Last Desire: Devious Desire von Sky- ================================================================================ Kapitel 1: Frühling ------------------- „Meister! Ihr verschlaft schon wieder den ganzen Tag. Was bin ich denn, verdammt? Eure Nanny, oder was? Steht jetzt gefälligst auf und bereitet endlich mal die Andacht für heute Abend vor!“ Nabi platzte fast der Kragen. Nicht nur, dass er ohnehin schon genug Arbeit am Hals hatte, nein jetzt durfte er auch noch diesen Faulpelz schon zum gefühlten tausendsten Mal aufwecken. Da aber keine Antwort kam, stellte er den Korb Wäsche kurz ab und ging im Haus suchen. Und tatsächlich fand er den Übeltäter friedlich schlafend unter dem japanischen Heiztisch, den er sich als Souvenir von seinen Reisen mitgebracht hatte und der zu seinem Lieblingsplatz geworden war. Sein kleines Heiligtum, mochte man meinen. Nicht zu fassen, dachte der Sefira und knirschte mit den Zähnen. Der pennt jetzt schon seit geschlagenen 15 Stunden und ich muss natürlich alles alleine organisieren. So ein elender Faulpelz. „Meister, wacht endlich mal auf!“ Nun war er deutlich lauter geworden und schon erhob sich der Schlafende langsam. Laut gähnte er und streckte sich, woraufhin er langsam unter seinem Schlafplatz hervorgekrochen kam. „Mensch Nabi, was musst du mich denn so früh wecken?“ grummelte er und begann sich seine langen blonden Haare zu richten. „Wie spät ist es denn?“ „Wir haben gleich halb zwei und wenn Ihr nicht endlich mal zeitig aufstehen würdet, müsste ich die Messe auch noch für Euch machen. So langsam habe ich echt den Eindruck, dass ich hier bald noch den Pfarrer spielen muss, obwohl das eindeutig Euer Job ist.“ Ohne großartig etwas dazu zu sagen, schlurfte der Schlaftrunkene ins Bad, um sich frisch zu machen. Nabi brachte derweil die Wäsche nach draußen, um sie aufzuhängen und beeilte sich, damit er noch den Kaffee kochen konnte, bevor sein Herr aus dem Bad war. Es war Frühling und ein außergewöhnlich warmes und sonniges Wetter. Eigentlich das perfekte Wetter, um einen Ausflug zu machen, aber daraus wurde leider nichts. Denn mal wieder hatte Samajim eine seiner langen Schlafphasen, wo fast sein gesamter Tagesablauf nur aus Essen und Schlafen bestand. Natürlich hatte das alles seine Gründe, weil er in der letzten Zeit viel zu tun hatte. Immerhin war seit dem Umsturz der alten Ordnung und Ajin Gamurs Wutausbruch einiges passiert und das war nun mal nervenaufreibend gewesen. Er selbst hatte da nicht viel mitbekommen, weil er in der Menschenwelt bleiben sollte, wo er sicher war. Aber dennoch war er ziemlich genervt, weil natürlich mal wieder alles an ihm hängen blieb. Als hätte er mit seiner Arbeit als Küster nicht schon genug zu tun, er war zuhause auch noch die Hausfrau für alles und durfte zudem die manchmal ziemlich erniedrigenden Aufgaben seines Herrn erfüllen. Nicht, dass er es unbedingt hasste. Er war dankbar für diese Arbeit, denn immerhin war es Samajims Einsatz zu verdanken, dass er noch am Leben war. Am Anfang war das Verhältnis zwischen ihnen noch ein wenig schwierig gewesen, denn Nabi wusste sehr wohl um seine Position und hatte große Angst, durch einen unbedachten Fehler Samajims Unmut auf sich zu ziehen. Aber wie sich herausstellte, war der alte Samajim bei weitem nicht so streng und herrisch wie so manch andere. Inzwischen war zwischen ihnen beiden eine richtige (wenn auch sehr ungewöhnliche) Freundschaft entstanden und mit der Zeit hatte Nabi erkannt, dass er auch der Einzige war, der das Recht hatte, in solch einem Ton mit seinem Herrn zu reden. Denn Samajim war bekannt dafür, dass er sehr autoritär sein konnte und Respekt verlangte. Den bekam er ja auch, aber nur weil die meisten nicht wussten, wie er wirklich ticken konnte. Und seine schrägen Marotten hatte Nabi schon seit Jahrhunderten ertragen müssen. Wenn nicht sogar schon seit Jahrtausenden. Es war nicht immer einfach mit ihm, aber Nabi hätte wohl kaum so lange als sein Diener durchgehalten, wenn er nicht damit zurechtkommen würde. Um ehrlich zu sein, waren es manchmal genau diese schrägen Marotten, die er an Samajim liebte. Denn sie machten ihn auf irgendeine Art und Weise natürlicher. Die Menschen würden sagen, diese Marotten machten ihn „menschlicher“. Und manchmal kam er mit den merkwürdigsten Ideen an. So zum Beispiel vor knapp drei oder vierhundert Jahren, als er urplötzlich das Erscheinungsbild des alten Mannes ablegte und sich stattdessen spontan so weit verjüngt hatte, dass ihn äußerlich nur noch wenige Jahre von Nabi trennten. Und auf Nachfragen hin hatte er ganz einfach gesagt, dass ihn die Falten einfach störten und er sich jünger eben deutlich hübscher fand. Dabei sprach nicht mal die Eitelkeit aus ihm. Allerhöchstens sein seltsamer Charakter. Und es war kein Geheimnis, dass Samajim mehrere Gesichter hatte und sie alle hatte Nabi schon längst kennen gelernt. Und nachdem er zu genüge erlebt hatte, wie faul, kindisch und ichbezogen sein Herr sein konnte, hatte er auch in gewissen Situationen die Achtung vor ihm verloren. Nachdem er mit der Wäsche fertig war, ging er ins Pfarrhaus zurück und setzte Kaffee auf und deckte den Tisch. Er wartete immer mit den Mahlzeiten, bis Samajim aufgewacht war, denn es hatte sich mit der Zeit einfach ergeben, dass sie immer zusammen bei Tisch saßen. Manchmal kam Eva dazu, die gerade zu Besuch in London war und mit ihnen beiden befreundet war. Sie kannten sich schon seit den Sefirot-Kriegen und Eva hatte viel zum Sieg beigetragen und galt als eine der aufgeschlossendsten und freundlichsten Sefirot, die er je gekannt hatte. Sie war wenigstens nicht so stolz und voreingenommen wie die anderen und auch sie kannte Samajims Launen nur allzu gut. Nabi hatte schon lange genug mit ihm zusammengelebt um zu wissen, dass die Sefirot eines gemeinsam hatten: je älter sie waren, desto mächtiger waren sie auch im Vergleich zu anderen. Und je mächtiger sie waren, desto launischer wurden sie. Und Samajim war sehr launisch, das bekam sein Diener für gewöhnlich immer als erstes zu spüren. Denn wenn man so mächtig war, dass kaum jemand es wagte, seine Position infrage zu stellen, dann konnte man sich solche Charakterzüge durchaus erlauben. Das Einzige, was man da noch tun konnte war, diese Person bloß nicht zu sehr zu reizen, dass diese wieder in irgendwelche Launen verfiel. Samajim galt als der eigensinnigste und unberechenbarste der großen Alten und konnte mit seinen zwei Gesichtern manchmal fast unheimlich sein. Aber dennoch hatte Nabi Glück mit ihm, denn es gab welche, die extrem gefährlich waren. Miswa die Strenge war die aufbrausendste, cholerischste und rachsüchtigste der großen Alten und hatte genug Stolz für zehn. Kabod und Rakshasa waren nicht weniger schlimm, genauso wie Adonaj oder Ra’am. Aus diesem Grund wagte es kaum jemand, sich mit den großen Alten anzulegen. Am allerwenigsten aber mit Ajin Gamur. Lediglich Samajim und Nazir brachten den Mut auf, mit ihm zu verhandeln und hatten auf diese Weise das eine oder andere Mal viel bewirken oder abwenden können. So auch schon des Öfteren den Untergang der Welt, denn es war leider ebenso kein Geheimnis, dass Ajin sehr schnell mit seinen Entschlüssen kam und meist immer dann die Welt zerstören wollte, wenn ihm irgendetwas nicht passte. Glücklicherweise hörte er dann auf den Rat seiner Gefolgsleute, denn Samajim und die anderen der großen Alten waren auch seine Berater. Ein weiterer Grund also, warum man sich bemühen sollte, sich mit ihnen gut zu stellen und sie nicht unnötig zu reizen. Nun gut… seit der Rückkehr der großen Entitäten war diese Herrschaft vorbei und die großen Alten waren entmachtet worden. Trotzdem waren einige von ihnen, die nicht in die Elohim-Verschwörung involviert gewesen und deshalb auch nicht verurteilt worden waren, nach wie vor gefährlich. Und ihr Einfluss war nach wie vor sehr groß. Und Samajim war nun der direkte Berater von Ain Soph und Elohim, die nun die Herrschaft über die Welt der Sefirot übernommen hatten und besaß damit einen großen Einfluss. Dessen war sich auch Nabi bewusst, aber inzwischen kannte er Samajim gut genug um zu wissen, wann er ihn ärgern durfte und wann er es besser bleiben lassen sollte. Jetzt zum Beispiel war ein Zeitpunkt, wo man ihm ordentlich in den Hintern treten durfte. Zumindest durfte Nabi das, bei anderen würde sich das Samajim gewiss nicht gefallen lassen. Nachdem Samajim aus dem Bad gekommen war und sich an den Tisch gesetzt hatte, goss Nabi ihm einen Kaffee ein und legte ihm die Zeitung hin. Aber so etwas las der Sefira nur äußerst selten. „Warum hast du überhaupt die Zeitung abonniert?“ „Weil es eben wichtig ist, auf dem Laufenden zu bleiben“, erklärte Nabi mit Nachdruck und begann den Politikteil zu lesen. „Erinnert Euch doch mal daran, dass Ihr erst gemerkt habt, dass in Berlin eine Mauer war, als sie schon wieder abgerissen wurde! Oder zum Beispiel der Vietnamkrieg. Davon habt Ihr erst gehört, als es schon längst vorbei war. Ich kenne keinen Menschen, dem so etwas passiert.“ „Ach die und ihre Kriege und das ganze Pipapo“, winkte Samajim mit betonter Gleichgültigkeit und einer Spur Zynismus ab. „Inzwischen interessiert es mich schlichtweg nicht mehr, wer gerade gegen wen Krieg führt. Ob es nun die Russen, die Araber, die Chinesen, die Deutschen oder die Amis sind. Irgendwo wird doch immer gekämpft. Da lohnt es sich eh nicht, sich auf dem Laufenden zu halten. In ein paar Jahren ist das eh wieder vorbei und irgendjemand anderes führt Krieg. Jetzt sind es die Araber und in ein paar Jahren dieser Giftzwerg aus Nordkorea.“ Es kam noch hinzu, dass Samajim sich zwar rein äußerlich stark verjüngt hatte, aber er besaß trotzdem noch den Zynismus eines alten Mannes. Nun, sie beide waren auch Unvergängliche, die schon sehr lange in dieser Welt lebten. Da verging die Zeit für sie eben deutlich anders als für die Menschen. „Aber Meister, wenn die Leute Euch zu Eurer Meinung befragen, wie wollt Ihr dann antworten?“ „Dass ich kein Politiker bin und diese Kriegsfragen wohl kaum in die Kirche gehören. Wäre was Neues, wenn die Kirche jetzt auch noch eine eigene Partei hätte.“ „Hat sie.“ „Die Leute heutzutage haben auch immer verrücktere Ideen. Na was soll’s, zumindest ändert sich bei den Messen nichts. Dafür lobe ich mir die Kirche: Es ist seit Jahrhunderten derselbe alte Mist und zum Glück wird sich da auch nichts ändern. So muss ich mir wenigstens nichts Neues angewöhnen. Es ist immer die gleiche Prozedur mit denselben alten Geschichten, die irgendwo hervorgekramt und aufgewärmt werden. Irgendwo ist immer was Passendes dabei und auf die Art und Weise lässt sich auch wunderbar Geld verdienen.“ „Und das sagt Ihr als Pfarrer“, kommentierte Nabi kopfschüttelnd und begann nun mit dem Abwasch. Danach würde er noch die Reliquien säubern und die Kerzen auswechseln müssen. Die Liste seiner Aufgaben waren schon lang genug und dabei waren noch nicht einmal die Sonderwünsche mit drin, die Samajim in der letzten Zeit immer häufiger an ihn richtete. Und manchmal waren es schon die unmöglichsten Aufgaben, die er gestellt bekam. „Und?“ fragte der Blondhaarige und sah seinem Diener beim Abwasch zu, ohne auch nur daran zu denken, ihm zu helfen. „Was machst du heute denn Schönes?“ Nabi ahnte, dass gleich irgendetwas folgen würde und dieser alte Fuchs nur deshalb wieder diese Frage stellte, damit er ihm erneut ein paar Aufgaben aufs Auge drücken konnte. „Ich bin gleich damit beschäftigt, den Garten der Pfarrei auf Vordermann zu bringen und das Unkraut zu entfernen. Außerdem muss ich im Keller die Rattenfallen aufstellen, weil sie schon wieder die Vorräte angeknabbert haben. Und ich muss endlich was gegen die Tauben im Dachgebälk machen.“ „Verdammte Viecher“, grummelte Samajim, als er das hörte. „Ist mir ein Rätsel, was die Menschen an diesen Kreaturen bitteschön toll finden. Im Grunde sind das nichts anderes als Ratten mit Federn und die scheißen uns noch alles voll. Hatte ich nicht irgendwo ein Gewehr?“ „Eine Pumpgun“, korrigierte Nabi und ahnte schon, worauf das hinauslaufen sollte und versuchte sogleich, seinem Meister diesen Quatsch sofort wieder auszureden. „Und ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, nicht mit einer Pumpgun, geschweige denn mit einer Schrotflinte, einer AK-47, einer M16 oder weiß der Henker noch alles auf die Tauben zu schießen. Euer Waffenarsenal habe ich vorsorglich im Keller eingeschlossen und ich werde ganz sicher nicht zulassen, dass Ihr uns schon wieder Löcher ins Dach schießt. Beim letzten Mal musste ich bei Wind und Wetter alles reparieren, bevor es uns noch ins Haus reinregnet.“ „Jetzt stell dich doch nicht gleich so an. Das bisschen Regen…“ „Ich bin zwei Mal vom Blitz getroffen worden, wenn Ihr Euch erinnern würdet. Vergesst es, es wird nicht auf die Tauben geschossen. Ich überlege mir etwas anderes.“ Und damit war die Diskussion beendet. Nachdem Samajim sich gestärkt hatte, begab er sich in sein Arbeitszimmer, um die nächsten Messen vorzubereiten. Nabi seinerseits begab sich in den Garten und war dort die nächsten zwei Stunden damit beschäftigt, das Unkraut zu ziehen, den Rasen zu mähen und die Blumen zu gießen. Erschöpft setzte er sich schließlich auf eine Bank, um sich etwas Ruhe zu gönnen und fächelte sich etwas Luft zu. Dafür, dass es erst März war, herrschten erstaunlich warme Temperaturen und da er ohnehin schon seit sechs Uhr morgens auf den Beinen war, konnte er so eine kleine Pause gut gebrauchen. „Nathaniel!“ Er blickte auf, denn Nathaniel Hope war sein Deckname, den er für die Menschen gebrauchte. Sein richtiger Name klang etwas zu ungewöhnlich dafür und auch Samajim hatte es sich angewöhnt, sich vor den Menschen „Samuel Kings“ zu nennen. Wieder rief ihn jemand und schon sah er auch gleich vier junge Frauen zu ihm kommen. Tabitha, Ellie, Hannah und Patrice kamen aus der Nachbarschaft und statteten ihm des Öfteren mal Besuche ab. Aus irgendeinem Grund schien er bei den Frauen ganz gut anzukommen, auch wenn er sich das selbst nicht so wirklich erklären konnte. An seinem besonders männlichen Aussehen lag es jedenfalls nicht, denn das hatte er nicht. Er wirkte eher etwas androgyn, was ihn schon immer etwas gestört hatte und wie ein Adonis sah er auch nicht gerade aus. Oft fragte er sich schon, wieso er keine verdammten Muskeln aufbauen konnte. Schlimm genug, dass Samajim ihn dann immer mit dem Kommentar ärgern musste, dass er nicht sicher sei, ob es sich bei Nabis Körper um den eines Mannes oder um den einer Frau handelte. „Was kann ich für euch tun?“ fragte er und sogleich hatten sie sich um ihn geschart und er erkannte recht schnell, was los war. Sie hatten ihm mal wieder irgendwelche Kleinigkeiten mitgebracht, obwohl er doch oft genug betont hatte, dass er so etwas nicht wollte. Denn er wusste einfach beim besten Willen nicht, wie er darauf am Besten reagieren sollte und wie er es denn überhaupt anstellen sollte, die Mädchen zurückzuweisen. Zwar waren sie ganz nett und so, aber sein Interesse galt nur einer einzigen Person. Auch wenn diese nichts davon wusste und auch nie erfahren würde. Dieses Mal hatten sie ihm selbstgemachte Schokolade mitgebracht und noch ein paar andere Sachen. Und kaum, dass Tabitha fragte, ob er mit ihr mal ausgehen würde, entstand ein heftiger Zickenkrieg, der schließlich damit endete, dass Nabi wortwörtlich hin und hergerissen war und nicht imstande war, etwas gegen diese Meute zu unternehmen. „Hey meine Damen, was hat dieser Lärm zu bedeuten?“ Sogleich unterbrachen sie den Zickenkampf und riefen „Oh, Reverend Kings. Entschuldigen Sie, wir wollten nur zu Nathaniel.“, als sie Samajim sahen, der herbeigelaufen kam, als er den Lärm hörte. Er durchschaute sehr schnell die Situation und lächelte amüsiert. „Scheint so, als wäre mein Küster beliebter bei den jungen Damen als ich“, bemerkte er mit einem Lachen, wobei er Nabi auf die Schulter klopfte. Doch diesem lief es eiskalt den Rücken runter, denn er erkannte sofort, dass dieses Lachen alles andere als ehrlich gemeint war. Aber dieser verdammte Teufel von einem Pastor schaffte es doch immer wieder, die Menschen um den Finger zu wickeln. „Nicht doch, Reverend. Sie sind immer noch der coolste Pfarrer, den wir je hatten.“ „Genau. Viel besser als der alte. Entschuldigung, wenn wir Sie gestört haben. Nathy, ich komme später noch mal vorbei.“ „Vergiss es, ich hab ihn zuerst gefragt!“ Und so ging das Quartett wieder und zankte sich woanders weiter. Geschlagen seufzte Nabi und setzte sich wieder. Doch Samajim hatte immer noch dieses amüsierte Lächeln. „Scheint so, als wärst du bei den Damen sehr beliebt, mein Freund.“ „Ich weiß nicht, womit ich das verdient habe“, gab dieser etwas trocken wieder und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. „Ich mag es einfach nicht, wenn sie mir so viele Geschenke machen. Ich weiß einfach nicht, wie ich sie auf eine möglichst schonende Art und Weise zurückweisen soll. Die Frauen sind ja ganz nett, da will ich sie nicht allzu sehr vor den Kopf stoßen.“ „Wieso zurückweisen? Heißt es nicht in Genesis Gehet hin und vermehret euch?“ „Das heißt Seid fruchtbar und mehret euch.“ „Bist du hier der Pfarrer oder ich?“ „Was kann ich denn dafür, wenn Ihr die Bibel nicht mal richtig kennt, obwohl Ihr doch dabei ward, als sie geschrieben wurde?“ „Na wie dem auch sei. Warum triffst du dich nicht mal mit den Mädchen? Nur weil du bei mir lebst, heißt das noch lange nicht, dass du enthaltsam leben musst. Hey, wir arbeiten seit dem 16. Jahrhundert für die Protestanten.“ „Ja aber nur deshalb, weil die Katholiken das Zölibat haben… Glaubt bloß nicht, ich wüsste über Eure ganzen Schmuddelhefte nicht schon längst Bescheid. Für einen alten Mann seid Ihr ganz schön pervers, Meister.“ Samajim zuckte nur gleichgültig mit den Schultern und setzte sich neben Nabi hin und betrachtete den leicht bewölkten Himmel. In solchen Momenten, wenn er das tat, wirkte er so friedlich und glücklich. Schließlich zündete er sich eine Zigarette an und nahm sogleich einen tiefen Zug ein. Nabi versuchte ihm schon seit Ewigkeiten das Rauchen abzugewöhnen, allerdings ohne Erfolg und wenn er ganz ehrlich war, liebte er auch den Geruch von Samajims Zigaretten. „Ich finde es unanständig, einfach so mit einem anderen ins Bett zu steigen, wenn man keine Gefühle für ihn hat. Ich will den Frauen auch keine falschen Hoffnungen machen.“ „Ach Nabi, du bist ziemlich gutherzig. Ein wenig zu gutherzig für diese Welt, wenn du mich fragst. Wenn du nicht mal endlich den Kopf aus dem Arsch ziehst, so wie die Menschen immer zu sagen pflegen, dann wirst du für immer die einsame Jungfrau bleiben.“ „Warum interessiert Euch das eigentlich?“ „Na weil wir doch trotz allem so etwas wie Freunde sind. Und da stimmt es mich doch neugierig, warum du dich nicht mal vergnügst. Hey, die Menschen leben eh nicht lange. Und damals sind die wenigsten von ihnen überhaupt älter als 40 Jahre geworden.“ „Mag ja sein. Aber ich finde es einfach falsch, es mit jemandem zu tun, für den man keine Gefühle hat. Mag sein, dass das für Euch lächerlich ist, aber das sind meine Prinzipien, an denen ich auch festhalte.“ „Gibt es denn jemanden, den du liebst?“ Nabi schwieg und sah Samajim nicht an. Er hatte Angst, dass ihn irgendeine Reaktion verraten könnte. Natürlich gab es jemanden, den er liebte, nämlich Samajim. Und das war ja das Schlimme an der ganzen Situation! Er war nur ein Diener und Samajim hatte ihm das Leben gerettet. Und Fakt war, dass er einfach nicht in der Position war, diese Gefühle zu hegen. Natürlich wusste er das, aber es machte ihn trotzdem fertig. Es war ein einziges Dilemma und er konnte auch nichts tun, um diese Gefühle abzulegen. Wie denn auch, wenn sie den ganzen Tag aufeinanderhockten und er einfach keinen Abstand bekam? Die Situation war mehr als miserabel. Schließlich stand er auf und atmete tief durch. „Entschuldigt mich, Meister. Ich muss noch das Abendessen vorbereiten gehen.“ „In Ordnung“, sagte Samajim und blieb sitzen, um seine Zigarette zu Ende zu rauchen. „Danach kannst du ruhig Feierabend machen. Du hast genug für heute getan.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)