Between the Lines von Karo_del_Green (The wonderful world of words) ================================================================================ Kapitel 11: Findet Nemo für Empathielose und Helfershelfer ---------------------------------------------------------- Kapitel 11 Findet Nemo für Empathielose und Helfershelfer Nach kurzem apathischen Starren schaue ich unweigerlich von nach links und rechts und wieder zurück. Zum Glück sind die umliegenden Arbeitsplätze sind verweist, denn er war keineswegs im Flüstermodus als er das sagte. Als ich zu dem Schwarzhaarigen zurückblicke, ziert sein Gesicht ein mehr als eindeutiges Grinsen. „Kastration?", frage ich retour, doch seine amüsierte Mimik bleibt dieselbe und er scheint den Ernst meiner Worte nicht wahrzunehmen. „Nicht hier und jetzt", beschwichtigt er lächelnd, "Ich dachte eher an heute Abend. Jeff und Abel sind feiern und ich hätte Bock. Und deine bösartige Anspielung habe ich nicht gehört." Er hätte Bock? Ich habe mich wohl verhört. Ich bin nicht sein Betthäschen, was hüpft, wenn er es sagt. „Wow. Subtilität, das schon mal gehört?", frage ich. Kain winkt generös ab. „Wird vollkommen überbewertet und funktioniert bei dir nicht. Meine Andeutungen hast du alle ignoriert." Kain tippt sich gegen die Nase. Andeutungen? Ich stehe auf den Schlauch, verkneife mir aber zu erfragen, was bei unseren kurzen, beiläufigen Konversationen die Hinweise gewesen sein könnten. Denn die Hobbit-Kontroverse beim Mittagessen hat mich definitiv nicht angeheizt. Ich denke an meinen verunstalteten Pudding. Libido ade. "Außerdem bist du doch das Paradebeispiel für den Mangel an Feingefühl." „Hat Miss Red Riding Hood mal wieder keine Zeit für Sindbad, den tollkühnen Seefahrer?", entgegne ich absichtlich provozierend und ziehe diesmal energisch die restlichen Blätter unter seinem Hintern hervor. Kain greift nach den Seiten und lässt seine aufmerksamen braunen Augen ungerührt darüber wandern. „Nope, sie ist heute bei ihrer Schwester und veranstalten irgend so ein Mädchending.", erklärt er ebenso gelassen und ich widerstehe dem Drang ihn vom Tisch zu schupsen. Ich bin zweite Wahl. So was will man hören. „Das Leben ist so schwer als 16-jähriges Mädchen reicher Eltern", setzt Kain theatralisch fort und verdreht dabei die Augen, so, als müsste mir das alles erklären. Ich frage nicht weiter nach den es interessiert mich nicht. Kain legt die Blätter zur Seite, kramt danach in seiner Tasche nach einem Bonbon und sieht aus, als würde er sich häuslich niederlassen. Nicht mit mir. Als er sich den gelben Bonbon in den Mund steckt und danach die Beine übereinander schlägt, werfe ich ihm einen Bleistift gegen die Brust. Kain fängt ihn bevor in seinen Schoß fällt mit beiden Händen auf. „Sieh an! Zwei funktionierende Hände... vergnüg dich mit denen", kommentiere ich. Den ersten Teil besonders euphorisch und begeistert. Den letzten Teil dann aber trocken. Ich sehe gar nicht ein nach seiner Pfeife zu tanzen. „Weshalb sollte ich sie bemühen, wenn ich dich die Arbeit machen lassen kann?", kontert er lapidar und schiebt sich den ausgepackten Bonbon in den Mund. Es reicht. Ich richte mich ruckartig auf, sodass der Stuhl, auf dem ich eben noch gesessen habe, nach hinten kippt. Kain zuckt überrascht und sieht auf, während ich ihn einhändig am Kragen packe und die andere unsanft in seinen Oberschenkel drücke. Kain versteift sich minimal, macht aber sonst keinerlei Anstalten sich zu wehren. Im Gegenteil er sieht mich ruhig an und das regt mich nun noch mehr auf. „Hör mal zu, wenn du glaubst, dass ich mich durch deine machohaften Ansagen beeindrucken lasse, hast du dich vollkommen verkalkuliert. Also lass dir eines gesagt sein, ich bin keines der dummen, schmalbrüstigen Betthäschen, die springen, wenn du es sagst." Ansagen machen kann ich auch und verdränge dabei geschickt, dass es nicht ganz der Wahrheit entspricht. Kain und seine Erscheinung lassen mich keineswegs kalt, aber diese machohafte Attitüde regt nichts in mir. „Ich hab es nicht nötig, mich von dir dämlich anquatschen zu lassen. Klar?", harsche ich ihn an und verwende absichtlich das deutliche Klar als Anlehnung an Kains vormalige Ansage. Wir starren uns intensiv an, bis Kains Augen tiefer wandern. Ich halte unwillkürlich die Luft an als er langsam und bestimmt wieder aufblickt. Jedoch bei meinen Lippen stoppt. Ich lasse ihn los, doch Kain packt mein Handgelenk und zieht mich direkt zurück. Durch die Bewegung rutscht die Hand an seinen Oberschenkel dichter in seinen Schoß. Mein Puls schnellt nach oben und ich stoße überrascht die Luft aus. „Klar. Ich hab's verstanden. Für mich ist das auch neu... also, entschuldige" Mein Handgelenk hält er umklammert, während er das sagt. Irritiert blicke ich ihm entgegen. Danach skeptisch. Neu? Mir ist nicht klar, was genau er damit meint. Ich frage nicht nach. Kain irritiert mich. Jedes Mal wieder und auch jedes Mal mehr und ich weiß nicht, wie ich damit umgesehen soll. Die Stelle unserer Berührung ist mittlerweile bemerkenswert heiß. Meine Haut pulsiert und ich bin sicher, dass er es spürt. „Auf den Punkt, übrigens...", erwidert er anerkennend und grinst. Das Grinsen sorgt dafür, dass es sich anfühlt als wäre mein ganzer Vortrag für die Katz gewesen ist. "War's das schon?", fragt Kain neckend, als ich weiterhin schweige und sich mein Abo für dämliche Gesichtsausdrücke aktiviert. Ich muss es unbedingt kündigen. Statt etwas zu erwidern, löse ich nun endlich meinen Arm aus seinem Griff und mache einen Schritt zurück. Kain sieht mir still dabei zu, wie ich mir die Lippen befeuchte und sie danach mit der Handfläche wieder trocken wische. „Okay, was hältst du davon, wenn wir beide mit den Provokationen und den Drohgebärden aufhören und uns wie zwei intelligente, erwachsene Menschen verhalten", schlägt er plötzlich ganz diplomatisch vor. „Das würde dich sicher überfor...", setze ich meinen bissigen Kommentar, über die enorme Komplexität einer solchen Aufgabe und meine Zweifel darüber, dass der Schwarzhaarige sie bewerkstelligen kann, an, als er sich abrupt aufrichtet und mir den Mund zuhält. Die Reste des Satzes murmele ich energisch, aber undeutlich in seine Handfläche. „Eheh", verneint er überwiegend gestisch und versucht mich zum Schweigen zu bringen. Ich funkele ihm entschlossen entgegen. "Du willst auch immer das letzte Wort, oder?" Eine rhetorische Frage. Damit gibt er meinen Mund wieder frei und hätte er es lieber gelassen. „Immer...", gebe ich zum Besten und sehe mit Genugtuung, wie Kain seufzt. Ich setze mich zurück auf den Stuhl und nehme mir vor den Biotechnologen von nun an zu ignorieren. Immerhin haben wir alles gesagt. Ich wende mich wieder meiner Präsentation zu, doch Kain besitzt einfach nicht den Anstand mich in Ruhe zu lassen. Er lehnt sich unbeeindruckt zurück an den Tisch. Ich beiße die Zähne zusammen und sehe auf. "Was denn noch?", knurre ich leise. „Schreibst du wieder Pornos?", fragt er neugierig und greift nach meinem Laptop um ihn in seine Richtung zu drehen. Ich halte das Gerät mit beiden Händen fest und knurre erneut. „Ganz genau, diesmal im Hardcore-Style und du bist der Passive", lasse ich ihn wissen. Kains Augenbraue zuckt nach oben und doch verfehlen meine Worte leider die gewünschte Wirkung. Denn er ist immer noch da. „Ach, deine Fantasien drehen sich also darum. Interessant", bemerkt er. Soviel zum Thema Provokationen. Er macht mich fertig. „Was willst du denn noch?", frage ich genervt. „Ist bestimmt spaßig mit dir Sex-SMS zu schreiben...", giggelt er und geht nicht auf meine Frage ein. "Du bist bestimmt gut darin... fantasievoll und... " Den Rest behält er für sich und grinst stattdessen wissend. Ich kann nicht verhindern, dass mein Kopf resigniert nach vorn kippt. Was, um Himmelswillen, habe ich getan, dass ich das verdiene? Können mich nicht einfach alle in Ruhe lassen? Mehr verlange ich doch nicht. „Ernsthaft, Kain, ich hab zu tun." Ich richte meine Aufmerksamkeit zurück auf meine Vortragsnotizen, schaffe zwei Sätze und sehe aus dem Augenwinkel heraus, wie sich Kains Finger nach meinen Unterlagen ausstrecken. Ich fasse nach seinem Handgelenk und halte ihn zurück. „Mit Sicherheit willst du deine funktionierende Gliedmaßen behalten... nicht wahr?", drohe ich ihm nonchalant und nehme ihm die Unterlagen aus der Hand. „Reg dich ab. Ich darf doch noch ein wenig Interesse an dir zeigen, oder?" Nerviges Schnüffeln ist heutzutage also Interesse zeigen? Wieder etwas gelernt. Ich resigniere und überlasse ihn seufzend die Mitschriften aus der Vorlesung. Er studiert sie für einen Moment aufmerksam und greift dann nach meinem Buch über Pathobiochemie. Seine Stirn runzelt sich als er merkt, dass das nichts miteinander zu tun hat. Trotzdem bin ich mir sicher, dass er genau weiß, worum es geht. Er klappt das Buch auf und blättert gemächlich darin rum. Ich widme mich meinen Aufzeichnungen. „Pat und Patachon feiern heute übrigens ihr Halbjähriges", erzählt Kain an, spricht von unseren herzallerliebsten Mitbewohnern. „Und ich habe meine Wunderkerzen nicht dabei", gebe ich trocken von mir und sehe nicht von meinem Blatt auf. Ich höre den anderen Mann amüsiert schnauben und wie ein leichter Schauer über meinen Nacken fegt. „Zu Schade, die hätten perfekt zu meinem Blütenregen gepasst", scherzt er weiter und blättert zurück ins Inhaltsverzeichnis des Buches. „Seit wann feiert man eigentlich Halbjährige?", fragt Kain, während er weiter in dem Buch rumschmökert. „Keine Ahnung.... Jedem das seine, oder", antworte ich mit deutlicher Gleichgültigkeit. Von mir aus sollen sie jeden Monat feiern, solange sie es machen ohne mir auf die Nerven zu gehen. Sie sind selbst schuld, wenn sie freiwillig diesem Stress und der Absurdität der Abhängigkeit aussetzen. Derartige Beziehungsrituale ketten einen freiwillig an einen Anker, obwohl man genau weiß, dass man irgendwann dem Meeresboden gefährlich nahe kommt. „Vielleicht feiern sie ihr Durchhaltevermögen? Wobei, dass keine Leistung ist. Jeff hält dich schon viel länger aus, da macht er ein halbes Jahr mit Abel sicher mit links." Provokation, die Zweite. „Clown zum Frühstück?", bluffe ich zurück, "Und falls es dir noch aufgefallen, Jeff macht sowieso alles mit links." Mein Mitbewohner ist Linkshänder. In der Schule war das einer der Gründe, warum man uns in der 5. Klasse zusammengesetzt hat. Ich bin nämlich auch einer und wir haben uns beim Schreiben nicht behindert. Mittlerweile habe ich mir trotzdem angewöhnt vieles mit der rechten Hand zu machen, sodass es weniger auffällt. Nun nehme ich Kain das Buch aus der Hand, klappe es zu und signalisiere ihm zum wiederholten Male, dass ich keine Lust mehr habe weiter zu quatschen. Das hier ist kein Kaffeekränzchen. „Du eigentlich auch, oder?", fragt Kain unbeirrt und dreht meinen Laptop zu sich heran. Er wirft einen ungenierten Blick auf die geöffnete Präsentation, während ich mich darüber wundere, dass ihm meine Beidhändigkeit aufgefallen ist. Mein Gehirn ist heute nicht das Schnellste. "Was?" „Du hältst das Besteck andersherum. Du bist eigentlich auch Linkshänder, oder?", erklärt er mir, "Signaltransduktionen? Bei Professor Cole? Wann ist dein Vortrag?" Ich nicke alles nur überfordert ab. „Morgen", erwidere ich auf den letzten Teil. Kain liest still die Punkte quer und mustert danach mein zerknirschtes Gesicht. Wahrscheinlich schaue ich noch grimmiger als sonst. Ich hasse Präsentation. Fast so sehr, wie Kitsch. Präsentationen sind die Liebesromane der Notenermittlung. Unnötig nervenzerrend und zwangsdramatisiert. „Cole ist nicht sehr streng und du bist doch sicher perfekt vorbereitet.", sichert mir Kain zu und würzt das Ganze mit einen Oberlehrerblick, der mich genervt Raunen lässt. „Darum geht 's gar nicht... Ich halte nicht gern Vorträge.", gestehe ich, stütze meine Arme auf dem Tisch ab und reibe mir die Augen. Ich müde und jetzt schon enorm angespannt. Kains Augenbraue zuckt nach oben und zu seinem Glück spart er sich einen überflüssigen Kommentar darüber, dass ich sonst kein Problem damit habe, anderen Vorträge zu halten. „Brauchst du ein Versuchskaninchen? Wenn du es mir verständlich erklären kannst, dann wird nachher garantiert niemand mit einem Fragezeichen über dem Kopf dasitzen", schlägt er lächelnd vor und ich bin mir sofort sicher, dass ich das nicht machen werde. Im Grunde ist es nicht mal mein Problem, ob es alle verstehen oder nicht, so lange es faktentechnisch korrekt ist. „Dafür müsstest du mir schon Abel herholen. Du bist kein Maßstab", merke ich an. Ich gebe es nicht gern zu, aber Kain hat Einiges drauf. „Dann besorge ich dir eine Horde Meerschweinchen, das ist weniger aussichtslos.... und auch wesentlich lustiger.", scherzt Kain erheitert und entlockt auch mir ein Lachen. Ich sehe jetzt schon, dass ich mir morgen die anderen Studenten als quiekende Peru-Snacks vorstelle. Mitnichten eine Verbesserung. Meerschweinchen gehöre nicht unbedingt zu meinen Lieblingshaustieren. Lena hatte zu ihrem siebten Geburtstag eines geschenkt bekommen und seither bin ich geschädigt. Das Tier verkroch sich andauernd in meinem Bett, fiepte mörderisch, wenn ich mich zum Schlafen hinlegte, während ich versuchte, nicht an einem Herzinfarkt zu krepieren. Wir entwickelten eine gegenseitige Antipathie füreinander, an der ich so gar keine Schuld trug. Jedenfalls, wenn man mich fragt. Lena hingegen war felsenfest der Überzeugung, dass dem Tier gesagt habe, dass apathisch in der Ecke hocken und urinieren soll, wenn sie es auf der Arm nahm. Es war auf keinesfalls der Tatsache geschuldet, dass Lena das peruanische Nervenfutter an der Leine führte. Es war auch nicht, wegen der andauernden Knuddel-und Drückattacken traumatisiert und schon gar nicht von dem rosafarbene Tutu, welches Mama für das Vieh nähte. Nein, ich war es. Ich, der das Tierchen mit meinem pelztiervernichtenden Blicken weichgekochte. Zitiert nach Lena. Es ist schon witzig, wenn einen ein achtjähriges Mädchen sowas an den Kopf wirft. Rudi wurde, trotz der, durch bewegungsmangelverursachten Verfettung, acht Jahre alt. Unser beider Glück war es, dass ich irgendwann ausgezogen bin, sonst würde er mich vermutlich bis an mein Lebensende heimsuchen. Kain scheint für den Moment befriedigt, denn er liest intensiv in meinen Vortragsnotizen. Dass er hin und wieder die Stirn runzelt und sich auf der inneren Wange rumbeißt, ignoriere ich. Als ich versehentlich beobachte, wie er sich geistesabwesend die dunklen Haare zurückstreicht, kann ich nicht mehr wegsehen. Ich verfluche das intensive Kribbeln in meiner Lendengegend, weil ich mir vorstelle, wie er es bei mir macht, wie dabei die Berührung die Helix meines Ohres stimuliert, wie es kitzelt und meinen Puls beschleunigt. Kain dreht den Laptop wieder zu mir und meine Starre löst sich. Ich wende meinen Blick von ihm ab, bin mir aber sicher, dass er es bemerkt hat. „Nachvollziehbar aufgebaut, faktenintensiv, aber verständlich. Wenn du noch ein paar Bilder dazu nimmst und es damit auflockerst, brauchst du dir keine Sorgen machen. Kriegst du schon hin..." Die ehrlich gemeinte Aufmunterung prallt an mir ab, wie Wasser auf einem Lotusblatt. Ich lehne mich im Stuhl zurück und mustere den anderen Mann skeptisch. Mein Arm bettet ich über meinem flachen Bauch und provoziere ein lautes Rumoren. „Lass uns heute Abend zusammen essen, ja? Ich lad dich ein. Vielleicht nimmt dir das etwas Anspannung", schlägt Kain resolut vor. Und wieder Resozialisierungsversuchs für den armen Einsiedler. Wenn Kain jetzt genauso anfängt, wie Jeff, dann gibt es menschliche Piñata und ich bin der Einzige mit einem Stock. „Keine Ahnung, wann ich hier fertig werde...", beginne ich ausweichend, wohlwissend, dass im Grunde alles vorbereitet ist und ich jetzt nichts mehr verbessern, sondern allemal nur verschlimmbessern kann. Abgesehen von der Rettung meiner noch immer in Seenot schwebenden Selbstsicherheit, habe ich nichts mehr zu tun. Immerhin winkt sie mir freudig aus weiter Entfernung entgegen und ist noch nicht vollends gen Norden verschwunden. „Die Bibliothek schließt um 21 Uhr, dann kehren sie dich gnadenlos hier raus. Bis dahin hast du sicher auch Hunger.", erwidert er lediglich und richtet sich auf. „Ich habe wirklich keinen Nerv für so was.", setze ich nach, mime bitteren ernst und weiß dennoch, dass es vergebliche Mühe ist. Denke ich jedenfalls, denn Kain seufzt und sieht einen Moment lang wegen meine Reaktion wirklich unglücklich und unzufrieden aus. Ja, zerschelle an mir wie ein Kutter am Wellenbrecher, lacht es in meinem Kopf. Ich konzentriere mich wieder auf meine Präsentation, merke, aber sehr wohl, dass Kain noch neben mir steht. Aus dem Augenwinkel heraus, erkenne ich, wie sich seine große Gestalt plötzlich zu mir runterbeugt und damit Schatten wirft. Seine Hand greift über meine Schulter nach der Lehne des Stuhls und ich spüre die Innenseite seines Unterarms an meinem Kiefer, während er mich ruckartig nach hinten neigt. Mein Puls beschleunigt sich mit jedem Winkel kleinster Neigung exponentiell. Die feinen Härchen in meinem Nacken richten sich auf. Das Kitzeln, welches dabei entsteht, lässt meinen gesamten Körper pulsieren. Doch ist es ist nicht nur der Schreck, sondern auch die plötzliche Nähe, die meinen Körper in Aufruhre versetzt. Die leichte Berührung. Die Wärme. der Nebel in meinem Kopf wird sofort dichter. „Eiskalt, wie eh und je. Meinst du nicht, dass etwas Ablenkung sinnvoll wäre?", raunt er mir entgegen und wandert mit den Augen mein Gesicht ab. Kain kommt noch etwas näher als ich mich nicht rühre. Das feine Kitzeln auf meine Zungenspitze, ausgelöst durch die Erinnerung von Zitrone und Ingwer, lenkt mich so sehr ab, dass ich mich kaum konzentrieren kann. Prickelnde Schärfe, sie explodiert und brennt in meinem Mund mit einem ersehnten Feuer. Das erdachte Aroma weht mir entgegen, auch wenn der Bonbon in seinem Mund längst aufgebraucht ist. Bestimmt bilde ich es mir nur ein. Nun ist Kain der Fels und ich das Schiff, das an ihm zerschellt. Großartig. Schwimmwesten fehlen auch. Gluck Gluck. Einer seiner Finger streicht über meinen Nacken, streichelt dort über den Ansatz meines Haares. Ich erzittere durch die sanfte Berührung, weiche automatisch etwas zurück. „Überleg es dir..." Damit verschwindet er endgültig und lässt mich im Meer treibend zurück. Petri heil und Ahoi. Als er weg ist, kippt mein Kopf von ganz allein auf die Tastatur des Laptops. Ein Albtraum im Albtraum im Albtraum. Während ich wach bin. Kann es noch schlimmer werden? „So, so. Du und Mister Biomasse...?" Es kann noch schlimmer werden. Der Spitzname, den wir Kain während eines Projektes gegeben haben, lässt mich auch heute noch schmunzeln. Wenn heute auch bitter. Ich richte mich auf und sehe zu Marie, die hinter einem der Regale aufgetaucht ist. Sie neigt ihren Kopf in den Gang, in den eben der Schwarzhaarige verschwunden ist. „Was?" Ich ziehe das ohnehin schon verräterische Fragenwort verdächtig in die Länge. Aber zum Glück so theatralisch, dass nichts auffällig Glaubwürdiges übrigbleibt. Mein Puls beschleunigt sich trotzdem bei der Vorstellung, dass sie irgendwas in diese Situation hineininterpretieren könnte. Für Außenstehende muss es fürwahr komisch ausgesehen haben. Marie beginnt zu kichern und legt die Bücher in ihrem Arm auf meinem Tisch ab. Ich mustere erst aufmerksam die Biowälzer und danach skeptisch die unauffällige Biologin mit den verwuschelten, kurzen Haaren. Ihre Brille sitzt schief. Sie tippt sich dagegen, aber es wird nicht besser. „Du hast ein Faible für Diskussionen, oder?", bemerkt sie und es ist im Grunde keine richtige Frage, sondern mehr eine Tatsache. Dazu muss man sagen, dass Kain einer der wenigen Menschen ist, die gutes, konstruktives Kontra geben können. „Ich brauche sie, wie die Luft zum Atmen.", gebe ich zurück. Marie hat mich und Kain schon des Öfteren streiten sehen. Sie hat mich auch mit der Rothaarigen streiten sehen und so ziemlich mit jedem anderen aus unseren Projektgruppen. Wahrscheinlich erkennt sie langsam das Muster. „Masochistisch veranlagt?" „Je härter desto besser!" „Du hältst doch eher die Peitsche, oder?" Noch während sie das sagt, färben sich ihre Wangen puterrot, was unglaublich amüsant ist. Was Worte allein in manchen Menschen anrichten können, ist immer wieder wunderbar. „Bitte? Ich bin die Devotion in Reinform", kommentiere ich. Nun beginnt Marie zu lachen. Das war selbst ihr zu viel des Guten. „Und was genau hast du mit ihm zu schaffen? Außer natürlich dein Bedürfnis nach verbalen Konfrontationen zu stillen." Kain bringt mich so gut wie immer direkt auf die Palme. Nicht mehr und nicht weniger. In meinem Kopf entsteht ein hallendes Lachen, welches mir selbst in den Hintern beißt. Er stillt seit neusten auch ganz andere Dinge, die ich lieber nicht laut ausspreche. „Unsere Mitbewohner übernachten zurzeit lieber beieinander und wir führen, sozusagen, eine Zwangsvermitbewohnerung auf Teilzeit." Marie lauscht meinen Erklärungsversuchen, schaut einen Moment lang verwundert und scheint es doch zu verstehen. „Die Liebe und ihre oftmals verrückten Pfade...", säuselt sie summend. Ihr Blick wird einen Moment abwesend. Darauf folgt ein seltsames Lächeln. Ich denke darüber nach, was genau sie damit meint, doch ich frage nicht nach, sondern sehe sie nur an. „Na gut, so lange du dich nicht auf die dunkle Seite der Biotechnologie wechselst...", fährt sie fort, klingt strikter und greift nach ihren Büchern. „Niemals", versichere ich ihr ohne zu zögern und ein spontanes Kichern perlt von ihren Lippen, was ungewöhnlich mädchenhaft rüberkommt. Marie ist nicht gerade das klassische, hippe Girlie. „Gut zu wissen. Wir sehen uns." Sie hebt ihre Hand zum Gruß und lässt dabei fast die Bücher fallen. Erneut kichernd verschwindet sie in den weitverzweigten Gängen der Bibliothek. Ich sehe ihr einen Moment länger nach, seufze und drehe mich wieder zu meinem Laptop. Ich starre missmutig auf den Bildschirm, fahre einige der notierten Zeilen ab und stutze. Eine der Zeilen bestehend aus einer Unmenge Hs und Js und ich habe keine Ahnung, wie das passiert ist. Vermutlich bei dem Hickhack mit Kain. Ich lösche sie genervt per Hand bis mir irgendwann einfällt, dass ich sie auch hätte markieren können. Mein Gehirn läuft bereits jetzt nur noch auf Sparflamme und es geht jede weitere Minute mehr und mehr bergab. Vielleicht hätte ich Kains Einladung doch annehmen sollen. Zerstreuung hätte mir gut getan. Wobei mehr Zeit mit Kain höchstwahrscheinlich auch zum Gegenteil führen könnte. Ich kann mich gut selbst ablenken. Ich starte mit meinen Emails. Spam. Newsletter. Jeff. Lena. Weitere Namen, die ich nur noch inbrünstiger ignorieren will. Ich suche in der Fülle von nutzlosem Kram nach Brigittas Mails. Als ich sie finde, lasse ich die vorbereiteten Beispiele des Romancovers auf meinem Bildschirm erscheinen und spüre, wie sich ein spontaner Zahnschmerze in meinem gesamten Kiefer ausbreitet. Er ist pochend. Stechend. Das abgebildete Pärchen trieft förmlich vor Klischees und der Blick, den das Mädchen in seinem Gesicht trägt, verursacht mir temporäre Diabetes. Ihre Augen sind erfüllt mit schmerzvollen Verlangen und leidvollen Qualen aus tiefgreifenden Schmachtverhalten. Das Cover wirkt schrecklich romantisch. Es ist übertrieben und überlastet, wenn man mich fragt. Ich öffne die zweite Mail, in der mir Brigitta bereits androht, dass sie das kitschige Bild benutzen wird, wenn ich nicht ans Telefon gehe. Der Gedanke daran, dass ich tatsächlich mal einen Grund haben könnte, nicht ans Telefon zu gehen, kommt ihr gar nicht. In der dritten Mail befindet sich lediglich eine Ansammlung von zahnfleischblutenverursachenden Icons und hämischen Ausdrücken. Ich weiß nicht einmal, wo sie die ganzen Abbildungen herholt. Ich bin bereits mit der Bedeutung der Smileys in der Nachrichten-App überfordert. Wie auf Bestellung setzt sich mein Handy in Gang. Es ist eine Nachricht von Shari, die mir mitteilt, was das letzte Thema ihres Kurses war. Sie bedankt sich schon im Vorfeld für die Arbeit, die ich mir mache und verursacht mir mit ihrem zuckersüßen Verhalten einen weiteren Schauer der Verzweiflung. Auch sie benutzt eine Fülle an Emojis. Diesmal einen beschämten und lächelnden und diese verstehe ich auch. Trotz jeglichen Widerstrebens lässt es mich schmunzeln. Ich scrolle zurück zum angegebenen Thema und öffne ein neues Dokument in meinem Laptop. Halogenalkane. Sie sind ein Teil der organischen Chemie und im Grunde nur eine Wiederholung. Ich denke an den Chemieunterricht der 9. Klasse zurück. Ich habe ihn gehasst oder eher unseren Lehrer. Er war so schrecklich optimistisch und wollte wirklich jeden für Chemie begeistern. Ständig haben wir seltsame Experimente gemacht oder unnütze Dinge hergestellt. Mein Blick fällt noch einmal zurück auf das Cover meines neuen Romans und dann zurück auf das leere Dokument. Nichts. Es ist als hätte ich eine gigantische leere Blase in meinem Kopf. Ich schaffe es nicht mehr mich zu konzentrieren und schalte alles ab. Auf dem Weg ins Wohnheim rauche ich zwei Zigaretten, ertappe mich dabei, wie ich das Handy hervorziehe und durch die Liste meiner Kontakte scrolle. Mein Daumen schwebt über Kains Namen. Ich halte den Glimmstängel freihändig zwischen meinen Lippen und blase gleichzeitig den Rauch aus. Mein Magen knurrt und ich öffne den Chat. Ich ziehe neuen Rauch ein und atme ihn gegen das Display wieder aus. Es kann nicht mein Ernst sein. Letztendlich ist es das erneute Knurren meines Magens, das dafür sorgt, dass ich mich zurückbesinne und das Handy in der Tasche verschwinden lassen. Nein, das ist eine dumme Idee. Sehr dumm. Problematisch dumm. Sowas kann ich nicht gebrauchen. Im Foyer des Wohnheims ziehe ich mir aus einem der Lebensmittelautomaten ein Päckchen mit drei Scheiben Vollkornbrot. Die Dinger sind ein Testlauf von der Fraktion für gesunde Ernährung. Neben den von mir beglückwünschten Eisautomaten sind im letzten Jahr auch diese „Automaten für nachhaltige Ernährung und Healthy Living" aufgestellt worden. Ich nenne sie Ökomaten. Sie beinhalten verschiedene Brotsorten, Aufstriche, Nüsse und getrocknete Früchte. Einmal am Tag wird er auch mit frischem Obst und Gemüse gefüllt. Doch davon ist um diese Uhrzeit nichts mehr übrig. Erstaunlicher Weise kommt das wirklich gut an. Im Grunde mag jeder Obst und Gemüse, so lange man es bereits geschnitten und in handliche Portionen vorbereitet. Ein Apfel ist nicht dasselbe, wie der geschnittene Apfel von Mama. Der Mensch ist faul und der Student sowieso. Ich trabe mit meiner Beute nach oben und durchforste unseren kleinen Kühlschrank nach etwas, was ich auf das Brot schmieren kann, mit nur unbefriedigenden Ergebnis. Die Mehrheit des Inhalts gehört zu Jeff. Also besteht er aus Frischkäse und irgendeinem seltsam klingende Aufstrich aus dem Ökomaten mit Shiitake und Pfifferlinge. Ohne mich. Ich sehe auch das obligatorische Glas Käsedip, auf dem eine halbe Tafel Schokolade liegt. Ohne Worte. Letztendlich vertilge ich die Scheiben Brot mit etwas Frischkäse, während ich ein letztes Mal meinen Vortrag durchgehe. Einige Passage kann ich mittlerweile auswendig. Ich fühle mich aber nicht besser. Missmutig schalte ich alles aus, werfe meine Klamotten ab und falle bei dem Versuch mir die Socken im Stehen auszuziehen einfach um. Ich lande härter als gedacht und habe es wohl verdient. Die dumpfen Vibrationen meines Handys lassen mich aufhorchen und innehalten. Ich krame in den aufs Bett geworfenen Klamotten danach und es blinkt mir munter entgegen, als ich es aus der Tasche meiner Jeans ziehe. -Nicht mal ein Essen? Du bist knallhart.- Kain. Hat er wirklich darauf gewartet, dass ich mich melde? Unwahrscheinlich. Nur in Shorts lasse ich mich aufs Bett fallen. -Essen wird überbewertet-, tippe ich als Antwort und krame meine Schlafklamotten unter dem Kissen hervor. Ich schnuppere daran und sehe direkt danach, wie Kains Antwort aufleuchtet. Er tippt wirklich schnell. -Wenn du meinst. Wenigstens das Nümmerchen?- Dreist. Schamlos. Unfassbar. Ich lasse die Kleidung auf meinem Schoss liegen und streiche mir die Haare zurück. Spielen wir jetzt wieder Schiffe versenken? Bitte. Meine Ansage war wohl doch nicht deutlich genug. -Du nervst-, tippe ich empfundener Weise und rutsche weiter nach hinten gegen die Wand. Mein Kopf neige ich zurück. -Ich dachte, ihr Biochemiker steht auf die Ausschüttung von Endorphinen- Endorphine produziert der Körper auch beim Verhungern aus. Ich bin hin und hergerissen. Den Kommentar spare ich mir. Die Erwähnung des körpereigenen Opioidpeptid lässt mich dennoch schmunzeln. -Dein plumper Versuch führt bei mir nur zur Ausschüttung von Melatonin- -Autsch- Treffer. Ich reiße meine imaginären Pompons in die Höhe. Vielleicht gibt er endlich Ruhe. Ich lasse das Telefon auf meinem Schoß liegen und streife mir endlich das Shirt über. Mein Unterleib bibbert, als eine weitere Nachricht eintrifft. -Wovor hast du eigentlich Angst?- Treffer. Versenkt. Missmutig lege ich das Telefon zur Seite und schubse es nach kurzem Zögern unter die Bettdecke, sodass ich es nicht mehr sehe. Von wegen Angst. Ich habe vor gar nichts Angst. Warum versteht niemand, dass ich diese Almosen und belanglosen Nettigkeiten nicht brauche. Weder von Jeff und schon gar nicht von Kain. Oder sonst wem. Ich will einfach nur meine Ruhe. Ich kippe seitlich aufs Bett und starre zu Jeffs Ficus. Ben erzittert, so als würde er spüren, dass ich ihn fokussiere. Angst. Ich greife nach meinen Kopfhörern und schalte die Musik an. Es ertönen die ersten Takte von 'Cabaret' interpretiert von Me first and the Gimme Gimmes. 'What good is sitting alone in your room? Come hear the music play. Life is a Cabaret, old chum. Come to the Cabaret '. Ich schalte den Player seufzend wieder aus und mit der selbst herbeigeführten Stille werden meine Gedanken nur wieder lauter. Mein Gedankenkarussell dreht sich und wieder ist jeder schuld, nur ich selbst nicht. Wenn Jeff seine Libido im Griff hätte, wäre das alles nie passiert. Wer feiert auch sein Halbjähriges? Kain hat vollkommen Recht. Was kommt als nächstes? Der Tag des ersten Zungentangos? Des ersten Ficks? Lachhaft. Unbedeutend. Ich erinnere mich nicht einmal an mein erstes Mal. Während ich so da liege und in die Stille starre, werden plötzliche die Geräusche um mich herum deutlicher. Ich höre das leise Gurren einer Taube, die draußen auf einer Laterne sitzt. Das Aufheulen eines Motorrads. Aber auch ein leises Kichern. Es folgt ein intensives Keuchen und ich richte mich auf. Diese Geräusche kommen aus dem Nachbarzimmer und unwillkürlich lehne meinen Kopf etwas zur Wand. Die Laute werden deutlicher. Ein Stöhnen und ein leichtes Quietschen. Wollen die mich verarschen? Aus diesem Zimmer habe ich noch nie etwaige Töne kommen hören. Aber natürlich heute. Das helle Stöhnen der Zimmerbewohnerin geht wortwörtlich durch Wände als sie scheinbar richtig loslegen. Auch das zunehmende rhythmische Schlagen des Bettes gegen die dünne Wand macht es nicht besser. Ich drehe mich auf den Bauch und lege mir das Kissen über den Kopf, so dass meine Ohren bedeckt sind. Nun habe ich das Gefühl die Vibrationen des rumsenden Bettes zu spüren, die sich von der Wand auf meins übertragen. Herrje. Ich denke an den Schwarzhaarigen und an die Tatsache, dass wir wahrscheinlich auch zu höre gewesen sind. Obwohl es beschämen sollte, passiert das Gegenteil. Der Gedanke ist kribbelnd und aufregend und mein Körper schreit nur noch mehr nach dieser berauschenden Befriedigung. Dieser miese Verräter. Was wurde wohl passieren, wenn ich ihm jetzt schreibe? Würde Kain antworten? Will ich es wirklich? Ich rolle mich auf die Seite und richte meinen Blick auf Jeffs leeres Bett. Würde er überhaupt kommen? Immerhin habe ich ihn nun schon mehrfach abgewiesen. Wahrscheinlich würde er mich absichtlich warten lassen. Nur im mir zu zeigen, dass er es kann. Vielleicht würde er darauf hoffen, dass die vergehenden Minuten zwischen Warten und Gewissheit meinen Körper in Flammen setzen. Unwillkürlich stelle ich mir das erwartungsfrohe Prickeln vor, welches mich zu gleich belebt und ebenso geißelt. Die Aufregung, die mich packt und wolllustige Wellen durch meine Glieder schickt. Mein Puls wurde sich beschleunigen und mit jeder Sekunde, die ich auf seine Ankunft warte zu glühender Lava werden, die meinen Leib verzerrt. Er wüsste genau, dass mich allein dieses kalkulierte Verlangen dazu trieb, seine Nummer zu wählen und. Mein Körper reagiert allein bei den Gedanken an den möglichen Ablauf. Würde er ohne zu fragen die Tür aufreißen und in wilder Manier meinen Körper packen? Oder wäre es ein leises Klopfen, welches augenblicklich durch die Lautstärke meines ebenso pulsierenden Herzens übertönt wird? Es wäre das rasende Blut, welches meine Körperglieder belebt und das ungewisse Treiben, das mich dazu zwingt die Tür aufzureißen. Was denke ich hier eigentlich? Wo bleibt der Kaventsmann, wenn man ihn braucht? Ich spüre als Antwort den feinen, verräterischen Zug in meiner Lendengegend und ein Keuchen perlt über meine Lippen. Ich drehe mich murrend zurück auf den Bauch und drücke meine wachsende Erregung in die Matratze. Keine gute Idee. Meine Erregung pocht und die leichte Reibung verhilft mir nicht zur Linderung. Jetzt selbst an mich Hand anzulegen, würde bedeuten, Kain Recht zu geben und die Blöße gebe ich mir nicht. Ich bleibe stark. Ich bleibe hart. In vielerlei Sinn. Die Geräusche im Nebenzimmer enden nicht. Hätte ich bloß nachgegeben. Ich wälze mich eine Weile hin und her, schlafe unruhig und bin am Morgen vor dem Weckerklingeln wach. Was für ein Albtraum. Ich drehe mich mit dem Gesicht zur Wand und schließe die Augen um der Helligkeit zu entkommen, die sich gnadenlos im Zimmer ausbreitet. Erneut ertönt dieses feine, aber tiefgehende Quietschen. Ich höre schon Gespenster. Casper, der unartige Geist. Ich seufze schwer, als sich wiederholt Stöhnen und Keuchen dazu gesellt. Ernsthaft? Ruckartig setze ich mich auf, schwinge die Beine aus dem Bett und fliehe nach dem Anziehen vor der lautmalerischen Geräuschkulisse. Ohne Jacke und damit ohne Zigaretten und Portmonee lasse ich mich in eine der hinteren Ränge des Hörsaales nieder. Ich werde unruhig, dabei hat die Vorlesung noch nicht mal begonnen. Als Professor Cole am Pult erscheint, merke ich wie sich meine Finger unentwegt gegeneinander bewegen. Zunächst beginnen wir mit einer Wiederholung für die anstehende Klausur. Die Referate folgen im zweiten Teil. Ich versuche mich auf das Wichtige zu konzentrieren, aber es gelingt mir nicht. Die Klausur macht nur einen kleinen Teil der Note aus. Den Rest entscheidet die mündliche Ausarbeitung. Yeah. In meinen Kopf feiert der Sarkasmus einen Undergroundrave. Aus meiner Tasche ertönen rhythmische Vibrationen und entgegen meiner Angewohnheit in der Vorlesung auf mein Handy zu schauen, mache ich es diesmal. Das Display zeigt mir zwei neue Nachrichten. Jeff. Er fragt nach einem Treffen. Ich tippe ihm eine Bestätigung und wechsele zur zweiten Mitteilung. Sie ist von Kain. -Vergiss nicht zwischendurch kleine Pausen zum Luft holen zu machen- Kain, der Scherzkeks. Ich lache später. Ein Raunen geht durch den Saal. -Würdige deinen grandiosen Einfallsreichtum spä...- Trotz der Unvollständigkeit drücke ich auf senden als mit einem Mal mein Name gerufen wird. Hu? „Herr Quinn...", ertönt es wiederholt. Diesmal eindringlich. Ich blicke auf und lege das Telefon hastig zur Seite. Der Professor deutet nach vorn zum Pult. „Wir warten..." Ich atme tief ein, bettele stillschweigend um ein schnelles, schmerzloses Ende. Meine Gebete werden nicht erhört und die nächste halbe Stunde wird zu einer der längsten meines bisherigen Lebens. „Der Regen draußen ist zum Davonlaufen... Es ist nass und windig... und Bäh.", quasselt jeff auf einmal los als er plötzlich neben mir auftaucht, "Ich habe so gehofft, dass es endlich wärmer wird. Sicher bleibt es die nächsten Tage so." Er tropft und schimpft unbeirrt weiter, auch wenn ich kein Wort dazusage. In Gedanken beglückwünsche ich meinen Mitbewohner zu der auffällig zutreffenden Wetterprognose und sehe dabei zu, wie er sich die feuchten Klamotten vom Körper streift. Selbst auf seinem Pullover sind ein paar nasse Stellen zu erkennen und ich habe nicht mal meine Jacke dabei. Herrlich. Jeff quatscht weiter, wie ein Wasserfall, während ich schweigend von meinem Tomaten-Mozzarella-Sandwich abbeiße, welches ich mir nach dem misslungenen Vortrag geholt habe. Es ist das Einzige, was ich mit der Ansammlung von Münzgeld aus meinen Hosentaschen bezahlen konnte. Ich streiche mir Pesto aus dem Mundwinkel, während mein Mitbewohner bei den Erzählungen über seinen fantastisch, romantischen Abend angelangt ist. Ich versuche ihn zu ignorieren oder wenigstens sein Geplapper auszublenden. Immerhin scheint es für diese Konversation unnötig, dass ich mich aktiv daran beteilige. Jeff stört sich nicht daran, dass ich nicht antworte oder irgendwie reagiere. So mag ich das. Ist Fluch und Segen zu gleich. Ich beiße unbeirrt von meinem Sandwich ab und kaue träge und langsam. Jeff legt mir seinen Arm um die Schulter und drückt seine Wange gegen mein Ohr. Er ist kalt. Und nass. Ich kaue weiter und bin mir sicher, dass Jeff es merkt. „Wir haben gestern Nacht eine halbe Packung Kondome gekillt.", flötet er und grinst, als hätte er ein Wunder vollbracht. „Eine 6er oder eine 12er?", frage ich lediglich und ernte erst nach kurzer Überlegung eine beleidigte Reaktion. Er drückt mir mit der Hand das dümmlich grinsende Gesicht weg. „Eine zwanziger Packung, du Blödmann. Als würdest du in einer Nacht sechs Kondome plattkriegen!", motzt er gespielt und bricht dann in einen kurzen Lachanfall aus. Wenn er wüsste. „Klar, zu Geburtstagen. Sie machen sich gut als Luftballons. Besonders die mit Erdbeer- und Bananengeschmack.", berichte ich. Erneut drückt er mein Gesicht weg, schmiert sich diesmal grünes Pesto an die Hand und leckt es nach einem kurzen Blick einfach davon. „Pff, aber nur die in Größe Extra Large", spottet Jeff weiter. Er bückt sich nach seinem Rucksack und kramt seine Trinkflasche hervor. Ich lehne mich wieder an die Wand und beobachte ihn dabei. Neben Blöcken und Mappen sind noch immer ein paar Klamotten in seinem Rucksack. Wahrscheinlich hat er es heute Morgen nicht ins Wohnheim geschafft. Neben den zerknautschen Kleidungsstücken liegt die angesprochene Packung Kondome. Marke Black Velvet. Interessant. Es sind ziemlich teure Dinger. „Wozu benutzt ihr eigentlich noch Kondome? Nach einem halben Jahr Beziehung finde ich das echt kostspielig", sage ich und sehe weiterhin in seinen Rucksack. Eine Dose Sprühsahne lugt aus einer Ecke hervor und unwillkürlich beginnt das Kopfkino. Weil ich auch nie weiß, wann ich aufhören muss. „Mag sein, aber ich mag die Sauerei danach immer nicht." Der Film läuft weiter. Hilfe. Ich sehe auf mein Sandwich, als mir bewusst wird, wie unpassend diese Thematik beim Essen ist. Vor allem dann, wenn man sich unweigerlich alles vorstellt. „Sauereien? Ich bin ganz Ohr!", kommt es von der anderen Seite und ich reiße mich von Jeffs Rucksack los. Kain kommt auf uns zu und bleibt lächelnd neben Jeff stehen. Seine warme, leicht brummende Stimme verursacht mir Gänsehaut. „Keine, die du interessant finden würdest...", kommentiert der Blonde und ich sehe dabei zu, wie die Augenbraue des Schwarzhaarigen nach oben wandern. „Okay, mehr muss ich nicht wissen." Kains Mundwinkel zucken nach oben, ebenso, wie seine linke Augenbraue. Heuchler. „Oh, und danke für den Tipp mit dem Dach. Wir durften gestern Abend einen herrlichen roten Sonnenuntergang erleben." Jeff schlägt Kain sachte mit dem Handrücken gegen die muskulöse Brust und strahlt dabei, wie ein Honigkuchenpferd. „Schön, wenn man sich so sehr an Luftverschmutzung erfreuen kann...", kommentiere ich trocken, beiße ein Stück vom Brötchen ab und lecke mir etwas der grünen Paste von der Lippe. Ich sehe erst auf, als es um mich herum seltsam still bleibt. Beide Augenpaare blicken mir verständnislos entgegen. „Du, als quarzende, rote Umweltplakette solltest den Mund halten", maßregelt mich mein Mitbewohner, bedenkt mich danach noch mit einem Du-bist-und bleibst-ein-Banause-Blick, der aber herzlich wenig bei mir anrichtet. Ich verdrehe nur die Augen und verspüre augenblicklich das Bedürfnis, mir eine dieser Lungenteerer anzustecken. „Ein tolle Aussicht, leckere Drinks und der perfekte Platz um in Stimmung zu kommen, oder?", kommentiert er und schwelgt lächelnd in irgendwelchen Erinnerungen, die höchstwahrscheinlich dem der rothaarigen Bestie zu tun haben. „Klar, weil du ja weißt, wie man Stimmung macht...", entfährt es mir unüberlegt. Mir vergeht der Appetit und ich lasse das Brötchen zurück in die Tüte fallen. Man bin ich empfindlich. Ich widere mich gerade selbst an. Das Melatonin lässt grüßen. Gütiger Schiffbruch, ich klinge langsam wie aus einem dieser Schundromane und ich bin der missgelaunte Konterpart des Helden. Jeff sieht mir verblüfft und ebenso verwundert entgegen und Kain leicht zerknirscht. „Und wie fandet ihr das Hotel? Es hat ein ziemlich gutes Preis-Leistungsverhältnis, oder?", fragt Kain nach und entscheiden sich dafür meinen Kommentar nicht zu beachten. Hotel? Sie haben mehr Aufwand betrieben als ich dachte und das alles nur wegen des Halbjährigen. Lächerlich. Jeff hingegen strahlt weiter, so dass ich das Gefühl bekommen, er könnte radioaktiv sein. Mit solchen übertriebenen Schnickschnack konnte man meinen Kindheitsfreund schon immer begeistern und scheinbar Kain auch. Mir wird klar, dass das gestrige Unverständnis über die übertriebenen Rührseligkeiten der beiden blonden Männer nur Theater war. Was für ein Heuchler. „Absolut, aber vom Frühstück haben wir nichts mitbekommen", gesteht Jeff freimütig und mit einem vielsagenden Zwinkern. Der Film in meinem Kopf läuft augenblicklich weiter und nimmt mehr und mehr Facetten an. Bitte erschießt mich endlich. Ich bin bereit. Bevor Jeff seine Lobeshymne über Kains Kreativität fortsetzen kann, klingelt sein Handy und er wendet sich entschuldigend ab um ranzugehen. Der andere Mann wendet sich mir zu. „Geht ihr trotzdem noch Mittagessen?", fragt Kain und mustert die Reste meines To-Go-Festmahls. Ich werfe einen Blick zu dem Blonden und zucke mit den Schultern. Ich habe kein Geld mehr um richtig Mittagessen zu gehen, bin zu faul um bei dem Wetter ins Wohnheim zu rennen und werde garantiert nicht nach Almosen betteln. "Ich bin versorgt, also frag ihn..." Mit einem knappen Nicken deute ich in Jeffs Richtung und wechsele von einem Fuß zum anderen. Der Schwarzhaarige lehnt sich zu mir an die Wand und stößt meine Schulter mit dem Oberarm an. Danach beugt er sich leger zu mir. „Okay. Dann lass mal hören... Leg los!" „Wie bitte?", erwidere ich irritiert auf Kains kryptische Äußerung. Loslegen, womit? Mein Blick spricht Bände, denn Kain grinst als ich aufsehe. Er genießt es mich derartig zu überrumpeln und ich hasse, dass er es immer wieder schafft. „Ich will hören, wie du gedenkst meinen Einfallsreichtum zu würdigen...", entgegnet er als wäre es vollkommen klar, was er von mir erwartet. Seine Stimme ist dabei ein neckisches Raunen. Ich erstarre für einen kurzen Moment. Ich habe völlig vergessen, dass ich die begonnene Nachricht vorhin wirklich abgeschickt habe. Ablenkend lasse ich die Finger meiner linken Hand über den rauen Stoff meiner Hose reiben und wende mein Gesicht ab. Mein Herz nimmt an Fahrt auf und presst sich stetig schnellerwerdend gegen seinen Knochenkäfig. Kain mustert aufmerksam mein Profil und ich spüre förmlich, wie es jede meiner Regungen aufsaugt. Ich drehe ihm mein Gesicht zu und plane seinem Blick standzuhalten, doch ich kann es nicht. Meine Augen wandern sogleich tiefer, so dass sie auf den Übergang von Hals und Schulter schauen, auf den Ansatz seines Schlüsselbeins und ich erkenne, wie die Vene an seinem Hals pulsiert. Die glatte, leicht gebräunte Haut bebt unter dem stillen Rhythmus und die Erinnerung an das Gefühl, wie sie sich anfühlt, lässt mein Reaktionsvermögen vollständig eingehen. Ich starre, wie gebannt auf diese Stelle bis mich der Hauch von Ingwer trifft mich. Er vermischt sich mit der Nuance seines Parfüms und jagt einen feinen Schauer über meinen Nacken und über meine Brust. Ich habe es schon öfter an ihm gerochen, doch diesmal nehme ich es noch deutlicher wahr und sehe wieder auf. Direkt in intensives Braun. „Heute Abend...", setzt Kain leise an und wird bevor er es ausführen kann von Jeff unterbrochen, der sich wortesprudelnd zu uns umdreht. Wir schauen ihn beide überrascht an und ich bin fast schon dankbar für die Störung. Es folgt auf Jeffs Seite ein kurzes Schweigen und als wir nichts erwidern, beendet mein Kindheitsfreund seine begonnene Tirade über Abels Verspätung. Allerdings mit weniger übersprudelnden Enthusiasmus und mit einem skeptischen Blick in unsere Richtung. Wieder klingt ein Handy und diesmal ist es nichts Jeffs. Kain zieht es aus der Hosentasche, wirft einen kurzen Blick aufs Display und seufzt. „Ich muss nochmal los. Bis gleich!", sagt er und ist schnellen Schrittes verschwunden. Der Blonde und ich bleiben zurück. „Was war das gerade?", fragt mein Mitbewohner nach einem Moment des Schweigens neugierig. Ich schließe die Augen und murre. Ich weiß, dass er nicht Kains plötzlichen Abgang meint und ebenso weiß ich, dass ich diesmal nicht mit einem Schulterzucken davonkomme. „Kain nervt... wie immer.", antworte ich lediglich und finde, dass das muss als Erklärung reichen muss. Es ist zutreffend, dementsprechend sehe ich ihn unverwandt und ernst an. Jeff schluckt den Happen nur widerwillig. Als Strafe beginnt er erneut von ihrem romantischen Abend zu erzählen. Er erklärt mir in einem Nebensatz, dass er auch heute seinem Bett fern bleibt und ich verspüre eine eigenartige Unzufriedenheit. Ich habe mich wohl doch mehr an Jeffs dauernde Anwesenheit gewöhnt, als gut für mich ist. Wir trennen uns erst als Abel endlich auftaucht und sie gemeinsam in die Mensa verschwinden. Ich bringe die letzten beiden Vorlesungen hinter mich und erwische einen relativ trockenen Augenblick um am Abend ins Wohnheim zurückzukehren. Micha drückt mir im Vorübergehen zwei Briefe in die Hand ohne sein Telefongespräch zu unterbrechen. Ich danke ihm gestisch, weil auch ich durch meine Kopfhörer akustisch eingeschränkt bin und nichts daran ändern will. Ich verfrachte die Briefe in meinen Rucksack und nutze den hinteren Treppenaufgang um in den oberen Stock zu kommen. „Hey!.... Robin..." Mein Name wird lauter hinterher gerufen als ich auf das unspezifische Hey nicht reagiere. Im Grunde höre ich es auch nur, weil gerade ein eher langsames Lied gespielt wird. 'Patience' von Take That. Kain steht mit verschränkten Armen im Türrahmen zur Teeküche und winkt mich mit einem Finger an sich heran als ich endlich reagiere. 'Just try, and have a little patience'. Der Song ist, wie eine musikalische Ermahnung an meine Selbstbeherrschung. Mir entflieht ein feines Seufzen, verursacht durch die gewohnte zur Schaustellung meines Widerwillens. Was kommt nun schon wieder? Seine Anwesenheit verursacht ein zwiespältiges Gefühl in mir. Mein Körper reagiert mit all diesen kleinen verräterischen Reaktionen. Schaudern. Kitzeln. Prickeln. Ich hasse ihn. Mein Verstand wehrt sich energisch. Die Kopfhörer nehme ich erst ab, als er mich gestisch daraufhin weist und das, auch erst nachdem er beim dritten Mal endlich das genervte Gesicht macht, was ich provozieren wollte. Der letzte Rest des Liedes ertönt. 'So while I'm still healing, Just try and have a little... Patience'. Erst jetzt fällt mir auf, dass er etwas in den Händen hält. Es ist eine Flasche mit milchiggelber Flüssigkeit, die mich fragend eine Augenbraue heben lässt. Kain hebt die Flasche kurz an, schüttelt sie und lässt sie direkt wieder sinken. Das Glas trifft auf das Metall seiner Gürtelschnalle. Ich folge dem Geräusch mit den Augen. Das Batmanemblem. Bezeichnend. Ich stehe mehr auf die vielen kleinen Helfershelfer. Klischeehaft? Egal. „Mein Papa hat gesagt, ich darf keine Getränke von fremden Männern annehmen", kommentiere ich anlässlich Jeffs mehrmaliger Hinweise für das sicherheitsbewusste Verhalten bei öffentlichen Veranstaltungen. Ich sehe mit Begeisterung, wie Kains Gesichtsausdruck entgleist und er klein wenig zusammenfällt. Er wird aber viel zu schnell wieder frech. „Gut zu wissen, dass du ein braver Junge bist. Und gut für mich, dass das nichts zu trinken ist. Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn." Meine Verwirrung nimmt keinen Abbruch. Hat mich gerade gegoodboyt? Wieder schüttelt er die Flasche und behält sie diesmal in Sichthöhe. „Na, neugierig?" „Verwirrt.", gestehe ich und nehme ihm die Flasche aus der Hand. Vorher dreht er das Etikett nach vorn und ich kann endlich lesen, was sich darin befindet. Vanillesoße. Kain tritt zur Seite und deutet in die kleine Teeküche. Einer der zwei Tische ist gedeckt. Drei Teller. Zwei leere und ein Abgedeckter. Zwei kleine Schüsseln mit roter und grüner Masse. Daneben eine riesige Plastikschüssel mit Nachos. Kain geht auf den Tisch zu und nimmt die Abdeckung vom dritten Teller. Es beginnt zu dampfen. Nun bin ich wirklich neugierig. „Fischstäbchen mit Vanillesoße und Nachos?", erfrage ich, nachdem ich alles halbwegs analysiert habe. Ein Hoch auf Fusionsküche. Allerdings ist mir nicht ganz klar an welchen Länderküchen er sich genau bedient hat. Noch dazu lässt mich die Kombination eher an den von Jeff verursachten Fisch-Pudding-Eklat denken. Ich leide immer noch. „Meine Variante von Fish and Chips mit Salsa und Guacamole.", erklärt er ruhig, "Und die Fischstäbchen waren das Einzige, was der Foodstore zu bieten hatte, ohne, dass ich uns an den Nachwirkungen einer Lebensmittelvergiftung krepieren sah. Die Soße ist für den Nachtisch." Kain stellt die Flasche auf dem Tisch ab und lässt sich auf einem Stuhl nieder ohne mich ein weiteres Mal aufzufordern ebenfalls Platz zunehmen. Ich resümiere. Mexican-britisch. Wenigstens hat er eines der wenigen britischen Gerichte heraus gepickt, die ich mag. Im Gegensatz zu Jeff bin ich nämlich kein großer Fan der englischen Kultur. Schon gar nicht vom Essen. „Warum?", frage ich nach dem Grund für seine Bemühungen, da es für mich keinerlei Sinn macht. Was verspricht er sich davon? „Ich hatte die Wahl zwischen Fischstäbchen und chemisch aussehendem Schnitzel und wie gesagt, ich hatte das wir beide ohne Lebensmittelvergiftung besser dran sind. Außerdem mag ich mexikanisches Essen. Fiesta!!", gibt er erklärend von sich und steckt sich ein Stück Fischstäbchenpanade in den Mund, das er vorher in die rote Chilisoße tunkt. Es fehlt nur noch der überdimensionale Sombrero. „Nein, das meine ich nicht...Was soll das Ganze?" Kain stoppt zunächst das Kauen und schließt kurz die Augen als er versteht, was ich meinte. „Okay. Also... richtig mit mir Essengehen willst du nicht, da dachte ich, ich probiere es so. Außerdem, für den Fall aller Fälle gibt es in diesem Haus genügend andere, die gern mit mir hier sitzen würden, sodass es nicht ganz so bescheuert aussieht, wenn du mich hängen lässt." Genügend andere? Das glaube ich ungesehen. Kain gehört zu der Sorte, die immer ein Hintertürchen offen haben. Es ernüchtert mich mehr als mir lieb ist. Er lehnt sich zurück, öffnet mit einer schnellen Bewegung seine Strickjacke und sieht mich unverwandt an. Er trägt schon wieder die Jacke mit dem diagonalen Reißverschluss. Ich mache keine Anstalten zu ihm zu gehen. „Na komm, ein Essen mit mir wird dich nicht umbringen..." Wenn die herbeigesehnte Flutwelle endlich kommt würde, dann schon. Als ich noch immer zögere schleicht sich Enttäuschung in Kains Blick und ich reagiere unbewusst, in dem ich einen Schritt nach vorn mache. Verdammt. „Wehe, du kippst die Vanillesoße über die Fischstäbchen", warne ich und sehe tatsächlich, wie sich Kain sichtbar entspannt. „Das hat dich wirklich traumatisiert, oder?" „Ich will nicht drüber reden...", kontere ich. Amüsiert grinsend greift Kain unter den Tisch und zieht zwei Flaschen Bier hervor. Er beginnt damit sich Essen auf den Teller zu schaufeln ohne länger darauf zu warten, dass ich meinen gigantischen Schatten überwinde. Kain lädt sich eine Handvoll Nachos auf den Teller. Daneben legt er zwei Fischstäbchen und verteilt großzügig die beiden Dips darauf. Die Restlichen reicht er mir. Ich seufze, ehe ich mich setze und den Stuhl dichter an den Tisch ziehe. Ich schubse drei Fischstäbchen auf meinen Teller und betrachte die Guacamole etwas genauer. Giftgrünen Essen stehe ich skeptisch gegenüber. „Erzähl mir von deinem Vortrag?", startet Kain das Gespräch. Nun sind wir wieder beim Schiffe versenken und er landet prompt einen Treffer. „Ich hab es überlebt..." Mehr muss er nicht wissen. So weit kommt es noch, dass ich ihm erzähle, dass ich entsetzlich baden gegangen bin. „Dir ist klar, dass ich etwa die Hälfte der Leute aus deinem Studiengang kenne? Ich erfahre es sowieso..." „Na dann kann ich mir die Mühe ja sparen", unterbreche ich ihn. Zweiter Treffer. Autsch. Kain seufzt. Ich greife missmutig nach der Bierflasche und taste in meiner Hose nach meinem Feuerzeug. Kains intensivem Blick weiche ich damit gekonnt aus. Kein Feuer zu finden. Ein weiteres Mal durchsuche ich meine scheinbar unergründlichen Taschen. Nichts. Das heilbringende Wunder der Gebrauchstechnik liegt nutzlos in meiner Jackentasche. Und diese in meinem Zimmer. Kain sieht mir dabei zu, wie ich entmutigt meinen Körper abklopfe und reicht mir seinen Schüsselbund, an dem sich ein Flaschenöffner befindet. Wahrlich studentenhaft. Ich werfe einen zweiten Blick auf den Bund. Neben einer Unmenge an Schlüsseln befindet sich auch ein Anhänger daran. Ein schwarzes Oval mit einer weißen Feder darin. Irgendein Teamsportlogo. Fußball? Vielleicht Football? Das würde eher zu ihm passen. Ich öffne das Bier und gebe ihm den Schlüsselbund zurück. Warum er so viele Schlüssel besitzt erfrage ich nicht. Ich nehme einen ersten Schluck des Getränks und weiß wieder genau, warum ich kein Fan vom Malzgebräu bin. Trotzdem trinke ich weiter. Es wird nicht besser. Ich stelle es zur Seite und wende mich einen Maischip zu, den ich probehalber in die grüne Paste tunke. Ich habe keine Vorstellung, wie Avocado schmecken muss. Doch das, was ich koste, gefällt mir ganz gut. Die Guacamole ist angenehm aromatisch, nussig mit leichter Säure, sowie feiner Schärfe. Ich mag das Kribbeln, welches sie auf meiner Zunge hinterlässt. Kain sieht mir dabei zu und knabbert nebenbei ebenfalls ein paar der Nachos. Er scheint in seinen eigenen Gedanken versunken und ich beginne die unaufgeregte Ruhe fast zu genießen. „Lass uns einen Deal machen...", sagt Kain plötzlich, nimmt einen Schluck aus seiner eigenen Flasche Bier und stellt sie in die Mitte des Tisches. Ein Deal? Was kommt jetzt? Ich lehne mich abwartend zurück und lasse ihn fortfahren. „Du erzählst mir von deinem Vortrag und dafür bekommst du..." Kain zerrt sein Portmonee aus der Hosentasche. Anscheinend ist es neu und ziemlich leer. Er holt mehrere der Kartenattrappen hervor und zählt sie durch. „Wie passend... es sind genau sechs..." Er spricht es, wie den Beischlaf aus und grinst. „...Time-Out-Karten von mir." Kain zieht seinen Rucksack unter dem Tisch hervor und kramt einen schwarzen Edding heraus. Auf die Karten kritzelt er jeweils eine der Zahlen von 1 bis 6 und schiebt sie mir zu. Ich sehe auf den übermalten Mustermann und verstehe noch immer nicht genau. „Es funktioniert, wie folgt. Ein Karte ist ein Time-out von mir. Du kannst sie jeder Zeit einsetzen und ich garantiere dir, dass ich dich in Ruhe lasse.", erklärt er mir überzeugt. Misstrauisch blicke ich ihm entgegen. Wo ist der Haken? Es gibt immer einen und meistens ist dieser untragbar. „Aber, dafür musst du mir eine persönliche Frage beantworte und du musst ehrlich sein." Wie erwartet. Untragbar. „Dein Ernst?" „Hör zu, ich gehe davon aus, dass die Beziehung zwischen Jeff und Abel noch eine Weile hält. Du nennst dich Jeffs Freund und ich bin ein schrecklich geselliger Typ. Wir werden also, ob du es willst oder nicht, weiterhin aufeinander treffen." Ich sehne mich schon wieder nach einer alles zerstörenden Flutwelle. Ob das noch gesund ist? „Die Karten habe ich nach drei Tagen aufgebraucht", gebe ich zu bedenken. Ich greife nach der Schüssel mit Chips, schiebe mir ein paar der Dreiecke und etwas Salsas auf den Teller, die ich mit Guacamole strecke. „Na dann, solltest du dir gut überlegen, wann es sich lohnt eine Karte auszuspielen." „Und was bezweckst du damit?", frage ich bevor ich mir einen weiteren rot-grün gefärbten Nacho in den Mund stecke. Kain lehnt sich verdächtig nach vorn, verschränkt seine Finger ineinander und sieht mich erneut mit diesem intensiven Blick an. Er macht mich ganz kribbelig. "Ich weiß, dass du der Typ bist, der Rückzugsmöglichkeiten braucht und die sollst du haben. Allerdings möchte ich auch, dass du mir etwas entgegen kommst und dich wenigstens ein bisschen bemühst.", erklärt er. Ich schnaube als Antwort. „Du traust wirklich niemanden und vermutest hinter allem eine Böswilligkeit, oder?" Richtig. „Ich vermute bei solchen Aktionen stets einen zutreffenden Anschlag auf meine Nerven. Und du bist es, der ständig mit mir diskutiert." Ich schiebe ihm mit dem Zeigefinger die Karte wieder zu. „Ja ja, und weil du dir dieses bestimmte Bild von mir aufgebaut hast, werde ich alles daran setzen dem zu entsprechen. Du willst mein Friedensdeal nicht? Gut, dann nerve ich dich ab sofort in Grund und Boden." Was ich ihm auch ungesehen glaube. Soviel zum Thema ernst und normal miteinander reden. Anscheinend gehört das nicht zu unseren Qualitäten. „Herrje, Robin, gib mir doch einfach eine Chance.", ergänzt er weniger stichelnd. Er lehnt sich ermattet zurück und nimmt auf halbem Weg seine Flasche wieder mit. Ich schaue zu den Karten und verstehe es noch immer nicht vollkommen. „Du brauchst dich nicht mit mir gutstellen, nur weil dein Mitbewohner meinen fickt und das noch eine Weile tun wird. Für den Sex brauchen wir das auch nicht. Also, wozu soll das gut sein?" Kains eigenwilliges Bedürfnis, jedem zugefallen, ist wirklich lästig. „Die Welt besteht nicht nur aus bösen, gefühlsgeladenen Menschen, die nichts Besseres zu tun haben, als dir ununterbrochen mit ihren lästigen Liebesproblemen auf den Wecker zu gehen. Du willst deinen Spaß ohne weitere Bedingungen. Gut, bei mir ist es dasselbe und ich verspreche dir, dass du dir keine Gedanken darüber machen musst, dass ich dich mit irgendwelchem Gefühlskram belaste. Ich habe selbst genug davon und keinen Bock drauf. Trotzdem sollten wir außerhalb dessen miteinander klarkommen." Damit beugt sich Kain nach vorn, legt seinen Zeigefinger auf die Karten und schiebt sie mir wieder entgegen. „Das ist mein Angebot, denk darüber nach.", beendet er damit das Thema und widmet sich wieder seinen Fischstäbchen. Er hat im Grunde Recht, auch wenn ich nicht das Gefühl habe, das sowas nötig ist. Ich bin immer noch misstrauisch, greife statt zu den Karten nur nach einem Nacho und dippe ihn in die scharfe Salsasoße. Das lockere Arrangement mit dem rothaarigen Ungetüm scheint wohl nicht so fluffig, wie er es gern hätte. In meinem Kopf entsteht ein höhnisches Lachen. Aber was erwartet er auch, wenn er mit einer Ex anbandelt. „Ärger im Drachenland?", frage ich, nachdem das Gelächter in meinem Kopf zu einem Flüstern geworden ist und sehe mit Vergnügen dabei zu, wie mein Gegenüber einen Moment braucht um meine Worte zu verarbeiten. „Was würde ich dafür geben, ein echter Drachentöter zu sein...", springt er auf den Zug auf. Wir lachen beide und essen für einen Moment schweigend weiter. Ich weiß noch immer nicht so recht, was ich von der Kartengeschichte halten soll. Denn ich denke nicht, dass es irgendwas ändert oder hilfreich ist. Aber es schadet auch nicht. Wie schlimm kann es schon werden? "Kann ich auch Karten zurückbekommen?", frage ich. "Sicher.", erwidert er ruhig und sieht nicht mal auf. Ehe wir es spezifizieren können, dringen leise Stimmen aus dem Flur zu uns. Es folgt Gelächter. Kichern. Es wird lauter und dann geht die Tür auf. Ich wende mich erst um, als eine weibliche Stimme ertönt. „Hoppla..." Sina und Kati stehen in knappen Shorts und einfachen Spaghettitops in der Tür. Beide scheinen quietschvergnügt und nur einen Sekundenbruchteil lang wirklich erschrocken. Kati lehnt sich über die Schulter der kleineren Blondine und späht in den Raum. Ihre Wangen schmiegen sich aneinander und sie wirken noch etwas mehr, wie ungleiche siamesische Zwillinge. In ihren Händen halten sie riesige Tassen. „Hey, Jungs...", flötet Kati begrüßend. Ich nehme einen Schluck aus der Bierflasche und schlage die Beine übereinander. Genauso wie Kain. Trotz augenscheinlicher Schlafbekleidung sind beide Frauen perfekt geschminkt und definitiv frisiert. Ich bin mir fast sicher, dass ich sie noch nie ohne Kleister im Gesicht gesehen habe. Vermutlich sehen sie ohne aus, wie Gespenster. Selbst, wenn sie aus der Dusche kommen, sind sie perfekt geschminkt. Ist das normal? Ich renne des Öfteren zombieartig durch die Flure und bin mir sicher, dass mir in diesen Momenten alle entgegenkommenden Personen angsterfüllt ausweichen, um nicht gebissen zu werden. Vielleicht sollte ich mal zuschnappen. Die abschreckende Wirkung einer solchen Attacke wäre sicher von Dauer. „Sina. Kati.", begrüß Kain sie und klingt eigenartig reserviert. „Gibt es noch Einladungen zu eurer Privatparty?", fragt Sina lächelnd, sieht auf das Essen und zieht sich dabei schon einen der leeren Stühle heran. Beim Hinsetzen schlagen sich ihre schlanken Beine übereinander, während Kati die Tassen auf die Anrichte schiebt und den Wasserkocher anstellt. Sina blickt neugierig zu den Kartenattrappen und sie greift danach. Ihr lackierter Fingernagel streicht über die schwarze Sechs der obersten Karte. „Was spielt ihr? Eine sehr simple Version von MauMau. Schwarzer Peter. 6 Gewinnt.", zählt sie auf und auch sie formuliert die Zahl in besonderer Weise. Ich bin umgeben von Spaßleichen. Nach jedem Vorschlag folgt ein helles Kichern. Auch Kati lächelt amüsiert und ihr Gekicher wird nur durch das leise Zischen des Wasserskochers durchbrochen. „Wir hätten Pokerkarten und Chips in unserem Zimmer... Oh, Vanillesoße." Sinas manikürten Finger greife nach der Flasche, mit der mich Kain in die Küche gelockt hat. Diesmal kann ich mir ein Seufzen nicht mehr verkneifen. Klischees ohne Ende. Ich bete schon wieder zu Neptun. Meinetwegen auch Poseidon oder Agwe. Ohne zu fragen, öffnet Sina die Flasche mit einem leisen Plopp und lässt ihren Finger geschwind im Hals verschwinden. Nun richtet sich Kain auf. Noch bevor sie die vanilligen Flüssigkeit kosten kann, nimmt er ihr die Flasche weg. Das Wasser beginnt zu kochen. „Man spielt nicht mit dem Essen anderer Leute. Hat man dir das nicht beigebracht?", blufft Kain und stellt die Flasche auf die andere Seite des Tisches. Unwillkürlich denke ich an Kains Bemerkung zum Thema Nachtisch durch meinen Kopf. Was Kain wohl als Dessert geplant hat? Der Gedanke an seinen warmen Körper und das Gefühl seiner Muskeln unter meinen Fingern lässt mich kurz erschaudern. Ich nehme einen kräftigen Schluck vom Bier und bin erleichtert, als die Herbe das ausbrechende Prickeln dämpft. „Warum so empfindlich? Das kenn ich von dir gar nicht und Merena erzählt auch ganz andere Geschichten." Die Blondine leckt sich die Süße vom Finger und dann mit einem Blick zu mir, über die Lippen. Ihr nackter Fuß tippt gegen meine Wade, während sie sich etwas besser auf dem Stuhl positioniert. Sinas blaue Augen mustern mich. Doch ich erwidere ihren Blick nur gelangweilt. Zum einen weil ich damit beschäftigt bin, meine Mimik neutral zu halten und zum anderen, weil ich mit den Avancen der Blondine nichts anfangen kann. Der Wasserkocher verstummt und es tönt ein leises Klick. „Habt ihr nichts anderes zu tun?", fragt Kain, mustert aber unverhohlen die beiden schlanken Frauenkörper. Abwechselnd. Ausführlich. Genau das, was sie wollen. Seine Augen bleiben bei Katis Oberweite hängen. Durch den dünnen Stoff drücken sich deutlich ihre Brustwarzen. Auf ihren Oberschenkel bildet sich Gänsehaut, die durch unsere Blicke nur noch deutlicher zu werden scheint. „Nicht wirklich?", erwidert Kati kichernd, streicht sich über den Unterarm und wendet uns den Rücken und ihren spärlich bedeckten Hintern zu. Sie gießt den Tee auf. Ein Kräutertee. Der Geruch von Brennnessel und Melisse erfüllt den Raum. Ich habe genug. Ein letztes Mal setze ich die Flasche Bier an und leere den Rest in einem Zug. „Ihr seid trauriger als jedes Klischee. Schönen Abend noch..." Glas trifft auf Furnier. Ich richte mich auf und verlasse die Teeküche in Richtung Zimmer. „Charmant, wie eh und je.", ruft er mir zu. Kain folgt mir und holt mich ein, bevor ich den Türcode eingeben kann. „Verklag mich..." Er weiß genau, dass ich damit Recht habe. „Robin, warte." Keine Chance. Ich tippe ungesehen den Code auf das Touchpad unseres Schlosses, schlüpfe ins Zimmer und bleibe doch direkt bei der Tür stehen. Der Biotechnologe bleibt davor stehen und drückt sie weiter auf. Er schaut mich direkt an und hebt die geöffnete Flasche Vanillesoße in mein Blickfeld. „Kein Nachtisch?", raunt er mir entgegen. Wieder ist es nur ein Gedankenfetzen, ein Hauch, der sich in meinem Kopf ausbreitet und mit einem Mal alles überschwemmt. Er wird lauter und lauter bis er nur noch ein verlangendes Schreien ist. Mein Herz pumpt heiß und heftig. Bevor sich der Schwarzhaarigen abwenden kann, greife ich nach seinem Shirt. Er sieht erst auf meine Hand und dann wieder auf. Es ist wie ein Blitzen, als er begreift, was meine Reaktion bedeutet. Mit beiden Hände stützt er sich am Türrahmen ab, baut sich vor mir auf und ich spüre einen feinen, kitzelnden Schauer, der mir durch den Leib jagt, wie ein hochexplosives Gewitter. „So, so...", setzt er an. Ich greife tiefer und umfasse seine Gürtelschnalle. Kühles Metall trifft auf erhitzten Fingerkuppen und die Erregung breitet sich in mir aus, wie eine unaufhaltsame Flut. Ohne weiteren Widerstand lässt sich Kain ins Zimmer ziehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)