Verlorene Wahl von Calafinwe ================================================================================ Kapitel 2: Ratlosigkeit ----------------------- Karanese, früher Morgen des nächsten Tages: Petra hockte in einer Ecke, den Kopf zwischen die angezogenen Beine gesteckt. Wie lange war sie in diesem finsteren Loch. Waren es nur Stunden oder schon Tage? Das Mädchen war immer wieder eingenickt, hatte sich aber trotzdem nicht getraut, an der Falltür über ihr zu rütteln. Waren die Leute von der Militärpolizei noch da? Hatte man ihre Großeltern weggebracht? Oder würde ihr Opa jeden Moment die Kiste von der Falltür schieben, um sie herauszulassen. Petra war sich nicht ganz sicher, ob sie das alles nur geträumt hatte. Gleichwohl musste sie hier raus. Ihre Eltern würden sich bestimmt schon Sorgen machen. Ihre Glieder schmerzten von der starren Haltung. Das blonde Mädchen zog scharf die Luft ein, als ihre rechte Schulter knackste und ein stechender Schmerz durch ihren Körper jagte. Sie streckte die Beine von sich und blieb einige Augenblicke so sitzen, reglos in die Stille hinein horchend und darauf hoffend, dass sie sich doch alles nur eingebildet hatte. Aber nichts regte sich und so beschloss Petra, sich so weit als möglich in der kleinen Kammer aufzurichten. 'Opa muss das gegraben haben... ', dachte sie. Das Versteck war nicht allzu tief, denn als sich aufrichten wollte, stieß sie augenblicklich gegen die Falltür. Das Mädchen tastete sie ab, doch auf dieser Seite schien es keinen Mechanismus zum Öffnen der Tür zu geben. Sie nahm sich Zeit, das Hindernis noch einmal genauer zu überdenken. Über ihr befand sich eine Holzkiste. Opa Albert hatte in der Nacht keine Probleme damit gehabt, sie zur Seite zu schieben und die Falltür selbst hatte sich nach oben geöffnet. Außerdem konnte sie sich nicht daran erinnern, dass Opa die Tür mit einem Schlüssel abgesperrt hätte. Es musste also eine Möglichkeit geben, hier heraus zu kommen. 'Ich muss nur fest dagegen drücken... ' Petra zögerte nicht. Sie stemmte sich mit aller verbliebenen Kraft gegen die Tür, sackte aber gleich wieder zusammen. Ihre Schulter schmerzte nach wie vor. Das Mädchen setzte sich wieder auf den Boden und überlegte. An ihrer Lösung, wie sie hier heraus kam, erschien ihr nichts falsch. Vielleicht war sie doch einfach nur zu entkräftet? 'Aber nein, ich kann hier nicht bleiben! ' Sie drehte sich etwas in der Enge und drückte dann mit der anderen Schulter gegen das Hindernis. Petra wollte schon erneut aufgeben, als sich die Tür tatsächlich einige Zentimeter nach oben bewegte. 'Jetzt nur nicht nachlassen... ' Sie stemmte sich noch mehr dagegen, was dazu führte, dass die Kiste über ihr zu Wackeln anfing. Langsam streckte sie ihre Beine aus, kam dann aber an einem Punkt an, an dem sie wieder zurück sank. War die Kiste doch zu schwer? 'Ich schaffe das!' Petra schob sich Zentimeter für Zentimeter in die Höhe. Ihre Anstrengung war von Erfolg gekrönt, denn als sie das rechte Bein komplett durchstreckte, fiel die Kiste halb von der Tür auf die Seite. Die Falltür klappte scheppernd nach hinten und Petra steckte den Kopf aus dem Loch in die Küche. Sie hatte Angst, sogar große Angst. War die Militärpolizei noch hier? Würde die Frau mit der kalten Stimme jeden Moment in die Küche kommen und sie aus ihrem Versteck zerren? Petra wollte es nicht darauf ankommen lassen und stemmte sich in die Höhe. Nach kurzem Zappeln streckte sie ein Bein aus dem Loch und schob sich auf den einfachen Holzboden hinauf. Außer Atem blieb sie liegen. Nichts regte sich in dem Haus. Wenn sich jemand in dem Gebäude aufhielt, wäre er durch den Lärm längst angelockt worden. Doch alles blieb still. Die Vierzehnjährige richtete sich auf und machte einige Dehnübungen. Erneut knackste es in ihrem Körper, aber dafür hatte sie keine Zeit. Petra musste hier weg. 'Ich muss zu meinen Eltern! Für Oma und Opa! ' * * * Mitras, vormittags: Kenny saß in einem Hinterzimmer einer für die Hauptstadt Mitras ziemlich heruntergekommenen Kaschemme, die Beine auf den Tisch gelegt. Er polierte seine Pistole mit einem öligen Lappen. Die Luft roch nach abgestandenem Alkohol, doch das störte ihn nicht. Seit etwa einer halben Stunde befand sich der Kommandant des Unterdrückungstrupps nun hier. Der Wirt, der nur einen Blick auf seine Uniform der Militärpolizei geworfen hatte und dann zusammengezuckt war, hatte ihn zuvor mit vielen freundlich-nervösen Sätzen in das Zimmer komplimentiert. Kurz darauf hatte er ihm eine Flasche Whiskey und ein Glas gebracht und gemeint, es ginge aufs Haus. Was Kenny stattdessen irritierte, war die Tatsache, dass seine Leute sich zu verspäten schienen. Es war das erste Mal in seiner Karriere beim Unterdrückungstrupp, dass jemand zu spät war, Bericht zu erstatten. Was ihn auch ziemlich verwunderte, da es sich bei den Mitgliedern dieser geheimen Organisation um handverlesene Spezialisten handelte. Kenny legte seine Waffe auf den Tisch, um sich danach die Magazine vorzuknöpfen. Aus dem Gastraum drang geschäftiger Lärm zu ihm und ein wohlriechender Duft machte sich langsam breit. Der Koch schien trotz des schlechten Eindrucks, den die äußere Erscheinung des Etablissements hinterließ, etwas von seinem Handwerk zu verstehen. Was dazu führte, dass im vorderen Bereich des Gebäudes der Lärmpegel dezent stieg. Der Mann, der in der Vergangenheit als Kenny the Ripper bekannt wurde und kurz vor seinem 60. Geburtstag stand, fischte die einzelnen Patronen vom Tisch und befüllte das Magazin mit ihnen. Er schob gerade die letzte Kugel in das Magazin, als jemand hinter ihm an das verschlossene Fenster klopfte. "Ihr seid verdammt spät...", murmelte er, ohne aufzusehen. Der Kommandant rührte sich nicht vom Fleck und fuhr fort, seine Waffe zusammenzusetzen. Kratzende Geräusche in seinem Nacken verrieten ihm, dass sie das Fenster aufhebelten. Kenny steckte den geölten Lappen, der auf seinem Oberschenkel gelegen hatte, zur Seite und wog seine Pistole in der Hand. Sie fühlte sich nur dann gut an, wenn sie blitzte und blinkte. Das Fenster öffnete sich. Mucksmäuschenstill hangelten Armand und Louise sich in das Hinterzimmer, letztere schloss das Fenster wieder und gesellte sich dann zu ihrem Kollegen, der vor dem Tisch Aufstellung genommen hatte. "Ihr seid spät dran", bemerkte Kenny nach fünf Minuten gespannten Schweigens. Er legte die Pistole auf den Tisch, verschränkte die Hände auf dem Bauch und musterte die beiden mit einem stechenden Blick seiner grauen Augen. "Auftrag erfolgreich ausgeführt, Sir", berichtete Armand. Armand war nach Kenny das dienstälteste Mitglied des Unterdrückungstrupps, hatte rotbraunes, nackenlanges Haar und eine staatliche Figur, die jeden einfachen Bürger zurückweichen ließ. Selbst dann, wenn er zivil unterwegs war. Der Kommandant hatte ihn persönlich ausgesucht, war doch sein Talent bei der einfachen Militärpolizei komplett verschwendet. Auch die schwarzhaarige Louise konnte für sich das Recht beanspruchen, handverlesen zu sein. Ihr zierlicher Körperbau täuschte über ihre Brutalität hinweg und ihre Skrupellosigkeit stand der des Kommandanten in nichts nach. "Was hat euch aufgehalten?", fragte Kenny sachlich. "Wir hatten nach der Ausführung des Auftrages etwas in Karanese nachzuprüfen, Sir. Flinn geht der Sache gerade nach." Der Kommandant sah sie zweifelnd an. "Die gesuchten Personen wurden entsprechend der Befehle aus der Stadt hinausgebracht und beseitigt. Jedoch..." Kenny zog die Augenbrauen nach oben. Louise ließ die Bombe platzen. "Wir sind momentan auf der Suche nach einer möglichen Zeugin." Armand warf seiner Kollegin einen mörderischen Blick zu, enthielt sich aber eines Kommentars. Statt auf den Leiter der Mission einzugehen, taxierte Kenny nun die Schwarzhaarige mit Blicken. Trotz ihrer Kaltblütigkeit konnte Louise seinem Blick nicht lange standhalten. "Am Vortag war ein Kind bei den Alten. Wir haben das Haus durchsucht, konnten aber keine dritte Person ausfindig machen...", erzählte sie. "Hat sie das Haus verlassen?", fragte Kenny. Seine beiden Untergebenen warfen sich einen Blick zu. "Ich glaub's nich!", schrie ihr Kommandant und sprang unerwartet flink von seinem Platz auf. Er setzte über den Tisch hinweg, warf im Satz die Flasche Whiskey herunter und versetzte Armand einen Faustschlag, was diesen zurücktaumeln ließ. Louise verzog keine Miene. Trotzdem erntete sie einen Hieb, der sie zu Boden schickte. Der Alkohol floss ihrer blutenden Nase entgegen. Louise unterdrückte einen Fluch und sprang auf, bereit, sich im Notfall gegen weitere Schläge zu wehren. Doch Kenny hatte schon wieder von ihnen abgelassen. Er hatte ihnen den Rücken zugedreht, beide Arme auf dem Tisch abgestützt und starrte aus dem dreckigen Fenster. "Ihr findet dieses Balg! Egal, wie!", zischte er. * * * Karanese, zur selben Zeit: Die Vierzehnjährige schlenderte über den Markt in der Überzeugung, dass eine größere Ansammlung von Menschen ihr Schutz bieten würde. Zu beiden Seiten wurde gehandelt und gefeilscht, viele Marktschreier boten frisches Gemüse, Töpferwaren oder andere Produkte an, aber Petra war ganz blind für ihre Umgebung. Stattdessen warf sie immer wieder Blicke über ihre Schulter, um sicherzugehen, dass ihr nicht jemand in einem grünen Cape folgte. Hin und wieder entdeckte sie natürlich die entsprechenden Uniformen, aber sie atmete jedes Mal erleichtert auf, wenn der Träger sich als ein Mitglied der Mauergarnison entpuppte. Petra passierte die einzelnen Buden und näherte sich dem Ende des Marktes. Sie würde noch drei Straßen kreuzen müssen, bevor sie an ihrem Elternhaus ankommen würde. Deshalb beschleunigte das Mädchen seine Schritte, wurde dann aber aufgehalten. Ein bärtiger Verkäufer mit deutlichem Bauch schob sich ihr in den Weg. "Mädchen, wie wäre es mit einer Schleife für die Haare?", fragte er. Sie duckte sich unter seinem Arm hindurch und murmelte: "Tut mir leid, muss weiter..." "Hey!" Sie hüpfte einige Meter und beschloss dann, den restlichen Weg zu ihrem Elternhaus laufend zurückzulegen. Auf den umliegenden Straßen war bei weitem weniger los als auf dem Markt und so schaffte es Petra innerhalb kürzester Zeit, sich ihrem Haus zu nähern. Doch als sie beim Nachbarhaus ankam, das vor ihrem lag, blieb sie stehen, denn Frau Josefa, ihre knorrige alte Nachbarin, sah sie neugierig an. "Hallo Petra! ... Habt ihr Ärger?", fragte sie interessiert. Das rotblonde Mädchen antwortete nicht, sondern konterte den Blick der Frau nur ausdruckslos. Was meinte sie mit Ärger? Petra ging an ihr vorbei und wollte sich dem Haus ihrer Eltern nähern, stockte dann aber und huschte schnell einige Meter zurück. Sie hatte ihren Vater am Eingang stehend gesehen, im Gespräch mit einem Fremden. Auf dem Rücken des fremden hatte der Kopf eines Einhorns geprangt! Wie hatte die Militärpolizei so schnell herausgefunden, wo ihre Eltern lebten? Petra taumelte zurück, vorbei an der immer noch neugierig blickenden Nachbarin hin auf die offene Straße. Ihr Zuhause war scheinbar kein richtiges Zuhause mehr. "Wo willst du denn hin?", fragte Josefa. Petra hörte ihr nicht zu, sondern machte kehrt. Sie lief blindlings weiter, völlig verunsichert, wohin sie sich nun wenden sollte. Wieder zum Markt zurück? Das erschien ihr vorerst als die beste Lösung. Wie es genau weitergehen sollte, konnte sie sich immer noch überlegen, wenn sie etwas Abstand zwischen sich und die Militärpolizei gebracht hatte. Sie stolperte weiter und rannte in jemanden hinein. Verwirrt murmelte sie eine Entschuldigung und ging dann weiter. Die Vierzehnjährige bekam gar nicht richtig mit, dass derjenige, den sie gerade angerempelt hatte, ihr ihren Namen hinterher rief, sondern setzte ihren Weg fort. "Na, hast es dir anders überlegt, Kleine?", begrüßte sie der bärtige Verkäufer. Petra ging wortlos weiter, doch nach einigen Metern wurde sie grob am Arm gepackt. Sie erschrak und wollte sich losreißen, aber die Hand wollte sie nicht loslassen. "Petra, ich bin's!", rief jemand, "Was ist denn in dich gefahren?" Die Stimme kannte sie. Petra schüttelte den Kopf, um wieder klar denken. Stand da tatsächlich ihr großer Bruder Charly vor ihr? "Mensch, was ist denn los? Hast du irgendetwas ausgefressen?", fragte er gespielt. Erst beim zweiten Hinschauen bemerkte er, dass ihr nicht wohl zu sein schien. Ihr Zopf sah ziemlich zerzaust aus und auch die Kleidung hatte einiges abbekommen. Ganz zu schweigen von dem leeren Blick. "Petra, du bist ja ganz blass!" Er nahm sie erneut beim Arm und führte sie etwas von dem Trubel auf dem Markt weg. "Was ist denn los?", fragte er besorgt. Die Vierzehnjährige konnte nicht mehr und brach schluchzend zusammen. Dicke Tränen quollen ihr aus den Augen und Charly schaffte es nicht, sie zu beruhigen. "Um Himmels Willen!" Er hob Petra kurzer Hand hoch und trug sie weg, um sie vor den Blicken der neugierigen Leute zu schützen. Als er in einer vergleichsweise finsteren Gasse ankam, setzte er sie auf einem Holzfass ab. Das Gesicht von Charly' Schwester war mittlerweile komplett verweint. Aus einer seiner Hosentaschen zog er ein kleines Tuch und versuchte, das Häufchen Elend vor sich so gut es ging zu trocknen. "Sie haben Oma und Opa...", murmelte Petra. "Wie?" Charly beugte sich näher zu ihr und lenkte seine rechte Hand auf ihre Schulter. "Sie haben sie entführt..." "Wer hat wen entführt? Petra, ich verstehe kein Wort..." "Die Militärpolizei...", schluchzte sie, "Die haben Oma und Opa entführt!" Ihr Bruder starrte sie wortlos an. "Aber Petra, was redest du denn da?" "Sie sind in der Nacht gekommen..." Petra schniefte geräuschvoll und ließ den Kopf hängen. "Zu dritt... Sie haben Oma und Opa... Und jetzt sind sie hinter mir her..." Charly schwieg. Er wusste nicht recht, ob er seiner Schwester Glauben schenken solle oder nicht. Was sollte die Militärpolizei schon von ihren Großeltern wollen? Andererseits, Petra war niemand, der ihren Eltern durch Lügen Kummer bereitet hätte. Sie war immer von Grund auf ehrlich gewesen, auch wenn das bedeutete, selbst einmal zurückstecken zu müssen. Zudem war es auffällig, dass ausgerechnet ein Militärpolizist heute zu ihnen gekommen war. Charly hatte gerade das Haus verlassen wollen, als ein junger Mann mit schulterlangen blonden Locken an die Haustür hatte klopfen wollen. Er hatte sich als Nick vorgestellt und gefragt, ob er den Hausherren sprechen könne. Daraufhin hat Charly die Achseln gezuckt, nach seinem Vater gerufen und war dann in die Stadt gegangen. Zugern hätte er gewusst, was Nick zu sagen gehabt hätte. Aber er konnte unmöglich zu spät bei seinem Ausbilder erscheinen. Und jetzt Petras Geschichte. Das erschien für ihn mehr als nur merkwürdig. Charly dachte nach. Dann erinnerte er sich. "Ich glaube dir, Petra", meinte er. Seine Schwester schluchzte vernehmlich. "Ich kenne da jemanden, der dir vielleicht helfen kann", fuhr Charly fort. Das Mädchen hob langsam den Kopf. "Wen?", fragte sie. "Jemanden vom Aufklärungstrupp. ... Erinnerst du dich noch an Mira, die früher mit ihrer Familie neben uns wohnte? Mit ihr hast du immer Verstecken gespielt." "Mira ist beim Aufklärungstrupp?" Petra war skeptisch. Inzwischen hatte sie sich wieder etwas beruhigt und sich mit dem Taschentuch ihres Bruders die Tränen getrocknet. Es hatte schließlich keinen Zweck, den Kopf hängen zu lassen und nichts zu tun. Wenn sie sich an ihre damalige Freundin erinnerte, fiel ihr sofort ein, dass Mira sich immer vor allem möglichen erschreckt hatte. So jemand würde doch nicht mal die Grundausbildung schaffen. Oder etwa doch? "Sie nicht, aber ihr Bruder Erd." "Der mit dem Leberfleck auf dem Bauch?" "Nein, das war Lind. Ich meine den mittleren von den dreien." "Der, der immer mit Stefan zusammen Unsinn gemacht hat?" "Genau der! Der kann bestimmt helfen." "Ich weiß nicht", meinte Petra, "Wieso soll sich der Aufklärungstrupp mit mir befassen? Die haben doch bei weitem wichtigere Aufgaben. ... Überhaupt, reiten die nicht bald eh hinter die Mauer?" "Woher weißt du das denn?", fragte Charly schockiert. Petra rutschte vom Fass und sah verlegen zur Seite. "Man hört die Leute auf der Straße halt so dies und das sagen...", entgegnete sie. Charly schüttelte ungläubig den Kopf. "Jedenfalls sind grad einige von ihnen hier in der Stadt", erklärte Petras Bruder, "Wir sollten uns aber sputen, bereits heute Abend wollen sie nach Shiganshina weiterreiten. ... Vielleicht können sie dich mitnehmen." Petra sah Charly neugierig an. "Woher weißt du eigentlich so genau Bescheid?", fragte sie. "Ich? Ich habe Erd gestern getroffen. ... Also komm. Zufälligerweise weiß ich, wo sie übernachten. ... Und die Kommandantin von Erds Einheit ist auch sehr nett, wenn auch etwas seltsam." Petra ließ sich von ihrem Bruder mitnehmen. Was hatte sie schließlich zu verlieren? Zurück zu ihren Eltern konnte sie vorerst nicht. Und eine Alternative wollte ihr auf die Schnelle auch nicht einfallen. Also war es wohl erst einmal das Beste, die Leute von der Aufklärungslegion um Rat zu fragen. Ob die ihr helfen konnten, wusste die Vierzehnjährige nicht. Zugegeben, Militärpolizei und Aufklärungstrupp schienen sich nie besonders sympathisch gewesen zu sein. Aber ob diese Neigung soweit ging, dass der Aufklärungstrupp einer Wildfremden zur Flucht verhelfen würde? Petra zweifelte stark daran, schwieg aber. * * * Karanese, zur selben Zeit: Flinn sprang von einem Hausdach zum anderen. Er hatte einige Augenblicke unsichtbar für alle Bürger über der Stadt verbracht, sich dann aber in Bewegung gesetzt, als es die neue Zielperson ebenfalls getan hatte. Derzeit war dieses Mädchen mit einem jungen Mann unterwegs, den er zuvor getroffen hatte und dem er sich als "Nick" vorgestellt hatte. Dieses Pseudonym hatte er sich an seinem ersten Tag beim Unterdrückungstrupp zulegen müssen und es seitdem immer benutzt, wenn er mit einfachen Bürgern zu tun hatte. Petra, so hieß sie, war nicht bei ihren Eltern zu Hause. Die ganze Nacht hatte er ihr Elternhaus beschattet, ohne dass sich das blonde Mädchen gezeigt hatte. Daher hatte er vor einer halben Stunde beschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen und hatte den Hausherrn verlangt. Doch auch dieser hatte seine Tochter an diesem Tag noch nicht gesehen. "'Wie auch, sie ist ja bei ihren Großeltern'!", ätzte Flinn. Er hatte sich höflich für die Auskunft bedankt und war auf die Fragen des Mannes, warum die Militärpolizei ausgerechnet seine Petra suche, nicht weiter eingegangen. Etwas ratlos hatte er in einer Seitenstraße eine Hauswand erklimmt und hatte beschlossen, dem jungen Mann zu folgen, bei dem es sich ja möglicherweise um den Bruder handeln könnte. Mit seiner Vermutung war Flinn gar nicht so falsch gelegen. "Wo die wohl hinwollen?", fragte er sich. Flinn konnte ihnen gemächlich folgen, ohne dass sie auf ihn aufmerksam wurden. Aber wieso schlugen sie nicht den Weg zu ihrem Elternhaus ein? Das Mädchen war die ganze Nacht über schließlich nicht zu Hause gewesen. Und im Haus ihrer Eltern hatten sie sie schließlich auch nicht gefunden. "Das ist alles Louises Schuld...", grummelte er. Hätte sie ihn nicht Tags zuvor abgelenkt, wüssten sie, wo Petra hingegangen ist, nachdem sie das Haus ihrer Großeltern verlassen hatte. Der Militärpolizist setzte weiter über die Dächer hinweg, sein 3D-Manöver-Apparat trug ihn lautlos durch die Luft. Zwischendurch hielt Flinn inne, die beiden jungen Leute waren zu Fuß fast zu langsam. Als sie um das Eck eines Gasthauses bogen und es dann betraten, schnappte er überrascht nach Luft. "Was wollen die da?" Flinn war schon halb von seinem Dach herunter gesprungen, da setzte er überhastet wieder hinauf. "Der...!", raunte er abfällig, "Mit dir habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen..." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)