Satisfy Me! - Ein neues Mitglied für Team Satisfaction! von Mitsuki_Insanity ================================================================================ Kapitel 20: Twentieth Satisfaction: Kartenhaus ---------------------------------------------- Stille. Aber es war keine beruhigende Stille. Sie wirkte erdrückend, gerade zu einengend. Ich saß auf der guten, alten Couch, eingewickelt in meine modrige Decke und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Alles wirkte wie immer, aber nichts war mehr wie vorher. Ich hörte Kyousuke mit Yuusei im Nebenzimmer reden, aber eigentlich hörte ich gar nicht wirklich zu. Die letzten Stunden kamen mir immer noch wie ein Alptraum vor. Das alles, was passiert war, war für mich kaum zu greifen. Kyousukes plötzlicher Sinneswandel. Das Crow und Jack einfach gegangen waren. Warum war das passiert? Ich fühlte mich schuldig. Wenn ich nur den Mut gehabt hätte, einzugreifen, wäre das doch sicher nicht passiert... oder etwa doch? Ich hätte Kyousuke nicht aus den Augen lassen sollen. Nicht zulassen dürfen, dass er... Du bist eben einfach nutzlos und schwach, das weißt du selber, sagte mir meine innere Stimme und ich gab ihr recht. Ich kann einfach nichts. Ich hab total versagt. Ich hätte mit Kyousuke reden sollen. Ihm ins Gewissen reden sollen, aber ich hab nichts unternommen und nun... Ich war nie darum verlegen gewesen, wenn es darum ging, meine wahren Gefühle vor ihm geheim zu halten, aber ich war zu feige gewesen, mit ihm über das zu Reden, was wirklich von Bedeutung gewesen wäre: Die Zukunft von Team Satisfaction. Aber hätte er mir auch zugehört? Irgendwo hatte ich ja immer noch die Hoffnung, Crow und Jack würden zurückkommen. Aber ich hatte Crow noch nie so wütend erlebt, wie heute. Und Jack? Jack, der sonst immer so laut war, war so still wie noch nie gewesen. Ich hatte erwartet, er würde Kyousuke anschreien, ihm ebenso eine reinhauen, wie Crow es getan hatte, aber nichts. Mir fiel ein, dass Jack immer sehr bewundernd von Kyousuke gesprochen hatte und in ihm wohl auch eine Art Vorbild gesehen hatte. Mir wurde bewusst, wie enttäuscht er von Kyousuke sein musste. Eigentlich hätte ich auch enttäuscht sein müssen. Wir alle hatten an seine Ziele geglaubt und seine Ideale als gut und richtig empfunden. Aber stattdessen fühlte ich nur Schuld, Selbsthass, abgrundtiefe Verzweiflung und Traurigkeit. Angst war auch dabei. Es waren so viele Gefühle auf einmal und ich kam darauf nicht klar. Nach dem Tod meiner Mutter war mein Leben in Dunkelheit gehüllt gewesen und einen wirklichen Funken Licht hatte ich nicht. Nur meinen Erzeuger, an dem ich erst noch hing, der aber nach und nach zu dem Monster mutierte, welches mich in meinen Alpträumen heimsuchte. Das Monster, das mich anbrüllte, mit klirrenden Flaschen in der Hand durch den Hausflur streifte und nach mir schlug, bis ich vor ihm davon lief. Ich hatte versucht, stark zu sein, mir eingeredet, es würde mir an nichts fehlen, aber die Wahrheit war, dass viel zu viel fehlte. Ich war zu schwach, um wirklich aufzustehen, aber auch immer zu stark um einfach liegen zu bleiben. Und dann war da Kyousuke, der so unvermittelt, so plötzlich vor mir gestanden hatte und mir seine Hand gereicht hatte. Der mich aus dieser Trostlosigkeit gezogen und meinem Leben einen Sinn gegeben hatte. Ohne, dass ich es gemerkt hatte, hatte ich begonnen, mein Leben auf ihm und auf Team Satisfaction aufzubauen. Team Satisfaction und vor allem Kyousuke waren mein Zuhause geworden. Der Platz, an dem mein Herz sich Zuhause fühlte. Doch dieses Zuhause war von Anfang an so instabil, wie ein Kartenhaus gewesen und nun fühlte es sich an, als hätte jemand die unterste Karte einfach herausgezogen. Das Kartenhaus war im Begriff, einzustürzen. Es fiel direkt über mir immer mehr in sich zusammen und begrub mich. Und plötzlich waren alle meine längst verdrängten Ängste und Sorgen wieder da. Dennoch, obwohl ich so viel Angst hatte, klammerte ich mich weiterhin an Kyousuke. Ich liebte ihn zu sehr, als dass ich ihn einfach verlassen konnte. Er war der Strohhalm, an dem ich mich verzweifelt festhielt und ich hoffte so sehr, er würde zur Vernunft kommen, sich vielleicht bei Crow und Jack entschuldigen. Ich hörte, wie er sich von Yuusei verabschiedete. Es war ein kurzer Abschied. Kalt und irgendwie steif. Einfach nicht so wie sonst. Kyousuke kam zu mir und ließ sich neben mich auf die Couch fallen. Ich drehte meinen Kopf zu ihm, aber konnte nicht wirklich Emotionen in seinem Gesicht lesen. Wusste nicht, ob er wütend oder traurig war. Vielleicht wollte er selber auch noch nicht wahr haben, dass Crow und Jack tatsächlich das Team verlassen hatten. „Morgen Abend...“, hörte ich ihn murmeln. „Morgen Abend?“, fragte ich nur sehr leise. Ich konnte ihn kaum ansehen. „Treffen wir uns wieder.“ Ich wusste nicht, was ich daraufhin sagen sollte. Er wollte immer noch weiter machen? Aber es gab doch nun wirklich keinen mehr... Außerdem waren Jack und Crow... Mein Magen fühlte sich erneut seltsam an. Es war fast, als würde mein Körper bereits spüren, was da auf mich zukommen würde. Und langsam konnte ich die Frage oder eher gesagt, die Angst, die mich schon so lange zurückhielt, nicht mehr länger zurückhalten. „Was wollen wir machen? Wir haben doch schon alle Bezirke-“ „Eine Sache liegt immer noch vor uns! Der letzte Kampf von Team Satisfaction ist immer noch nicht ausgetragen! Solange die Security immer noch die Straßen Satellites durchstreift, werden wir NIE die ultimative Befriedigung erlangen! NIE Frei sein können!“, unterbrach er mich. Meine Kehle war trocken geworden. Eine Gänsehaut jagte über meinen Körper und ich zitterte. „Das ist verrückt...“, flüsterte ich. „Absoluter Irrsinn. Die Security ist-“ Weiter kam ich nicht. Kyousukes Gesicht war direkt vor meinem. Wieder hatte er diesen irren Blick, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ und meinen Atem zum Stocken brachte. Er hatte mich grob an den Schultern gepackt. „Du wirst mir doch helfen oder etwa nicht!? Du bist auf meiner Seite, hab ich recht? Wir machen das Zusammen! Zusammen können wir sie schlagen!“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Nickte nur zitternd. Zum ersten Mal hatte ich Angst davor, dass Kyousuke mir weh tun würde, wenn ich widersprach. Dass er mich auch schlagen würde, wie er Crow geschlagen hatte. Oder wie mein Erzeuger es immer getan hatte. Aber er ließ von mir ab und ich sackte auf der Couch zusammen. Es war bereits Vormittags, als ich an jenem Tag aufwachte. Ich schlug meine Augen auf und stand auf. Für einen Moment glaubte ich wirklich, es wäre alles nur ein böser Alptraum gewesen. Ich sah mich um, hielt aber Inne, als Kyousuke das Zimmer betrat. Auf den ersten Blick, wirkte er wie immer. Stellte mir eine Dose mit Lemon-Soda hin und begrüßte mich mit einem relativ engagierten „Guten Morgen“. Nachdem er mir auch ein Melonenbrötchen gegeben hatte, setzte er sich zu mir. „Heute Nachmittag treffen wir uns mit Yuusei.“, sagte er dabei. Ich biss einen kleinen Bissen von meinem Melonenbrötchen ab und merkte, dass ich keinen Appetit mehr hatte, als mir langsam bewusst wurde, dass alles, was am Tag zuvor passiert war, doch kein Traum gewesen war. „Und die Anderen?“ Es war keine wirkliche Frage. Eher eine Hoffnung, die ich mir im Grunde eh in meinen Allerwertesten schieben konnte. Kyousuke blickte plötzlich relativ starr gerade aus und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung.“ Mir viel seine Aggressivität vom gestrigen Tage ein und mein Körper erschauderte. Gerade jetzt wirkte er jedoch sehr ruhig und ich wagte mich nicht, ihn noch einmal auf das Thema vom Vortag anzusprechen. Zu viel Angst hatte ich davor, dass er mich wieder an den Schultern packen und mich so anfahren würde. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er mich und nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Getränkedose. Aufgeschreckt blickte ich zu ihm. „J-Ja... Alles okay...“ Ich wusste, dass meine Stimme zitterte und ich nicht sehr überzeugend rüber kam. Er legte unvermittelt einen Arm um mich und zog mich zu sich. „Tut mir Leid...“, flüsterte er mit einem Unterton in der Stimme, der fast nach Reue klang. Ich frage mich heute noch oft, ob er in diesem kurzen Augenblick sich über dessen, was er angerichtet hatte, klar war. Ein kurzer, klarer Moment. Doch ich war zu jung gewesen, um zu verstehen, dass Kyousuke krank gewesen war. Das man ihm vielleicht nicht einmal die Schuld hätte geben können, für all das, was er getan hatte und noch tun würde, weil er absolut unzurechnungsfähig war. Diese Paranoia war schleichend vorangeschritten und im Begriff, immer schlimmer zu werden. Ich kuschelte mich an ihn und es war gut. Obwohl ich immer noch Angst hatte. Obwohl mein Körper innerlich bebte. Es war gut. So konnte es gerade bleiben. Ich spürte, wie Kyousuke mir durch meine Haare strich. Es schien mir, als hätte er diese Geste ewig nicht mehr benutzt. Schluckend dachte ich an die Tage zurück, in denen er es so oft getan hatte. Auch wenn ich es Anfangs immer gehasst hatte und mir vorgekommen war, wie ein kleines Kind. Aber irgendwann hatte ich es gemocht. Es hatte mich beruhigt, so wie jede seiner Berührungen mich beruhigt und eine wohltuende Wärme in mir ausgelöst hatte. Doch nun... Nach dem Frühstück verschwand ich erst einmal im Bad und wusch mein Gesicht mit dem rostigen Wasser. Als ich in den Spiegel sah, bemerkte ich zum ersten Mal, wie erschöpft ich eigentlich wirklich aussah. Meine Haare wirkten noch viel strubbeliger und kaputter, als sonst und müde aussehende grünblaue Augen blickten mir entgegen. Meine Haut war noch blasser, als ohnehin schon. Außerdem hatte ich in den letzten Wochen merklich abgenommen. Schlank war ich schon immer gewesen, aber nun hatte ich mit ziemlicher Sicherheit leichtes Untergewicht. Um es mit einem Wort zu beschreiben: Fertig. Ich sah ziemlich fertig aus. Du könntest glatt Team Zombie beitreten, ging es mir durch den Kopf und ich grinste schief. Ich sah wirklich wie ein Zombie aus. Als ich aus dem Bad zurückkam, sah ich Kyousuke am Fenster stehen. Ich überlegte, ob ich zu ihm sollte, aber entschied mich dazu, kurz nach unten zu gehen. Nur ein wenig die Beine vertreten. Es war relativ frisch und ich zog den Kragen meiner Weste mehr nach oben und den Schal etwas enger. Plötzlich ertönte eine Stimme. „Onee-chan!“ Baff wandte ich mich um. Vor mir stand Mariko und neben ihr ein kleines Mädchen, welches meines Wissens nach, zu den Kindern gehörte, um die sich Crow kümmerte. Scheinbar war es mit Mariko befreundet. „M-Mariko-chan... Was machst DU denn hier?“, fragte ich erstaunt. „Miyu-chan hat mir erzählt, dass irgendwas wohl gestern Abend vorgefallen ist. Aber Crow und Jack wollen nicht darüber reden.“, sagte sie und ihre Augen wurden traurig. „Habt ihr euch nicht mehr gern?“ Das Mädchen, namens Miyu, nickte: „Crow hat uns nur gesagt, dass er ab sofort noch mehr Zeit mit uns verbringen wird, weil er weniger „zu tun“ hat.“ Ich wandte meinen Kopf gen Boden und seufzte tief. Zaghaft klopfte ich Miyu auf die Schulter und tätschelte Mariko den Kopf. „Wir... haben uns böse gestritten...“, begann ich langsam und zwang mich zu einem Lächeln. „Aber es wird sicher alles wieder gut! Immerhin ist es normal, dass man sich mal streitet oder nicht? Und am Ende verträgt man sich und hat sich wieder gern.“ Ich versuchte, meine Tränen zu unterdrücken und war gewillt, meinen eigenen Worten glauben zu schenken. Mariko und Miyu nickten nur langsam. „Ich kann zu Crow-Onii-chan ja sagen, dass er sich wieder mit euch vertragen soll.“, sagte Miyu dann. „Auf mich hört er bestimmt!“ Ich bewunderte den Enthusiasmus dieses kleinen Mädchens. Tief in meinem Inneren hoffte ich ja, dass es das schaffen würde. Aber ich kannte Crow nun schon lange genug und wusste, wie stur er war. Dasselbe traf auch auf Jack zu. Eigentlich bestand Team Satisfaction aus lauter Starrköpfen und Dickschädeln und Yuusei war der Einzige, den man als flexibel bezeichnen konnte. Selbst ich rannte ja gerne mit dem Kopf vor weg, gegen jede Wand. „Ich... uhm … k-kann ja versuchen, mit Jack zu reden...“, sagte Mariko und lief dabei wieder puterrot an. Das brachte mich zumindest etwas zum Schmunzeln. „Traust du dich das denn?“, fragte ich und versuchte, so gut, wie es mit meiner Gefühlslage nun mal ging, neckend zu klingen. Mariko wurde noch röter und blickte lieber den Boden an. „I-Ich versuche es!“, sagte sie fast trotzig. „Ich will dir helfen, Onee-chan, dass ihr euch wieder vertragt... Außerdem... Mag er dich glaub...“ Sie wirkte ziemlich geknickt. Innerlich seufzend nahm ich sie in den Arm. „Das ist Quatsch. Ich glaub nicht, dass er mich mag. Wir streiten uns doch ständig!“, sagte ich einfach und versuchte zu lachen. Mariko sah zu mir hoch. „Okay?“ Sie schien ein wenig zufriedener, aber immer noch nicht wirklich glücklich. „Warum magst du Jack eigentlich?“, fragte Miyu. „Crow-Onii-chan sagt immer, dass Jack ein Idiot ist.“ Mariko verzog ihr Gesicht zu einem Schmollen. „Jack ist kein Idiot! Er-“ doch weiter kam sie nicht. „Ryoko! Hier steckst du!“ Kyousukes Stimme ließ mich und auch die beiden Mädchen aufschrecken. Kyousuke sah zu den Kindern. „Was macht ihr hier? Seht lieber zu, dass ihr von hier verschwindet, bevor die Security euch noch schnappt!“, sagte er ziemlich bestimmt. Mariko und Miyu waren so verschreckt, dass sie lieber das Weite suchten. Ich schluckte, sah ihnen nach und dann zu Kyousuke. „Das hättest du auch etwas freundlicher sagen können!“, platzte es aus mir raus. Kyousuke wandte sich zu mir und ging auf mich zu. Ich trat einige Schritte rückwärts und wusste, dass ich nicht in diesem Ton hätte mit ihm reden dürfen. Er packte mich grob am Arm. „Wenn diese Typen dich hier erwischen, hast du bald noch einen Marker mehr und kommst ins Gefängnis!“, fauchte er und zog mich hinter sich her. Ich wagte mich nicht, zu widersprechen und folgte ihm schweigend. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust. Aber dieses Mal nicht vor Verliebtheit, sondern vor Angst. Ich sagte den Rest des Mittags fast keinen einzigen Ton mehr und bearbeitete nur schweigsam neben Kyousuke mein Deck. Er hatte mir ein paar Karten gegeben, die er selber nicht brauchen konnte, die aber für mich recht nützlich waren. Mehr als ein „Danke.“, hatte ich aber nicht über die Lippen gebracht. Ich wollte ihn nicht noch mehr reizen. Als der Nachmittag anbrach war es auch soweit und wir trafen uns mit Yuusei auf dem Dach von einem, der vielen leerstehenden Häuser. Von dort aus beobachteten wir das Geschehen auf den Straßen. Die Geräusche der Sirenen schallten bis nach oben und ich schluckte leicht, bei dem Anblick, der sich mir bot. Scheinbar hatte man bei der Security gut aufgestockt und den Beamten D-Wheels gegeben, um noch besser Jagd auf uns Duel-Gangs zu machen. Das bemerkte auch Yuusei sofort, der jedoch recht ruhig zu sein schien. Kyousuke dagegen verzog seinen Mund nur zu einem breiten Grinsen. In mir machte sich aber langsam die Panik breit. Kyousuke schien zu allem bereit zu sein und ich hatte Angst vor dem, was uns wohl bevorstand. Sein Grinsen machte dieses Gefühl nicht wirklich besser. „Wie sollen wir je gegen die ankommen, wenn die D-Wheels haben?“, murmelte ich kraftlos. Kyousuke haute mir sanft auf den Rücken. „Mach dir darum keinen Kopf. Wir sind viel stärker als die! Selbst wenn sie sich uns in den Weg stellen, haben sie keine Chance!“ Ich gab ein leises Seufzen von mir und blickte beinahe flehentlich zu Yuusei, der meinen Gesichtsausdruck wohl bemerkt hatte. Ich wollte ihm am liebsten sagen, wovor ich mich fürchtete. Immerhin hatte Kyousuke mir ja schon quasi seinen Plan gesteckt, aber ich traute mich nicht. Vor allem nicht, da Kyousuke direkt neben uns stand und es sicher gehört hätte. Ich wollte ihn nicht verpetzten, aber im Nachhinein war mir klar geworden, dass es dumm gewesen war, nichts zu tun. So verstrich die Zeit und die Sonne war langsam am Untergehen. Wir waren wieder in unserem Unterschlupf. Die roten Strahlen warfen ihr Licht in den Raum, wo die Wände weggerissen waren und auch großteils die Decke. Wir saßen an einem der alten Holztische. Yuusei, Kyousuke und ich. Wie es zu erwarten war, hatten sich Jack und Crow wirklich nicht mehr blicken lassen. Es war eigentlich ein wirklich schöner Abend und der Sonnenuntergang war so wundervoll, dass ich ihn sicher genossen hätte. Aber ich konnte es nicht. Nicht bei dieser Angespanntheit. Kyousuke saß da und hatte die Hände unter seinem Kinn ineinander gelegt. Sein Blick verhieß überhaupt nichts Gutes und irgendwie wartete ich nur noch darauf, dass er die Bombe endlich platzen ließ. „Ich weiß, was noch zu tun ist!“, sagte er ziemlich überzeugt. Meine Finger verkrampften sich und meine Fingernägel gruben sich in das morsche Holz. Ich biss auf meine Unterlippe und schloss meine Augen. „Wir werden die Security aus Satellite vertreiben. Ich werde nicht eher befriedigt sein, bis diese Typen unsere Heimat verlassen haben und das für immer! Wir werden sie vernichten und dann... erst dann, wird Satellite endlich uns gehören!“ Kyousukes Worte hallten in meinen Ohren und ich bekam mit, wie Yuusei neben mir ruckartig von seinem Stuhl aufgestanden war. „Was? Du willst die Security vernichten!?“, fragte er ungläubig und empört. Ich konnte in etwa nachvollziehen, was ihm gerade durch den Kopf ging. Aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich fühlte mich so schlecht und starrte nur auf den Boden, nachdem ich meine Augen wieder geöffnet hatte. Ich hatte das Bedürfnis, mich zu übergeben, so schlecht ging es mir. Mein Magen schmerzte und ich war wütend auf mich selbst. Wütend auf meine Feigheit, wütend auf meine Inkonsequenz und wütend auf meine dummen, dummen Gefühle, die ich für Kyousuke hegte. „Ja.“, hörte ich Kyousuke bestätigend sagen. „Ich habe Team Satisfactions letzten Gegner gefunden.“ Seine Stimme hatte etwas beängstigendes in ihrem Tonfall. Ruhig und bedrohlich zugleich. Yuusei wollte immer noch nicht glauben, was Kyousuke da von sich gab. „Unseren letzten Gegner?“ „Nur, wenn wir sie besiegen, haben wir unser wahres Ziel erreicht und können die Übernahme von Satellite abschließen. Yuusei, bring Jack und Crow für mich her. Ryoko, du hilfst mir hier beim Vorbereiten. Wir vernichten sie alle zusammen. So, wie es sich für ein Team gehört.“ Ich zitterte und schreckte so fürchterlich zusammen, dass ich beinahe von meinem Stuhl fiel, als Yuusei mit beiden Händen auf den Tisch haute. Ich hatte ihn noch nie so wütend erlebt. „Verstehst du das nicht, Kiryuu?! Du weißt, dass das glatter Selbstmord ist!“, rief er und ich spürte, wie langsam Tränen meine Wangen runterrannen. Ich wollte aufstehen. Weglaufen. Aber ich konnte mich nicht rühren. Das Gefühl, jeden Augenblick brechen zu müssen, wurde immer unerträglicher. „Du willst doch jetzt nicht etwa kneifen, Yuusei?“, sagte Kyousuke immer noch in diesem bedrohlichen Tonfall. Yuusei packte ihn am Kragen und ich wimmerte leicht. „Aufhören... HÖRT SOFORT AUF!“ Ich realisierte nur langsam, dass ich geschrien hatte. Unbewusst, war ich wohl auch noch aufgestanden. Mit wackeligen Beinen hielt ich mich am Tisch fest. Kyousuke und Yuusei starrten mich beide an. Ich konnte es nicht sehen, weil ich den Kopf immer noch gesenkt hatte, aber ich ahnte es. Als ich langsam aufsah, ließ Yuusei Kyousuke los. Nun blickte er zu Boden. „Kiryuu, ich kann nicht mehr länger bei dir bleiben. Du musst das alleine tun oder mit Ryoko zusammen, aber ohne mich. Ich verlasse das Team und dich.“ „Yuusei!“ Kyousuke rief ihm nach, aber Yuusei ging. Ich hatte nie gedacht, dass Yuusei auch einfach gehen würde. Nie gedacht, dass er einen Freund im Stich lassen würde. Aber irgendwo verstand ich ihn. Für einen Moment war ich versucht, ihm nachzulaufen. Auch einfach zu verschwinden. Aber ich konnte es nicht. Ich konnte Kyousuke nicht auch noch im Stich lassen. Obwohl er mir so viel Angst machte, konnte ich ihn nicht einfach allein lassen. Ich fühlte, wie Kyousuke mich an der Schulter packte und zu sich drehte. Allerdings nicht grob. „Was ist mit dir, Ryoko? Willst du mich auch noch verlassen?!“, fragte er und ich schüttelte nur stumm den Kopf. „Du bleibst bei mir, nicht wahr? Du hältst zu mir, oder?“ Er lachte leicht. Es war aber kein erleichtertes Lachen, sondern ein völlig abgedrehtes. Das Lachen, eines Verrückten. Ich traute mich kaum, meinen Mund aufzumachen und nickte nur verängstigt. In diesem Moment, fühlte ich, wie Kyousuke mich in seine Arme zog. Mich so eng an sich presste, wie noch nie zuvor. „Bitte verlass du mich nicht auch noch!“, hörte ich ihn sagen und meine Augen weiteten sich, als ich seiner Stimme Verzweiflung entnehmen konnte. „Bitte bleib bei mir! Du darfst mich nicht verlassen, Ryoko-chan... Ich brauche dich!“ Mir stockte der Atem. Mein Herz pochte so laut, dass ich es kaum ertrug. „K-Kyousuke-kun...?“ „Ich will dich nicht verlieren... Ich brauche dich. Du bist alles, was ich noch habe...“ Ich fühlte, wie sich seine Finger in meinen Rücken krallten. „Du bist mir so wichtig geworden in all der Zeit. Ich will nicht mehr ohne dich sein! Ryoko-chan, ich...“ Für ein paar Sekunden schien die Welt völlig still zu stehen. Wollte er mir etwa sagen, dass er...? Würde er mir die Worte sagen, die ich mir schon so lange von ihm zu hören wünschte? „Du bist wie eine kleine Schwester für mich!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)