Between the Lines von Karo_del_Green (The wonderful world of words) ================================================================================ Kapitel 9: Ein Mann und kein Piepmatz ------------------------------------- Kapitel 9 Ein Mann und kein Piepmatz Kains Worte sind nichts weiter als ein heiseres Flüstern und doch gehen sie mir durch Mark und Bein. Er überbrückt den letzten kleinen Schritt zwischen uns, drückt seine Unterarme neben meinem Kopf gegen die Wand und pinnt mich beidseitig damit fest. Trotz der Wärme meines eigenen Körpers merke ich die deutliche Hitze, die von ihm ausgeht. Sie scheint sich direkt in mich hinein zu brennen, verursacht pures Verlangen, welches in sanften, aber tiefen Wellen durch meinen Körper jagt. Mein Kopf sagt, dass es vor allem der Ausschüttung von Noradrenalin und Unmengen von Adrenalin geschuldet ist. Meine Glieder pulsieren und mein Herzschlag wird immer heftiger. Die Berührung unserer Lippen ist nur einen Hauch entfernt. Es ist kein richtiger Kuss. Nur ein neckisches Andeuten und dennoch überrollt mich die Erinnerung an den Geschmack von Ingwer, feiner Süße und prickelnder Schärfe. Unwillkürlich folge ich seinen Lippen ein Stück, als er sich wieder von mir entfernt. Kain beobachtet meine Reaktion und ich presse ertappt meine Lippen aufeinander, was es nicht weniger offensichtlich macht. „Womöglich doch noch neugierig?", fragt Kain provozierend. Ein verschmitztes Grinsen folgt und dann beißt er sich auf die Unterlippe. Ich verstehe den Wink und erwidere nichts, denn egal was ich sage, mein Körper ist ein mieser Verräter. Meine Hand drückt sich gegen seinen Oberkörper. Ich spüre die Härte seiner Muskeln unter meinen Fingern und wie die Atmung seine Brust bewegt. Die Nähe des anderen Mannes erregt mich und ich kann es nicht verstecken. „Was ist? Willst du mir gar keine Ausrede zu zwitschern?" Genau in dem Moment, in dem ich versuche ihn halb empört wegzudrücken, legt er seine Lippen auf meine. Ich schmecke das Wasser, welches sich mit der herben Süße seiner Lippen mischt und schon das wird zu einem ersten heftigen Schauer. Der Hauch Ingwer kitzelt sich erst dann über meine Geschmacksknospen, als ich meine Hand in Kains nasses Shirt kralle und meinen Mund einladend öffne. Prickelnde Schärfe paart sich mit sanfter Süße und umschmeichelt meine Lippen. Der zitronige Hauch von Ingwer ist beglückend und mich durchfährt eine tiefgehende Befriedigung. Kains Hand legt sich in meinem Nacken, während seine andere meine Hüfte packt und mich dichter an ihn heranzieht. Der Kuss wird intensiver und ich kann mich nicht dagegen wehren. Ich will es auch nicht und es irritiert mich. Warum sind seine Küsse so wohltuend? Warum fühlt es sich so berauschend an? Warum will ich mehr? Meine Finger gleiten unter sein feuchtes Oberteil, streichen über die festen Muskeln seines definierten Bauches nach oben. Als er meine Initiative bemerkt, löst er den Kuss. „Neugier ist etwas Schönes...", flüstert er vielsagend. Mein Atem ist schwer. Kain fasst über dem Stoff nach meiner Hand, die auf seiner Brust ruht und hält sie in Position. Ich beobachte, wie Wasser sein Gesicht hinabrinnt und einer der Tropfen an seiner Nasespitze verbleibt, im nächsten Moment fällt und über sein Kinn perlt. „Tatsächlich?", erwidere ich seltsam dösig. Es ist die Hitze, die mir zu Kopf steigt. „Oh ja..." Ich sehe auf, schaue direkt in intensives Braun. Erneut beugt er sich zu mir, sucht meine Nähe und belässt es bei dieser ungehörigen Spannung, weil er nicht den letzten Schritt macht. Wieder ist es der Hauch auf meinen Lippen und doch beginnt die geneckte Stelle intensiv zu prickeln. Ich widerstehe diesmal dem Bedürfnis die Distanz zu überbrücken und schaffe es dennoch nicht die Fantasien über den Geschmack und dem Gefühl von Sehnsucht zu entgegen. Ich weiß nicht, wo es herkommt, verstehe es nicht und doch scheint es mich vollkommen zu überrollen. „Denn wir finden uns anziehend", setzt er fort, nachdem ich nicht darauf eingehe. Er klingt dabei, als wäre daran nichts zu rütteln und das ist fast schon lächerlich. „Träum weiter...", entgegne ich ihm harsch, starre, wie gebannt auf einen Tropfen Wasser, der auf seiner Oberlippen hängt und schier danach schreit gekostet zu werden. Es sind nur wenige Millimeter, die unsere Lippen voneinander trennen, die mich am Schmecken hindern. Er reizt mich absichtlich. Er liest ihn mir, wie in einem Buch und das macht die Schauer, die durch meinen Körper fahren nur noch intensiver. Kain stützt seinen linken Unterarm neben meinen Kopf ab, bildet mit der Hand eine lockere Faust, die mehrmals rhythmisch gegen die feuchten Kacheln schlägt. Das Rauschen in meinen Ohren folgt diesem Takt. "Aber ich habe Recht... und das weißt du", flüstert er unnachgiebig. "Lächerlich...", entflieht mir atemlos. Ich drücke meine Hand fester gegen seine Brust. Neugier ist eine grandiose Sache. Ich stehe nackt vor ihm, während er mir weismachen will, dass das, was wir beide hier tun gar nicht so kurios ist. Doch ist es wahr? Anziehung, schön und gut, aber nichts davon ändert die Situation. Sie ist eigenartig. Ungewöhnlich und überfordert mich ein wenig. Seine Nähe benebelt mich und ich kann es nicht leugnen. Der Gedanken an ihn erregt mich und auch das kann ich nicht leugnen. Ich denke an nichts anderes mehr, als ihn zu spüren. Ich denke darüber nach, seinen bebenden Körper ganz nah an meinem zu wissen, erneut die Hitze in meinem Inneren zu fühlen und mich hemmungslos nehmen zu lassen. Ich will die Befriedigung. Nur die Befriedigung. „Bist du sicher?", raunt er mir entgegen und deutet mit seinem Blick nach unten. Ich brauche ihm nicht zu folgen, denn ich spüre deutlich worauf er anspielt, denn im selben Moment merke ich, wie Kain spielerisch einen Finger gegen die Spitze meiner Erregung bewegt. Es ist kaum mehr als ein neckisches Streicheln. Zwei Finger gleiten meine gesamte Länge entlang und stoppen am Übergang zu meinem Bauch. Ich keuche auf als sie weiter nach oben fahren und er dabei mit dem Handrücken meinen Unterbauch entlang streicht. Ich verschlucke das verräterische Geräusch, welches nur schwer zu unterdrücken ist. Absichtlich berührt er meine Härte nur hauchzart. Er wiederholt es provozierend und entlockt mir ein weiteres Keuchen. Die Feuchtigkeit und die Seifenreste auf meiner Haut erleichtern sein neckisches Spiel. Mein Blick richtet sich abwärts als mich seine Hand ohne Scheu umfasst. Daumen und Zeigefinger bilden an der Wurzel einen festen Ring. Seine Bewegung ist langsam und kontrolliert. Als sich seine Finger langsam zu meiner Eichel bewegt, spüre ich, wie mit jedem Millimeter sein Handballen neckend über meine Spitze streicht. Ein Zucken fährt durch meinen Unterleib und ich drücke meinen Kopf fester gegen die kühle, feuchte Wand. Ein weiteres Keuchen dringt über meine Lippen. Diesmal ist es tief und eindeutig. Meine Hand gleitet von seiner Brust tiefer, bleibt über seinem gestählten Bauch liegen. Er spannt ihn an, während meine Fingerspitzen über die definierten Wellen gleiten. „Es gefällt dir...", haucht er frech und neigt sich zu meinem rechten Ohr. Es folgt ein sanfter Biss in mein Ohrläppchen, der mich erschaudern lässt. Noch bevor er seine Lippen gegen meinen Hals tippen lässt. Mehrere Male. Hauchzart. Federleicht. Er will mich reizen und er schafft es. Nur ein amüsiertes Schnaufen perlt von meinen Lippen. Genauso, wie beim ersten Mal. Es reicht mir nicht. Mit beiden Händen beginne ich sein Shirt höher zu schieben, sodass er es ausziehen muss. Ich versuche meinen Atem zu normalisieren, als er sich zwangsweise von mir entfernt. Ein kurzer Blick auf seinen Oberkörper. Der feuchte Glanz auf seiner Haut und mein Kopf spinnt etliche Beschreibungen. Die absurdesten Kitschfantasien. Er kommt wieder näher, lässt seine Hand kurz über meine Brust und tiefer zu meinen flachen Bauch gleiten. Er hat wirklich keinerlei Berührungsängste. Keine Scham. Keine Zurückhaltung. Das Wissen darum erregt mich nur noch mehr. Die Hitze seiner Hand ist atemberaubend. Sie umfängt mich mit Wohlgenuss und Sehnsucht. Er beginnt mich langsam zu pumpen und ich ziehe scharf die Luft ein, weil ich spüre wie mehr und mehr Serotonin meinen Körper durchströmt, mich pusht und mein Verlangen fördert. Mittlerweile habe ich meine Augen geschlossen, konzentriere mich nur noch auf dieses wunderbare Gefühl in meiner Lende. „Und, wie es dir gefällt.", wiederholt er mir einen tiefen Raunen. „Halt den Mund.", erwidere ich knapp. Kain grinst. Auch meine Hand gleitet über seine stoffbedeckte Körpermitte und ich fühle, wie sich sein deutlich erregter Körper gegen meine Handfläche drückt. Ich öffne problemlos den Hosenknopf und in meinem Kopf herrscht nur noch ein Gedanke. Sex. Kains freie Hand legt sich an meine Wange und er zwingt mich so ihn anzuschauen. Auch in seinen Augen sehe deutlich, was er will. Nichts anderes als ich auch. Er küsst mich. Kurz, aber intensiv. Aufregung pulsiert durch meinen Körper und trägt den Rest der übriggebliebenen Vernunft weit weg. Ich brauche anscheinend keinen Alkohol, um mich vollends bei ihm zu vergessen. Es reicht eine warme, verdammt warme Hand an meinem Schwanz und ich schmelze dahin, wie ein Stück Butter im Solarium. Es ist gefährlich. Extrem gefährlich. Und so gut. „Du willst es...", sagt er, haucht einen Kuss gegen meinen Kiefer. Einen weiteren gegen meinen Mundwinkel. Der aller letzte Funken Vernunft in meinem Kopf schreit, niemals, während die unbändige Lust auf sie einprügelt. Auch die Verwunderung darüber, dass noch immer genügend Blut in diesem Teil meines Körpers geblieben ist, verhallt nach und nach im blutleeren Raum. Kain keucht als ich mit der Hand in seine Hose fahre. Ich spüre seine Erregung und es pusht mich. Das zarte, heiße Fleisch in meiner Hand ist wohltuend und aufregend. „Lass uns einen Deal machen...", fährt er fort. Ich sehe dabei zu, wie er sich über die Lippen leckt und seinen Blick nach unten richtet. „Hörst du eigentlich irgendwann auf zu reden?", murre ich leise und umfasse ihn daraufhin fester um meine Unzufriedenheit zu verdeutlichen. Seine Reaktion besänftigt mich. Er schließt seine Augen und ein feiner Laut des Wohlgenusses perlt von seinen geöffneten Lippen. Es wird zu einem tiefen Brummen. Auch Kains Atem ist unstet und schwer. Seine eigenen Bewegungen werden fahrig, weil er beginnt jede winzige meiner Berührungen zu genießen. Ich weiß, wie gut es sich anfühlt und ebenso ahne ich, was er braucht. „Sex...", murmelt Kain mit geschlossenen Augen, als ich den Reißverschluss seiner Jeans weiter auseinanderdrücke, um besser an ihn heran zukommen. „Sex,...", wiederhole ich bestätigend. Der Deal steht. Wir sind wie zwei Neandertaler. Es fehlt nur noch das Knurren und Grunzen. Egal. Es ist noch immer nur Sex und gegen guten Sex hat niemand etwas. Selbst so ein eigenbrötlerischer Gefühlsstein wie ich. Kain befreit sich selbst von der vollgesogenen Jeans. Mit dem Fuß schubst er sie aus der Dusche, so dass sie über den gekachelten Boden rutscht. Er bleibt unter der Duschbrause stehen, neigt seinen Kopf vollkommen unter den Strahl. Das Wasser trifft auf seinen nackten Oberkörper, bildet feine, blitzschnelle Wasserstraßen, die die Senken und Hebungen seines Körpers umschmeicheln. Es ist nur noch die weiße Shorts übrig, die feucht an seiner Hüfte klebt und im Grunde nichts verdeckt. Ich sehe deutlich, wie sich seine Erregung unter den fast durchsichtigen Stoff hervordrückt. Meine Kitschromanfantasien laufen bereits in diesem Moment Amok. Nur die Beschaffenheit ist durch den dünnen Stoff kaschiert. Die pulsierenden Adern, die sich nur erahnen lassen. Die zarte, glatte Haut, die eben noch meine Fingerbeeren liebkoste. Wohltuende Hitze, die hunderte kleine Feuer in meinem Leib entfacht bis ich vollends in Flammen stehe. Wieder erfasst mich ein kribbelndes Gefühl der Aufregung, weil ich es mir vorstelle. Die Erinnerung an das Gefühl ihn tief in mir zu spüren, ist keineswegs verblasst. Kain mustert mich, sieht dabei zu, wie meine Erregung erwartungsfroh zuckt. Seine Augenbraue wandert amüsiert nach oben. Ich ziehe ihn, bevor er einen dämlichen Spruch von sich geben kann an der Shorts zu mir heran. Seine Lippen suchen seinen Weg auf meine. Diesmal bin ich es, der neckisch zurückweicht. Er versucht es erneut, doch ich lasse meine Hand in seine Unterhose gleiten, umfasse seine Erregung ebenso ohne Scheu und Bedenken. Kain zuckt selbst zurück, blickt an sich hinab und beobachtet meine flinken, frechen Finger dabei, wie sie über das heiße, feuchte Fleisch gleiten. Ich drücke seine Shorts tiefer und lege ihn langsam frei. Es dauert einen Moment bis auch Kains Hände ihren Weg zurück an meine Erregung finden, weil er schamlos genießt, was ich mit ihm anstelle. Wohliges Keuchen vermengt sich mit dem Geräusch des laufenden Wassers. Tiefes, fast brummendes Stöhnen dringt an mein Ohr, verursacht mir mehr und mehr Gänsehaut. Unsere rhythmischen Bewegungen sind berauschend. Ich genieße den immer heftiger werdenden Druck, wohlwissend, dass damit auch die ersehnte Befriedigung einhergeht. Meine Bewegungen werden schneller und intensiver. „Warte...", keucht Kain. Er stoppt mich, drückt meine Hände nach oben, als ich freiwillig keine Anstalten mache von ihm abzulassen. Sein Kopf kommt auf meiner Schultern zum Liegen, während er meine Handgelenke umfasst und gegen die Wand drückt. Er war wohl dichter dran als ich. Kain raunt und dann spüre ich seine Zähne über mein Schlüsselbein schaben. Ein deutlicher Biss, der sowohl Erregung als auch Schmerz durch meinen Körper jagt. „Lass das,...", knurre ich. Spuren kann ich nicht gebrauchen. Ohne etwas zu erwidern, hebt Kain seinen Kopf und küsst mich. Ich bin zu überrascht um auszuweichen und auch zu erregt um auf meinen Verstand zu hören. Der Kuss ist intensiv und leidenschaftlich. Der Geschmack von Ingwer ist diesmal deutlich. Die feine Schärfe lässt meinen Körper pulsieren. Ich habe meine Augen genießerisch geschlossen und verfluche das heftige Verlangen, welches nach mehr dieser Küsse schreit. Nur Sex. Keine weiteren Küsse. Sex, wiederhole ich, wie ein Mantra. Leidenschaftliche Küsse oder Küssen im Allgemeinen sorgen dafür, dass sich mein Gehirn abschaltet und das kann ich definitiv nicht gebrauchen. Ich küsse nicht gern, denn es macht mich gefühlsduselig. Ich löse den Kuss und drücke stattdessen mein Becken auffordernd gegen seines. Der Schwarzhaarige lässt sich nicht lange bitten. Er entlässt meine Hände und legt seine auf meinen festen, kleinen Hintern. Auch er drückt unsere Becken aneinander. Ich spüre, wie seine Finger zwischen meine Pobacken gleiten und ein feines Schaudern erfasst mich. Kain packt mich mit beiden Händen an der Hüfte und zieht mich hoch. Es scheint ein Leichtes zu sein mich anzuheben. Ich greife an den oberen Rand der Duschwand und halte mich fest. Die kühlen Kacheln in meinem Rücken verursachen mir einen weiteren Schauer. Ich spüre, wie sich meine Brustwarzen erhärten und ziehe damit Kains Aufmerksamkeit auf meinen Oberkörper. Seine Augen wandern gierig über meinen dargebotenen Leib, über meine Brust, über meinen Bauch hinab zu meiner deutlichen Erregung. Er blickt auf und merkt, dass ich ihn dabei beobachte, wie er meinen Körper abtastet. Ich will, dass er es fortsetzt und weiche seinem Blick nicht aus. Kain versteht. Er beugt sich vor, haucht einen Kuss gegen mein Sternum und schließt seine Lippen um meine rechte Brustwarze. Ein sanftes Lecken. Ich bestätige das gute Gefühl mit einem Keuchen. Einem Kuss folgt ein Biss. Ich genieße das Zwirbeln und Zwicken. Die Berührungen des anderen Mannes sind fest und leidenschaftlich. Er wechselt zur anderen Seite und vollführt das gleiche Spiel und mein Körper antwortet willig. Meine Hände krallen sich fester in die Oberseite der Trennwand. Ein lautes, durchdringendes Klopfen durchdringt den Raum und Michas klare Stimme lässt mich zusammenfahren. „Robin, werd endlich fertig. Ich gebe dir noch zehn Minuten, dann musst du draußen sein..." Ich ziehe augenblicklich meine Hände zurück, sodass er sie keinesfalls über der Trennwand sehen kann und presse sie auf Kains Schulter. Er lässt mich augenblicklich runter, presst seine Lippen sichtbar aufeinander und legt schwer atmend seine Stirn gegen die kühle Wand. „Die Uhr tickt...", mahnt mein Aufseher weiter. Kain äfft ihn mimisch nach und ich kann den Unmut verstehen. Ich fühle ihn auch. „Ja, ich komme...", belle ich, versuche nicht allzu atemlos zu klingen und bin der Überzeugung, dass mir das niemand abkauft. Kain kicherte leise und legt seine Hand mit einem Mal um meine heiß pochende Erregung. „In zehn Minuten kann ich das einrichten...", lässt der Schwarzhaarige amüsiert vom Stapel. Wie unpassend. Er macht mich fertig. „Das ist nicht hilfreich.", zische ich und drücke ihn von mir weg, jedoch nicht ohne vorher ein erregtes Stöhnen zu unterdrücken. „Zack, Zack, Robin!", fordert der Wohnheimaufseher laut und diesmal klingt er weiter weg. Er ist nicht mehr im Duschraum und ein wenig Anspannung fällt von mir ab. Trotz der Ernüchterung legt sich meine Erregung nicht, was möglicherweise Kains warmen Fingern geschuldet ist, die weiterhin neckend über mein empfindliches Fleisch streicheln. Sein intensiver Blick macht es auch nicht besser. Ich greife hinter den muskulösen Körper des anderen Mannes und drehe kurzerhand den Temperaturregler auf kalt. Kain quiekt. Ich zucke als mich die ersten kalten Tropfen treffen. „Verdammt, nicht gleich Antarktis, bitte!", motzt Kain und schnaubt. Mit zusammengekniffenen Augen bleibt er unter dem Strahl stehen und macht, dass was ich erwarte. Er kühlt sich ab. Ich schiebe den Größeren etwas zur Seite und stelle mich neben ihn unter den Wasserstrahl. Das Resultat ist unbefriedigend, so wie das ganze Ereignis. Ich schiebe mich seitlich aus der Kabine, schließe dicht hinter mir sofort den Vorhang und stolpere vor lauter Hektik fast über Kains achtlos herumliegende Klamotten. Jetzt noch eine Platzwunde und eine Fahrt ins Krankenhaus und der Abend ist perfekt. Ich fluche leise vor mich hin. „Fuck ist das ist kalt." „Sei ein Mann!", watsche ich ihn ab. Sein Gezeter ist nicht hilfreich. „Sagt der Piepmatz...", entgegnet er prompt. Er streicht den Vorhang zur Seite und ich pfeffere ihm für diesen Kommentar sein nasses Shirt entgegen. Zu meiner Genugtuung bekommt er es gegen den Kopf und sieht mich verstört an. Ohne mich großartig abzutrocknen, streife ich mir meine Strickjacke über und steige in die Jeans. „Kehrst du jetzt wieder den Kampfspatz raus? Glaub mir, ich hätte dich auch lieber mit der Front voran gegen die Trennwand gepinnt." Lautmalerisch. Und was zum Teufel! Kampf-was? Ich unterbreche seinen Wahnsinn, in dem ich ihm ein Handtuch zu werfe. Diesmal fängt er es. Nachdem ich mir die Haare etwas trocken gerubbelt habe, schaue ich kurz in den Spiegel. Hätte ich es bloß gelassen. „Hast du auch ein paar trockene Klamotten für mich?" Kain hebt seine klitschnasse Jeans auf. Das gesamte Bild hat etwas Jämmerliches. Aus den Taschen zieht er drei feuchte Ingwerbonbons. Kain wirft sie zum zusammengelegten Shirt auf die Bank. Dann beginnt er die Beine auszuwringen. „Das hättest du dir vielleicht früher überlegen sollen. Bevor du bekleidet zu mir unter die Dusche kommst", gebe ich stichelnd von mir und sehe mich um. „Ich hätte also gleich nackt kommen sollen, ja?", kontert Kain und genießt meine kurze Gesichtsentgleisung. Ich hab genug, seufze und drehe mich von ihm weg. Er folgt mir in den Umkleidebereich und trocknet sich nebenbei die Haare, aber nicht den Rest seines Körpers. Noch immer perlen hunderte Wassertropfen über seinen Körper, scheinen seine Haut zu streicheln, zu kosten. Ein Tropfen verebbt in seinem Bauchnabel. Die Muskeln seines flachen Unterbauchs kontrahieren rhythmisch. Ich weiß, was diese Bewegung in seinem Schritt bewirkt. Stopp! Ich schaffe es erst mich zusammenzureißen, als mein Blick am inneren Rand seiner Beckenknochen angelangt ist. Mein Körper reagiert. Deutlich und intensiv. Was ist nur los mit mir? So verzweifelt kann ich doch gar nicht sein? Bis auf weitere Handtücher und einem alten T-Shirt habe ich nichts in meinem Spind. Für gewöhnlich brauche ich auch keinen zweiten Satz Klamotten. Pech für Kain. Ich verkneife mir weitere sarkastische Gedankenkommentare, obwohl etliche davon aufploppen und begreife langsam, dass ich Kain halbnackt ins Zimmer kriegen muss. Ich reiche ihm aus der Ermangelung anderer Möglichkeiten meine nicht angezogene, frische Unterhose und mein T-Shirt. Der größere Mann blickt auf die Stoffstücke und sieht mich an, als würde ich ihm Matsch als Eis verkaufen wollen. „Da pass ich nicht rein.", kommentiert er, nachdem er die Unterwäsche kurz auseinander faltet. Ich reiche ihm schulterzuckend das Handtuch. Der skeptische Blick bleibt. Kain seufzt, knotet sich das Handtuch um und mustert mich. Ich erwidere den Blick ungerührt. Er winkt mich mit einem Finger an sich heran. Ich schüttele demonstrativ den Kopf. Er nickt. Als ich mich weigere, packt er mich blitzschnell am Kragen und zieht mich an sich heran. „Wir tauschen. Du kriegst das Shirt und ich deine Jacke." Ich schüttele erneut den Kopf. Garantiert nicht. Zur Verdeutlichung ziehe demonstrativ den Reißverschluss meine Strickjacke nach oben. „Komm schon!", fordert er mich auf. "Wieso sollte ich?" Immerhin habe nicht ich ihn mit Klamotten in die Dusche gelockt. „Na, weil ich gerade deutlich gespürt habe, dass das Ding in deiner Brust nicht nur eine Attrappe ist. Sei also so gütig", gibt Kain von sich und ich entreiße mich seinem Griff. Schon wieder eine Provokation. „Alles nur gut geölte Schaltkreise. Schon vergessen", knurre ich ihm entgegen. Wir funkeln uns gegenseitig an. Kains braune Augen sind so intensiv, dass ich Probleme haben ihnen standzuhalten. Sowas liegt mir einfach nicht. Ich will keine Nähe. Ich will keine lästigen Auseinandersetzungen. Ich will einfach nur meine Ruhe. Sex ist gut und schön, aber wenn ich dadurch diese Konfrontationen habe, kann ich drauf verzichten. Bisher haben mir schnelle One-Night-Stands ausgereicht und dabei sollte ich es auch belassen. Wir zucken beide zusammen, als im Flur eine Tür zu schlägt. Ich werfe einen kurzer Blick in die Richtung, streife ich mir widerwillig die Jacke von den Schultern und stülpe mir schnell das T-Shirt über. Es ist niemand zu sehen. Erst als wir um die Ecke zum Zimmer verschwinden, erkenne ich wie die Tür zum Treppenaufgang geöffnet wird und Micha pfeifend in die Teeküche huscht. Er hat uns nicht gesehen und ich atme leise aus. Ich habe nicht mal gemerkt, dass ich die Luft angehalten habe. Bevor ich den Code für die Tür eingeben kann, hält mich Kain zurück. Was kommt jetzt wieder? „Was? Kommt jetzt noch eine Ansage?", patze ich zähneknirschend und starte erneut einen Versuch die Tür zu öffnen. Kain packt mein Handgelenk und hält mich erneut davon ab. Er gibt ein schnaubendes Geräusch von sich und dreht mich zu sich um. Ich sehe ihn verbissen an. „Wir sind noch nicht fertig", flüstert er und beugt sich zu mir runter. Eine Strähne feuchten Haares umschmeichelt sein linkes Ohr und ein paar Tropfen treffen auf mein T-Shirt. Ich sehe hinab auf die dunklen kleinen Flecken und dann langsam wieder auf. Ein paar Topfen haften an seinem Hals. Ich beobachte, wie sie den linken Halsmuskel hinab perlen. Den gesamten Musculus sternocleidomastoideus entlang. Kain ist perfektes Anschauungsmaterial für einen Anatomiekurs. Der Tropfen folgt dem feinen Bogen, bis er in der kleinen Kuhle zwischen Trapezmuskel und Schlüsselbein verebbt. „Doch sind wir...", erwidere ich fahrig. Ich kriege Gänsehaut ohne es verhindern zu können und lasse mich weiter von dem pulsierenden Gefühl in meinen Fingerspitzen ablenken. Mein Bedürfnis nach menschlichem Kontakt ist nach der Unterbrechung und der Provokation zwar gemindert, aber die Nähe des anderen hinterlässt deutliche Spuren. In meinem Kopf schreit es nach Sex. So laut, dass ich keinen anderen Gedanken mehr wahrnehme. Das ist ja nicht zum Aushalten. „Dein Körper ist anderer Meinung....", raunt er mir zu, drückt seinen Zeigefinger gegen die Ausbeulung meiner Hose und scheint sich in keiner Weise daran zu stören, dass wir hier mitten im Flur stehen. Mein Körper ist ein Verräter miesester Sorte. Ich atme tief durch und schließe meine Augen um mich kurz zu sammeln. „Was versprichst du dir eigentlich hiervon?", frage ich nonchalant und sehe ihn an. Kain macht keine Anstalten zurückzuweichen. Er sieht mich einen Moment lang an und ich erkenne deutlich, wie er seine Antwort abwägt. „Na ja, ein bisschen Spaß. Einen guten Fick... Abwechslung. Spaß.", zählt er auf und neigt er seinen Kopf kurz zur Seite. Er grinst schelmisch. So ist das. Seine Rothaarige macht nicht bei allem mit und jetzt sieht er die Chance auf ein neues, willigeres Opfer. Das ist ein Witz für ihn. Ich schnaube verächtlich. „Fick dich, Kain." Ich wende mich von ihm ab, tippe den Türcode ein und verschwinde ins Zimmer. „Was? Ich dachte, wir hätten eine Abmachung", ruft er mir aus dem Flur nach. ich verdrehe von ihm ungesehen meine Augen. „Ich bin nicht dein Rotkäppchen 2.0....", merke ich säuerlich an und schlucke die nächste Beleidigung runter als ich Jeff auf seinem Bett sitzen sehe. Ich spüre, wie Kain energisch gegen mich stolpert, weil ich unvermittelt stehen bleibe. Mein Mitbewohner sieht von seinem Buch auf, wackelt mit den Zehen und mustert ungeniert unsere seltsamen Aufzüge. Er schweigt und das ist mehr als bezeichnend. Diese Situation ist von Peinlichkeit kaum zu übertreffen. Wo ist der Meteoritenhagel, wenn man ihn braucht? „Jeff. Du hier und nicht in Hollywood?", plappert Kain plötzlich. Hollywood? Ernsthaft? Noch verdächtiger konnte sich Kain kaum verhalten. Ich werfe ihm einen verstörten Seitenblick zu und schüttele minimal den Kopf. „Was machst du hier?", frage ich verwundert, weil ich in Erinnerung habe, dass er gar nicht hier sein dürfte. Was ist aus dem rosafarbenes Candlelight-Dinner geworden? Ich traue mich gar nicht nachzufragen. Vor allem als mir Abels Worte durch den Kopf schießen. Rauchen ist nicht gut beim Küssen. Das seltsame Gefühl lässt mich erneut erschaudern. Jeffs Schultern zucken nach oben und er zieht eine deutliche Schnute, die sogleich das Gegenteil behauptet. Er wirkt seltsam desinteressiert und abwesend. Zu unserem Glück kann man wohl sagen. „Ich wohne hier, schon vergessen?", murmelt er trocken. Nun bin ich mir sicher, dass irgendetwas zwischen den beiden blonden Männern vorgefallen sein muss. Herzschmerz. Drama und Heulerei. Es sind nur ein paar der Dinge, die mir sofort durch den Kopf schießen. Das kann ja heiter werden. „Aber sagt, wieso seid ihr nass und er halb nackt", fragt Jeff weiter und deutet dabei auf den Schwarzhaarigen. „Ja, Kain, warum bist du nass und halb nackt...?", frage ich ebenfalls und kann nicht verhindern, dass es etwas provokativ klingt. Zudem ist es eine wirklich gute Ablenkung. „Euer Aufseher ist ein strenger Mistkerl und meine vollbusige Bekanntschaft nicht sehr spielfreudig", plaudert Kain ohne zu zögern und lügt, ohne rot zu werden. Ich bin fast beeindruckt. Jeff nickt geistesabwesend, während Kain mir andeutet, dass er trockene Klamotten braucht. Ich gestikuliere ihm ein Nicht-mein-Problem und zucke nun meinerseits mit den Schultern. In meinem Kleiderschrank werden wir nichts finden, was ihn im Endeffekt nicht wie einen zu großgeratenen Schuljungen aussehen lässt oder wie den Typen aus der Coca-Cola-Werbung. „Wo ist Abel?", fragt Kain, während ich mich resigniert Jeffs Kleiderschrank zuwende und Kain seine nasse Jeans auf unserer Heizung ablegt. „Ich hoffe dort, wo der Pfeffer wächst...", antwortet Jeff mit einer Mischung aus trotzigen Kind und schmollenden Schoßhund. Ich entdecke einen passenden Pullover und werfe ihn dem Schwarzhaarigen zu. „Na immerhin, hat er es dort dann schön warm...", kommentiere ich trocken und kassiere einen beleidigten Blick von Jeff und einen mahnenden von Kain. Pfeffer wächst vor allem in Indien, Brasilien und Malaysia. Dort ist es warm, oder nicht? Ich verstehe das Problem nicht. Ich zucke mit den Schultern, gebe die Suche nach einer legeren Hose in Jeffs Kleiderschrank auf und trabe zu meinem. Irgendwo habe ich noch eine weitere Sporthose. Ich finde sie in der hintersten Ecke. Kain hat sich mittlerweile an Jeffs Schreibtisch gesetzt und richtet das lockersitzende Handtuch. Er neigt sich zu dem blonden Mann, der mit einem Kissen auf dem Bauch auf dem Bett sitzt. Sein Gesicht liegt im Schatten. Besser so. Ich ertrage Jeffs Hundewelpenblick nicht. „Was ist passiert?", fragt Kain. Erstaunlich sanft und einfühlsam. Vor allem ehrlich interessiert. „Abel ist ein Idiot...das ist passiert", blufft mein Mitbewohner und ich verkneife mir den Kommentar darüber, dass er uns etwas Neues erzählen soll. Solche Gespräche sind nicht gerade meine Stärke. Ich werfe Kain auch die Hose zu, setze mich an meinen eigenen Schreibtisch und halte vorsorglich den Mund. Soll Kain mal machen. Doch er schweigt und wartet darauf, dass Jeff von allein darüber berichtet. Es funktioniert. Nach einem der theatralischsten Seufzer, die ich je von meinem Jugendfreund gehört habe, beginnt er zu erzählen. Sie waren in einem Restaurant und Abel flirtete mit dem Kellner. Jeffs Äußerungen nach sind die beiden wohl fast noch im Restaurant übereinander hergefallen. Das wage ich zu bezweifeln. Abel stritt alles ab und redete sich damit raus, dass sie so vielleicht etwas gratis bekämen. Am Ende rückte er aber damit raus, dass es sich wohl um einen Ex-Freund handelte. Wahrscheinlich ist das der Hauptpunkt, der es in Jeffs Kopf dramatisierte. Er spricht von einer Telefonnummer. Streit. Böse Worte und ich komme irgendwann nicht mehr hinterher. Ich bin ein schrecklicher Freund. Behutsam redet Kain auf ihn ein und führt etliche Möglichkeiten an. Jeff solle noch einmal in Ruhe mit Abel reden, wenn sich beide entspannt haben. Sicher sei es nur ein Missverständnis. Eine potenzierte Missdeutung. Kurz, Jeff übertreibt, aber das sagt er ihm nicht deutlich ins Gesicht. Das sollte ich mir vielleicht auch angewöhnen. Jeff solle sich in Abel hinein versetzen. Himmel bewahre. Ich müsste schon mehrfach meinen Kopf gegen die Wand schlagen, um das zu schaffen. Es folgen weitere Äußerungen einer Liste belangloser Phrasen, doch sie scheinen zu funktionieren. Kains ruhige Stimme verursacht ein seltsames Gefühl in meiner Magengegend und obwohl ich meinen Rechner angemacht habe, höre ich den beiden still zu. So etwas hätte ich ihm nicht zu getraut. Jeff ist beruhigt, nickt und gibt Kain am Ende sogar Recht. Gefühle machen uns übersensibel. Mein Kindheitsfreund ist das beste Beispiel. Abgesehen davon, dass er auch so schon zum Dramatisieren neigt. Jeff greift sich das Telefon, verschwindet auf den Flur und lässt Stille zurück. Ich sehe dabei zu, wie sich Kain mit der Hand übers Gesicht fährt, dann aufsteht und ohne Umschweife das Handtuch von seiner Hüfte zieht. Er streift sich die Hose über und grinst. „Da kann man mal sehen, wozu eine große Schwester gut ist...", gibt er amüsiert von sich und klingt gleichzeitig bedrückt. Ich drehe mich wieder um und sehe das Display meines Handys aufleuchten. Drei neue Nachrichten und ein verpasster Anruf. Sicher Brigitta. Ich öffne die erste Nachricht. Lena. Sie droht mir noch einmal mit dem Konzert von 5 Seconds of Sommer. Wenn sie Karten für 30 Seconds to Mars hätte, hätte ich sofort ja gesagt. Aber das. Nur über meine zerstückelte oder aufgelöste Leiche. Oder beides. Die zweite Nachricht ist von Brigitta. Ich soll sie zurückrufen. Die Nachricht ist ausstaffiert mit kleinen Eiswaffeln. Ob Karies durch Textnachrichten ein anerkanntes Krankheitsbild ist? Eine wahre Freude für meine Krankenkasse. Ich habe das Bedürfnis mir die Zähne zu putzen. Die dritte Nachricht ist von Luci. Ein eher seltenes Vorkommnis. Sie nutzt meine Nummer gewöhnlich nur um mich mit neuen Eissorten zu teasern. Sie fragt, ob ich morgen Zeit habe, um kurz in den Laden zu kommen. Okay. Normalerweise versuche ich den Kontakt zu ihr so gering wie möglich zu halten, weil ich befürchte, dass man mir das falsch auslegen könnte. Meine Gefühle für sie sind eher geschwisterlicher Natur, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie das wirklich weiß. Den Blicken ihres Vaters nach zu urteilen, weiß er mich auch nicht einzuschätzen. Ich will Eis und ich mag die Gespräche zwischen mir und der süßen Italienerin. Mein Stuhl neigt sich nach hinten und ich drücke eilig die SMS weg. Kains Gesicht taucht über mir auf. Er trägt noch immer meine Strickjacke und sein nackter Oberkörper blitzt zwischen den halbgeschlossenen Reißverschluss hervor. Mein kleiner Anatomieexkurs setzt sich unbewusst fort. Die Clavicula. Das Sternum. Wieder das Musculus sternocleidomastoideus, welches zwischen den beiden Enden des Schlüsselbeins diese kleine Kuhle bildet. Warum Gehirn, warum? Es ist mein Abwehrmechanismus. Wenn ich in eine Situation gerate, die mir unangenehm oder ungewohnt ist, verfalle ich in Fachchinesisch. So ist es schon immer gewesen. Ich rattere geeignete Fachtermini runter und versuche damit die anderen zu verblüffen und zu diffamieren. So, wie ich es im Buchladen mit Kains Rothaariger getan haben. Dass ich es aber mittlerweile gegen mein eigenes Gehirn einsetze, ist mir neu. „Ich werde aus dir nicht schlau, weißt du das?", bemerkt Kain mit gerunzelter Stirn. Er lutscht einen seiner Ingwerbonbons und ich sehe, wie er es zwischen seinen Wangen hin und her schiebt. Die Seitenstränge meines Halses ziehen sich unbewusst zusammen. „Tja, vielleicht bittest du Jeff bei Gelegenheit um meine Gebrauchsanweisung", antworte ich sarkastisch. „Können wir bitte kurz ernst sein?", fragt er murrend. Wieder reden, reden, reden. Nimmt das nie ein Ende? „Was willst du von mir hören?" „Wie wäre es mit einem klaren ja oder nein." "Wozu?" "Du weißt wozu." Ich weiß es noch im selben Moment. Mein Puls beschleunigt sich, weil mein Körper deutlich Ja schreit. Jeff steckt seinen Kopf durch die Tür und ruft nach uns. Ich sehe, wie Kain sich nach hinten lehnt und um die Ecke schaut. „Ich gehe zu Abel... ist doch okay für euch?" „Ja", antwortet Kain. „Nein", sage ich fast zur selben Zeit, aber leiser, sodass es nur Kains Antwort hören kann. Der Schwarzhaarige mustert entschlossen mein Gesicht und versteht. Ich höre wie erwartet, wie die Tür ins Schloss fällt. Kain lässt meinen Stuhl endgültig los. Seine Hand klopft gegen das Plastik der Lehne und ich merke, wie er sich entfernt. Mein Puls pusht sich stetig nach oben, vibriert durch meinen Körper. Ich greife mit seltsam klammen Fingern nach meinen Kopfhörern und lege sie mir über die Ohren. Nun hat er seine Antwort. Nun habe ich endlich wieder Ruhe. So ist es besser. Warum glaube ich mir das nicht? Aus dem Augenwinkel heraus beobachte ich, wie Kain sich der Strickjacke entledigt und auf Jeffs Bett fällt. Dumpf höre ich das leise Quietschen des Bettgestells durch meine Kopfhörer. Genauso, wie das Rascheln der Bettdecke. Noch immer habe ich die Musik nicht angestellt. Kain schaltet das Licht aus, mit dem Jeff vorhin noch gelesen hat und mit einem Mal ist der gesamte Raum bis auf meinen Monitor dunkel. Meine Konzentration ist dahin. Nicht, dass sie heute irgendwann mal vorhanden gewesen ist. Bereits in der Bibliothek habe ich keinen Satz zu Stande bekommen und schuld daran war der Schwarzhaarige hinter mir. Ob ich je wieder zur Ruhe komme? Zum Schreiben ist es im Grunde auch schon zu spät. Ich schalte den PC wieder aus, richte mich auf und gehe ebenfalls auf mein Bett zu. Kurz davor bleibe ich stehen und sehe zu dem anderen Mann. Kain liegt auf den Rücken. Beide Hände verschränken sich hinter seinem Kopf. Er schläft nicht, dessen bin ich mir sicher und das lässt meine Fingerspitzen pulsieren. Erwartend und aufgeregt. Nur Sex. Schlicht und einfach Sex. Einfach nur One-Night-Stands mit derselben Person. Warum nicht? Was soll schon passieren? Wenn wir es nicht mehr wollen, werden wir es einfach wieder lassen. Ganz einfach. Ein weiterer Kurzschluss in meinem Kopf setzt meine Beine in Gang. In einer schnellen, geschmeidigen Bewegung knie mich über den Schwarzhaarigen. Kain schreckt auf und ich halte ihn an den Schultern zurück. „Sex, ja?", frage ich leise. „Ja." Nur ein Hauch und dann spüre ich bereits seine Hände an meiner Hüfte. Seine Finger, die sich unter mein Shirt schieben und gierig warme Hand streicheln. Meine Klamotten sind schnell verschwunden, genauso, wie die schmuddelige Sporthose bei Kain. Haut trifft auf Haut. Es ist befriedigend und wohltuend. Kains Hände sind wissend und intensiv. Die Erregung in meinem Körper ist seit dem begonnenen Stelldichein in der Dusche nie wirklich verschwunden und entfacht sich nun noch heftiger. Diesmal keine Spielereien. Keine Provokationen. Unsere Berührungen sind eindeutig und klar. Seine Lippen erkunden meinen Brustkorb, beginnen an meinen Brustwarzen zu knabbern, doch das brauche ich nicht, denn ich will ihn spüren. Ich drücke ihn in die Laken und beuge mich zum Nachttisch. Ich brauche einen Moment bis ich die Tube Gleitmittel ertastet habe. Zum einen, weil ich nicht weit genug heranreiche und zum anderen, weil ich andauernd zurückzucken muss. Kains Lippen necken mich. Sie küssen sich über meinen Bauch, treffen meine Seite und jagen mir Schauer durch den Körper. Auch seine Hände streichen kitzelnd meinen Brustkorb entlang. Sie tasten sich über meinen Rücken bis sie hauchzart über meine Pospalte gleiten. Das aufregende Kitzeln explodiert in meinem Inneren als er die Backen schamlos auseinander zieht. Die Erregung pulsiert durch meine Adern. Ich spüre sie deutlich und intensiv. Ich will mehr. Kain gibt mir, was ich ersehne. Seine feuchten Finger, denen kein Widerstand dargeboten wird, gebe ich mich hin. Sie sind flink, gleiten tief. So wohltuend. Kains Mund umspielt meine Brustwarzen, während er mich geduldig vorbereitet. Der Druck in meiner Lendengegend wird mit jedem weiteren Finger unerträglich. Ich will mehr. Demonstrativ beuge mich ein weiteres Mal nach oben, greife fahrig in das kleine Schränkchen und taste suchend nach einem der Alupäckchen. Erneut spüre ich Kains Lippen an meinem Bauch. Seine Zunge dippt in meinem Bauchnabel, während sein stoppeliges Kinn meine Eichel streift. Die unerwartete Berührung lässt mich scharf die Luft einziehen. Gott, wie sich wohl seine Lippen um meinem Schwanz anfühlen? Warm und feucht. Sanft und gierig. Sein Atem streicht heiß und zugleich lindernd über erregtes Fleisch. Ich erzittere als Kains Kinn wiederholt über meine Spitze streicht. Ich ergreife endlich das Kondom. Ich richte mich auf, knie dicht über ihm und Kain folgt mir in die Senkrechte. Seine Finger gleiten tiefer, bewegen sich schnell und strikt in mir. Es reicht mir nicht. Seine Härte reibt gierig an meinem Oberschenkel. Ich umfasse uns beide, gönne uns ein klein wenig Reibung, bevor ich die Kondompackung mit den Zähnen öffne. Kain fackelt nicht lange und nimmt mir den Gummi aus der Hand. Ich sehe dabei zu, wie er ihn sich überrollt und mich geführt auf sein Becken drückt. Kains Hand in meinem Nacken. Er zieht mich in einen Kuss und ich lasse es geschehen. Die Süße beruhigt mich. Die Säure entspannt mich und die Schärfe lässt mich vergessen. Er löst den Kuss erst, als ich ihn tief spüre und unbewusst beginne, mich über ihm zu bewegen. „Tiefer. Immer tiefer", murmelt der Schwarzhaarige leise, zitiert, wie beim letzten Mal eine Stelle meines Textes. Ich reagiere sofort mit einem deutlichen Schaudern. Die Haut an meinem Hals perlt sich hervor und wandert von dort über meinen gesamten Oberkörper. Seine Hände umfassen meine Hüfte und er zieht mich etwas höher. Sein Becken folgt mit langsamen, tiefen Stößen. „Seine Wärme. Überall. An mir. In mir. Seine wissenden Hände schenken mir mehr und mehr Befriedigung." Mit jedem Wort stößt er zu. Rhythmisch und intensiv. Ich bin hin und hergerissen zwischen dem Wunsch ihn zum Schweigen zu bringen und zu gleich noch mehr Worte von seinen Lippen perlen zu hören. Es erregt mich. Kain spielt damit. Bewusst oder unbewusst. Es ist auch egal. Er beginnt mich zu pumpen. Die Hitze seines Körpers nimmt mich vollkommen in Besitz. Ich spüre ihn so tief. Die Gleichmäßigkeit und die intensive Reibung an genau den richtigen Stellen bringen mich schnell zum Abschluss. Ich unterdrücke das befreiende Stöhnen nicht und spüre deutlich, wie Kain in diesem Moment tief in mich eindringt und die Kontraktionen meines Körpers genießt. Ich lege meinen Kopf in den Nacken, spüre die Befriedigung, die mich durchrollt und wie der Druck nachlässt. „Sein Körper. Ein heilbringendes Pflaster voller Verlangen und Sehnsucht...", flüstert er mir entgegen, bevor er mich packt und mit nur einem Griff ins Bett drückt. Er nimmt mich fest und hart. Seine Stöße sind intensiv und schnell. Ich genieße es, merke, wie sich das abflauende Verlangen wieder regt. Ein letzter harter Stoß und Kains Stirn kommt auf meiner Schulter zum Liegen. Sein heißer Atem streicht über meine Haut und ein leises Summen erklingt. „Ich kriege... deinen Text...nicht mehr aus meinem...Kopf...", gesteht Kain schweratmend. Er lässt sich neben mir auf das Bett fallen, dreht sich auf den Rücken und streicht sich die dunklen Haare zurück. Seine Augen bleiben geschlossen und er räkelt sich entspannt im Kissen. Ich richte mich auf und ziehe mir die von Kain abgelegte Strickjacke über. Bevor ich den Reißverschluss zuziehen kann, greife ich in etwas Feuchtes. Vortrefflich. Erst als ich aufstehe und zu meinem eigenen Bett gehe, regt sich der andere Mann. „Ich möchte sie zu Ende lesen...", sagt er plötzlich und ich halte in meiner Bewegung inne. „Wozu? Und sie hat kein Ende...", sage ich schlicht und ziehe meine Schlafklamotten unter dem Kissen hervor. Im Grunde hat die Geschichte nicht einmal einen richtigen Inhalt. Sie beschreibt nur das Zusammentreffen zweier Menschen, die sich anziehend finden. Kein Inhalt. Keine wirklichen Beweggründe. Keine Bedeutung. So, wie das zwischen mir und ihm. Kain schweigt. Die Stille irritiert mich und ich sehe zu dem anderen Mann, der sich mittlerweile aufgesetzt hat. Ich erkenne seine schemenhafte Gestalt in der Dunkelheit. „Wie machst du das?" Es beschäftigt mich schon eine ganze Weile. Wie hat er sich die Zeilen meines Textes so schnell merken können? „Was meinst du?" „Wie schaffst du es, Wort für Wort die Zeilen wiederzugeben?" Ich krame in meine Nachtschränkchen nach einem Taschentuch und entferne mir die Überreste unseres nächtlichen Abenteuers. Ich werfe das Tuch Richtung Mülleimer, aber es landet daneben. Physik ist zum Kotzen. „Jahrelange Übung...", Mehr sagt er nicht. Keine Erläuterung oder genauere Erklärung. „Du hast ein eidetisches Gedächtnis, oder?", frage ich verblüfft. Das würde einiges erklären. „Sowas in der Art. Ich präge mir nur schnell Dinge ein, die ich lese. Mehr nicht. Deshalb lese ich nicht gern. Ich kriege es nämlich nicht mehr aus meinem Kopf." Dass er nicht gern liest, hat er schon mal erwähnt. Kain lässt sich wieder aufs Bett sinken. Ich höre, wie er leise seufzt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es sein muss. Ich lese Bücher und er erfasse den Inhalt, mehr nicht. Nur bei meinen eigenen Texten bin ich in der Lage, Wort für Wort und Zeile für Zeile wieder zu geben und das auch nur bei wenigen Teilabschnitten. „Vergiss es einfach...", murrt er. Damit dreht er mir den Rücken zu. Ich weiß nicht genau, worauf er seine Aussage bezieht. Soll ich vergessen, dass er dieses Talent hat oder dass er meine Geschichte lesen will? Beides verursacht ein seltsames Kribbeln in meiner Magengegend. Da Kain sich nicht mehr rührt, mache ich noch einen kurzen Abstecher in die Waschräume. Dort säubere ich meinen eingesauten Bauch, putze mir endlich die Zähne und widerstehe dem Bedürfnis vor dem Schlafengehen noch eine Zigarette zu rauchen. Kain schläft selig als ich zurückkehre. Ich habe meine Probleme damit einzuschlafen. Noch immer scheint mein Körper zu pulsieren. Meinen Herzschlag höre ich noch lauter, weil ich meinen Kopf fest ins Kissen drücke. Am Morgen erwache ich vor dem Schwarzhaarigen. Kains ruhiger Atem erfüllt den Raum. Ich richte mich auf, strecke meinen Kopf höher, um auf den schlafenden Körper zu sehen und falle zurück in mein Kissen. Mein Körper pulsiert bei jeder Bewegung. Aber es ist gut, belebend und befriedigend. Ich krame leise meine Klamotten zusammen, verschwinde in die Umkleideräume und mache mich auf den Weg zur Bibliothek. Dank meines Manövers entgehe ich den möglichen, leidigen Diskussionen, die im Zimmer auf mich warten würden. Ich erkundige mich, ob die bestellten Fachartikel für meinen Vortrag bereits hinterlegt sind und werde enttäuscht. An Samstage ist der Bibliotheksbetrieb nur eingeschränkt und damit gibt es feste Abholzeiten. Keine weiteren Diskussionen. Da kann ich nichts machen. Ich nutze die Wartezeit, um mir die anderen Bücher zu Gemüte zu führen und komme diesmal ein ganzes Stück weiter als gestern. Ist auch nicht schwer, schellte ich mich selbst, als mein Kopf wagt, sich lobend zu äußern. Gegen Nachmittag schalte ich meinen Laptop ab und besorge mir eine Kleinigkeit zu essen. Das Angebot der Mensa sagt mir nicht zu. Ich brauche fast eine halbe Stunde bis ich mich für Nudeln mit irgendeiner Gemüsesoße entschieden habe. Es ist ungewöhnlich grün und ich erkenne nur bei der Hälfte der Gemüsestücke, was es eigentlich ist. Selbst bei den Nudeln habe ich Probleme. Wahrscheinlich waren es mal Bandnudeln, aber davon sind nur noch Teigfetzen übrig. Ich schwor mir nach jahrelangen Schulkantinenessen nur noch das zu essen, was ich mindestens zu 50 % identifizieren kann. Das hier ist hart an der Grenze. Mit dem Tablett in der Hand sehe ich mich um. Viele der Tische sind bereits leer. Es ist weit außerhalb der normalen Mittagszeit und so sitzen nur wenige Studenten beim Essen. Außerdem ist es Wochenende und die nicht am Campus wohnenden Studenten verbringen lustige Familientage. Gut, dass meine rund 700 Kilometer entfernt ist. Ein Tisch voller tuschelnden Mädels zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie sehen aus wie Pädagogikstudentinnen. Ich setze mich möglichst weit von ihnen entfernt ans Fenster und klemme mir sofort die Kopfhörer auf die Ohren. Zwei Lieder schaffe ich, dann lässt der Akku nach und es folgt eine verheißungsvolle Stille, die die ganzen äußeren Geräusche offenbart. Lauter leise Gespräche, die dumpf an mein Ohr dringen und freudiges Lachen des Mädchentisches. Unweigerlich sehe ich zu dem vollbesetzten Tisch. Es ist schlimmer, als ich gedacht habe. Schon wieder Literaturstudentinnen. Trotz meiner Affinität für Literatur und dem kreativen Schreiben habe ich eine Abneigung gegen literarische Wissenschaften entwickelt. Meine Deutschlehrerin startete im letzten Schuljahr einen Versuch mich für die Literaturwissenschaften zu begeistern, da sie nach etlichen Aufsätzen bemerkte, dass meine sprachlichen Fähigkeiten, über denen des normalen Schüler hinausgingen. Ich würde einen umfangreicheren Wortschatz besitzen und mit lyrischen Formulierungen arbeiten. Was niemals meine Absicht gewesen ist. Ich redete mich heraus. Schließlich orientierte man sich oft an den Werken, die man gerade analysierte. Maria Stuart zum Beispiel. Effie Briest. Interessanterweise ist es nicht nur im schriftlichen Bereich ein Phänomen, dass sich die Menschen ihrem Gegenüber anpassen. Bei Verabschiedungen wird es aller höchster Wahrscheinlichkeit nach so sein, dass der Gegenüber den selben Wortlaut verwendet, wie man selbst. Überhaupt wiederholt der Mensch gern im selben Wortlaut. Es ist kurios. Meine Lehrerin wiegelte damals alle meiner halbgaren Erklärungsversuche einfach ab. So etwas las sie selten und wenn dann eher beim weiblichen Geschlecht. An der Tatsache, dass mein Wortschatz umfangreicher war, als der anderer armer, männlicher Wichte hatte sie wahrscheinlich auch gemerkt, dass ich Jeffs Hausaufgaben schrieb. Mein treuherziger Kindheitsfreund belegte zwar nur einen Deutschgrundkurs, der aber zu unserem Leidwesen ab der 12. Klasse von derselben Lehrerin geleitet wurde, wie mein Leistungskurs. Ab dieser Zeit bedeuteten die Einsparungen im Lehrpersonal auch Einsparungen in der positiven Variabilität von Jeffs Deutschnoten. Es ging ziemlich bergab und er riss sich nur noch mit guten Mitarbeitsnoten heraus. Was wiederum mein Todesurteil war. Was das angeht, haben Jeff und ich uns immer sehr gut ergänzt. Erst eine bekannte Stimme holt mich aus der Vergangenheit zurück. Kain. Ich blicke mich unauffällig um und sehe ihn mit seinem Kumpel in der Ecke sitzen. Nur zwei Tische zwischen uns und ich sitze mit dem Rücken zu ihnen. Zum Glück haben sie mich nicht bemerkt. Der Anabolikasportler, der auch auf der Wohnheimparty war, wäre keine Gesellschaft für mich. Auch heute spannt der Bizeps sein Shirt bis ins Unermessliche. Ich weiß noch immer nicht, wie er heißt, aber mit Namen habe ich es sowieso nicht. Beide scheinen aus dem Fitnessbereich zukommen. Kain sitzt mit dem Rücken zu mir und ich kann erkennen, wie er wild mit den Armen herumfuchtelt. Er gehört zu der Sorte Menschen, die mit dem ganzen Körper reden und das ist nicht das erste Mal, dass es mich amüsiert. Die Mensa leert sich weiter und die Stimmen der beiden Männer werden lauter. „... nein, wirklich. Es war der Oberhammer. Ich habe noch nie etwas Geileres gesehen." Der Mund des blonden Muskelbergs formt sich zu einem übertrieben Grinsen, während er mit der flachen Hand mehrfach auf den Tisch schlägt. "Ich kann dir die DVD gern mal ausborgen..." „Ich weiß ja nicht... eine Ex-Freundin von mir hat es auch mal vor meinen Augen gemacht. Ich fand es nicht so toll", sagt Kain. Ich sehe sein Gesicht nicht. Nur seine Gabel, die sich wedelnd hin und her bewegt. „Echt nicht? Mit Sophie war es immer der Hammer... hat mir dann die ganze Zeit diese Blicke zu geworfen und dieser geilen Geräusch gemacht. Ich musste mich echt zusammenreißen, um nicht sofort über sie herzufallen." Ein lautes kehliges Lachen folgt zur Untermalung. Sie haben ein wirklich interessantes Gesprächsthema. Mitten in der Mensa. Als nächstes schauen sie zusammen Pornos auf dem Laptop. Ich versuche nicht weiter zuhören und krame mir ein Buch aus der Tasche. Lektüre über Pathobiochemie. Mein momentaner Lieblingszweig, da er eng mit der Toxikologie zusammenarbeitet. Leider werden erst im nächsten Semester Kurse dazu angeboten, aber es schadet ja nicht sich vorzubilden. Gifte. Krankheiten und andere interessante Sonderheiten. Ich freue mich tierisch darauf. Erneut ist es Kain der spricht und unwillkürlich höre ich wieder zu. „Das ist doch gekünstelter Scheiß...", watscht er den anderen an, "Normalerweise würden so doch keine gucken, das machen die nur, weil sie denken, das würde gut aussehen." „Ja, aber es ist genau wie im Porno. Heiß und Geil. Sag bloß, du stehst nicht drauf?" „Nicht wirklich. Diese übertriebenen Gesichtsausdrücke. Das gekünstelte Stöhnen. Nicht meins." „Du bist manchmal echt seltsam, mein Bester!", kommentiert der andere daraufhin und äußert sein Unverständnis. Kain lacht und ich weiß, dass ich den Kerl niemals leiden können werde. Er ist ein typischer Proll. „Ein einziges Mal habe ich jemanden beim Masturbieren gesehen.", beginnt Kain und ich horche auf, "Ich habe heimlich dabei zugesehen und das war wirklich geil. Es war natürlich und echt. Intensiv und leidenschaftlich. Das Natürliche, das war gut." Er fuchtelt erneut mit der Gabel rum, dreht Kreise und Ellipsen. Ich spüre, wie sich mein Herzschlag beschleunigt bei der Erzählung. „Du Schlingel. Du siehst also heimlich Mädels beim Masturbieren zu? So, so...", brüllt der Blonde fast durch die Mensa wird bei den letzten Worte aber wieder leiser. Kain beugt sich aufgebracht nach vorn. „Hey, geht´s vielleicht etwas leiser?" „Wer ist ein Schlingel?" Jeff taucht hinter Kains Freund auf und ich kann deutlich sehen, wie der Schwarzhaarige zusammen zuckt. „Kain steht auf Masturbation!" „Wer nicht", entgegnet Jeff ungerührt und setzt sich mit seinem Tablett neben den Schwarzhaarigen. Er scheint Kains Freund bereits zu kennen, denn es folgen keinerlei Kennenlernphrasen. Es wundert mich nicht. Auch nicht, dass Jeff mich entdeckt und fröhlich zu winkt. Natürlich will er mich wieder in die Gesellschaft eingliedern. Als wäre ich ein aussätziges Tier. Ich verneine deutlich und widme mich meinem Buch. Ich lese den Absatz bereits zum dritten Mal. "Kain ist ein kleiner Spanner", witzelt der Blonde. Kain schnaubt als Antwort. „Ich habe Robin mal dabei erwischt", mischt nun auch Jeff mit. Ich will ihn erwürgen. „Jeff, er hört uns. Hör auf", fährt ihn Kain an und schielt zu mir. Ich rege mich nicht, kann mir aber einen kurzen Blick nicht verkneifen. „Er trägt Kopfhörer und liest. Er bekommt nichts mit und da ist ja nichts bei. Wir sind Mitbewohner, da passiert so was. Er erwischt mich andauernd und ich erzähle euch ja nichts Detailliertes", wiegelt Jeff und beugt sich über seinen Teller. Ich erinnere mich an dieses eine Mal. Es war im ersten Semester. Jeff hatte gar nicht da sein sollen und dann stand er mit einem Mal in der Tür. Ich streiche die peinliche Erinnerung fort, räume meine Sachen zusammen und greife mir mein Rucksack. Demonstrativ setze ich mich Kain gegenüber. „Hey,...", sage ich lapidar. Jeff grinst mit vollen Backen. Der Muskelprotz ebenso und bei Kain scheint es tatsächlich einen Moment lang so als würde er rot werden. Er rettet sich damit, dass ihm einfällt, dass ich seinen Kumpel noch nicht kenne. Glück gehabt. „Robin, das ist Marvin. Mein bester und ältester Freund... Der gehört zu ihm." Der Rest ist an Marvin gerichtet und soll anscheinend verdeutlichen, dass ich Jeffs Anhang bin. Kains Formulierung kann man mächtig falsch verstehen und ist auch in keiner Weise freundlich. „Was er meint ist, dass ich sein Mitbewohner bin...", erläutere ich und schenke Kain einen deutlichen Blick. Der große Blonde nickt und grinst. „Hab mich schon gewundert. Zwischen Abel und dir wäre schon ein krasser Unterschied.. aber gut, manchen Leute ist der Typ ja Wurst..." Er lacht. Kain grinst und Jeff blickt verlegen aus der Wäsche. Wir sind ein schlechtes Laientheater. Schwachmaten beim Abendmahl oder das Einmaleins der unakademischen Konversation. Ich schüttele meinen Kopf und widme mich wieder meinem Buch. Ein Kaffeebecher taucht vor Kain auf. Das Logo lässt erkennen, dass er vom uninahen Coffeeshop kommt, der wohl den besten Kaffee der Stadt hat. So hat es Jeff ausgedrückt. Ich trinke zu wenig von der schwarzen Brühe um mir diesen Umweg und die Mühe zu machen. Tee ist mir lieber. Der Becher wird von langen, manikürten Fingern gehalten und spüre sofort, wie mir der Appetit flöten geht. Sie schon wieder. „Grand Mokka mit zwei Tütchen braunem Zucker", flötet die Rothaarige und haucht einen Kuss auf Kains Wange. Sie platziert ihn absichtlich kurz vor seinem Mundwinkel und nutzt dabei den Überraschungseffekt aus. Danach schaut sie einmal durch die Runde, macht sich aber nicht die Mühe, uns ebenso zu begrüßen. Ihre glorreiche Anwesenheit muss uns wohl reichen. „Oh, hi! Was für ein Service.. womit hab ich das verdient?", fragt Kain, öffnet den Deckel und schnuppert. Der Geruch von stark gerösteten Bohnen umfängt uns fast augenblicklich und er ist wirklich angenehm. Jeff lehnt sich neidisch blickend zu dem Kaffeebecher. „Nur so und weil du noch immer mein Liebling bist.", flirtet sie viel zu offensichtlich. Ich möchte mich übergeben. Zum Glück zeigt Kains falsches Lächeln, wie unangenehm ihm das ist. Ihre schlanken Finger betten sich auf seine Schulter und berühren sein Schlüsselbein. Sie streicht darüber. Hauchzart, aber für alle gut sichtbar. Kain lässt es geschehen. „Du weißt, was ich mag.", erwidert er und lächelt weiter. Er nimmt endlich einen Schluck der warmen, koffeinhaltigen Flüssigkeit. Soviel zum Thema Mann und Piepmatz. Unwillkürlich gebe ich ein angeekeltes Geräusch von mir und täusche einen glaubwürdigen Huster vor. Dabei ziehe ich die fragenden Blicke aller Anwesenden auf mich und bin gezwungen zu erklären. „Entschuldigt, ich bin allergisch gegen übertriebenes Diabetesgeschwafel... Da schnürt sich mir jedes Mal der Hals zu.", sage ich. „Wie gut, dass du wahrscheinlich selten nette Worte zuhören bekommst, sonst wäre die Trachealstenose bald chronisch", kontert die Rothaarige und ich bin tatsächlich für einen Moment verblüfft. Ein medizinischer Begriff. Nicht schlecht. Bevor ich ihr antworte, deute ich ihr an einen Moment zu warten. Ich reiße ein Stück Papier aus meinem Notizblock und notiere darauf ihren Studiengang. „Wow, du hast dir meinen Ratschlag in die Lehrbücher zu schauen zu Herzen genommen. Das finde ich gut... Aber beim nächsten Mal klappt es sicher auch mit der richtigen Fachrichtung. Hier zur Erinnerung." Ich reiche ihr den Zettel. Ihr Blick wird finster. „Bio-Lo-Gie, solltest du nach vier Semestern langsam drauf haben.", kommentiere ich ihren Gesichtsausdruck. „Zum Anfang empfehle ich dir übrigens die Werke von Purves und Champbell... Die Was-ist-Was-Reihe soll auch ganz toll sein", setze ich nach. Ich weiß eben nie, wann Schluss ist. Sie knüllt das Papier zusammen, wirft es in meine Richtung und trifft Marvin. „Du bist ein Arsch...", wettert sie mir entgegen. Das hat sie sicher viele Gehirnzellen gekostet. Bevor ich ihr etwas erwidern kann, stoppt mich Jeff. „Robin, nicht..." Er schüttelt seinen gutfrisierten Kopf. Ich hebe abwehrend meine Hände in die Luft und lehne mich zurück. Ich habe es absichtlich vermieden zu Kain zu sehen und tue es auch jetzt nicht. Es ist das erste Mal, dass er eine solche Diskussion zwischen mir und seiner Was-auch-immer-Freundin mitbekommt. Doch er schreitet deswegen nicht ein. „Hey, du wolltest mir doch gestern Abend noch irgendwas zeigen, oder?", fragt Kain die Rothaarige und umfasst sachte ihr Handgelenk ehe sie abrauschen kann. "Oh ja, ich habe endlich die DVD bekommen." Automatisch kommen mir ein paar Filme in den Sinn, die die beiden wohl schauen könnten. Girls United. High School Musical. Findet Nemo. "Okay, dann heute Abend?" „Nein, ich kann nicht. Ich habe heute noch ein Meeting mit der Redaktion." Sie streicht sich aufreizend eine ihren roten Haarsträhnen zurück. Ihr Blick geht für einen Sekundenbruchteil zu mir, dann legt sie Kain eine Hand auf die Schulter. Ihre Finger gleiten direkt zu seiner Brust, sodass daraus eine besitzergreifende Geste wird. Als ob die Tatsache, dass Kain mit ihr ins Bett geht, irgendwas über ihre allgemeine Anziehungskraft auf Männer aussagt. Keine Ahnung, wer sie attraktiv findet. „An einem Samstag?" Kains Augenbraue zieht sich nach oben. „Ja, wir haben eventuell jemand Neues für die Comicseite und für den Wirtschaftsteil. Ich weiß nicht, wie lange wir brauchen." Dass die Rothaarige für die Campuszeitung arbeitet, ist mir neu. Ein weiterer Grund niemals einen Blick in dieses Käseblatt zu werfen. Noch einmal haucht sie ihre Lippen gegen seine stoppelige Wange, streicht mit ihren schlanken Fingern über die breite Schulter. Sie flüstert ihm etwas ins Ohr, was ihm ein seltsames Lächeln auf die Lippen legt. Ihre Fingerspitze tippen gegen seinen Hals. Ich kann es gar nicht erwartet, dass sie endlich wieder verschwindet. „Ich ruf dich an", säuselt sie Kain zu und hebt für die anderen nichtsnutzigen Wichte am Tisch ihre Hand zum Gruß. Es ist deutlich das höchste aller Gefühle. Ich sehe ihr genervt nach und blicke unglücklicherweise danach direkt zum Schwarzhaarigen. „Was ist dein Problem?", fragt er mich direkt und scheint wirklich zerknirscht. „Was denn? Ich bin nur ein durch Allergien geplagter Mann. Dummes Gequatsche. Chronische Armleuchter. Weichgespülte Mannsbilder. Rothaarige. Allergien sag ich dir...", kommentiere ich, greife in meinem Rucksack und stecke mir die Schachtel Zigarette in die Hosentasche, nachdem ich mir eine der Glimmstängel zwischen die Lippen gesteckt habe. „Wie hältst du es mit dem nur aus, Jeff?" Kain deutet auf mich und macht ein übertrieben genervtes Gesicht. „Oww, wird der große starke Mann plötzlich zum Piepmatz...", äußere ich und weiß sehr wohl, dass Jeff und Marvin damit nichts anfangen können. Dafür Kain umso mehr. „Er hat Piepmatz gesagt", entfährt es Marvin lachend. Herrje, noch so ein Leuchte. Gab es die im Sonderangebot? Kains Blick verfinstert sich getroffen. „Ernsthaft, hat er irgendwann mal eine annähernd menschliche Phase in seinem Leben gegeben, weil ich mir sonst nicht erklären kann, wie du dich mit ihm befreunden konntest.", wettert Kain weiter. „Oh bitte" Das Roboterthema? Wie kreativ. Du und Asimov können mich mal", gifte ich ihm entgegen und Jeff blickt verwirrt zwischen mir und dem Schwarzhaarigen hin und her. „Um ehrlich zu sein, habe ich ihn ursprünglich durch René..." Als ich diesen Namen höre, reagiere ich augenblicklich. „Koch, ich warne dich..." Meine Stimme ist eiskalt. Der Angesprochene schluckt. Er weiß, dass ich nie wieder ein Wort mit ihm rede, wenn er es noch einmal wagt, vor den anderen diesen Namen zu erwähnen. Zähneknirschend zerbrösele ich die Zigarette in meiner Hand, greife nach meinem Rucksack und gehe wütend. Wie kann er nur? Er weiß ganz genau, dass das ein Tabuthema ist. Draußen stecke ich mir als Erstes eine neue Zigarette an, nehme ein paar tiefe Züge und spüre dann erst, wie das schmerzende Kribbeln in meiner Brust verebbt. Ich habe das Bedürfnis gegen irgendwas zu treten, aber zum Wohle meiner Haftpflichtversicherung ist in diesem Moment nichts in meiner Nähe. Stattdessen suche ich mir eine Ecke voller Gras und lasse meinen Fuß so lange darüber reiben, bis nur noch ein trauriger brauner Fleck zurückbleibt. Die Wut weicht und macht der Trauer Platz. Das ist noch schlimmer. Noch ein paar Mal malträtiere ich den Grasfleck und sehe auf die Uhr. Es ist bereits später Nachmittag. Ich muss mich beeilen, wenn ich es noch zu Luci und ins Café schaffen will. Noch im Laufen tippe ich der jungen Italienerin eine Entschuldigungsmail und kündige mein verspätetes Erscheinen an. Ich schaffe es erst nach Ladenschluss. Glossar (Ist das eigentlich erwünscht?): Trachealstenose = Luftröhrenverengung Pathobiochemie: Zweig der Biochemie, der sich mit den Veränderung der biochemischen Vorgänge im menschlichen Körper, während einer Krankheit befasst Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)