Geheimnisse Mordors von MeropeGaunt ================================================================================ Kapitel 2: Das Moor ------------------- Frodo wurde nicht direkt wach, doch in seinem tiefen Halbschlaf spürte er eindeutig etwas warmes. Eine Berührung vielleicht? Sanft war die Berührung; sie schüttelte zunächst leicht seine Schulter, die immer noch bis zum Hals in den Mantel gedeckt war; dann fuhr die Berührung seinen Hals entlang, bis zu seinen immer währenden, leicht rosa Wangen, die die warme Berührung dankbar annahmen. Doch nach einigen Sekunden war die Wärme weg; erst, als er ein leichtes Poltern wahrnahm und ein leises „Guten Morgen, Herr Frodo“ hörte, da reckte er sich leicht unter seinem warmen Elbenmantel. Sein ganzer Körper tat nach der Nacht auf dem kargen Stein weh, und sein Rücken knackte, als er sich vorsichtig aufsetzte. Er brauchte einen Moment, um seine Stimme zu finden, bevor er Sam leise und ein wenig heiser antworten konnte: „Guten Morgen, Sam. Hab ich etwas verpasst?“ „Oh, nein, nicht wirklich. Ich hab aber schon einmal eher versucht dich zu wecken. Ich hab dich einfach nicht wach bekommen. Das hat mir schon ein wenig Angst gemacht... Deshalb hab ich regelmäßig deinen Puls kontrolliert.“, antwortete Sam, während er schon das morgendliche Lembasbrot vorbereitete. Frodo verzog das Gesicht. „Ich glaube, ich mag heute Morgen kein Elbenbrot.“ „Herr Frodo, du musst etwas essen. Du hast sicher nur so tief wie ein Troll bei Sonne geschlafen, weil du komplett erschöpft bist.“ „Das mag ja sein, aber das hilft mir doch auch nicht...“ „Keine Widerrede, tut mir leid, Herr Frodo.“ Sam stand auf und reichte Frodo das trockene, fade Elbenbrot. Eigentlich schmeckte es nicht fad; es war sehr köstlich. Doch es jeden Tag dreimal essen zu müssen, war für Frodo mittlerweile wie eine Art Zumutung. Gedankenverloren nahm er einen kleinen Bissen des Brotes, während er den besorgten Blick Sam's auf sich spürte – wie so häufig. „Komisch, dass deine Wangen noch so rot sind.“ „Sind sie immer, das weißt du doch, Sam.“ „Ja, aber... ich weiß nicht. Du bist so blass. Du siehst richtig schlecht aus. Ich werde deinen Rucksack heute für dich tragen.“ „Auf keinen Fall!“ „Oh, doch.“ Frodo verschluckte sich fast vor Empörung; er musste heftig husten. Sam erhob sich und schlug Frodo mit festen, aber bestimmten Schlägen auf den Rücken, mit der flachen Hand, damit es nicht weh tat. Es dauerte einen kleinen Moment, bis Frodo wieder frei atmen konnte; seine Augen tränten von der Husterei. „Sieh doch, Herr Frodo. Du kannst ja nicht mal einen Bissen essen ohne gleich zu husten.“ „Das hat nichts damit zu tun! Ich war...“ Doch das Gespräch der beiden Hobbits ging in einem Geschrei unter; plötzlich und sehr weit entfernt erscholl dieser Schrei, der sich so durchdringend und kreischend anhörte, dass sich die Hobbits direkt die Ohren zuhielten, auch wenn das Brot ihnen aus den Händen glitt. Der Schrei hielt einige Sekunden an und war so gellend, dass Frodo spürte, wie sein Herz heftig zu schlagen begann; außerdem spürte er mit immer heftiger werdender Intensität seine Wunde, die er noch von der Wetterspitze trug. Die Wunde brannte und stach, als würde jemand ein glühend heißes Stück Eisen in seine Haut drücken und es winden; ein Aufschrei entfuhr Frodo; während er eine Hand vom Ohr wegnahm, um seine krampfende und pochende Brust zu beruhigen. Der Ring wog mit einem Mal doppelt so viel und riss wieder Kerben in die zarte Nackenhaut des jungen Hobbits. Der Schrei ließ nach; fast abrupt dröhnte die Stille danach, nur unterbrochen von dem leisem und heftigen Atmen der Hobbits. Sam war näher an Frodo gerutscht und hielt ihn fest; anscheinend aus Angst, dass dieser gleich in Ohnmacht fiel. Frodo sog die Luft stark ein und aus; sein Herz beruhigte sich wieder, auch wenn ihm der Angstschweiß noch feucht auf der Stirn stand. Sam's blaue Augen musterten Frodo. „Es waren Nazgûl“, flüsterte Frodo, der ein paar Sekunden darauf ein seichtes Wischen an seiner Stirn spürte; Sam hatte ein Tüchlein hervorgekramt und trocknete Frodo's Stirn. „Ich hab es mir gedacht... Herr Frodo, tat deine...?“ „Ja, sie hat gebrannt. Deshalb wusste ich auch, dass es sie waren.... Sie tut von Zeit zu Zeit immer mehr weh, aber am heftigsten wenn sie in der Nähe sind.“ „Wir müssen dringend weiter.“ „Ich weiß, hier können wir nicht bleiben. Ich glaube, wir müssen....“, Frodo wandte sich gen Osten, wo ein leichter Schleier in der fernen Luft hing; „Ich glaube, wir müssen da lang. Gandalf hatte ja irgendetwas von einem Moor erwähnt, deshalb.. würde ich diesmal wirklich sagen, immer der Nase nach. Es muss ein fürchterlicher Gestank dort herrschen.“ „Dann werden wir den Weg wenigstens richtig finden.“ Ein Lächeln streifte Sam's Lippen, während er das Tuch wieder wegnahm und Frodo immer noch mit seinen Augen tief musterte. Frodo spürte, wie seine Wangen hitzig wurden; eindeutig stieg dort seine nur allzu bekannte Röte auf. Warum, das wusste er nicht. „Lass uns gehen.“ Sam nickte nur, und die beiden standen auf, um sich auf den langen Weg zu machen. Drei Stunden später brannten ihnen die Füße; der Weg war zwar weicher geworden, doch irgendwie matschig und schwerer zu begehen als die harten Felsen, auf denen sie sich einst befanden. Zu allem Übel befanden sie sich ganz der Nähe des Moores, denn die Luft war so gespickt mit widerlichem, morschen Gestank, dass es ihnen in den Augen brannte. Frodo schlug leicht um sich; ein paar Fliegen hatten ihn gestört, waren summend um sein Gesicht geflogen. „Es muss nicht mehr weit sein“, hörte er Sam hinter sich keuchen, gefolgt von dem seit einer Stunde vertrauten Patschen der Hobbitfüße in den stinkenden Matsch. „Nein... in der Tat.“ Frodo hatte es schwer damit, seine Füße gleichmäßig zu bewegen; der Ring, der irgendwie sein Gleichgewicht negativ zu beeinflussen schien, machte die ganze Sache nicht besser. Er schluckte; die trockene und doch überaus feucht-modrige Luft ließ ihn jedoch nur leicht husten. Wie weit es wohl durch diese Einöde ist, dachte er. Sam schnaubte; sein Keuchen wurde lauter. Ein sogendes Geräusch erklang, das Frodo herumschnellen ließ: Sam steckte mit seinem rechten Fuß fest. „Herr Frodo...“, begann der Hobbit, doch Frodo brauchte keine weiteren Worte; er reichte Sam seine Hand, nachdem er festen Stand in dem weichen Boden gesucht und gefunden hatte. Sam ließ sich nicht gerade leicht aus dem Schlamm ziehen; Frodo wandte seine ganze Kraft auf, um den etwas stämmigen Sam aus dem Moor zu ziehen. Sie japsten beide nach Luft, als Sam wieder normal imstande war zu gehen. „Ich glaube, wir sind schon da, im Moor. Kann nicht anders sein. Ich stecke sonst nie im Boden fest.“, murrte Sam und betrachtete ein wenig traurig seine Füße; sie waren über und über beklebt mit dem dreckigen Matsch, der nicht nur bräunlich, sondern auch grüne und graue Stückchen in sich trug. „Ach, Sam“, seufzte Frodo, während er Sam einen Arm um die Schultern legte und sich mit dem Kopf auf Sam's rechte Schulter legte; er fühlte sich matt und träge. Sam lehnte für einen Augenblick seinen Kopf gegen Frodo's; die beiden liefen ein paar Schritte schweigend, während Frodo die Wärme genoss. Denn trotz der schwülen Atmosphäre war Frodo immer noch kalt. „Du zitterst ja“, murmelte Sam, nachdem die beiden Hobbits sich wieder voneinander gelöst hatten; die Wärme, für Frodo deutlich spürbar gewesen, war nun weg. „Mir ist auch kalt.“ „Also, Herr Frodo, du kannst ja sagen was du willst, aber du wirst krank, glaube ich.“ „Alles gut. Es ist der Ring.“ Frodo murrte den letzten Satz; er wollte nicht krank sein. Hier, inmitten der weiten Wildnis kurz vor Mordor, konnte man sich nicht erlauben krank zu werden. Vielleicht verhätschelte Sam ihn auch einfach nur zu sehr. Sie stapften weiter; die schlammigen Geräusche wurden nicht besser, je weiter sie liefen. Und als wäre dies noch nicht genug, wurde die Luft immer drückender und modriger. Bald waren sie von einem dicken, schwadigen Nebel eingeschlossen. Mehr als 30 Fuß weit konnte man nicht sehen, selbst wenn man seine Augen zusammenkniff und versuchte weiter zu schauen als sonst. Die Ebene war flach und schien unendlich weit zu sein; doch gefährlich war sie allemal. Neben den kleinen Pattpfaden in dem Moor waren tiefe Tümpel, in denen allerlei Getier lebte. Dunst lag darüber, und an den Rändern dieser dumpfen Tümpel standen verfaulte und gräuliche Schilfblätter und andere seltsame Pflanzen, die nicht gerade gesund wirkten. Zwischen diesen manchmal grausig wirkenden Gewässern und Moorecken standen vereinzelt gräuliche und spärlich bewachsene Büsche und Sträucher. Und an einem dieser Sträucher, einem mal etwas größeren und dichter bewachsenen, machten sie nach dem langen Marsch erstmals Rast. Frodo ließ sofort seinen Rucksack von seinen schmerzenden Schultern gleiten und setzte sich direkt unter den großen Strauch; die Beine streckte er von sich. Alles pochte und tat weh, selbst der kleinste Zeh und die kleinsten Rippen. Besonders sein Rücken war es leid, die ewig langen Wege ohne viel Nahrung zu gehen. „Ich bin fertig, ich glaube, ich komme heute nicht mehr so weit.“, sagte er leise zu Sam, der sich ebenfalls niedergelassen hatte und in seinem Rucksack nach etwas Essbarem kramte. Er fand das Lembasbrot diesmal schnell; Frodo fing sein Stück trotz seiner Trägheit geschickt auf und begann zu essen. Sam musterte missmutig die Gegend. „Also hier wächst garantiert nichts... Ich dachte, jetzt wo es einmal ein bisschen mehr Feuchtigkeit gibt, wächst vielleicht auch etwas Anständiges, aber wenn ich mir diese Pflanzen so ansehe...“ Er deutete auf einige Sträucher und Pflanzen um sie herum; der Gestank war erdrückend. „Ja, ich weiß auch nicht, wie ich es in dieser Gegend lange aushalten soll, Sam... Doch wir müssen es. Es ist der einzige Weg. Außerdem sind wir hier etwas geschützt.“ „Ja, da hast du Recht...“ Die Hobbits sahen sich für einen Moment an; Frodo's braune Augen verweilten kurz in Sam's Blau; dann strich sich Frodo eine kleine Locke aus der Stirn und sah wieder auf sein Lembasbrot. Sam hatte den Blick jedoch immer noch nicht abgewandt. Frodo spürte wieder Hitze in sich aufsteigen, als er diesen Blick spürte. „Was?“, fragte er, als Sam immer noch nicht nachließ. „Weißt du eigentlich, wie viele Mädchen und Frauen aus Hobbingen damals wollten, dass du mit ihnen einmal essen gehst, Herr Frodo?“ Frodo hob den Blick und begegnete Sam's; ein Lächeln lag in seinem Gesicht, das Frodo sich nur schwer erklären konnte. „Nein. Und wenn, mich hat das nie so interessiert.“ „Warum eigentlich nicht?“ Frodo schluckte; sein Blick wanderte wieder zu seinen Händen. Das Lembasbrot war fast auf, und seine Hände waren ganz ziellos ohne das Stück Brot. „Einfach so, ich wollte lieber... ein Buch schreiben oder so.“, murrte Frodo und stand auf, einfach, um Sam's Fragen und dem bohrenden Blick zu entgehen. Er streckte sich; einige seiner Knochen, besonders sein Rückgrat, knackten erneut. „Meinte ja nur. Ich wollte immer Rosie mal einladen, aber irgendwie habe ich mich nie getraut sie zu fragen. Sie hatte bei dem Neufrühjahrsfest Bänder im Haar.“ Frodo rümpfte die Nase; Rosie hier, Rosie da. Sam hatte eigentlich noch nie wirklich viel von ihr gesprochen, doch irgendwie reizte Frodo dieses Thema. Woher diese Gereiztheit allerdings kam, konnte er sich selbst nicht erklären. Er antwortete Sam auch nicht. Stattdessen begann er damit, in seinem Rucksack nach einer Beschäftigung zu kramen; oder kramte er, um dies als Beschäftigung zu nutzen? Seine Wangen glühten, und er wusste genau, dass er erhitzt aussah. Dass seine Wangen einen Rotton trugen, den die meisten recht hübsch fanden. Doch in diesem Augenblick störte es ihn einfach nur fürchterlich. Er nahm eine plötzliche Handbewegung aus dem Augenwinkel wahr; es war Sam's Hand, die vorgeschnellt war, um Frodo einmal kurz über die Wange zu streichen. Wenn es möglich war, glühte die Hitze noch mehr auf. „Wollte damit nur sagen, dass du hübscher bist als die meisten Hobbits, vor allem bist du so jung noch. Ich dagegen.. der fette Sam. Naja. Leg dich hin, Herr Frodo, ich glaube, du hast Fieber.“ Sam's Stimme war weich gewesen, und Frodo hatte am liebsten seine Hand noch weiter an seiner glühenden, roten Wange gespürt. Doch sie war weg, ebenso Sam, der sich kurz die Beine vertrat. Frodo bedauerte fast die aufkommende Kühle an seiner Wange. Mit seiner eigenen Hand fasste er sich kurz an die Stelle, die Sam eben berührt hatte. Fast so, als wolle er fühlen, ob die Berührung wirklich gegangen war. Als er sich bewusst wurde, wie komisch das aussehen musste, schüttelte er den Kopf und wandte sich wieder seinem Rucksack zu. Ich drehe durch, ich brauche dringend Schlaf, dachte er, und Sam's lautes „Ich glaube, in zwei Stunden gehen wir weiter!“ bekam er in seiner absinkenden Schlafposition schon gar nicht mehr mit. In seinen Träumen herrschte Feuer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)