Geheimnisse Mordors von MeropeGaunt ================================================================================ Kapitel 3: Der Strauch ---------------------- „Wenn ich diesen Gestank noch weitere Tage ertragen muss, dann bade ich freiwillig in diesem Moor. Vielleicht riecht das Wasser ja besser.“ Missmutig und übel gelaunt raunte Sam die Worte in die drückende Dunkelheit und erstickende Luft des Moores, in dem sie sich noch immer befanden. Der Weg war immer gleich: gleich bedrückend, gleich stinkend, gleich trostlos. Nebel zog sich um die kleinen Teiche und Gewässer, in denen es nach wie vor nichts Lebendes außer ekligem Getier zu geben schien. Frodo hatte ebenso schlechte Laune wie Sam; wenn sogar noch schlechtere. Er schwitzte immer wieder, dann fror er plötzlich, die Luft schnitt ihm die Luft ab, und der Ring pochte an seinem Hals und ließ die sicher eingebrannte Kerbe an seiner Haut nur noch tiefer werden. Schlucken fiel schwer, und durch diese Beeinträchtigungen kamen sie nur sehr, sehr langsam voran. Immer wieder mussten sie halten, weil einer der Hobbits versackt war in dem Morast oder fast gefallen; schon bald rochen sie ebenso wie das Moor, waren bedeckt mit Schlamm und Matsch, der sich nur schwer entfernen ließ. Frodo schnappte nach Luft; der Rucksack auf seinem Rücken tat unheimlich weh. „Sam, ich brauch eine Pause.“ Sam blieb stehen und wandte sich Frodo zu; die Augen waren wie immer besorgt, und auch ihm stand der Schweiß auf der Stirn. „Herr Frodo, bei aller Liebe... wir müssen weiter. Lass uns noch ein Stündchen laufen, dann machen wir Rast. Vielleicht wieder unter so einem Strauch.“ Frodo schüttelte den Kopf und wollte sich setzen, doch Sam kam herbeigeeilt und hielt ihn davon ab, indem er mit einem leichten Schwung Frodo's Arm packte und ihn über seine breiten Schultern legte. „Komm, ich stütz' dich ein wenig, dann wirst du sehen, dass es gleich besser gehen wird.“ „Ich mag aber nicht laufen.“ „Nur noch ein Stück, dann haben wir es ja geschafft. Dann rasten wir.“ Schlackende Geräusche entstanden, als die beiden ihre Körper und Beine wieder in Bewegung setzten und weiter durch den wirren Weg durch die Tümpel gingen. Drückende Stille herrschte, und Frodo, der trotz der Stütze von Sam immer noch schwach war, sah sich mit einem leichten Unwollen um. Die Tümpel schienen vor Gestank zu triefen. Ein kleines Insekt, das Frodo noch nie gesehen hatte und für das er keinen Namen hatte, senkte sich auf eines der halb abgestorbenen Seerosen, die von Zeit zu Zeit in den dunklen Wassern trieben. Er richtete seinen Blick auf Sam, der geduldig und schwitzend neben ihm lief; er hatte Frodo's Arm fest im Griff, als wolle er ihn unbedingt davon abhalten, wegzulaufen. Dabei hatte Frodo nicht einmal die Kraft selbst schnell zu laufen. Er schnaubte leise. „Sam, ich kann...“ „Nein, Herr Frodo.“, war die kurze, aber strenge Antwort, die der äußerst konzentrierte Sam hören ließ, bevor es stillschweigend weiterging, weiter hinein in die tiefen Unebenen. Sie gingen noch etwa eine Stunde, als sie endlich einen riesigen, von bräunlichen Blättern bedeckten Strauch fanden, der beiden Hobbits auf den ersten Blick wie eine kleine Höhle vorkam; sie brauchten sich nur einmal kurz anzusehen, da wussten sie, dass dies der richtige Ort für eine Übernachtung war. Frodo ließ sich langsam sinken, gestützt von Sam, der sich ebenfalls niederließ. Einen Moment lang atmeten sie beide heftig; die Luft schien in Bodennähe noch dünner zu werden. „Ich glaube, wir finden hier nie heraus.“ „Irg... Irgendwann, Sam. Ich weiß, dass es.. nicht einfach ist, aber es gibt keinen anderen Weg.“, seufzte Frodo, während er sich seinen Elbenmantel auszog. Ihm war heiß. „Ja, vielleicht“, murmelte Sam und versuchte den Blick auf Frodo's Hemd abzuwenden; der Mantel lag schon auf der Erde. Sam schluckte, als sein Blick auf das kleine, leicht feuchte Stückchen freie Haut fiel, das oben an Frodo's Hemd zu sehen war; Frodo hatte zwei Knöpfe aufgemacht. „Hauptsache, wir verirren uns nicht.“, murmelte Frodo und warf dem umliegenden Gewässer einen misstrauischen Blick zu. „Vielleicht, wir sollten es lieber nicht allzu ernst nehmen. Wir sind meistens Richtung Norden gegangen, oder?“ „Ja, ich glaube schon. Ich hab das aber auch nicht genau mitverfolgt, um ehrlich zu sein.“ „Nun ja, sagen wir, wir sind Richtung Norden gegangen, denn in der Richtung lag ja auch der Berg mit dem Feuer.... Wir sollten wohl richtig sein.“, überlegte Sam. „Aber du musst mit einberechnen, dass wir hier nicht so viel sehen. Es herrscht dichter Nebel hier, und die Sumpfwege sind manchmal so verschlungen, dass es auch gut sein könnte, dass wir mal die Richtung gewechselt haben.“, murmelte Frodo, während er seine brennenden Füße von sich streckte und ihnen etwas Ruhe gönnte. „Stimmt... ach herrje, Herr Frodo, wenn das wirk....“ Ein gellender, unbeschreiblich lauter Schrei drang mit einem Mal in ihre Ohren und ließ sie heftig zusammenzucken. Von der Ferne war ein gewaltiges Flügelschlagen zu hören, gefolgt von einem weiteren Schrei, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ und durch Mark und Bein zu gehen schien. Frodo, der noch eben gemütlich gesessen hatte, krampfte sich plötzlich mit aller Gewalt zusammen; seine Stichwunde, die ihm der Hexenkönig der schwarzen Reiter zugefügt hatte, fühlte sich mit einem Mal so an, als würde sie jäh aufplatzen und aufreißen unter dem schrecklichen Geschrei, er schrie, doch sein Schrei ging fast in dem nächsten des Untiers über ihnen unter. Nazgûl. Der geflügelte Tod. Frodo spürte vor Schmerz fast gar nicht mehr, wie Sam ihn fest packte und ihn mit in das dornige Gestrüpp des Strauches zog; sein Arm zog Frodo fest an sich heran, sodass Frodo mit dem Gesicht an Sam's Halsgegend gepresst wurde; Nur schwer gelang es Sam, Frodo von dem Krampfen und Schreien abzuhalten. „Shht, Herr Frodo, sonst hören sie uns...“ Ein Zittern ging durch die beiden Hobbits, die verschwitzt und beängstigt unter dem Strauch saßen und bebten. Frodo bekam kaum mehr Luft, die Angst kroch so jäh in ihm hoch wie der Schmerz der Wunde, die eigentlich schon längst verheilt war. Der Nazgûl zog weiterhin bitter kreischend seine Kreise über das Moor, als würde er auf der Jagd sein und genau spüren, dass der Ring, der um Frodo's Hals baumelte, ganz in der Nähe war. Und der Ring an Frodo's Hals schien ein Eigenleben zu entwickeln. Frodo spürte den Ring pochen und schlagen, er brannte ein wenig auf der Haut; und zu allem Übel bekam er auch noch den grässlichen Drang, den Ring aufzusetzen. So finden dich die schwarzen Reiter nicht, dachte Frodo, während er mit einer Hand in sein leicht offenes, weißes Hemd griff. Der Ring berührte seinen Finger. Nur noch ein Stück, und sie finden dich nicht mehr, sie gehen weg... Doch plötzlich spürte er den festen Druck von Sam's Hand an seiner, und der Ring glitt Frodo aus der Hand. Frodo fauchte, doch Sam hielt ihn nur noch fester. Frodo konnte den Herzschlag an seiner Brust spüren, so eng umklammert saßen sie. „Nicht, Herr Frodo, sonst finden sie uns... Nicht... bitte...“ Immer wieder flüsterte Sam Frodo diese Worte in sein Ohr, immer wieder; und langsam ließ der Drang nach, den Ring an sich zu reißen und ihn aufzusetzen. Ganz langsam, genauso wie das Kreischen des geflügelten Untiers immer weiter in die Ferne rückte. Doch die Hobbits wagten nicht, sich auch nur einen Millimeter zu rühren. Sam atmete heftig, ebenso wie Frodo. Frodo spürte Sam's Hände immer noch fest an den seinen. Ihm war mulmig zumute, und mit einem Mal rutschte die Angst und Panik etwas weg und machte Platz für ein Gefühl, dass er bis jetzt nur selten verspürt hatte. Doch er konnte es nicht benennen. Es fühlte sich einfach nur seltsam an. Ließ sein Herz rasen und seine Lippen kurz lecken, da diese so trocken waren; er biss sich auf die Lippe, als sein Blick zu Sam's Hals wanderte, der ganz nah an seinem Gesicht war. Die Haut roch wie seine; bitter nach den Tagen im Moor, und doch war dort etwas anderes, es roch herb und irgendwo dunkel und gut. Frodo wusste nicht, warum, doch er legte ein, zwei Finger leicht und ohne Druck auf eine Stelle an Sam's Hals, die besonders glatt aussah und sich auch so anfühlte. Sam rührte sich leicht. „Geht's dir gut, Herr Frodo?“, flüsterte er, doch Frodo antwortete nicht. Er hielt die Finger an der Stelle, und auch sein Blick verweilte dort. Wir sind so allein, dachte er. Was ist gegen ein bisschen Wärme einzuwenden, gegen eine Minute Geborgenheit, wie an einem warmen, abendlichen Feuer. Frodo's Atem beschleunigte sich, als er den Blick zu Sam anhob und ihn ansah. „Herr Frodo? Du bist so still...“ „Alles gut“, brachte Frodo hervor, den Blick tief in Sam's Augen versunken. Blau. Diese Farbe hatte er schon lange nicht mehr gesehen, überall war grau und neblig und schwarz und dunkel... Er schluckte, und er beugte sich ein wenig näher an Sam's Gesicht heran. Sam schien das ganze Verhalten seines Chefs mit gemischten Gefühlen aufzunehmen; er sah Frodo mit verengten Augen an. Und Frodo wusste nicht, wohin mit all den überschwappenden und seltsamen Gefühlen, die ihm das Herz zum Rasen brachten und ihm die Kehle zuschnürten. Was war das? „Du hast mich beschützt“, flüsterte er Sam entgegen, der nur schief lächelte. „Natürlich, was sonst?“ „Danke, Sam....“ Sam wollte gerade etwas entgegnen, da packte Frodo eine eigenartige Welle an seltsamen Gefühlen, die er nicht alle zuordnen konnte und die irgendetwas kurzzuschließen schienen; er beugte sich mit einem Mal vor, rutschte ein Stück hoch und drückte seinen Lippen sachte auf die Haut an Sam's Stirn. Ein unschuldiger, leichter Kuss auf die Stirn, der Sam nach Luft schnappen ließ. Frodo verweilte einige Sekunden dort, sog den Duft von Sam's Haaren ein, die nicht nach Moor rochen, sondern gut. Gewohnt, geborgen. Er ließ vorsichtig ab, während seine Finger immer noch an Sam's Hals verweilten. Einen Augenblick lang sahen sich die Hobbits an; Frodo spürte seine Halsschlagader pochen, bis zum Kinn fast, und seine Wangen glühten vor Aufregung. Er wusste nicht, wie ihm geschah, als er auf einmal spürte, wie sich Sam's Lippen auf die seinen legten, kurz, antastend, und dann doch fester. Es war so eigenartig, eine Mischung aus Neugierde, Abscheu und purer Erregung, die sich in diesen Kuss mischte; Frodo schlug das Herz bis zum Hals. Er griff mit seinen verweilenden Finger in Sam's Nacken, zog ihn näher, und drängte seine Lippen nochmals auf die von Sam, die den Kuss mit festem Druck erwiderten. Der Kuss schmeckte so vertraut, dass Frodo sich nicht von mehr abhalten ließ; wieder und wieder begann er, Sam zu küssen, einfach nur, um diese explodierende Gewalt an Gefühlen aufrecht zu erhalten, die ihn zittern ließ. Als Sam kurz von ihm abließ, keuchte Frodo leise. Sam's Hand grub sich in Frodo's Haare am Hinterkopf, in die festen Locken, die leicht nass waren von der aufkommenden Hitze zwischen den beiden. Ein weiterer Kuss folgte, und Frodo zog Sam ein Stückchen näher, während er sich leicht nach hinten sinken ließ. Seine Zunge fuhr leicht über Sam's leicht raue Lippen, und als er spürte, dass Sam's Mund ihm Einlass gebot, wagte er diesen auch. Die Gefühle und die Erregung, die seltsame Mixtur und die grobe Erkenntnis dessen, was er hier tat, ließen ihn hitzig werden. Ein plötzliches Platschen in einem der umliegenden Gewässer ließ beide Hobbits hochschrecken; hastig entfernten sie sich voneinander, und Frodo, dessen Wangen rot vor Erregung glühten, taten sich gut an der plötzlichen deutlich frischeren Luft. Was hatte er da getan? Sam war sein bester Freund und Gärtner, was zur Hölle hatte ihn dazu getrieben, sich ihm auf diese Art und Weise zu nähern? Du hattest Angst und Panik, er hat dich beschützt, wir sind schon so lange unterwegs, du hast das gebraucht... waren die Ausreden, die die ganze Zeit durch Frodo's Kopf schossen. Nur was würde Sam sagen? Er hat dich doch als erstes geküsst, murrte eine bittere Stimme in Frodo's Kopf, die sich nicht direkt vertreiben ließ. Er hatte angefangen. Eine Mischung aus Anregung, Scham und Unwohlsein breitete sich in Frodo aus, fast wie ein schlechtes Gewissen. Er schluckte. Sam hatte sich währenddessen schon einmal umgesehen; als sein Blick auf Frodo fiel, errötete er heftig. „Ich glaube, das war irgendein größeres Tier.... Kann sein, dass es uns schon länger folgt. Ich bin neulich auch nachts wach geworden und hab etwas um uns herumschleichen gehört.“, sagte Sam, der den Blick schleunigst wieder abwandte. „Warum hast du das nicht erwähnt?“, antwortete Frodo leise, während er sich nicht so große Sorgen um einen Verfolger machte. Eher darum, wie er mit Sam nun umgehen sollte. Sollte er so tun, als sei nichts geschehen? „Weil ich dachte, es sei wieder weg gewesen. Ich passe demnächst besser auf, es tut mir leid, Herr Frodo. Geht's dir wieder gut?“ Frodo brauchte einen Moment, um zu antworten. Er fuhr sich leicht mit dem Finger über die Lippen, als würden Sam's Küsse dort immer noch sitzen und ihm das schwere, momentane Leben versüßen; er bildete sich sogar ein, noch ein bisschen von diesen hitzigen Küssen zu schmecken. Erst als er sich wieder aufraffte, nicht weiter nachzudenken, die Küsse nicht mehr imaginär zu schmecken und zu fühlen, da nickte er leicht. „Ja, mir geht es gut.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)