingeschlafen sein. Ich habe geträumt, dass ich im Bad bin und als ich in den Spiegel geblickt habe, sah ich diese kalten Augen. Ich dachte, ich bilde mir das ein. Aber da war noch diese Kälte. Sie ging mir durch Mark und Bein. Um mich zu beruhigen, legte ich mich ins Bett und musste eingeschlafen sei. Es…es klingt alles ziemlich verrückt ich weiß, aber du musst mir glauben. So war es…wirklich!“ „Ich glaube dir. Was passierte dann?“ „Ein Geräusch hat mich geweckt. Als ich die Augen aufmachte, sah ich da diesen großen weißen Wolf. Keine Ahnung wie er hier rein gekommen ist: Er…er sprach mit mir!“ Floras Augen weiteten sich, als ihr Bruder es aussprach. „Er sprach mit dir…Aber Wölfe können nicht sprechen!“, sagte sie. „Ja, ich weiß. Aber dieser Wolf konnte es!“ „Und was sagte er?“ „Das ich dafür büßen soll, weil ich sein Reich betreten habe!“ Floras Gesicht wurde kalkweiß. „Büßen? Nein!“, keuchte sie entsetzt. „Es war nur ein Traum. Als ich aufwachte, war der Wolf weg!“, versicherte Rene ihr darauf hin und versuchte selbst sich mit dieser Erklärung zu beruhigen. Doch sobald er sich diesen Wolf über sich vorstellte und diese Augen, wusste etwas tief in seinem Inneren, dass das mehr als nur ein Traum war. Es war eine Warnung. Rene erschauderte. Flora sah ihn lange schweigend an. Dann ergriff sie seine Hände und drückte sie. „Was hast du nur getan?“, fragte fassungslos. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Rene wusste darauf keine Antwort. Er konnte nur den Kopf schütteln und senkte ihn sogleich wieder. Flora hielt noch eine Weile seine Hände, dann ließ sie sie kraftlos los und stützte sich auf dem Stuhl ab. Eine schreckliche Stille legte sich über die beiden und drohte ihnen die Luft ab zu schneiden. „Flora…bitte sag mir was da im Wald lauert. Du scheinst es zu wissen!“, sagte er plötzlich in die Stille hinein. Flora biss sich auf die Unterlippe und haderte mit sich. Bis jetzt hatte sie immer geschwiegen. Sie wusste zwar, was da im Wald war und was nach den Mädchen verlangte. Doch sie hatte es ihm nicht sagen wollen, weil sie wusste, dass er sich deswegen schreckliche Sorgen um sie machte. Nun aber, jetzt wo sie um sein düsteres Geheimnis wusste, sollte sie ihm auf ihres verraten. „Ja, es ist…ein Dämon, der über diesen Wald herrscht und er ist es auch, der die Mädchen holt!“, erklärte sie matt. „Ein Dämon?“, fragte Rene und Flora nickte. „Ja, er kann die Gestalt eines Wolfes annehmen. Aber seine wahre Gestalt hat niemand gesehen!“, sagte sie. „Wieso kannst du dir sicher denken!“ Und ob er sich das denken konnte, aber er wollte es nicht. „Weil er alle, die in den Wald gingen, getötet hat!“, murmelte er. „Ja, es ist ein Wunder, dass er dich nicht geholt hat!“, sagte Flora unheilvoll. Vielleicht wird er das noch, dachte Rene und in seinem Magen machte sich Kälte breit. Seit dieser Nacht schienen sie noch enger miteinander verbunden zu sein, da sie nun beide um das schreckliche Geheimnis wussten. Flora hielt Wort und erzählte weder ihren Eltern noch ihrer Großmutter, dass Rene im Wald gewesen war. Rene versuchte nicht mehr daran zu denken, was er im Wald und danach Zuhause erlebt hatte. Doch wann er immer zu dem Wald hochschaute, der sich dunkel über den Hügeln, die das Dorf umgaben, erhob und ihm förmlich die stille Warnung entgegen brüllte, dass sein Vergehen noch bestraft werden würde, kamen ihm wieder diese Bilder in den Kopf und ließen ihn Zittern. Irgendwann begannen die Blätter eines nach dem anderen hinunter zufallen. Die Bäume wurden zu kahlen, knorrigen Gerippen, die schauerlich aussahen und mehr tot als lebendig wirkten. Es war als würde die Kälte, sich langsam bemerkbar machte, allem und jedem das Leben aussaugen. So auch den Bäumen im Garten hinter Renes Elternhaus. Kummervoll schaute er aus dem Fenster und seufzte. „Wo soll ich mich denn jetzt verstecken, wenn es wieder an die Hausarbeit geht?“, fragte er. Es wäre eine lustige, unbekümmerte Frage gewesen, die jeder kleiner Junge stellte, der sich vor den Pflichten im Haus drücken wollte. Doch für Rene waren sie ein Ausdruck von der unguten Ahnung, die ihn beschlich. Er versuchte gelassen zu klingen, doch das misslang ihm gründlich. Mit dem Ende der Bronzenen Zeit würde bald der weiße Schleier kommen und bald schon würde wieder ein Mädchen das Dorf verlassen müssen. Wie sehr er sich wünschte, dass dieser wegblieb und gleich die Zeit des Erwachens anbrechen würde. „Nun zumindest muss ich dich nicht mehr in den Bäumen suchen, du Affe!“, erwiderte Flora, die mit ihrer Mutter eine Decke bestickte. „Flora!“, schimpfte ihre Mutter. Rene reagierte nicht darauf, sondern schaute weiterhin hinaus. Dann aber stand er auf. „Ich gehe zu Vater in die Bäckerei. Vielleicht braucht er meine Hilfe!“, sagte er, nahm sich seinen Mantel und ging hinaus. Flora und seine Mutter sahen ihm nach. Während Flora einen traurigen Ausdruck hatte, war der ihrer Mutter eher verwirrt. „Er hilft deinem Vater? Was ist mit Rene? Er wird doch nicht etwa krank?“, fragte sie und stach sich in den Finger. „Autsch…verdammt!“ Flora zuckte die Schultern. „Wer weiß!“, sagte sie nur und machte sich wieder an die Stickarbeit. Rene zog seinen Mantel enger um sich, um die Kälte der heranbrechenden Nacht nicht an seinen Körper zu lassen. Er vermisste schon jetzt die wärmenden Sonnenstrahlen. Mit einem resignierten Seufzen schaute er hinauf. Die Sonne verbarg sich hinter einer dicken Wolkenwand, die kaum etwas Licht hindurch ließ und eine diffuse Dunkelheit über das Dorf legte. Schon jetzt waren die Nächte kurz und nicht mehr lange dann würden sie noch kürzer werden. Rene schnaubte nun verächtlich. Wie sehr er den weißen Schleier hasste. Für ihn bedeutete er nichts anderes als Tod und Kälte. Tod für die Bäume, die Blätter und für eines der unglücklichen Mädchen. Renes Magen verkrampfte sich. Er könnte auch seinen Tod bedeuten. Wieder musste er sich erinnern, dass alle Männer, die in den Wald gingen, nicht mehr wiederkamen und dass er eine Ausnahme war, beruhigte ihn kein bisschen. Was wenn dieser Dämon hinter einer Ecke schon auf ihn wartete und den passenden Moment nutzen würde, um ihn an zu greifen. Rene beschleunigte seine Schritte augenblicklich und schaute sich immer wieder um. Meinte in den dunklen Ecken und Hinterhöfen, an denen er vorbeiging, ein Huschen oder einen Schatten zu sehen. Sein Herz machte Aussetzer, um im nächsten Moment noch schneller zu schlagen und Rene rannte schließlich. Schaute dabei immer wieder hinter sich. Als er dann die Lichter in der Bäckerei seines Vaters sah, schickte er ein Dankgebet und stürmte hinein. „Vater!“, rief Rene außer Atem und schloss laut die Tür hinter sich. „Rene?“, hörte er wiederum seinen Vater und kam aus der Nebenkammer. „Was machst du denn hier?“ „Ich…ich dachte mir dass du vielleicht Hilfe brauchst!“, sagte Rene und zwang sich zu einem Lächeln. Sein Vater runzelte die Stirn. „Hilfe?“, echote er und überlegte kurz. Dann nickte er. „Ja, du kannst mir einen Sack Mehl aus dem Keller hochholen!“ „Und danach?“, forderte Rene. Ihm war bewusst, dass das in den Ohren seines Vaters sehr merkwürdig klang. Aber er musste sich beschäftigen. Sich ablenken, um nicht weiter daran zu denken, was da draußen lauerte. Dass sein Vater dachte, dass irgendwas nicht stimmte konnte er ihm nicht verübeln. Rene riss sich niemals darum, in der Backstube zu helfen. Nun aber hatte er es sich anders überlegt und das machte seinen Vater stutzig. „Rene, hast du wieder was ausgefressen?“, fragte er dann lauernd. Rene verzog das Gesicht. „Nein, dieses Mal nicht. Ich will dir wirklich helfen!“, sagte Rene. „Also gut!“, seufzte sein Vater und seufzte. „Schaff erstmal den Sack Mehl hoch, dann sehen wir weiter!“ Rene half seinem Vater so lag und so gut wie es ging. Und er vergaß wirklich für eine Weile den Schrecken, der ihn erfasst hatte. Aber irgendwann gab es keine Aufgabe mehr für ihn und sein Vater sagte ihm, dass er nachhause gehen konnte. Als Rene nach draußen warf n schaute und feststellte, wie es dunkel geworden war, hätte er am liebsten hier drin geschlafen. Um nichts auf der Welt wollte er da hinausgehen. „Kann ich nicht hier schlafen?“ „Mach dich nicht lächerlich. Von hier bis zu unserem Haus ist es nicht weit!“, sagte sein Vater und damit schickte er ihn nachhause. „Ich soll mich nicht lächerlich machen? Vater hat gut reden!“, murrte Rene und beeilte sich nachhause zu kommen. Dabei sah er sich wieder um und erwartete etwas im Schatten zu sehen. Doch nichts dergleichen war zu sehen. Rene beeilte sich dennoch nachhause zu kommen und seufzte erleichtert auf, als er schon sein Elternhaus sah. Er streckte die Hand schon nach der Klinke aus, als ein Geräusch ihn zusammen zucken ließ. Wie vom Blitz getroffen blieb er stehen und konnte sich nicht rühren. Zuerst dacht er, er habe sich das Geräusch eingebildet. Aber da wiederholte es sich und er drehte sich nun doch um. Es war ihm, als würde man ihn mit Eiswasser übergießen. Nur wenige Meter hinter ihm stand ein großer weißer Wolf. Rene erkannte ihn sofort. Es war der Wolf aus seinem Traum. Und nun sah er ihn gänzlich vor sich. Sein Fell war weiß. Nur die Pfoten, die Schwanzspitze und die Ohren waren schwarz. Ein schwarzer Aalstrich führte von seiner Stirn bis hin zum Schwanzansatz. Seine Augen waren schwarz umrundet, so dass seine eisblauen Augen noch deutlicher hervorgehoben wurden. Auf seiner pelzigen Stirn prangte ein fremdartiges Symbol. Es sah aus wie ein Dreieck. Nur waren die Linien ineinander verschlungen und bildeten dabei neue Zeichen. Der Mond warf sein helles bleiches Licht auf ihn, hüllte ihn ein und ließ ihn in der Dunkelheit aufleuchten. Seine Umrisse waren verschwommen. Als wäre er nicht wirklich da. Aber dennoch konnte er sein Atmen hören und das Glühen in seinen Augen sehen. Er sah ihn einfach nur an. Rührte sich nicht. Ebenso Rene. Er fürchtete, dass wenn er sich bewegte, der Wolf auf ihn aufmerksam wurde. Vielleicht hatte er ihn ja noch nicht gesehen. Er stand im Dunkeln und wenn er sich ganz still verhielt, würde der Wolf wieder verschwinden. Da zuckten die Ohren des Wolfes, als hätten sie etwas gehört und seine Muskeln unter dem Fell spannten sich an. Rene brach kalter Schweiß aus. Hatte er sich doch verraten? Sollte er es versuchen und mit einem einzigen Satz ins Haus springen? Oder wäre der Wolf schneller und würde ihn zu Boden reißen, noch ehe er einen Schritt machen konnte? Sollte er nach Hilfe rufen? Kaum hatte er sich diese Frage gestellt, bleckte der Wolf die Zähne und knurrte unheilvoll. Renes Herz setzte einen Schlag aus und glaubte wieder diese Stimme in seinem Kopf zu hören. „Du entkommst mir nicht!“ Da wurde plötzlich die Tür aufgerissen und Flora stand in der Tür. Rene schrie panisch auf. „Flora! Geh wieder hinein und schließ die Tür!“ „Was? Rene was ist denn?“ „Frag nicht, sondern mach die Tür zu!“, rief er alarmierend und wollte nach der Tür greifen. Auf keinen Fall wollte er, dass dieses Biest auch nicht Flora bekommen würde. „Rene, was soll das?“, rief Flora und riss ihm die Türe aus der Hand. Trat dann hinaus. Rene wollte sie schon anschreien, blickte dann aber zum Wolf. Wollte sicherstellen, dass er sie nicht schon entdeckt hatte. Doch der Wolf war verschwunden. Renes Kinnlade klappte runter. Hatte er sich das nur eingebildet? Oder war der Wolf wirklich dagewesen und so schnell wieder verschwunden, wie er erschienen war? Beide Möglichkeiten gefielen ihm nicht. Aber er war auch froh, dass er verschwunden war. Schnell eilte er ins Haus, drängt seine Schwester zurück und warf die Tür ins Schloss. „Rene ich verlange von dir zu erfahren, was eigentlich los ist!“, schimpfte nun seiner Schwester. Rene brauchte einige Minuten, ehe er sich wieder fing. „Du…du würdest mir sowieso nicht glauben!“, sagte er dann. „Kommt darauf an!“, erwiderte sie nur trocken. Rene war eigentlich erleichtert, dass nur seine Schwester noch wach war. Seine Mutter lag sicher schon im Bett und sein Vater würde noch einige Zeit in der Bäckerei verbringen. So konnten sie also in aller Ruhe miteinander reden. „Du bist ganz schön schnell und vor allem weg gewesen. Was war los?“, fragte sie dann nun in einem sanften Ton. „Kann ich erstmal was Heißes zutrinken haben?“, erwiderte er. „Natürlich. Was magst du denn trinken. Tee, heiße Milch?“ „Honiggeist!“, sagte Rene nur. „Das ist aber nichts Heißes!“ „Doch, wenn du eine Tasse nimmst, sie in einen Topf mit Wasser stellst und ihn erhitzt!“, erklärte Rene störrisch, woraufhin Flora lachen musste. „Na gut. Ein heißer Honiggeist. Kommt sofort!“ Es dauerte eine Weile, ehe Rene das gewünschte Getränk hatte und nippte daran. Seltsamerweise schmeckte der bittere Trank auf einmal sehr gut. Vermutlich hatte die Hitze den brennenden Alkohol längst verdunsten lassen. Dennoch trank er vorsichtig und genoss die Wärme, die ihm das Getränk spendete. Flora wartete geduldig, bis er begann. „Ich wollte eigentlich nur raus. Dieses hierrumsitzen machte ich ganz deprimierend!“, sagte Rene und schaute hinaus. Täuschte er sich, oder war es noch dunkler geworden? Flora folgte seinem Blick. „Ich weiß, was du meinst. Nicht mehr lange und…!“, wollte sie sagen, doch die letzten Worte blieben ihr im Halse stecken. „Der weiße Schleier kommt !“, beendete Rene düster den Satz. Eine bedrückende Stille legte sich über sie. Dann aber setzte Flora das Gespräch fort. Dieses Schweigen drückte ihr zu sehr aufs Gemüt. „Gut, du hast mir gesagt, warum du so schnell weg warst. Und was hast du dann gemacht?“ „Ich war bei Vater. Habe ihm geholfen!“ „Du hast ihm geholfen?“, echote sie und hob verwirrt die Brauen. Wo sie am Anfang dachte, dass sie Unsinn redete, war sie sich nun sicher, dass er wirklich ihrem Vater in der Bäckerei zur Hand gegangen war. Rene schien das zu beleidigen, weil wohl alle dachten, dass er sich einen faulen Lenz machen wollte. „Was habt Ihr nur alle für eine schlechte Meinung über mich, wenn es ums Arbeiten geht. So faul bin ich nun wirklich nicht!“ Daraufhin warf Flora ihm einen vielsagenden Blick zu. „Erwartest du wirklich eine Antwort darauf?“, fragte sie mit einem spöttischen Lächeln. Rene verzog angesäuert das Gesicht. „Na gut. Na gut. Behalte es für dich!“, sagte er beleidigt. Flora kicherte. „Und was dann?“ „Naja, irgendwann schickte mich Vater nachhause. Da es draußen so dunkel wurde, hatte ich irgendwie ein ungutes Gefühl und beeilte mich nachhause zu kommen. Als ich dann vor der Tür stand und reingehen wollte, hörte ich plötzlich ein Knurren. Ich drehte mich um und sah…sah einen Wolf. Er war riesig und schien kein gewöhnlicher Wolf zu sein!“ „Wie meinst du das? Kein gewöhnlicher Wolf?“, fragte Flora mit einem Schaudern. „Ich weiß auch nicht. Aber ich…als ich ihn ansah hatte ich das Gefühl, dass das mehr als nur ein Wolf war. Vermutlich war es ein Dämon. Der Dämon des Waldes!“, hauchte er. Flora wurde kreidebleich. Presste sich vor Entsetzen die Hand auf den Mund. „Bitte, Flora sag niemanden ein Wort. Wenn Mutter und Vater das erfahren, dann…!“ „Rene, das alles wird immer schlimmer und auch gefährlicher. Wenn schon der Walddämon hier ins Dorf kommt und du ihn gesehen hast, dann…dann schweben alle in fürchterlicher Gefahr!“ „Und was soll ich tun?“ „Bald ist die Bürgersammlung. Sprich es da an!“, schlug Flora an und dieses Mal war es Rene blass wurde. Er mochte sich nicht vorstellen, was das für einen Aufruhr geben würde. Flora sah ihm natürlich an, was in ihm vorging. Schnell sagte sie dann:„ Du musst es ja nicht vor allen Leuten sagen. Nur mit dem Dorfältesten musst du reden!“ Rene schien auch davon nicht begeistert zu sein. Auch wenn es nur der Dorfälteste war, wusste er dennoch wie schnell und leicht etwas durchsickern konnte. Es graute ihm davor. Aber er wusste auch, dass, wenn er schwieg, es zu einer größeren Katastrophe kommen würde. Flora hatte Recht. Wenn jetzt schon der Dämon des Waldes hier ins Dorf kam, wie lange würde es dauern, bis er sich das erste ahnungslose Opfer holte? Sicherlich nicht lang. Und Rene ahnte, dass dieser Dämon nur seinetwegen ins Dorf gekommen war. Er allein konnte und musste es in Ordnung bringen. Vielleicht war es noch nicht zu spät. Rene hoffte das zumindest. Die ganze Nacht konnte Rene keinen Schlaf finden. Immer wieder kreisten seine Gedanken über das, was er vor einigen Minuten erlebt hatte und es lief ihm eiskalt den Rücken runter. Wie der Wolf ihn angeschaut hatte. Als würde er ihn mit Haut und Haar verschlingen wollen. Vermutlich würde er das auch, wenn er ihn das nächste Mal über den Weg lief. „Du entkommst mir nicht!“ Noch deutlich hörte er diese Stimme im seinem Kopf und als er die Augen schloss, sah er ihn sogleich vor sich. Dieses riesige Monster in Gestalt eines Wolfes, mit diesen kalten blauen Augen und den gefletschten Zähnen. Aber am markantesten war das Symbol auf seiner Stirn. Es wirkte irgendwie alt und auch als würde darin Magie stecken. Noch nie hatte er solch ein Zeichen gesehen. Aber vielleicht würde er etwas darüber erfahren, wenn er morgen in die Dorfbibliothek ging und in einem der Bücher suchte. Rene konnte sich selber nicht erklären, wieso ihn dieses Zeichen nicht mehr los ließ. Aber es zog ihn an. Wie der Wald und es behagte ihm nicht. Irgendwann sagte er sich, dass es keinen Sinn hatte, sich darüber den Kopf zu zerbrechen und es besser wäre, wenn er nun versuchte zu schlafen. Es dauerte jedoch, ehe ihm endlich die Augen von alleine zu fielen und er in den Schlaf hinweg dämmerte. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück, machte sich Rene auf den Weg in die Bibliothek. Trotz dass er doch Schlaf gefunden und für diese eine Nacht seine Sorgen und seine Angst vergessen hatte, sah er das Zeichen, welches der Wolf auf seiner Stirn getragen hatte, immer noch deutlich vor seinem inneren Auge und es ließ ihn nun erneut keine ruhige Minute. Er sagte sich und hoffte zugleich, dass, wenn er endlich der Bedeutung dieses Zeichens herausfand, eine Last wenige auf seinen Schultern lastete. Rene hastete schon fast zu der Bibliothek, die in einem der wenigen große Häuser im Dorf war. Es war wohl älter als die anderen kleineren Gebäude und war aus Stein errichtet anstatt aus Holz. Es war ein einfacher Bau. Nur das Schild war aus poliertem Messing. Daneben stand das Bürgerhaus, in dem der Dorfälteste mit seiner Familie lebte und in denen immer die Bürgerversammlungen stattfanden. Dieses hingegen war ein wenig prunkvoller. Stuckverzierungen. Balkone, deren Brüstungen mit zahlreichen Verzierungen förmlich überladen waren und Rene fragte sich, ob diese solch ein Gewicht überhaut tragen konnten. Einige Straßen weiter lag das Gerichtsgebäude mit seinen Gefängnissen und gegenüber komischerweise die Kirche. Dahinter der Friedhof. Vor der Bibliothek und dem Rathaus war ein großer Platz, auf dem schon zur frühen Morgenstunde die Händler ihre Stände aufgestellt hatten und ihre Ware feilboten. Einige zogen Tiere wie Rinder, Schweine, Schafe und Pferde hinter sich. Andere wiederum trugen Holzkisten mit Hühnern oder anderem Geflügel. Es war ein Chaos an Geräuschen und Gerede. Rene blendete es aus. Hielt den Blick unentwegt auf die Bibliothek geheftet, als sie seine Rettung aus diesem Tumult aus Menschen, Tieren und Geräten. Als er endlich den Marktplatz hinter sich gebracht hatte und seufzte er erleichtert auf und öffnete die Türe. Wo es draußen unerträglich laut war, war es hier drinnen nun herrlich ruhig. Nur das Rascheln von Seiten, die umgeblättert wurden und hier und da leise Schritte. Innendrin war die Bibliothek wesentlich imposanter als von außen. Ein riesengroßer Saal, dessen Wände links und rechts von riesigen Regalschränken eingenommen wurden. Der Boden war mit braunen, glattpolierten Steinplatten ausgelegt. Die Decke bestand aus Glas, das zu einer Kuppel geformt war und kunstvoll bemalt war. Trotz dass es draußen dunkel war, konnte man dennoch die Scene, die auf das Glas verewigt war sehen. Die linke Seite war bemalt mit Wesen, die zwar auf den ersten Blick wie Menschen aussahen. Jedoch wuchsen gewaltige weiße Flügel aus ihren Rücken und waren umgeben von hellem, strahlendem Licht. Sie waren in weiße Gewänder gekleidet, die sich aufbauschten, während sie aus einem vergoldeten Tor, aus dem sich ebenso strahlendhelles Licht ergoss. In ihren Händen hielten sie Lanzen, Schwerter und Schilder. Ihre Gesichter zu entschlossenen Mienen verzogen. Auf der rechte Seite hingegen waren unzählige Kreaturen zusehen, die sich aus einem Schlund befreiten, aus dem Flammen, Rauch und Schwärze hervorquoll. Jede dieser Kreaturen war auf ihre eigene Art grässlich an zu sehen. Manche von ihnen hatten ein wenig Ähnlichkeit mit einem Menschen. Andere wiederum hatten die Form von Tieren. Fröschen, Rindern und Wölfen. Mit vor Wut und grausamer Vorfreude stürmten sie den Lichtgestalten entgegen und schwangen ihre Waffen. Schwerter, Keulen, Dreizacke und anderen Waffen, die Rene nicht genau erkennen konnte. Dennoch erschauderte er, als er sich diese Szenerie anschaute. Er wusste, was dieses Bild bedeutete. Die Schlacht zwischen Gut und Böse. Rene fragte sich sogleich, ob dieser Dämon aus einem ebenso qualmenden Schlund gekommen war? Oder ob er aus dem kältesten Winter geboren wurde, denn es je gegeben hatte und der zahlreiche Tote gefordert hatte? Aber wie und auch immer er herkam… Er war hier und er musste etwas unternehmen. Erinnerte sich wieder warum er hier war und suchte nach Jemand, der ihm helfen konnte. Ein dürres Kerlchen, das gerade dabei war, schwere Bücher vor sich her zu tragen. „Verzeihung können Sie mir helfen?“, hielt er den Kerl an, wobei dieser angestrengt darum kämpft, die Bücher nicht fallen zu lassen. „J-Ja?“, fragte er und schwankte bedrohlich. Rene hatte Mitleid mit ihm und wollte ihn nicht lange aufhalten. „Können Sie mir sagen, wo ich Bücher über magische Symbole finde?“ „Magische Symbole? Was für magische Symbole? Nördlich? Südlich? Schwarzmagisch? Weißmagisch?“, fragte der Mann angestrengt. „Äh…nun…!“, überlegte Rene angestrengt und zuckte dann mit den Schultern. „Egal!“ „Egal!“, schnaubte der Angestellte nun genervt und wies dann mit dem Kinn zu den Bücherregalen schräg rechts von ihnen. „Da müsstest du finden, was du suchst!“, sagte er schroff und noch ehe Rene ihn nochmals fragen konnte, wo genau, war der Kerl schon weg. Irgendwie hilflos blieb er an Ort und Stelle stehen, dann aber wandte er sich in die Richtung, die der beschäftigte Mann ihm gezeigt hatte und machte sich auf die Suche. Jedoch stellte sich seine Suche als die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Da er nicht wusste, nach was für ein Buch er suchte, zog sich das alles ziemlich lange hin und Rene wollte schon aufgeben, als er doch endlich was gefunden hatte, was ihm wohl endlich die Antwort gab, die er wollte. Es war ein Buch über die alten Legenden aus dem Norden. In der die Menschen in einer Zeit lebten, die von Magie und Aberglaube geprägt war. Und in der sie zahlreiche Schlachten führen mussten, um zu überleben. Rene war fasziniert von diesen Geschichten. Sie hatten etwas Geheimnisvolles und Anziehendes an sich. Wie die alten Märchen, die man ihm als Kind erzählt hatte. Jedoch hatten sie etwas düsteres, was ihn irgendwie auch zweifeln ließ, dass das nur Märchen waren. Sie klangen so als wäre das, was da drin stand, vor Jahrhunderten wahrhaftig passiert. Ein Schauer rann ihm über den Rücken und blätterte weiter. Sah einige Zeichnung von Menschen und Schlössen, aber auch von mystischen Wesen, wie Riesen, Pferden mit einem Horn auf der Stirn und auch Wölfen. Rene wurde es augenblicklich kalt, als er diese Tiere sah. Zwei Wölfe gab es die ihm Angstmachte und um die sich Haarsträubende Legenden rankten. Einer von ihnen jagte am Tage die Sonne um sie zu verschlingen. Der andere, sein Bruder, jagte in der Nacht den Mond, um diesen ebenso zu verschlingen. Egal wer von ihnen ihre jeweiligen Opfer verschlang, einer von ihnen würde dann die Welt in Finsternis stürzen. Rene schauderte und fragte sich, ob dieser Wolfsdämon ein Abkömmling war. Er blätterte schnell weiter, weil nicht länger darüber nachdenken wollte und hätte beinahe eine Seite überblättert, doch als er die Lilien sah, hielt er inne und seine Augen weiteten sich. Endlich hatte er das Zeichen wiedergefunden und die dazu gehörige Beschreibung. Man nannte es den nördlichen* Knoten. Er bedeutete Unvergänglichkeit. Stabilität. Aber für was? Etwa für das Böse, für das er stand? Oder für etwas anderes, über das Rene nicht nachzudenken versuchte. Aber immerhin wusste er nun, was es bedeutete. Aber was…nun, das würde wohl ein Rätsel bleiben. Mit einem resignierten Seufzen schlug er das Buch zu und stand auf. Ein leichter Schwindel ergriff von ihm Besitz. Er hatte zu lange auf die Zeilen gestarrt und dabei nichts gegessen, dass es sich nun rächte und er eine kurze Zeit brauchte, um wieder klar zu sehen. Dann ging er hinaus. Als er hinaustrat, wehte ihm ein kalter Wind ins Gesicht und er bereute nun, dass er nicht seinen Mantel mitgenommen hatte. Er würde bis auf die Knochen durchgefroren sein, wenn er nachhause kam. Und außerdem meldete sich sein Magen. Mit einem lauten Knurren machte er ihm bewusst, dass es Zeit war, was zu essen und als er den Marktplatz betrat, sich wieder durch die Menge kämpfte, stieg ihm sogleich der köstliche Geruch von gebratenem Fleisch in die Nase und ließ ihm das Wasser im Munde zusammen laufen. Rene war bei seiner Suche nach der Bedeutung des Symbols so vertieft gewesen, dass er nicht gemerkt hatte, wie spät es schon war. Er musste den ganzen Vormittag in der Bibliothek verbracht haben. Seine Mutter stand in der Küche und machte das Essen. Rene hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sich was gekauft hatte. Jedoch wollte er es seiner Mutter nicht beichten. Denn er wollte sie nicht kränken und außerdem schmeckte das, was seine Mutter kochte, sowieso besser. „Ich bin wieder da!“, rief er ausgelassen. Zeigte aber nicht, wie er sehr fror und setzte sich an den kleinen Ofen, um sich zu wärmen. Seine Mutter schien ihn erstmal nicht zu bemerken. Aber dann schaute sie auf. „Oh, wo warst du denn?“, fragte sie. „In der Bibliothek!“, erklärte Rene und rieb seine Hände aneinander um wieder Leben in die tauben Fingerspitzen zu treiben. „Was hast du denn da gemacht?“, kam es wieder von seiner Mutter, dieses Mal mehr als nur erstaunt. Seit wann ging ihr Sohn freiwillig in die Bibliothek? Das war für ihn genauso untypisch, wie als er um Arbeit bat. Was war nur mit ihrem Faulpelz-Sohn los? „Ich wollte etwas lesen!“, sagte er knapp. Den wahren Grund wollte er ihr nicht verraten, weil er fürchtete, dass es dann zu unangenehmen Fragen kam, die er nicht beantworten konnte oder wollte. „Etwas lesen?“ Noch ehe Rene etwas sagen konnte, eilte seine Mutter zu ihm und drückte ihm die Hand auf die Stirn. „Hast du Fieber?“ „Was? Nein!“, rief und schob die Hand seiner Mutter weg. „Wirklich?“, bohrte sie weiter und sah ihn sich genauer an. „Ja, wirklich“, beruhigte Rene sie und versuchte ruhig zu klingen. Seine Familie schien ihm nicht wirklich was zu zutrauen, was nicht mit Unfug anstellen zu tun hatte. Er fühlte sich dabei ein wenig beleidigt, sagte er aber nichts. „Wo ist denn Flora?“, fragte er dann um das Thema zu wechseln. Seine Mutter runzelte kurz die Stirn, schien zu überlegen. Dann sagte sie:„ Ich glaube, sie ist im Garten!“ „Im Garten?“, fragte nun Rene und schaute hinaus. Soviel er wusste, gab es nichts mehr im Garten zu tun. Nur hin und wieder das Laub zusammenfegen. Aber das hatten sie schon und so viel Laub und runtergefallene Blätter gab es so gut wie nicht mehr. Also was machte sie draußen. „Ich gehe mal nach ihr sehen!“, sagte er und trat hinaus. Flora stand im Garten, wie es ihre Mutter gesagt hatte und schaute hinauf zum Himmel. Rene ging zu ihr, Stellte sich neben sie. Sagte erstmal nichts, sondern schaute ebenso hoch zum Himmel und sah, dass der Himmel Wolkenverhangen war. Eine schreckliche Ahnung stieg in ihm hoch. Doch er wusste noch nicht, woher diese herrührte. Er schaute seine Schwester an. Sie rührte sich immer noch nicht. Schaute weiterhin hinauf, als würde sie etwas dort oben im Himmel nicht mehr loslassen wollen. Es war still. Zu still. Rene wagte es nicht einmal laut zu atmen und zwang sich seinen Atem flach zu halten. Es war eine unangenehme Spannung. Die aber sogleich ein Ende fand, als er wie die Augen seiner Schwester sich weiteten und begann am ganzen Leib zu zittern. Und etwas sagte Rene, dass das nicht an der Kälte lag. „Flora…was ist?“, fragte er leise, der ebenso von Angst ergriffen wurde. Nur galt diese Angst seiner Schwester. Was nur um Himmelswillen ließ sie so vor Angst Zittern. „Flora…?“ Seine Schwester öffnete den Mund, doch statt etwas zu sagen, hob Flora die Hand und zeigte hinauf in den Himmel. Rene folgte dieser Bewegung mit seinen Augen und blickte wieder hoch. Und da sah er sie. Leise und tanzend schwebte sie hinunter. So als würde sie nichts von der Bedrohung ahnen, die ihr Erscheinen bedeutete. Glitzerte wie tausend kleine Diamanten, während sie sich drehte und schließlich auf dem Boden landete. Wie gebannt blickten Rene und Flora auf die kleine Schneeflocke. Als wäre sie ein Trugbild, das gleich wieder verschwinden würde, wenn sie nur lange genug hinschauten. Aber so war es nicht. Nach dieser kamen immer mehr Schneeflocken. Zuerst vereinzelt und klein. Dann aber wurden es immer mehr und wurden auch größer. Irgendwann war die Luft erfüllt von Schneeflocken, die schwer und träge hinunterfielen und alles langsam unter einer weißen Decke unter sich begruben. Flora und Rene rückten näher. Um sich vor der Kälte zu schützen, die immer schlimmer wurde und auch vor der Angst, die in ihnen beiden hohe Wellen schlugen. Flora tastete nach seiner Hand. Als sie dies eine fand, schlang sie ihre Finger darum und Rene erwiderte dies. Beide hielten sich an der Hand. Wollten sich damit gegenseitigen Halt geben. Sich dabei auch Kraft geben um die Angst, die von ihnen Besitz ergriffen hatten, niederzuringen. Sie wussten, dass dies der erste Schneefall von vielen sein würde und was dieser bedeutete. Der Beginn des weißen Schleiers. *Mit nordischem Knoten, ist der keltische Knoten gemeint. "Lichtperle", ist ein anderes Wort für Vollmond Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)