Satisfy Me! - Ein neues Mitglied für Team Satisfaction! von Mitsuki_Insanity ================================================================================ Kapitel 4: Fifth Satisfaction: Regen, Schlamm und Höllenwasser -------------------------------------------------------------- Mit einer Tüte mit Getränken und zwei weiteren Packungen mit leckeren Melonenbrötchen bewaffnet, schlenderte Kyousuke neben mir her. Ehrlich gesagt fragte ich mich langsam, wo er überhaupt das Geld hernahm. Ob er vielleicht nebenbei in der Fabrik arbeitete? Ich traute mich nicht zu fragen. Es war immer noch etwas frisch draußen, aber zumindest war mittlerweile die Sonne hinter den Wolken hervorgekrochen und spendete ein wenig Wärme. Trotz dass der Himmel so klar wirkte, beschlich mich ein seltsames Gefühl. Wie eine unangenehme Vorwarnung. Die Gegend hier in der Nähe sah bei Tag sogar recht schön aus. Rechts und links standen kleine Häuschen. Sie alle wirkten zwar auch eher schon etwas baufällig, besaßen jedoch einen gewissen Charme. Nicht zu vergleichen mit den Bruchbuden aus dem Viertel, wo ich herkam. „Und. Gefällt es dir hier?“, hörte ich Kyousuke fragen und sah zu ihm. „Es ist... ganz nett. Sieht zumindest schöner aus, als da wo ich herkomme.“ Kyousuke lachte. „Das ist auch nicht schwer.“ „Ich vermute mal, da hast du recht.“, gab ich als Antwort und blinzelte erstaunt über mich selbst. 'Was soll das jetzt heißen!?', wäre die für mich typische Antwort gewesen. Auch Kyousuke zog verwundert eine Augenbraue hoch. „Kommt etwa gar keine Beleidigung?“ Er beugte sich leicht runter und fühlte mir die Stirn. „Bist du krank oder so?“ Ich spürte die Hitze in mein Gesicht steigen und schlug seinen Arm weg. „K-Klappe, Idiot!“ Ein zufriedenes Grinsen umspielte seine Lippen. „Okay. Hab mich wohl geirrt!“ „Vollidiot!“ Ich steckte die Hände in die Taschen meiner Jeansshorts und kickte einen Stein weg. Wir kamen an einem kleinen Supermarkt vorbei, dessen Fensterscheiben voller Sprünge und Dellen waren. Sicher hatten diese schon einige Fußbälle fliegen sehen. Gegenüber des Supermarktes stand eine Kneipe, die zu so früher Stunde jedoch noch geschlossen zu haben schien. Ich verzog den Mund bei dem Gedanken an den Geruch von Bier, Schnaps und betrunkenen Männern. Er ließ mich erschaudern und für ein paar Sekunden hatte ich das Bedürfnis, in die Kneipe einzubrechen und alles kurz und klein zu schlagen. Aber ich schüttelte diesen Gedanken schnell aus meinem Kopf, als ich Kyousukes verwirrten Blick bemerkte. Vermutlich wunderte er sich, über meinen finsteren Gesichtsausdruck. „Alles okay?“ „J-Ja.“, log ich schnell, auch wenn ich wusste, dass er mir das nicht abkaufen würde. Aber er fragte nicht weiter. Besser so. Der Weg zum Strand war weiter als ich gedacht hatte. Das Meer sah von unserem Unterschlupf so nahe aus, dass ich nicht damit gerechnet hatte, das es so weit weg sein würde. Es war jetzt nicht so, dass es mir etwas ausmachte, weite Strecken zu laufen. Es hatte mich nur verwundert. Dennoch war ich froh darüber, als wir den Strand endlich erreicht hatten. Der Strand von Satellite war bei weitem keiner dieser Traumstrände, die man aus dem Fernsehen kannte. Weißen Sand oder Palmen suchte man hier vergeblich. Der Sand hier wirkte eher braun und überall lagen kaputte Autoreifen, Glasflaschen, alte, leere Ölkanister und anderweitiger Müll. Jeder Umweltschützer wäre bei diesem Anblick eher in Tränen ausgebrochen, anstatt sich zu freuen. Aber ich freute mich zumindest etwas. Natürlich fand ich den Müll auch nicht prickelnd. Vor allem tat es mir Leid um die armen Tiere, die hier lebten, aber es war hier immer noch allemal besser, als auf dem Schrottplatz, wo ich gehaust hatte. So konnte ich wenigstens das Meer mal von Nahem sehen. Ich atmete die frische Meeresluft ein, sog sie förmlich in mich auf und streckte mich. Aus den Augenwinkeln heraus konnte ich wahrnehmen, wie Kyousuke die Tüte abstellte. Dann gab ich einen quietschenden Schrei von mir, als er wie am Abend zuvor mich packte und am Bauch kitzelte. Dieser... dieser fiese Fiesling! „WAAAAH... hahahahaha... h-hör auf! Hahahaha... D-Du Idiot!“ Ich hielt mir meinen Bauch als er von mir abließ und funkelte ihn an. „Penner!“ Wütend nahm ich eine Hand voll Sand und warf ihm diesen gegen den Kopf. „Ich hasse dich!“ „Tut mir Leid. Ich konnte es mir gerade nicht verkneifen.“, erwiderte Kyousuke frech und griff sich an den Kopf, als der Sand ihn traf. „H-Hey!“ „Na, schon wieder am flirten?“, ertönte die fröhliche Stimme Crows und ich wandte mich zu ihm um. Er grinste über das ganze Gesicht und sah zwischen mir und Kyousuke hin und her. „F-Flirten!?“ Die Hitze stieg mir ins Gesicht. Vor allem als mir bewusst wurde, dass Kyousuke im selben Moment wie ich, gesprochen hatte. Crow fing laut zu lachen an. Wohl, weil Kyousuke in jenem Moment genauso verdattert dreinblickte, wie ich es scheinbar auch tat. „Ihr solltet euch jetzt mal sehen!“, gluckste er und musste sich den Bauch halten. „Hab ich gerade einen guten Witz verpasst oder warum lachst du so, Crow?“ Jacks tiefe Stimme löste meine Starre. Ich gab ein genervtes Grummeln von mir und verschränkte meine Arme. Kyousuke schien auch wieder zu sich selber gefunden zu haben. „Ach. Nein, Nein. Crow hat nur mich und Ryoko-chan ein wenig aufs Korn genommen. Nicht wahr, Crow?“ Er haute ihm kumpelhaft auf den Rücken, was Crow leicht nach vorn wanken ließ. Seufzend löste ich meine Arme und griff mir gegen die Stirn. „Kerle!“ Oder so. „Was ist denn hier los?“, konnte ich Yuusei fragen hören und drehte mich in dessen Richtung. Er musterte jeden von uns fragend. Kyousuke begrüßte ihn und erzählte ihm von Crows Witz und davon, was morgens so los war. Ich war ihm unausgesprochen dankbar dafür, dass er nichts über mein peinliches Erwachen erzählte. Während die Jungs noch redeten, trat ich etwas näher auf das Meer zu. Der Wellengang hatte eine unglaublich beruhigende Wirkung und je mehr ich auf das Wasser starrte, umso mehr hatte ich das Gefühl, darin zu versinken. Ein paar winzige, silbrige Fische tummelten sich in dem seichten Nass und bewegten sich mit diesem vor und zurück. Vor und zurück. Vor und zurück. Vor und- „Ryoko-chan!“ Furchtbar erschrocken zuckte ich zusammen und wandte mich um. Crow stand vor mir und wedelte mit seiner Duel Disk vor meiner Nase herum. „Was!?“, zischte ich. Er blickte mich an und legte seinen Kopf schief. „Brauchst nicht gleich so grantig zu werden. Wollte nur fragen, ob du Lust auf ein Duell hast.“ „Seh ich so aus?“, gab ich trocken zurück. „Wozu überhaupt?“ Crow sah mich an, als hätte ich irgendwas total Hirnrissiges gesagt. „Wozu?“ „Ja. Wozu? Ich sehe hier nirgends Gegner und-“ „Ich bin dein Gegner. Versuchs mal mit der Option 'Aus Spaß'!“ Genervt verdrehte ich die Augen. „Ich duelliere mich aber nicht aus Spaß!“ Ich wollte mich umdrehen und woanders langgehen, da ertönte schon Kyousukes Stimme. „Was ist hier los?“ „Ich wollte mich nur mal mit Ryoko aus Spaß duellieren aber... scheinbar hat sie keine Lust.“, antwortete Crow schulterzuckend. Ich schnaubte. „Aus Spaß duellieren...“ Kyousuke legte sanft eine Hand auf meine Schulter und ich sah zu ihm hoch. „Was ist so schlimm daran? Wäre doch sicher lustig. Außerdem könnte ich dann mal sehen, wie du dich gegen Crow so schlägst.“ Dieses seltsame Gefühl machte sich wieder in meinem Magen breit. Eine Weile blickte ich in seine Augen und seufzte kurz. „Naaaa gut. Wenn du meinst...“ Warum zur Hölle schaffte ich es nicht, 'Nein' zu sagen, wann immer ich in Kyousukes Augen blickte? Es war ja nicht einmal so, dass er mich jetzt mit einem flehenden Hundeblick ansah. Ganz und gar nicht. Aber ich konnte einfach nicht anders, als mich zu ergeben. Kyousuke lächelte sanft und erneut hatte ich das Gefühl, als würden meine Eingeweide sich verknoten. Mein Herz schlug so verdammt schnell gegen meine Brust, dass ich mir sicher war, jeden Moment an einem Herzinfarkt zu krepieren. Ich bemerkte Crows leicht verwirrten Blick und schaffte es, meinen Fokus komplett von Kyousuke zu lösen. „Geht doch!“, hörte ich Kyousuke noch sagen, fühlte seine Hand auf meinem Kopf und wie er mir kurz durch die Haare wuschelte. „Lass das!“, knurrte ich wie immer und ignorierte mein beklopptes Herz und meinen gestörten Magen. Ich kramte mein Deck aus meiner Decktasche am Bein und mischte dieses. Anschließend aktivierte ich meine Duel Disk. „Ich glaube, ab sofort frag ich Kiryuu immer, ob er dich nicht zum Duellieren überreden kann.“, sagte Crow grinsend, während er es mir gleich tat. „Tz. Wenn du denkst, ich mache meine Entscheidungen von ihm abhängig, hast du dich schwer getäuscht.“, gab ich trocken als Antwort. Yuusei und Jack, die wohl neugierig geworden waren, kamen zu uns. „Na dann. Ladys First.“, ließ Crow mich anfangen. Ich lachte hohl. „Lady...“ „Hmpf. Welche Lady? Ich sehe hier keine Lady.“, warf Jack ein, während ich meine sechste Karte zog. „Schnauze auf den billigen Plätzen!“, fauchte ich zu ihm rüber und besah mir mein Blatt genauer. Sah für den Anfang recht vielversprechend aus. Ich spielte ein Monster mit einer Defensive von 2000 und legte zwei verdeckte Fallen. Danach beendete ich meinen Zug. Von weit weg hörte ich ein leises Donnergrollen. Die Luft schien auch wieder kühler geworden zu sein. Sollte ich etwa mit meiner Vorahnung recht behalten? Nun war Crow am Zug, spielte eines seiner Black Feather Monster und rief gleich darauf zwei weitere als Spezialbeschwörung. Danach legte er eine verdeckte Karte. Keines von ihnen konnte zwar mit der Defensive meines Monsters mithalten, aber ich wusste, dass ich mich nicht alleine darauf verlassen konnte. Crow war verdammt gut, was ich bisher so gesehen hatte. Immerhin hatte ich ihn und die anderen während meines Duells gegen den Anführer der Duel Gang gestern, ein klein wenig beobachten können. Seine Monster besaßen allesamt sehr wirksame Effekte und so war es nur eine Frage der Zeit, bis meine Defensive flöten gehen würde und ich nur noch mit meinen Fallen da stand. Und ich sollte recht behalten. Eine Zauberkarte seinerseits schickte mein Verteidigungsmonster auf den Friedhof, aber seine Angriffe konnte ich, dank einer meinen beiden Fallen, dennoch abwehren. Fürs Erste zumindest. Ich musste mir definitiv etwas Neues einfallen lassen. Kurz wandte ich meinen Kopf zu Kyousuke, der höchst konzentriert wirkte und meinen Blick mit einem Lächeln erwiderte. Das seltsame Gefühl wurde wieder stärker und ich versuchte mich auf das Duell zu konzentrieren. Ein nasser Tropfen auf meiner Nasenspitze ließ mich jedoch kurz aufzucken. Ich wandte meinen Kopf gen Himmel und noch mehr nasse Tropfen fanden ihren Weg auf meine Haut. Regen. Ich hatte es befürchtet. Doch die Jungs schien der Regen nicht zu stören. „Du bist dran, Ryoko-chan!“, hörte ich Crow sagen und nickte. Mir machte der Regen im Grunde ja auch nichts aus, aber dennoch. Ich hatte gehofft, das Wetter würde sich halten, bis wir wieder zurück im Unterschlupf sein würden. Ein wenig verdrießlich zog ich meine Karte und starrte mein Blatt an. Doch bevor ich etwas spielen konnte, ertönten mir unbekannte Stimmen. Auch Kyousuke, Crow und die Anderen drehten sich in die Richtung aus der die Stimmen kamen. Eine Gruppe Jugendlicher, drei Jungs und zwei Mädchen, kamen geradewegs auf uns zu. Alle trugen sie schwarze, lederne Bikerjacken und wirkten nicht gerade besonders freundlich. Der Älteste von ihnen war ungefähr in Kyousukes Alter, wenn nicht sogar etwas älter, und sogar noch größer als Jack. Von seiner Statur her, erinnerte er mich stark an einen Gorilla. Die beiden Mädchen waren um einiges größer als ich und sahen recht dürr aus. Die Eine hatte einen pinken Irokesen-Schnitt, trug einen Nasenring-Piercing und hatte die Arme von oben bis unten voll tätowiert. Die Andere wiederum, besaß lange grüne Haare mit einem Sidecut und ebenso viele Piercings. Die beiden anderen Jungs wirkten im Vergleich zu ihrem scheinbaren Anführer eher schmächtig und harmlos. Einer von ihnen hatte eine Zigarette im Mund und der andere eine Dose in der Hand, die stark nach Bier aussah. Kyousuke trat vor uns. In seinen Augen konnte ich erkennen, dass er genau das Gleiche dachte, wie ich gerade. Diese Typen versprachen Ärger. Mächtigen Ärger. „Was wollt ihr hier?“, fragte er in einem ruhigen Ton, doch ich konnte eine Spur von Anspannung darin vernehmen. „Genau das Gleiche könnten wir euch fragen. Ihr Milchbubis solltet euch lieber vom Acker machen. Das hier ist nämlich unser Revier.“, kam es von dem Gorilla-Typen, der seine Fingerknöchel knacken ließ. Auch die Mädchen bauten sich wie zwei geifernde Hyänen neben ihm auf. „Geht lieber woanders spielen, ihr Babys.“ Der Regen war mittlerweile um einiges stärker geworden und verwandelte den eh schon braunen Sand zu einer matschigen Pampe. „Und was, wenn wir aber keine Lust haben, woanders zu spielen?“, kam es von Crow mit einem kämpferischen Glimmen in den Augen. „Crow.“ Kyousuke hielt ihn mit einem Arm zurück und funkelte den Anführer an. „Wer sagt, dass das euer Revier ist? Wäre mir zumindest neu.“ Sein Ton wirkte immer noch extrem gelassen, aber so kühl, dass mir ein Schauer den Rücken hinunterlief. „Tz... du bist ganz schön frech.“, erwiderte der Anführer, ohne groß auf Crow einzugehen, und beugte sich etwas zu Kyousuke herunter. „An deiner Stelle würde ich meinen Mund nicht soweit aufreißen...“ Das pink haarige Mädchen lachte schrill. „Oh ja. Er sollte den Boss nicht sauer machen. Wäre sonst schade um das hübsche Gesicht.“, hörte ich sie zu ihrer grünhaarigen Freundin sagen. Diese blöden Schlampen! „Ihr seid es doch, die hier frech kommen, ihr verdammten Wichser!“, fauchte ich ungehalten und lauter, als ich geplant hatte. „Ryoko!“ Jack und Yuusei starrten mich entgeistert an und auch Kyousuke hatte sich zu mir umgedreht. „Uhh. Guckt euch mal das kleine Gör an. Weiß deine Mami denn, dass du dich schon mit Jungs herumtreibst?“, grinste die Grünhaarige. Ich fühlte, wie Wut in mir aufloderte. „Ryoko, halt dich zurück!“ Kyousuke sah mich mit einem ernsten Gesichtsausdruck an und ich schluckte kurz. „Ach. Ist die Kleine etwa deine Freundin?“ Der Gorilla-Kerl grinste dreckig. „Wie auch immer. Jetzt verpisst euch von hier. Außer ihr wollt wirklichen Stress!“ er packte Kyousuke am Kragen und schubste ihn grob beiseite. Ich wusste nicht, was genau mich dazu trieb, aber in diesem Moment sah ich echt einfach nur rot und stürzte mich auf diesen Hünen. Ich wusste nicht, was ich da tat. Kratzen, beißen, treten, schlagen. Irgendwie alles auf einmal. Der Regen hatte sich in der Zwischenzeit zu einem wahren Wolkenbruch gewandelt. Es blitzte und donnerte. Das Gewitter war direkt über uns und alles woran ich in diesem Moment aber denken konnte war, dass ich diese Typen vermöbeln wollte. Zwischen dem Donnergrollen konnte ich die Jungs rufen hören. Irgendwie hatte ich es auf den Rücken dieses Kerls geschafft und mich dort festgekrallt, wie eine Katze. Mit aller Kraft die ich besaß, biss ich ihm ohne Nachzudenken in den Hals. Er ließ einen Schrei los und drehte sich so schnell, dass ich von seinem Rücken fiel und unsanft mit meinem Hintern auf dem Boden landete. Ich konnte Kyousuke meinen Namen rufen hören, doch durch das Donnern klang seine Stimme so unendlich fern. Ehe ich reagieren konnte, hatte mich der Kerl schon an meinem Schal zu packen bekommen und zog mich hoch. Ich keuchte, weil der Schal sich um meinen Hals zusammenzog, versuchte aber dennoch, meinem Gegner ins Gesicht zu treten. „Du kleine missratene Schlampe“, fluchte er und holte zu einem Schlag aus, den ich jedoch mit einem Tritt abwehren konnte. Ich versuchte mich mit Leibeskraft loszureißen und irgendwie schaffte ich es auch. Dabei löste sich jedoch mein Schal, den der Kerl nun in der Hand hatte. Ich schluckte und zog schnell den Kragen meines Oberteils noch höher, bevor irgendwer sehen konnte, was ich unter meinem Schal verbarg. Natürlich hätte es bei dem Regen wohl eh kaum einer gesehen, zumal alle anderen gerade eh beschäftigt zu sein schienen. Alle eben, bis auf mein Gegner, der direkt vor mir stand und kurz meinen Hals angestarrt hatte. „Gib mir meinen Schal wieder!“, zischte ich, aber er grinste nur dreckig. „Ist dir wohl wichtig, das alte Teil, was!?“ Noch bevor ich etwas tun konnte, hatte der Kerl meinen Schal losgelassen, der durch den starken Wind auf das offene Meer hinausgeschleudert wurde. „MEIN SCHAL!“ Wie in Trance starrte ich ihm nach und meine Füße bewegten sich wie von selbst auf das Meer zu. Ich stürzte mich in die aufgewühlten Fluten und schwamm. Irgendwie schwamm ich. Ich hatte es nie gelernt, aber in diesem Moment war mein einziger Gedanke, meinen wertvollsten Besitz wieder zu holen. Kostete es, was es wollte. Von irgendwo konnte ich wieder Kyousuke rufen hören und sogar Jack und Yuusei, die laut nach mir brüllten. Crows Stimme ging in einem Donnern unter. Mein Schal schwamm in einigen Metern vor mir und ich streckte meine Hand nach ihm aus. Aber ich erreichte ihn immer noch nicht. Verzweifelt versuchte ich noch näher zu kommen und schaffte es schließlich, ihn zu fassen zu bekommen. Eine riesige Welle baute sich in jenem Moment vor mir auf und stürzte auf mich hinab. Das tosende Geräusch verhieß kein Entkommen für mich. Für mich, die nie zu schwimmen gelernt hatte. Ich versank in den Tiefen, schluckte salziges Meerwasser, schnappte nach Luft. Dann war da nur noch Stille und Dunkelheit. Dunkelheit, die sich nach und nach in weißes Licht zu verwandeln schien... Eine Stimme rief mich aus der Ferne. War ich etwa tot? Sie kam näher und wurde immer lauter. Fast zu einem Schreien. „Ryoko! RYOKO!“ Ich schnappte nach Luft und hustete heftig. Spuckte salziges Meerwasser und schlug meine Augen auf. Zwei ausgesprochen besorgt dreinschauende, gelblich grüne Augen blickten mir entgegen. Noch ehe ich reagieren konnte, wurde ich in die Arme der Person gezogen, zu der diese unverkennbaren Augen gehörten. „Mach nie wieder so einen Scheiß, hörst du!?“ Diese sanfte Stimme... „Ich dachte... Wir dachten, du wärst tot!“ Ohne erst groß etwas zu sagen, kuschelte ich mich einfach an Kyousuke. Seine Stimme zitterte fürchterlich. Ich konnte seine warmen Hände an meinem Rücken fühlen und atmete seinen Geruch ein. Er roch nach Meer und sein T-Shirt fühlte sich nass an. „Tu das bitte, bitte nie wieder...“, hörte ich ihn erneut leise sagen. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Ich fühlte nur, wie mir Tränen meine Wangen hinab liefen, ohne dass ich es wollte. „Ki- .. uhm... Kyousuke-kun...“ Ich wusste nicht, wie lange ich in seinen Armen lag. Zeit hatte aufgehört zu existieren. „Es... es tut mir Leid...“ Es war nicht mehr, als ein schwaches Nuscheln, aber Kyousuke schien es gehört zu haben. Langsam löste er die Umarmung und sah mich an. „Du Dummkopf. Warum hast du das nur gemacht?“ Seine Stimme zitterte nicht mehr, aber war immer noch leise. Eine Mischung aus Strenge und Erleichterung. Ich blickte zur Seite und griff mir an den Hals. „Mein Schal!“, war das Einzige, was ich hervorbrachte. Kyousuke griff neben sich und hielt mir meinen roten Schal vor die Nase. „Der hier?“ Ich nickte und griff nach ihm. Kyousuke ließ ihn mich wortlos nehmen und sah mir dabei zu, wie ich ihn schnell wieder umband. „Er scheint dir wohl extrem wichtig zu sein, was?“ Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Ich nickte nur in Erwartung, dass er nachfragen würde. Aber er tat es nicht. „Tz... Wegen einem Schal. Weißt du eigentlich, was für verdammte Sorgen sich alle gemacht haben!?“ Jacks tiefe Stimme jagte mir einen riesigen Schreck ein. „Du hättest sterben können! Wenn Kiryuu sich nicht selber so todesmutig in die Fluten gestürzt hätte, um dich zu retten, wärst du jetzt irgendwo unten auf dem Grund!“ Deswegen war seine Kleidung so extrem nass... Kyousuke hatte mir also das Leben gerettet? Er war nur wegen mir auch ins Meer gegangen und hatte sein Leben riskiert um meines zu retten? Ich ließ meinen Blick zu Boden sinken, während erneute Tränen ihren Weg über meine Wangen suchten. Nur wegen mir... „Jack. Hör auf damit!“, hörte ich Kyousuke mit einem strengen Ton in der Stimme sagen. „Lass gut sein, Jack. Bitte schimpf jetzt nicht mit ihr.“ Das war Yuuseis Stimme. Ich wischte mir übers Gesicht und sah flüchtig zu ihm. Er wirkte ungewohnt blass. Auch in Jacks Augen, so wütend seine Stimme auch eben geklungen hatte, konnte ich noch ganz deutlich den Schock sehen. Crow hockte ebenso mit geröteten Augen auf dem Boden. „Ist doch jetzt scheißegal, Leute. Ich bin einfach nur froh, dass alles wieder okay ist...“, gab er schniefend von sich. Ich glaube, ich hatte mich in meinem ganzen Leben noch nie so gefühlt. Dankbar über meine Rettung, aber dennoch voller Schuld. Jack hatte recht. Wenn Kyousuke nicht gewesen wäre, wäre ich jetzt tot. Aber Kyousuke hätte ebenso sterben können. So wild wie das Meer gewesen war... Und dann auch noch das Gewitter. Wenn ein Blitz im Meer eingeschlagen wäre... Ich schluckte und versuchte die erneut aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Wenn ich doch einfach ruhig geblieben wäre. Wenn ich doch einfach das getan hätte, was Kyousuke gesagt hatte. Wenn ich doch nur... „Ryoko-chan... Es ist alles gut. Du brauchst nicht mehr weinen.“ Ich fühlte Kyousukes Hand, die meinen Kopf tätschelte und die Röte, die mir ins Gesicht kroch. Noch einmal wischte ich mir mit meinem Arm übers Gesicht und sah Kyousuke an. Er lächelte wieder sanft. Erst jetzt bemerkte ich, dass der Sturm vorbei war und die Sonne wieder schien, als wäre nichts gewesen. Wie lange ich wohl ohnmächtig gewesen war? „Was... Wo sind eigentlich diese Idioten?“, fragte ich kleinlaut. „Um die haben wir uns gekümmert.“ Crow war aufgestanden und zeigte auf eine Schramme in seinem Gesicht, die ich erst jetzt bemerkte. „Wir haben uns mit ihnen duelliert, aber die waren der Meinung nach ihrer Niederlage trotzdem noch frech zu sein.“, sagte Jack und zuckte mit den Schultern. „Die haben bekommen, was sie verdient haben. Yuusei nickte. „Das war eh mehr heiße Luft als alles andere. Ich denke, so schnell sehen wir die nicht wieder.“ „Ihr...“ Kyousuke stand langsam auf und reichte mir seine Hand, die ich dankend annahm. Meine Beine zitterten noch leicht, als ich aufstand. „Ich wusste übrigens gar nicht, dass du so gut schwimmen kannst, Ryoko-chan.“, sagte Kyousuke kurz. Ich legte meinen Kopf schief. „Ich kann überhaupt nicht schwimmen. Hab es nie gelernt.“, gestand ich. Die Jungs warfen mir verwunderte Blicke zu und ich zuckte mit den Schultern. „Ich wollte nur meinen Schal retten...“ Kyousuke legte einen Arm um mich. „Ist jetzt auch egal.“ Er blickte in die Runde. „Jetzt... Gehen wir erst einmal alle zurück und feiern einen weiteren Sieg von uns. Von Team Satisfaction!“ Ich konnte nicht anders, als leicht zu Grinsen und nickte. Zum ersten Mal in meinem Leben, war ich einfach nur froh und glücklich. Es war ein tolles Gefühl, Freunde zu haben, die sich um einen sorgten und selbst Jack konnte ich gerade nicht böse sein. Kurz sah ich zu ihm und boxte ihm in die Seite. „Du hast dir also auch Sorgen um mich gemacht?“ Jack schwieg und drehte seinen Kopf zur Seite. „Ich...“ Grinsend kniff ich in seine Wangen und zog an diesen. „Uhh... klein Jacky-Boy hat sich echt Sorgen um mich gemacht und geheult...“, murmelte ich einfach frech und rannte los. „Duuu! ... Als ob ich wegen einem Giftzwerg wie dir, heulen würde!“, hörte ich ihn mir hinterher rufen und lachte. „Fang mich doch!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)