Den Ärger wert von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 14: Aufräumarbeiten --------------------------- Sasuke Naruto hatte gesagt, die Playlist eines Menschen verrate viel über diesen. Ich fragte mich, was für Musik er nach unserem Gespräch hören würde. Vielleicht wären es erleichterte Klänge, die von neu gewonnener Freiheit erzählen. Vielleicht wütende Bässe, die gerechten Zorn ausdrückten. Vielleicht würde er die Musik aus lassen, weil er nicht von fremden Sängern erzählt bekommen wollte, was er sowieso, mit oder ohne sie, fühlte. Das hoffte ich zumindest für ihn, obwohl ich es besser wusste. Er würde seine Lieblingssänger sich die Seele aus dem Leib weinen lassen. Und vermutlich würde er dasselbe tun. Dazu war er nicht zu stolz, er hatte sogar bei der Geburt des Babys seiner Freunde geheult. Ich wünschte, ich könnte ihn auch vor Freude weinen lassen. Ich steckte mir die Kopfhörer in die Ohren, ließ die Lieder zufällig laufen und verließ mit dem Soundtrack meiner eigenen Taten das Haus. Naruto » Samstag um drei im Bücherkaffee.« Tsunade hatte Recht mit ihrer Meinung, dass diese Nachricht eher wie eine Einladung vors Gericht klang denn wie ein Friedensangebot. Doch ich hatte sowieso nie mit einer Entschuldigung von Sasuke gerechnet. Damals, als sie den Kontakt zum ersten Mal abgebrochen hatte, war mir ihre Entscheidung genauso willkürlich vorgekommen wie ihre jetzige, aber ich hatte gelernt, dass sie einen Grund gehabt hatte. Den hatte sie bestimmt auch für die letzten drei Wochen, in denen wir nicht gesprochen hatten. Als ich aufgewacht war und sah, wie sie weglaufen wollte, hatte ich alles auf ein Mal gefühlt; Wut, Angst, Trauer, Verständnislosigkeit, Hoffnung auf eine Erklärung. Und Mitleid. So viel Mitleid wie ein Mensch überhaupt empfinden konnte, Mitleid dafür, dass sie sich nach Zuneigung sehnte und zugleich aus irgendeinem Grund weglief, sobald ihr tatsächlich Liebe zuteilwurde. In der Nacht hatte ich mir zusammengereimt, dass ihr irgendetwas Schlimmes passiert sein musste, und am Morgen schien dieses Bild nur umso klarer. Was immer es war, ich wollte sie davor beschützen, und es frustrierte mich, dass ich es nicht konnte, weil sie es in sich einschloss. Danach hatte ich sie dutzende Male angerufen, ihr hunderte Male geschrieben und ihre Freunde kontaktiert, aber Suigetsu, Karin und Juugo ignorierten mich genauso wie Sasuke selbst. Ich fragte mich, was sie ihnen erzählt hatte. Kyûbi hatte es nicht gut gefunden, dass ich ihr so nachlief und sie derart anbettelte. Irgendetwas war zwischen den beiden vorgefallen, von dem sie mir nicht erzählten. Mein bester Freund sprach zwar trotz allem nicht schlecht über, aber er sagte, sie müsse auf mich zukommen, wenn sie reden wollte, und nachdem sie mich so verarscht hatte, hätte sie nicht mal diese Möglichkeit verdient. Er verstand einfach nicht. Sie hatte nicht mit mir gespielt, sondern wirklich versucht, sich auf mich einzulassen, nur war sie daran gescheitert. Sasuke hatte Angst, das hatte ich bei jeder Berührung gespürt, und es hatte mir das Herz zerrissen. Wenn ich sie jetzt sehen und in die Arme nehmen könnte, wäre das alles, was ich wollte. Ich erwartete gar keine Beziehung oder Versprechungen oder auch nur eine Erklärung. Ich wollte nur für sie da sein. Meine Familie und Freunde kannten Sasuke nicht wie ich, und sie waren in der Nacht nicht dabei gewesen. Daher klang das alles für sie, als habe Sasuke Angst gehabt, meine „Hörigkeit“ zu verlieren, und mich geküsst, um mich bei der Stange zu halten. Als ich angebissen hatte, hatte sie mich fallengelassen, und jetzt ließ sie mich eine Weile schmoren, um sich interessant zu halten. Das hatte ja beim ersten Mal schon so hervorragend geklappt. Es war Sakura gewesen, die diese Theorie entwarf, und wir hatten uns heftig darüber gestritten: Sasuke war nicht so eine, das wusste ich einfach, und ich würde nicht zulassen, dass jemand schlecht über sie sprach. Der Rest meiner Freunde war vorsichtiger in ihrer Wortwahl, aber sie hatten in vorsichtigerer Wortwahl ähnliche Bedenken geäußert. Ich ignorierte sie alle, als ich am Samstag zum Treffpunkt kam. Sasukes Verehrer, der Kellner, war inzwischen wieder solo, sagte mir aber bereitwillig, dass ich seine Lieblingskundin im ersten Stock finden würde. Das war wohl kein gutes Zeichen. Er fragte nach einer Bestellung, doch ich schüttelte den Kopf und ging hoch. Ausnahmsweise saß Sasuke vor dem hohen Milchglasfenster und blickte auf die Schemen, die man von hier von der Außenwelt sehen konnte. Ich sah sie kurz nur an bevor ich mich zu ihr setzte. „Hi“, begrüßte ich sie knapp. Sie nickte noch knapper. Ich lehnte mich zurück und wartete. Dieses Treffen hatte sie anberaumt. Dabei hatte sie sich wohl etwas gedacht, und ich wollte endlich wissen, was das war. Im letzten knappen Monat hatte ich schon genug darüber gerätselt, jetzt wollte ich die richtige Antwort. Irgendwann merkte sie, dass von mir kein Einlenken kommen würde, und sie rutschte unbehaglich auf ihrem Sessel herum. „Was ich gemacht habe…“, fing sie schließlich an, aber ich unterbrach sie. „Was meinst du?“ Wütend presste sie die Lippen aufeinander, sodass diese noch schmaler wirkten. Aber dieses eine Mal spielten wir nach meinen Regeln. „Dass ich… Dich geküsst habe“, explizierte Sasuke wiederwillig. „Das… Hätte nicht passieren sollen.“ „Irgendwie habe ich schon vermutet, dass du so denkst, nachdem du aus meinem Haus geflohen bist“, spöttelte ich, bevor ich wieder ernst wurde. Ernst, und traurig. „Wieso?“ Man merkte ihr an, dass sie dieses Gespräch nicht führen wollte, und ich rechnete es ihr hoch an, dass sie es trotzdem versuchte. „Ich weiß, dass du mich magst…“ „Ein weiterer Beweis für deine Intelligenz.“ “Genug.” Sasuke sah mich kalt an bis ich nickte, und holte dann tief Luft. “Ich bin mir dessen bewusst, und es war nicht meine Absicht, dich zu verletzen.” Ich weiß, dachte ich, aber diesmal hielt ich den Mund. Ich machte es ihr nicht zum Vorwurf, immerhin war sie betrunken gewesen. Außerdem verstand ich viel weniger, warum sie jetzt zurückruderte als den Kuss an sich. Am liebsten hätte ich sie geschüttelt bis sie mir endlich alles erzählte, doch stattdessen hörte ich nur weiter zu. „Es ist nicht so, dass ich… Ich kann das einfach nicht, Naruto“, änderte sie ihre Wortwahl im letzten Moment. „Du stellst dir etwas vor, dass ich dir nicht geben kann, und vielleicht sogar mit jemandem, der ich nicht bin.“ „Willst du damit sagen, ich würde dich nicht kennen?“, fragte ich getroffen. Natürlich kannten wir uns noch nicht so lange wie andere Freunde, aber unsere Beziehung war schnell – Vielleicht zu schnell – Sehr tiefgehend geworden. Mir war bewusst, dass Sasuke mir nicht alles über sich sagte, aber ich bildete mir ein, sie trotzdem zu verstehen und dass sie mir vertraute. Und all das sollte genau das sein; eine Einbildung? „Besser als andere“, lenkte Sasuke ein, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Aber darum geht es nicht. Ich kann einfach nicht… Diese Nähe, ich…“ Es tat mir körperlich weh, sie so hilflos zu sehen, aber ich wusste nicht, wie ich ihr helfen sollte, wenn sie mich nicht an sich ranließ. Ich konnte sie nicht vor etwas beschützen, das ich nicht kannte. „Wir müssen uns nicht näher sein als jetzt. Ich verlange nicht von dir, dass wir so weiter machen wie in der Nacht, oder?“, führte ich Sasuke vor Augen, die das wohl erwartet hatte, so überrascht, wie sie mich gerade ansah. Ich legte die Ellbogen auf die Knie, lehnte mich näher zu ihr. „Klar, im ersten Moment hatte ich gehofft… Aber wenn du nicht kannst, ist das ok. Ich will nur, dass du glücklich bist. Wir können nur Freunde sein, wenn es das ist, was du möchtest.“ Ich lächelte, doch Sasukes Gesichtsausdruck wischte das schnell von meinen Lippen. Ich wusste, was sie sagen würde, noch bevor sie den Kopf schüttelte, und mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. „Ich glaube nicht, dass wir das können.“ „Nein…“ „Wir können das nicht so weiter laufen lassen wie bisher.“ “Sasuke, nein.” “Du hast gesagt, du könntest mich nur als Freundin sehen, aber das kannst du nicht, und wenn ich ständig vor dir rumlaufe, wird sich das nicht ändern. Ich… Möchte dich nicht verletzen.“ „Dann sag das jetzt nicht. Bitte…“, bettelte ich, aber es half nichts. Kopfschüttelnd unterbrach sie mich. “Es geht auch nicht nur um dich. Es gibt Dinge, die ich klären muss, bevor ich an etwas anderes denke, sonst fressen sie irgendwann alles auf, wofür ich gearbeitet habe. Du hast Recht. Ich muss mich auf mich und meine Ziele konzentrieren. Alleine.“ Ich konnte nicht fassen, dass sie mir ein Mal Recht gab, nur, um dieses Argument zu nutzen, um mich zu verlassen. In meinem Kopf herrschte Chaos und mir war plötzlich schwindelig. Nein, dachte ich immer wieder, neinneinneinneinnein. „Da-Dann lass mich dir helfen, diese Dinge zu klären. Klingt nach viel Arbeit. Wir können…“ „Kein ´wir`, Naruto. Ich”, beharrte sie, doch dann fuhr sie sich seufzend durch die Haare. „Es liegt wirklich nicht an dir. Du bist…“ Sie sah mich an mit Augen, die mehr an Regenwolken erinnerten denn an Onix. Ich wusste, dass sie etwas anderes sagen wollte, doch erneut änderte sie die Worte in letzter Sekunde. „Du bist nicht schuld.“ „Dann sag mir, was Schuld ist.“ Ich streckte die Hand über den Tisch, gleichzeitig Hilfe suchend und –anbietend. Sie ergriff sie nicht. „Ich kann mich nicht immer auf andere verlassen. Ich weiß, dass du es nur gut meinst, aber ich kann nicht die eine Abhängigkeit für eine andere austauschen.“ „Von wem bist du abhängig?“, fragte ich alarmiert. Mein Arm lag auf dem Tisch zwischen uns wie ein toter Ast. „Was hast du vor, Sasuke?“ Sie sah wieder auf das Milchglasfenster, dann nahm sie ihre Tasche und stand auf. „Ich weiß es noch nicht. Aber du musst mir versprechen, dass du mir diesmal nicht nachläufst. Keine SMS, keine Anfragen bei meinen Freunden, keine ´zufälligen` Begegnungen. Ich möchte, dass du verstehst, dass ich das alleine tun muss.“ „Es wäre einfacher, es zu verstehen, wenn du mir sagen würdest, worum du gehst“, erwiderte ich trotzig. „Du wirst meine Entscheidung akzeptieren, und ich werde mich nicht dafür rechtfertigen. Darauf hast du kein Recht“, stellte sie klar, und damit hatte sie natürlich Recht. Ich hatte einfach nur angenommen, dass sie mich in ihre Pläne einweihen wollte, und dass ich mich in dieser Hinsicht geirrt hatte, schmerzte immens. Sasuke legte jetzt doch die Hand auf meine und ich spürte, wie kalt ihre Haut war. Auch sah sie noch dünner aus als bei unserem letzten Treffen. Und da sollte ich sie einfach ziehen lassen? „Vertrau mir. Du kannst das doch… Vertrauen, meine ich“, verlangte sie leise, woraufhin ich langsam nickte. Ich vertraute ihr, und wenn sie sagte, dass sie was auch immer alleine regeln musste, dann war das so. Kurz drückte Sasuke meine Hand fester, ehe sie losließ. Die Stelle, die sie berührt hatte, blieb kalt. „Also… war´s das jetzt?“ Ich stand auf und wir gingen Richtung Treppe, denn sie hatte alles gesagt und was ich zu sagen hatte, zählte scheinbar nicht. „Wir werden uns nie wieder sehen?“ „Doch“, sagte sie etwas zu schnell, korrigierte sich aber sofort wieder: „Ich weiß nicht…” „Toll“, schnappte ich, als ich ihr die Tür aufhielt. Kurz zögerte ich, dann nahm ich sie fest in den Arm, und zu meiner Verwunderung legte sie ihrerseits die Arme um mich. Zum ersten Mal zuckte sie nicht vor der Berührung weg, und es tat nur umso mehr weh, zu wissen, dass sie mich eigentlich genauso wenig gehen lassen wollte wie ich sie. „Versprich mir, zurück zu kommen.“ Als sie nichts sagte, drückte ich sie fester an mich. „Dann pass wenigstens auf dich auf.“ „Ja.“ „Ich hätte dir bei allem geholfen. Sogar, wenn du eine Leiche zu vergraben hättest oder sowas.“ Sasuke lachte halblaut und grub die Finger in mein Shirt als hoffte ein Teil von ihr, ich würde sie einfach nie wieder loslassen. Ein Teil von mir hätte das gerne getan, aber der größere Teil akzeptierte ihre Entscheidung und Eigenständigkeit, so weh es tat. „Ich weiß…“, flüsterte sie. „Beeil dich mit was auch immer du tust“, bat ich und löste mich von ihr. „Das werde ich. Aber du darfst nicht auf mich warten.“ Als sie den Wiederwillen in meinen Augen sah, seufzte sie. „Bitte. Ich weiß nicht, wie lange ich brauchen werde, und ich möchte… Warte einfach nicht auf mich.” “Du verlangst heute ganz schön viel von mir.” “Sieh es als Abschiedsgeschenk für mich.” „Und was willst du dann als Wiedersehensgeschenk?“, fragte ich spöttisch. „Die Weltherrschaft?“ Sasuke lächelte ihr seltenes Lächeln. „Mindestens… Mach´s gut, Naruto.“ „Bis bald, Sasuke“, erwiderte ich trotzig. Sie wandte sich ab und ich wusste nicht, ob das letzte, das ich von ihr sehen würde, war, wie ihr Haarschopf in der Menge verschwand. Sasuke Naruto war der einzige, den ich mit einem eigenen Bild und Klingelton (´Never let me go` von Florence and the Machine) in meinem Handy eingespeichert hatte. Das Foto hatte er geschossen. Es zeigte uns auf einem Weihnachtsmarkt, auf dem er mir eine dieser bescheuerten Weihnachtsmannmützen aufgesetzt und mich zu einem Selfie gezwungen hatte. Eine Druckversion hing an seiner Fotowand… Zumindest hatte sie das, bevor ich ihn aus meinem Leben gedrängt hatte. Ein bitterer Geschmack lag auf meiner Zunge während mein Finger über der ´Löschen`-Taste schwebte. „Sind Sie sicher, dass Sie diesen Kontakt entfernen wollen?“, fragte mein Handy misstrauisch. War ich das? Bei meinem Gespräch mit Naruto war ich es gewesen, und wie ich erwartet hatte, hatte er es hingenommen, obwohl es ihn verletzte und er es nicht verstand. Das war jetzt fast einen Monat her, und ich hatte noch immer Angst davor, ihn wirklich nie wieder zu sehen und die Sicherheit zu verlieren, die er mir gegeben hatte. Aber ich hatte mir vorgenommen, alleine Ordnung in mein Leben zu bringen. Ich wollte so stark sein, wie Naruto annahm, und zwar ohne ihn. Wenn ich jedoch seine Nummer behielt, hätte ich immer noch ein Sicherheitsnetzt, könnte ihn anrufen, wenn es schwer würde. Und das würde es werden, da war ich mir sicher. Ich wischte mir die Tränen – nicht die ersten – weg und klickte erneut auf ´löschen`. „Sind Sie sicher?“, wiederholte das Telefon ungeduldig. „Ja“, flüsterte ich und klickte den finalen Button. Es folgten der WhatsApp Chatverlauf, die Anrufliste, die E-Mails. Schließlich war ich im Bilderspeicher angelangt, den Naruto durch Fotos gefüllt hatte, die er mir schickte oder mit meinem Handy machte, wenn sein Speicher mal wieder voll war. Er beim Motorradfahren in voller Montur. Gelöscht. Er beim Essen mit seinen Großeltern. Gelöscht. Wir beim Klettern in einer Halle. Gelöscht. Mein wütendes Gesicht und Narutos grabschende Hand, die mich davon abhalten wollte, ihm mein Handy abzunehmen. Gelöscht. Wir. Gelöscht. Ein paar Tränen landeten auf dem schwarzen Handydisplay. Ich fühlte mich genauso leer wie der Bilderordner. Warum musste ich genau mit der einzigen Veränderung anfangen, die ich nicht machen wollte? Ich wollte nicht, dass Naruto aufhörte, mich wie das Wichtigste im Leben anzusehen, wollte nicht, dass er jemand anderem aufgeregt jede banale Kleinigkeit sofort mitteilte, wollte nicht aufhören, ein Teil seiner Welt zu sein. Aber ich wollte, dass meine Welt sich änderte. Deshalb musste ich ihn zurücklassen. Wenn wir uns wiedersahen, würde ich nicht mehr von ihm abhängig sein und musste keine Angst mehr vor Nähe haben. Wenn… Meine Kehle schnürte sich zusammen, aber dieses Risiko musste ich eingehen. Es hatte noch nie jemand gewonnen, ohne ein Risiko einzugehen. Ich legte das Handy weg und wischte die Tränen von den Wangen. Immerhin würde jetzt der schöne Teil meiner Pläne beginnen. Denn es war Zeit, das hinter mir zu lassen, was ich tatsächlich zurücklassen wollte. Naruto „Ich hoffe, diesmal hast du frühzeitig zu lernen angefangen.“ „Klar! Ich habe sogar schon mehr gemacht als einige Kommilitonen“, erzählte ich stolz während ich die Teller in den Schrank räumte, die Tsunade aus dem Geschirrspüler genommen hatte. „Nochmal mach ich mir so einen Stress nicht. Ich hatte schon Horrorvisionen, dass ihr mich auf die Straße setzen würdet, wenn ich durchfalle.“ „Das sollten wir auch tun, aber dein Großvater hat ein viel zu weiches Herz“, stichelte meine Großmutter. Sie beugte sich unnötig tief in die Maschine, damit ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. „Als würden wir dich rauswerfen.“ „Ich weiß, aber ich hatte echt Schiss“, gestand ich und kratzte mich am Kopf. „Aber hey, sehen wir es als Lerneffekt. Das passiert mir nicht noch mal.“ “Das will ich hoffen. Du bist zu alt für solche Spielereien.” Ich schmollte. „Kyûbi ist noch älter.“ "Der ist kein Vergleichswert. Er ist nicht der Typ, der irgendwann mal einen festen Beruf hat und damit eine Familie ernährt. Du schon. Also gib dein Bestes.“ “Ist ja gut, ich tue alles, um meine imaginäre Familie nicht im Stich zu lassen”, lachte ich, wofür ich einen mürrischen Blick zugeworfen bekam. „Lass dich einfach nicht von etwas ablenken.“ Es war offensichtlich auf was das abzielte, und ich seufzte. „Ich habe euch doch gesagt, dass ich Sasuke nicht nachlaufen werde. Sie hat gesagt, sie brauche Zeit, und die soll sie haben“, erklärte ich auf dem Weg ins Wohnzimmer, wo ich mich auf die Couch fallen ließ. Tsunade folgte mir und sah mich wachsam an. „Genau das irritiert mich ja. Als sie das erste Mal gegangen ist, hat es dich richtig mitgenommen, und jetzt… Wir dachten, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis ihr verkündet, ein Paar zu sein. Stattdessen wollt ihr euch plötzlich nicht mehr sehen, und du nimmst es einfach so hin? Das passt nicht zu dir, Naruto.“ „Sie hat gesagt, dass sie gewisse Dinge klären muss – alleine. Wer bin ich, diese Entscheidung zu hinterfragen?“ „Naruto. Naruto Uzumaki, der nie irgendjemanden in Ruhe lassen kann. Naruto Uzumaki, der in dieses Mädchen verschossen war, bevor er ihren Namen kannte. Naruto Uzumaki, der hilfsbereiteste, überfürsorglichste Mann, den ich kenne, und der ganz sicher nicht seine Freunde alleine irgendwelche Schwierigkeiten ausstehen lässt.“ Ich lächelte, leicht gequält ob dieser flammenden Rede. Sonst war meine Großmutter nicht der Typ für Gefühlsbekundungen, woran zu erkennen war, wie groß ihre Sorge war. Ich wusste das zu schätzen, wirklich. Aber ich wusste auch, dass sie nicht verstand, genauso wenig wie Kyûbi oder Sakura oder der Rest meiner Freunde. Sie kannten Sasuke nicht so wie ich, und sie hatten nicht gesehen, was für Angst sie während eines einfachen Kusses gehabt hatte. Obwohl ich den Grund für ihre Angst nur erahnen konnte, wäre es mir lieber gewesen, hätte Sasuke mir erlaubt, ihn mit ihr zu beseitigen. Allerdings stand es mir, wie sie selbst betont hatte, nicht zu, ihre Wünsche zu hinterfragen. Wenn sie der Meinung war, das alleine klären zu müssen, hatte sie dafür ihre Gründe. Mich gegen ihren Willen aufzudrängen, hätte sie eher für immer vertrieben. Denn, da war ich mir sicher, sobald sie ihre Angelegenheiten geklärt hatte, würde sie zu mir zurückkommen. Diese Hoffnung war einer der Gründe, aus denen ich so ruhig war. Sasuke hatte gesagt, sie wolle mich wiedersehen. Darauf musste ich vertrauen, sonst würde es mir das Herz zerfressen. Sie hatte mich nicht zurückgelassen, sondern musste nur eine Weile ihren eigenen Weg gehen. Sie würde zurückkommen. Ganz bestimmt. Bestimmt. “Naruto?” “Ja, ich… Ja. Aber Sasuke ist keine Jungfrau in Nöten, die einen Ritter braucht. Sie will und wird sich selbst retten. Wenn sie dann nicht mehr verletzlich ist, wird sie zurückkommen, auf ihrem eigenen Ross…“ Und vielleicht zum ersten Mal ohne Rüstung. „Hm“, machte meine Großmutter, setzte sich neben mich und legte den Arm um meine Schulter, die sie dann etwas unbeholfen tätschelte. „Ich bin stolz auf dich. Es muss dir schwer fallen, das zu akzeptieren.“ Ich lachte traurig und lehnte die Stirn an ihre Schulter. ´Schwer fallen` war gar kein Ausdruck. Ich hasste jede Sekunde. Sasuke Das Gebäude war ein großer Klotz aus Beton und verspiegeltem Glas. An diesem schönen Tag saßen einige Angestellte auf dem Hof davor und genossen die Sonne, die vom Glas zurückgeworfen wurde. Manche lachten zusammen, manche aßen alleine oder in Gruppen und andere hatten Laptops auf dem Schoß und Handys am Ohr und arbeiteten sogar in ihrer freien Zeit weiter. Keiner von ihnen erkannte oder beachtete die Tochter des Chefs, die über die breiten Stufen zum Empfangsbereich hochstieg. Das traf auch auf die Sekretärin an dem eisernen Empfangstresen zu, bis ich mich laut räusperte. Wiederwillig sah sie von ihrem Computerbildschirm auf. „Ja?“ Ich musterte sie kühl. Nun, wahrscheinlich sah ich meiner Mutter doch ähnlicher als meinem Vater, außerdem war ich schon lange nicht mehr hier gewesen. Dennoch hatte mein Erzeuger mich genug geprägt, um diese Inkompetenz zu verachten. “Ich möchte zu Fugaku Uchiha.“ Der Blick der Tipse wanderte über meine Gestalt in dem schlichten, teuren, aber viel zu weiten schwarzen Mantel, den grauen Jeans und dem dunkelblauen, ebenfalls recht unförmigen Pullover, die ich trug. „Haben Sie einen Termin?“ „Brauche ich den bei meinem Vater?“ Jetzt weitete sie die überschminkten Augen. „Sa… Sasuke Uchiha?“ „Hat er noch eine Tochter?“ „Tochter? Ich… Oh“, machte sie dümmlich und starrte mich an wie ein Ufo statt ihren Arbeitgeber anzurufen. Genervt griff ich über die Theke, nahm ihr Telefon und drückte die eins. Die Sekretärin protestierte, während ich unbeeindruckt wartete, dass Fugaku abhob. „Frau Umino“, meldete dieser sich, knapp aber nicht unhöflich. „Ich bin's“, erwiderte ich in derselben Tonlage. „Verzeih den Überfall, aber hast du einen Moment Zeit für mich?“ Ein kurzes Schweigen, in dem er wohl seinen Terminkalender in der Hoffnung prüfte, mich wegschicken zu können, folgte, dann: „In fünfzehn Minuten. Warte vor dem Büro.“ Aus den fünfzehn Minuten wurden fast 30, aber Fugaku wirkte nicht überrascht, mich trotzdem noch wartend vorzufinden. Seine Zermürbungstaktik hatte in den letzten zwanzig Jahren nicht gewirkt, da war eine Viertelstunde gar nichts. „Ich habe nicht viel Zeit“, erklärte er, noch bevor ich den Platz einnehmen konnte, den er mir anbot. „Wie immer“, erwiderte ich kühl und überschlug die Beine. Fugaku verengte kurz die Augen, entschloss sich aber, das keiner Antwort zu würdigen und machte eine auffordernde Geste. „Also?“ Natürlich hatte ich mich lange auf dieses Gespräch vorbereitetet, anders konnte ich mich meinem Vater gegenüber nicht präsentieren. Ich hatte beschlossen, direkt zu sagen was ich wollte und dann zu verhandeln, und das tat ich jetzt. „Ich möchte ausziehen.“ Er lehnte sich zurück. „Ist das so? Und von welchem Geld?” “Ich hatte gehofft, du würdest mich unterstützen. Nur für eine Weile, natürlich.” “Wieso sollte ich? Wir haben ein Haus, in dem du leben kannst. Es gibt keinen Grund für diese zusätzlichen Kosten.“ Außer, dass du mich hasst und dein Sohn mich terrorisiert seit ich das erste Mal meine Periode hatte, dachte ich, doch ich schluckte die Wahrheit runter. Noch war ich nicht stark genug, sie auszusprechen, aber wenn mein heutiges Vorhaben gelang, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. „Ich denke, es ist wichtig, Eigenständigkeit zu lernen.“ „Wozu gehören würde, sich selbst finanzieren zu können“, unterbrach Fugaku mich, doch ich sprach ungerührt weiter. „Außerdem würde ich mir eine Unterkunft in der Nähe der Universität suchen, die günstiger zu meiner Arbeitsstelle gelegen ist. Im Moment verschwende ich viel Zeit mit Pendeln, die für anderes fehlt.“ „Dafür, dich mit deinen sogenannten Freunden zu treffen?“ Mir war klar gewesen, dass dieser Punkt genannt werden würde. Vermutlich war unser nicht geklärter Streit über Naruto der Hauptgrund, aus dem Fugaku sich so sträubte. Wieso sonst sollte er mich unter seinem Dach behalten wollen? Als Putzfrau? Als Boxsack für seinen Sohn? Aber ich hatte es satt, diesen zu spielen. “Nein. Obwohl dieser Streit gezeigt hat, wie unterschiedlich wir vieles sehen. Vielleicht würde eine räumliche Trennung uns wieder näher bringen.“ Fugaku sah mich überrascht an, wenn auch nur für eine Sekunde. „Das ist kein Grund, um Geld zu verschwenden.“ Natürlich war unsere Beziehung keinen Cent wert, das überraschte mich nicht. Aber ich hatte es versuchen müssen. „Ich werde dir alles zurückzahlen.“ Er machte eine abschneidende Geste. “Es geht nicht um Geld.“ „Worum dann?“, unterbrach diesmal ich ihn. „Um familiären Zusammenhalt? Du weißt so gut wie ich, wie es darum bei uns bestellt ist, und wenn wir nichts ändern, wird sich die Situation nicht ändern.” Meine Ehrlichkeit warf Fugaku nicht aus der Bahn, aber er sah mich abschätzend an. So direkte Worte fielen zwischen uns nie – Wenn denn überhaupt irgendwelche Worte fielen. Mein Vater suchte die Veränderung, die mir dieses Gespräch erlaubte, in meinem Gesicht, und fand sie in meinen Augen. Ich war stärker geworden in den letzten Monaten, das spürte ich in diesem Augenblick, und auch mein Gegenüber spürte es. Ich ließ mich in meinen Stuhl zurücksinken und legte die Hände auf die Lehnen. „Wenn nötig, werde ich einen Studentenkredit aufnehmen.“ „Du willst wirklich unbedingt ausziehen.“ „Mein Vater hat mir beigebracht, nichts zu sagen, das ich nicht so meine.“ „Hm.“ Fugaku sah mich kurz an, dann nahm er einen Taschenrechner zur Hand, in den er rasch etwas eintippte. „Du bist jetzt im fünften Semester, das heißt, du hast bis zum Bachelor noch ein Jahr vor dir. Danach wirst du den Master machen, was nochmal zwei Jahre sind. Das heißt, du müsstest einen Kredit aufnehmen, mit dem du drei Jahre lang Miete, Strom, Wasser, Nahrung, Kleidung und alles andere bezahlen könntest.“ „Deshalb habe ich dich darum gebeten.“ „Das ist eine Menge Geld.“ „Das meiste davon würdest du auch zahlen, wenn ich zu Hause bleibe“, erinnerte ich ihn. „Und ich habe vor, mehr zu arbeiten, um möglichst wenig Unterstützung zu brauchen.“ „Was dein Argument, mehr Zeit für dein Studium zu haben, revidiert.“ Natürlich war ihm das aufgefallen. „Stimmt. Aber immerhin wäre ich in einer eigenen Wohnung unabhängig.“ „Solange du Geld von mir brauchst, kann man nicht von Unabhängigkeit sprechen.“ „Ich werde ausziehen“, stellte ich klar. „Die Frage ist nur, ob ich von dir unterstützt werde, oder von einer Bank. Du musst dich natürlich nicht sofort entscheiden, obwohl ich eine zeitnahe Antwort vorziehen würde.“ Ich stand auf, sah meinen Vater zögerlich an, denn das, was ich jetzt sagen würde, war für meinen (und sicherlich auch seinen) Geschmack zu emotional. Trotzdem sprach ich es aus: „Es wäre für unsere Familie besser. Das weißt du auch… Vater.“ So hatte ich ihn seit meiner ersten Übernachtung bei Naruto nicht genannt, und auch davor nicht oft. Natürlich sprang er mir deswegen nicht zu einer innigen Umarmung entgegen. Vermutlich wusste er, dass das reine Manipulation war. Ganz ohne Reaktion blieb es allerdings nicht, denn er sagte: „Ich werde darüber nachdenken“, und einige Tage später, bei einem der seltenen Abendessen in familiärer Idylle, fragte er: „Hast du schon potentielle Wohnungen?“ Ich unterdrückte ein Lächeln und vermied es, zu Itachi zu sehen, als ich nickte. Naruto Alles drehte sich, als ich mich von der Kloschüssel hochkämpfte, und ich musste mich an der Kabinenwand abstützend. Kichernd lehnte ich mich mit dem Rücken dagegen und blieb stehen, bis das Rotieren in meinem Kopf aufgehört hatte, dann tastete ich unbeholfen nach der Türklinke. Ich drückte sie nach unten, aber die Tür öffnete sich nicht. Verwirrt rüttelte ich am Knauf, aber es tat sich immer noch nichts, sodass mein Reißen immer fester wurde. „Was machst du da?“, fragte eine barsche Stimme von draußen. „Die scheiß Tür klemmt“, beschwerte ich mich und rüttelte zum Beweis noch fester daran. „Besoffener Vollidiot…“ „Was hast du gesagt?!“ “Schon gut, ich kümmere mich um ihn”, meldete sich eine weitere Stimme zu Wort, die ich sogar kannte. „Shikamaru, ich bin eingesperrt, Alter!“ Er seufzte genervt. „Du musst die Tür erst aufsperren.“ “Hältst du mich für bescheuert? Ich… Oh“, unterbrach ich mich, als ich sah, dass ich tatsächlich das Schloss nicht umgelegt hatte. Lachend tat ich das und torkelte endlich aus meiner Kabine, vor der Shikamaru neben einem schwarz gekleideten Türsteher stand, auf den er beruhigend einredet. Ich lehnte mich auf die Schulter meines Freundes und lachte ihm ins Ohr. „Ich bin echt so ein Trottel!“ „Bring ihn am besten heim“, befahl der Türsteher mit einem säuerlichen Blick auf mich, dann ließ er uns stehen. „Was hat‘n der?“, fragte ich, während ich, weiterhin auf Shikamaru gestützt, aus dem Klo stolperte. Davor wartete eine Gruppe Mädels, denen ich höflich zunickte, doch sie sahen mich nur angeekelt an und wandten sich ab. Komisches Pack. Shikamaru zuckte die Schultern und führte mich zur Bar, wo ich nach der hübschen dunkelhaarigen Barkeeperin Ausschau hielt, die mit belustigtem Blick zu uns herüber kam. Bevor ich allerdings eine Bestellung aufgeben konnte, sagte Shikamaru: „Zwei Cola.“ „Isch bin nich sooo betrunken“, protestierte ich und wollte mir zum Beweis vom ganz ausgestreckten Arm auf die Nase fassen, wobei ich jedoch auf dem Kinn landete. Kurz blinzelte ich verwirrt, dann lachte ich. „Ok, vielleicht doch.“ Die Barkeeperin hatte meinen Protest sowieso ignoriert und stellte bereits die beiden Colaflaschen vor uns, für die Shikamaru bezahlte. Ich bedanke mich und trank einen Schluck, wobei ich meinen Blick über die Menge wandern ließ. Irgendwo in der Menge erspähte ich Temaris blonden Haarschopf, und die Zöpfe von Hinata und Ino. Neben ihnen hopste Lee mit so viel Begeisterung herum, dass ich plötzlich unbedingt wieder auf die Tanzfläche wollte. „Gehen wir tanzen!“, beschloss ich und nahm Shikamaru am Arm, doch der löste sich und hielt stattdessen mich fest. „Du brauchst frische Luft, und ich ne Zigarette. Komm.“ Zwar schmollte ich und sah enttäuscht zu den anderen, aber ich konnte meinen Kumpel schlecht alleine rauchen gehen lassen, also begleitete ich ihn. Der Raucherbereich war auf einer Terrasse angelegt, die durch durchsichtige Planen vor der Nachtluft geschützt war. An der Hauswand befand sich eine lange Bar und zwei Treppen führten zur Straße runter. Auf einer Seite konnte man raus, auf der anderen Seite befand sich der Eingang, und auf beiden Seiten standen Türsteher. Ich meinte, den von vorhin aus der Toilette zu sehen, und winkte ihm, doch er runzelte nur die Stirn und wandte sich ab. Hinter dem Security-Mann tauchte Temari auf, die sich kurz umblickte, ehe sie ihren Freund und mich erspähte und zu uns herüber kam. Freundschaftlich legte ich ihr den Arm um die Schulter. „Na, schon genug getanzt?“ „Jemand muss auf euch zwei Querköpfe aufpassen“, kommentierte sie nüchtern, wobei sie leicht stirnrunzelnd zu Shikamaru sah. Dieser steckte gerade das Telefon in die Hosentasche. „Kyûbi holt dich“, erklärte er und schob mich weiter in Richtung Ausgang. Ich trat einen Schritt zur Seite, sah ihn verwirrt an. „Ich will aber noch bleiben. Es ist doch erst eins.“ „Und du bist betrunken als wäre es sechs. Jetzt komm”, befahl Temari, die meinen Arm nahm. Sie war niemand, dem man wiedersprach, also ließ ich mich von dem Paar nach draußen bringen. Es war kalt – eine Februarnacht – Und in der eisigen Luft wankte ich so sehr, dass ich es selbst merkte. Kichernd hielt ich mich bei Temari ein, die das mit einem wiederwilligen Blick zuließ. „Ihr zwei seid so ein komisches Paar“, stellte ich lachend fest. „Ich meine, guckt euch mal an! Du bist ein emotionales Genie und du spielst die Eisprinzessin, bis dein Temperament mit dir durchgeht. Ich weiß noch genau, wie du mir diesen Bottich über den Kopf gezogen hast…” „Du stehst kurz davor, diese Erfahrung zu wiederholen“, zischte die Blondine. „Bottich?“, erkundigte ihr Freund sich nach einem kurzen Blick auf sein Handy. Temari seufzte und sah ihn missbilligend an, als er sich eine Zigarette anzündete. Sagen tat sie allerdings nichts. In ihrer Beziehung ließ jeder den anderen sein Ding machen, und manchmal machten sie eben ein gemeinsames Ding. „Das ist schon ewig her. Als Gaara noch in die Jugendtherapie ging, bin ich mal mit auf einen Wochenendausflug gekommen. Die Jungs waren eine richtige kleine Gang, alle 14, dumm wie Stroh und nur mit Unsinn im Kopf. Ein paar von ihnen hielten es für eine gute Idee, die Mädchendusche auszuspitzeln, und unser Blondie hier hat das natürlich sofort getan.“ „Gaara fand das nicht so lustig“, erinnerte ich mich grinsend. Seine Schwester musterte mich stirnrunzelnd, sagte aber nichts dazu. Es war schon komisch, wie das alles gelaufen war. Gaara und ich waren in derselben Therapiegruppe gewesen, wodurch ich seine Geschwister kennengelernt hatte. Nachdem wir beide nicht mehr zum Kinderpsychologen gingen (ich, weil es mir besser ging, er, weil er zu einem Berater für Erwachsene wechselte), sahen wir uns seltener. Erst mit der Beziehung von Temari und Shikamaru kamen wir uns wieder näher. Die beiden hatten sich bei einer Info-Veranstaltung an der Uni kennengelernt, die sie gezwungener Maßen betreut hatten. Gaara und ich verbrachten damals wieder mehr Zeit miteinander, irgendwann zufällig in Kyûbis WG, wo Shukaku anwesend war. Der ruhige Rotschopf und sein cholerischer Freund hatten eine Weile gebraucht, um warm miteinander zu werden, aber inzwischen waren sie seit mehr als zwei Jahren zusammen. Fast so lange war ich single. „Ah, da ist er“, riss Shikamaru mich aus meinen Gedanken. Kyûbi kam über den Vorplatz auf uns zu und ich winkte begeistert. „Hier sind wir! Halloooo!“, rief ich und er kam, offensichtlich amüsiert, herüber. Sofort fasste ich ihn am Arm und deutete quengelig auf den Club. „Komm lieber noch mit rein, wo du schon da bist! Ich bin auch ganz nüchtern. Siehst du?“ Zum Beweis wollte ich mir an die Nase fassen, aber diesmal landete mein Finger fast im Auge. „Das sehe ich“, lachte mein bester Freund. „Aber es ist spät und ich bin müde. Gehen wir.” “Aber…” “Nerv mich nicht, Naruto, sonst rufe ich Tsunade an”, beendete Kyûbi mein Gebettel. Er kannte mich; käme ich ein Mal zu Wort, würde ich keine Ruhe mehr geben. So sah ich ihn nur schockiert an. „Das würdest du nicht machen!“ Aber er nahm schon sein Handy heraus. Mit einem empörten: „Verräter!“, schnappte ich danach, doch es half nichts, am Ende trottete ich neben Kyûbi zu den Parkplätzen. „Spielverderber…“ „Nur, weil du in letzter Zeit zu oft spielst.“ Darauf wusste ich nichts zu sagen. Es stimmte, in den vergangenen Wochen seit Ende des Semesters war ich oft feiern und genauso oft betrunken gewesen. Aber war das nicht normal für Studenten? Brauchte ich jetzt schon einen Anstandswauwau in Form meines besten Freundes? „Du weißt doch selbst, dass sie nicht zurückkommt, nur, weil du dich besäufst, oder?“, fragte Kyûbi, als wir in sein Auto stiegen. Wie immer wusste er genau, was in mir vorging, als säße er in meinem Kopf. „Jaa… Aber sie kommt auch nicht schneller zurück, wenn ich Trübsal blase.“ “Dann vergiss sie.” Trotzig starrte ich in die Nacht. “Sie kommt zurück, auch, wenn ihr das alle nicht glaubt. Wenn sie so weit ist, wird sie kommen.“ „Vielleicht weiß sie, dass du ohne sie besser dran bist.“ Ich wollte lautstark protestieren, aber etwas in Kyûbis Blick ließ mich innehalten. „Was genau ist zwischen euch beiden eigentlich passiert? Ich glaub dir nicht, dass da ´nichts` war.“ Er sah aus dem Augenwinkel zu mir, während die nächtlichen Straßen an uns vorbei zogen. „Das hat ja lang gebraucht.“ „Wieso sollte ich meinen besten Freunden misstrauen?“ Er lächelte matt. „Touché.“ Als ich Kyûbi auffordernd ansah, seufzte er. „Es ist nicht direkt etwas vorgefallen, mehr etwas, das ich über Sasuke erfahren habe.“ „Sherlock Kyûbi.“ Inzwischen waren wir fast bei meinen Großeltern angelangt. Wir fuhren durch den Wald, dessen Bäume sich über uns zu beugen schienen wie um zu lauschen. „Erinnerst du dich an den Drogen Professor, von dem vor einer Weile alle geredet haben?“ Ich runzelte die Stirn, sodass mein bester Freund ausführte. „Kurz vor Weihnachten war groß in den Nachrichten, dass eine Lehrperson der Uni in Drogengeschäfte verwickelt war. Er wurde suspendiert und seither hat ihn niemand gesehen, also ist wahrscheinlich etwas an den Gerüchten dran.“ Kyûbi hielt vor meinem Haus, aber ich blieb nachdenklich sitzen. Es stimmte, von der Geschichte hatte ich schon gehört. Ich erinnerte mich sogar dunkel, mit Sasuke darüber geredet zu haben, aber sie hatte gesagt, sie wüsste nichts davon. „Und du willst mir jetzt sagen, Sasuke war in die ganze Sache verwickelt?“ „Ich fürchte, ja.“ Wiederwillig verschränkte ich die Arme und sah ihn an. „Woher willst du das wissen? Bist du seit Neuestem bei der Polizei?” “Bist du seit neuestem gehässig?“, erwiderte er gelassen. „Wenn du mir sowieso nicht glaubst, erzähle ich es dir eben nicht.“ Wir starrten uns einen Moment nur an, dann nickte ich langsam. Ich wusste, dass er solche Gerüchte nicht erzählen würde, um Sasuke schlecht zu machen. Zumindest er glaubte, dass es stimmte. Ob wirklich etwas dran war, stand auf einem anderen Blatt, immerhin hatte Sasuke behauptet, sie würde den betreffenden Professor gar nicht kennen. Und ich wollte nicht glauben, dass sie mich angelogen hatte. Wieso hätte sie das schließlich tun sollen, wenn nicht, um tatsächlich eine Verwicklung in Drogengeschäfte zu verbergen? „Doch, ich glaube dir. Erzähl, was du weißt.“ “Sasuke hatte den Professor während des Studiums ein paar Mal – sie kennt ihn. Er hatte immer Interesse an ihr. Ihre Kommilitonen glauben, dieser Orochimaru hatte was mit ihrem Vater zu schaffen, aber sie hat nie irgendwas erzählt. Wundert mich immer noch, wie du dich mit ihr anfreunden konntest.“ Im Nachhinein fragte ich mich das selbst. Und jetzt, wo ich Sasuke nicht mehr sah, fragte ich mich, ob sie mich nicht nur hingenommen hatte, weil sie mich nicht mehr losgeworden war. Jetzt hatte sie einen Grund, mich abzuschießen, und den hatte sie genutzt. Vielleicht hatte dieser Grund sogar etwas mit dem zu tun, was Kyûbi mir gerade erzählte… „Und weil ihr Prof einen Nebenjob als Dealer hatte, hängt Sasuke zwangsläufig mit drinnen?“, hakte ich nach, da ich nicht glauben wollte, dass Sasuke in solchen Kreisen verkehrte. Nicht meine pingelige, korrekte Sasuke. „Nicht deswegen, aber es gibt andere Hinweise.“ „Und die hast du woher?“, fragte ich misstrauisch, womit ich wohl eine wunde Stelle erwischte, denn Kyûbi runzelte die Stirn. „Ich kenne Leute, die Leute kennen…“ „Und du kennst mich. Warum hast du mir nicht vorher davon erzählt? Ich habe dir gesagt, dass Sas Probleme hat. Was, wenn sie in einen Drogensumpf gerät? Was, wenn…?“ „Besser sie als du“, fuhr mein bester Freund dazwischen, wobei er mich jedoch nicht ansah. „Ich weiß, wie sehr du dich in sowas reinsteigerst – du fängst schon damit an. Aber wenn Sasuke wirklich Drogen nehmen will, wird sie das tun, und du kannst es nicht verhindern. Genau das würde dich kaputt machen; diese Unvermeidbarkeit.“ „Also lieber nichts tun?“ “Genau das wollte sie doch.” Kyûbi erwiderte meinen wütenden Blick unbeeindruckt. „Was auch immer sie tut, sie wollte es alleine machen… Und du hast Recht; sie könnte Drogen nehmen. Sie könnte einen Entzug machen. Sie könnte ihren eigenen Dealer angezeigt haben. Sie könnte im Gefängnis sein… Alles könnte mit ihr sein, und es geht dich nichts an, weil sie dir gesagt hat, dass du sie in Ruhe lassen sollst.“ „Es geht mich sehr wohl etwas an. Sie ist meine Freundin“, erwiderte ich kühl, woraufhin er seufzte. „Da bin ich mir nicht so sicher… Obwohl sie wohl das Beste für dich wollte, als sie gegangen ist.“ „Glaubst du, ja? Und du hast ihr nicht geraten, dass zu gehen ‚das Beste‘ wäre?“ „Nein. Ich weiß, wie viel sie dir bedeutet hat. Sasuke hat sich selbst gegen eure Freundschaft entschieden, so gern du das jemand anderem in die Schuhe schieben willst.“ „Ich will nicht…“, fing ich an, brach aber ab, als unsere Blicke sich trafen. Er hatte ja Recht. „Tschuldige.“ Mein bester Freund zuckte nur die Schultern. “Versteh schon.” “Und… Was ist mit dir? Woher kennst du Leute, die über sowas Bescheid wissen?”, wollte ich besorgt wissen. Wir saßen noch immer im Auto. Inzwischen war der Motor abgekühlt und Kyûbis Atem hinterließ kleine Wölkchen in der Luft, als er lächelte. Seine dunkelgrünen Augen hatten etwas Undurchdringliches, wirkten fast schwarz im Licht der Straßenlaternen. „Nicht jeder ist so ein braver Junge wie du, Naruto.“ „Nicht beruhigend, Alter. Wenn du Probleme hast...“ „Keine Sorge, ich hab nie was angerührt und es auch nicht vor“, sagte er leichthin. Ich fühlte mich nicht leicht. „Kenne ich diese ‚Leute, die du kennst‘?“ „Nein“, antwortete Kyûbi düster. „Und das ist gut so. Du kannst nicht jeden retten.” Das verstand ich nicht, aber ich vermutete, dass ich nicht mehr aus ihm herausbringen würde. Irgendwie fühlte ich mich jetzt allerdings komisch dabei, ihn gehen zu lassen, also fing ich an: „Kannst du…?“ Noch bevor ich ausgeredet hatte, seufzte Kyûbi und schnallte sich ab, um mit mir ins Haus zu gehen. „Wehe, du kuschelst dich wieder an mich.“ Ich lächelte, stieg aus und ging mit meinem besten Freund nach drinnen. Der Gedanke an Sasuke im Zusammenhang mit Drogen ließ mich natürlich nicht so leicht los, und ich nahm mir vor, an einem anderen Tag mehr dazu zu fragen. Sasuke Es war ein strahlend schöner Tag, an dem nur vereinzelte Wölkchen über den Himmel trieben. Sogar die wirkten träge, weshalb ich verstand, dass Suigetsu wenig Lust hatte, Kisten zu schleppen. Karin sah das anders, denn sie piesackte ihn heute besonders. Ihre Zankereien hallten durchs Treppenhaus, und ich war froh, als die Tür hinter mir zufiel und ihre Stimmen einsperrte. Missbilligend blinzelte ich in den Himmel. Etwas weniger hell hätte es schon sein können, aber es war immerhin Sommer, und das mit der Sonne hatte der Sommer eben so an sich. Unwillkürlich dachte ich an den letzten Sommer, den ich fast ausschließlich mit einem gewissen Blondschopf verbracht hatte. Nicht zu fassen, dass das schon ein Jahr her war – und dass ich ihn so lange nicht gesehen hatte. Über ein halbes Jahr, und noch immer dachte ich an ihn, vermisste ihn. Ich hatte gedacht, diese Gefühle würden irgendwann von selbst weggehen, wie ein Schnupfen, doch das waren sie nicht. Genervt von mir selbst ging ich zum Transporter, in dem meine Möbel verstaut waren. Viel war nicht mehr darin von dem wenigen, das ich aus dem Haus meines Vaters mitgenommen hatte; ein Schrank, Kleidung, meine Couch, Computer, Fernseher und – am wichtigsten – meine Bücher. Suigetsu war nicht müde geworden, sich über meine ´Privatbibliothek` zu beschweren, während wir Kiste um Kiste nach oben geschleppt hatten. Tatsache war, dass sie das einzige war, das mir tatsächlich wichtig war, mal abgesehen von dem neuen Bett, das sich schon in die Ecke meines Schlafzimmers duckte. Vater hatte gesagt, es sei Geldverschwendung, wo mein altes Bett noch gut war, aber ich hatte darauf bestanden. Am Ende hatte meine Großmutter mir die neue Schlafstätte geschenkt, genauso wie einen großen, klobigen Ohrensessel, der jetzt vor der Wand mit den Büchern stand und darauf wartete, bei einem Lesenachmittag eingeweiht zu werden. Aber zuerst musste ich die Wohnung fertig einrichten, deshalb schnappte ich mir eine der letzten Kisten aus dem Van. Vor dem Auto traf ich Karin, die nach dem Karton griff, um mir zu helfen. Ich hätte das Gewicht alleine tragen können, aber für sie wäre eine eigene Kiste zu schwer, also ließ ich sie zugreifen. „Es freut mich, dass du so eine schöne Wohnung gefunden hast. Und es ist wirklich praktisch, wegen der Uni“, plauderte meine Freundin munter drauf los. „Obwohl es mich schon überrascht hat, dass du so plötzlich ausziehen wolltest. Ich meine, euer Haus ist toll, und neben der Uni einen Haushalt zu führen und zu arbeiten, ist stressig.“ „Du schaffst es auch.“ Wir manövrierten an einer engen Stelle im Treppenhaus vorbei. Karin runzelte die Stirn und gab zu bedenken: „Ja, weil ich muss. Meine Eltern wohnen nicht hier, aber ich wollte unbedingt an die hiesige Universität. Aber du hast deine Familie gleich vor Ort und willst trotzdem alleine wohnen.“ Jetzt näherten wir uns dem Kern von Karins kleinen Vortrag; sie hatte angeboten, mit mir zusammenzuziehen, was ich abgelehnt hatte. Ich wollte alleine wohnen, und davon abgesehen, dass Karin mich vermutlich nach ein paar Tagen genervt hätte (es lag nicht an ihr; ich ertrug Menschen generell nur in kleinen Dosen), wäre ich eine schlechte Mitbewohnerin. Ich war pedantisch, was Ordnung anbelangte, empfindlich gegenüber Lärm (und sie war eine laute Person) und reizbar. Ich mochte es, alleine zu sein, während Karin es, wieso auch immer, mochte, in meiner Gesellschaft zu sein. Nein, es wäre nicht gut gegangen, wären wir zusammengezogen. Davon abgesehen, dass ich lernen wollte, alleine zu Recht zu kommen. „Wir hatten familiäre Probleme“, erklärte ich nüchtern, während ich die Wohnungstür mit dem Ellbogen öffnete. Ich wollte weitergehen, wurde aber von Karin aufgehalten, die mich anstarrte wie das achte Weltwunder. Ungeduldig runzelte ich die Stirn. „Was?“ „Nichts, ich… Du hast nur noch nie irgendwas von deiner Familie erzählt, außer, dass du mit deinem Vater und Bruder zusammen wohnst.“ Jetzt war es an mir, überrascht stehenzubleiben. Sie hatte Recht – ich erzählte nicht von meinem zu Hause, aus Sorge, jemand könnte erraten, was dort vorging. Naruto war die Bestätigung für diese Vorsicht, und doch plapperte ich vor mich hin, völlig ohne Grund. Was ging es Karin schließlich an, wie unser Familienleben aussah? Natürlich bemerkte sie meine Stimmung, als wir die Kiste in der Küche abstellten. Mit uns, dem Karton und den Schränken war der Raum fast voll, und wir standen uns unangenehm nah. „Sei nicht böse. Ich bin froh, dass du in den letzten Monaten offener geworden bist“, erklärte Karin, der ich nicht entkommen konnte. Ich ließ mir meine Nervosität nicht anmerken, sah aber zur Tür hinter ihrem roten Haarschopf. „Na dann“, erwiderte ich unzusammenhängend und schob mich an ihr vorbei, sodass ich auf dem Flur stand. Ich atmete tief durch, schloss für einen Moment die Augen, um mich zu fangen. Dann war Karin neben mir, die sich entschuldigte, bis ich sagte: „Wo sind Suigetsu und Juugo?“ Karin war deren Abwesenheit nicht aufgefallen. Sie blinzelte verdutzt, sah sich um, als hätte sie einen Zweimetermann wie Juugo oder einen Schreihals wie Suigetsu in der winzigen Küche übersehen können. „Uhm, unten, schätze ich?“ In dem Moment klingelte es an der Tür. Ein wenig überrascht öffnete ich und sah mich einem Pizzaboten gegenüber. Er lächelte und mein Herzschlag beschleunigte sich drastisch; er hatte azurblaue Augen… „Hi, bin ich richtig bei Uchiha?“, fragte er mit leichtem, undefinierbarem Akzent. „Ja… Aber ich habe nichts bestellt“, antwortete ich, froh, dass man mir meine Gefühle nie an der Stimme anhörte. Er hatte zwar schwarze Haare, aber was sollten diese verwirrenden Augen…? Sein Lächeln schwand, trotzdem blieb er höflich, als er meine Adresse vorlas. „Hm, das ist komisch…“ „Ein schlechter Scherz.“ Ich zuckte die Schultern und strich mir das inzwischen schulterlange Haar aus den Augen. „Wäre es wirklich… Willst du nicht wenigstens eine?“, fragte er und grinste, als ich wissen wollte, ob er sie sonst zahlen müsste. „Nein, aber du siehst aus, als könntest du eine Pizza vertragen… Oder alle vier.“ „Witzig“, erwiderte ich trocken. „Findest du nicht? Schade eigentlich.“ Der Pizzabote wirkte unbeeindruckt von meiner Kritik. Er sah auf die Uhr und wieder zu mir. „Na ja, wenn du sie nicht willst, mach ich eben eine Pause und ess was.“ „Geht das so leicht?“ Er zuckte die Schultern. „Nochmal verkaufen können wir sie nicht, und wegwerfen wäre schade.“ Da hatte er Recht. „Was für Sorten sind es?“, wollte ich in der Hoffnung wissen, eine vegetarische wäre dabei. Die hätte ich ihm ja abnehmen können. „Schinken, Funghi, Regina und vier Jahreszeiten“, antwortete jemand hinter mir. Suigetsu schlenderte mit breitem Grinsen aus dem Wohnzimmer. „Ich war so frei, uns Mittagessen zu bestellen. Du zahlst, Sas.“ „Nenn mich nicht so“, murrte ich und wandte mich wieder dem Lieferanten zu, der Suigetsu musterte und dann (eine Spur erleichtert?) Juugo, der ebenfalls aus dem Nebenraum kam und die Pizzakartons an sich nahm. „Sieht aus, als wäre das doch bestellt“, merkte ich an und ging meinen Geldbeutel aus der Küche holen. „Schade, ich hatte mich schon auf meine Pause gefreut!“, grinste der Pizzabote und zwinkerte mit seinen Azur-Augen. „Hängt dir die Pizza nicht schon zum Halse raus?“ Er zog irritiert die Brauen hoch. „Hallo? Wir reden von Pizza!“ „Wer hat je genug von Pizza?“, stimmte Suigetsu zu, der den Kopf schüttelte, als habe ich die Grundlagen der Welt nicht begriffen. „Hm… Gut für dich“, sagte ich, dann schloss ich die Tür vor dem Lieferanten, um mit meinem Freund ins Wohnzimmer zu gehen. Die anderen hatten es sich auf der Couch bequem gemacht, und ich zog meinen Sessel näher zu ihnen. Das war es dann auch an Sitzgelegenheiten, sodass Suigetsu sich mit dem Boden begnügen musste. Er beschwerte sich lautstark, während er die Pizza verteilte. Irgendwie schaffte er es, den mangelnden Sitzplatz auf Karin zu schieben, woraufhin die beiden ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgingen; streiten. Es war alles wie immer, und doch irgendwie neu. So eine Versammlung hatte es in meinem alten zu Hause nie gegeben. Natürlich hatte ich die drei nicht eingeladen, um Pizza zu essen, aber es störte mich nicht, dass sie es taten. „Übrigens… Deine Diskussion mit dem Lieferjungen war zu schießen“, merkte Suigetsu an mich gewandt an, als Karin beleidigt wegschaute. „‘Ich hab das nicht bestellt‘“ – meine Stimme klang in seiner Nachmache lächerlich hoch – „‘Aber ich hab hier den Lieferschein!‘ ‚Aber ich hab es nicht bestellt‘ ‚Ok, ok, wenn du mir deine Möpse zeigst, musst du nicht zahlen.‘“ Er wollte weiterreden, aber Karins Pizzastück klebte urplötzlich in seinem Gesicht und hielt ihn davon ab. „Du bist unmöglich!“, keifte die Rothaarige, die sich ein neues Stück nahm und versuchte, dieses in Suigetsus Gesicht zu werfen. Dieser fing ihre Hände ein und hielt sie fest. „Es war ja wohl offensichtlich, wie sie mit dem geflirtet hat!“, stichelte er weiter, während das erste Pizzastück langsam seine Backe runterrutschte. Ich warf Juugo einen Blick zu, der Karin an der Hüfte packte und sie wieder neben sich auf der Couch drapierte, als wäre sie eine Puppe. „Genug“, sagte er ruhig und ich dachte schon, das Thema wäre erledigt, als er fortfuhr: „Sasuke kann flirten, mit wem sie will.“ Beinahe wäre mir das Wasserglas aus der Hand gefallen. Ich hatte mit niemandem geflirtet! Wie kamen sie überhaupt darauf? Nur, weil der Lieferjunge tiefblaue Augen gehabt und ich mehr als zwei Worte mit ihm geredet hatte… Karin regte sich weiter auf und stritt mit Suigetsu, aber wir redeten auch über allgemeine Themen wie die Wohnung, Uni und Arbeit. Und es war schön, ich fühlte mich wohl. Hätte da nur nicht etwas gefehlt. Naruto Aus der Küche waren Trubel und Gelächter zu hören. Irgendjemand, vermutlich Kiba, beklagte sich laut über untragbare Arbeitsverhältnisse, und jemand anderes, wahrscheinlich Sakura, belehrte ihn ungefragt über die Arbeitsumstände in Entwicklungs- und Schwellenländern. Bei mir ging es ruhiger zu. Ich stand auf dem Balkon und blickte über die Hänge des Berges hinweg aufs Tal. Die Lichter der Stadt sprenkelten die Dunkelheit wie Sterne, während die direkte Umgebung der Hütte in Dunkelheit lag. 50 Meter entfernt verschluckte der Wald das restliche Licht. Es war wunderschön. Die Hütte, in der ein Großteil meiner Freunde Urlaub machte, lag mitten auf dem Hang eines Berges. Es gab einen holprigen Pfad für Autos, aber die meisten von uns waren hochgewandert. Nur Ino und Sai, die seit Neuestem liiert waren, hatten Koffer und Vorräte mit einem Wagen hochgebracht. Das war vor drei Tagen gewesen, und morgen würden sie denselben Weg zurücknehmen. Ich fand es schade, dass der Urlaub schon vorbei war. Die Zeit war wie in einer Art Parallelwelt verlaufen, in der sich jeder gut verstand und man nie alleine war. Besonders letzteres liebte ich an den Bergurlauben mit meinen Freunden. Egal, ob wir wanderten, kochten, spielten oder einfach nur vor dem Kamin redeten, man hatte immer Menschen um sich, die man liebte. Dieses Jahr waren wir zehn; Ino und Sai, Sakura, Neji und Tenten (die wieder zueinandergefunden hatten), Kyûbi, Hinata und Kiba, Shino und natürlich ich. Der Rest hatte zeit- oder geldtechnisch nicht mitgekonnt. Und eine ganz spezielle Person redete jetzt bereits seit Januar nicht mehr mit mir. Der Gedanke an Sasuke war es, der mich in die Einsamkeit des Balkons getrieben hatte. Wir hatten damals über Urlaub in den Bergen geredet und sie hatte angedeutet, mitkommen zu wollen. Stattdessen war sie ich-weiß-nicht-wo und tat ich-weiß-nicht-was. Davon abgesehen, dass ich mir Sorgen um sie machte, vermisste ich sie. Wenn ich andere Pärchen unserer Gruppe sah, wünschte ich mir, Sasukes Hand halten, sie küssen oder bei ihr schlafen zu können. Mit ihr reden hätte für den Anfang gereicht. Ich wollte wissen, ob sie erreicht hatte, was sie wollte, ob es ihr gut ging… Und ob sie mich vermisste. Inzwischen war April und ich hatte nichts von Sasuke gehört. Am liebsten wäre ich zu ihr gefahren und hätte gefragt, was los war. Ob alles ok war, sie Hilfe brauchte. Ob sie mich nie wieder sehen wollte. Warum sie ihr Leben über den Haufen werfen wollte, ausgerechnet, nachdem wir uns geküsst hatten. Aber ich hatte versprochen, ihr Zeit zu geben, und das würde ich tun, so schwer es mir fiel. Die Balkontür öffnete sich und Sakura kam zu mir. „Hey, du könntest ruhig in der Küche helfen!“ „Du drückst dich doch selbst“, grinste ich zurück. Sie zog ihren flauschigen Wollmantel enger um sich und schmunzelte ins Tal. „Ino und Sai sind gerade wieder sehr verliebt…“ „Da wäre ich auch geflüchtet“, stimmte ich zu und wir lachten. Danach schwieg Sakura kurz nachdenklich, ehe sie fragte: „Was hältst du von den beiden als Paar?“ Ein wenig überrascht stieß ich die Luft zwischen den Zähnen aus. „Sie wirken glücklich, oder?“ Sakura verdrehte die Augen. „Sie sind seit drei Wochen zusammen, natürlich sind sie glücklich. Aber meinst du, das wird länger halten?“ Darüber musste ich erst nachdenken. „Na ja, Sai ist ein komischer Vogel, aber das weiß Ino ja… Wieso fragst du? Wolltest du was von ihm?“ „Idiot!“, schimpfte sie und boxte mich gegen den Arm, bevor sie sich das Haar aus den Augen strich und auf die Wiese vor dem Haus blickte, die tagsüber in saftigem Grün erstrahlte. „An Sai bin ich nicht interessiert…“ Ich grinste und knuffte sie gegen den Arm. „Aber an jemand anderem? Erzähl mir alles!“ Sakura wurde rot und funkelte mich böse an. “Du bist wirklich so ein Trottel, Naruto Uzumaki.” Lachend legte ich den Arm um ihre Schulter und küsste ihre Stirn. „Das weißt du doch.“ Sie murrte, löste sich aber nicht von mir, sondern tastete im Gegenteil nach meiner Hand, die ihr locker über die Schulter hing. „Meine Güte, du hast ja eiskalte Finger!“, rief sie und rieb selbige, um sie zu wärmen. „Wie lange stehst du schon hier?“ „Mach dir keinen Kopf, ich werde nie krank“, beschwichtigte ich, wofür ich einen tadelnden Blick kassierte. „Du musst es nicht herausfordern.“ „Ich schätze nicht… Aber das Essen dürfte eh gleich fertig sein.“ „Ist Essen alles, was dich interessiert?“ „Kann sein“, zwinkerte ich und Sakura lachte. Mein Blick schweifte wieder über die nächtliche Landschaft. „Schade, dass wir abreisen. Es ist schön, alle um sich zu haben“, gestand ich leise. „Aber auch anstrengend“, merkte Sakura an, wozu ich die Schultern zuckte. „Wenn ich könnte, würde ich mit allen Freunden und Verwandten eine riesige WG gründen. Man würde immer zusammen kochen, wüsste alles übereinander…“ „Wäre nie alleine“, wiedersprach meine Freundin. „Und ist das so schlecht?“, fragte ich, denn ich war ungern alleine. Die Stille missfiel mir, weshalb mir Musik so wichtig war. Außerdem hatte ich immer das Gefühl, Leute würden nie wieder kommen, wenn sie sich mal verabschiedet hatten. „Ich weiß nicht. Ich bin gerne ab und zu alleine.“ Sakura runzelte die Stirn nachdenklich. „Vor allem, wenn man sich gestritten hat, hat man so einen Rückzugsort.“ „Dann streitet man eben nicht.“ Sie sah zu mir hoch und legte den Arm um meine Mitte, die Stirn an meine Brust gelehnt. „Du hast gerade wieder so eine Phase, in der du dich an jeden klammerst… Aber die, die es wert sind, sich Sorgen zu machen, würden dich nie alleine lassen, Naruto. Jeder, der deine Freundschaft nicht wertschätzt, ist selber schuld.“ „Aber… Ich war nicht für sie da…“, wiedersprach ich leise, denn es war offensichtlich, dass Sakura auf Sasuke anspielte. „Irgendwas hätte sie gebraucht, und ich weiß nicht mal jetzt, was es war.“ Sakura löste sich aus meinem Arm, trat einen Schritt zurück und zog den Mantel enger um sich. „Sie will deine Hilfe nicht. Versteh das doch endlich. Du kannst nicht jeden retten – das musst du auch nicht. Lass… lass es einfach hinter dir. Das wäre besser für dich, als ständig auf sie zu warten.“ „Ich will nicht so leicht aufgeben. Vielleicht…“ „Da gibt es kein ‚vielleicht‘, Naruto, es ist vorbei. Akzeptier das endlich! Du nervst alle mit deinem Gejammer.“ Überrascht und verletzt sah ich sie an, bis Sakura wieder ruhiger wurde. Unbehaglich fuhr sie sich durch die Haare. „Das… Ich… Du verstehst einfach nicht…“ “Ja… Wahrscheinlich bin ich so dumm, wie du immer sagst, Sakura-chan”, lächelte ich traurig und ging zur Tür. Sie fasste nach meinem Arm, hielt mich auf. „So war das nicht gemeint.“ „Doch, war es. Und es stimmt ja, ich lasse viel mit mir machen, verzeihe leicht… Das liegt daran, dass meine Freunde mir die Welt bedeuten und ich keinen von euch verlieren will. Aber versteh das nicht falsch. Nur, weil du über mich sagen darfst, was du willst, heißt das nicht, dass du über andere Freunde von mir schlecht reden kannst.“ „Das wollte ich nicht. Ich mag Sasuke-kun. Nur…” Sie zögerte, sah zu Boden, dann wieder zu mir. „Wir machen uns alle Sorgen. Ich mache mir Sorgen. Das mit ihr ist seit Monaten vorbei und du scheinst einfach nicht darüber hinweg zu kommen. Dabei wart ihr nicht mal zusammen.“ Inzwischen war ich mir nicht mehr sicher, ob wir das nicht doch gewesen waren, aber das sagte ich Sakura im Moment lieber nicht. „Es gibt einfach Dinge, über die man nicht hinweg kommt. Und ich will das auch gar nicht. Sie hat gesagt, sie kommt wieder, also warte ich.“ „Vielleicht. Sie hat gesagt, sie kommt vielleicht wieder. Willst du darauf warten?“ „Ja“, sagte ich fest. Sakuras Gesicht wurde härter und sie wandte sich ab. „Schön. Dann versauer doch in deiner Traumwelt, wenn du die Realität nicht sehen willst“, fauchte sie und stürmte nach drinnen. Das war das letzte Mal, dass ich sie in diesem Urlaub sah. Sasuke Das Haus lag da wie ein Zeitreisender. Dunkles Holz verkleidete das einstöckige Gebäude und kühler Wind wehte durch das akkurat gekürzte Gras. Auf der Terrasse standen die Gartenmöbel. Gegen den Frühlingsregen waren sie von einer Plane geschützt, wodurch das Haus verlassen wirkte. Mein zu hause. Von dem Anblick wurde mir schlecht. Ich schluckte das mulmige Gefühl herunter; ich hatte gesagt, ich würde zu Besuch kommen, also würde ich das tun. Fugaku hatte mir den Hausschlüssel beim Auszug abgenommen, sodass ich klingeln musste. Kurz darauf war das Surren zu hören, mit dem sich die Tür öffnete, und ich drückte gegen den Stahlzaun, um auf den kiesbestreuten Vorplatz zu gelangen. Die Haustür öffnete sich, aber heraus trat weder mein Vater noch mein Bruder, sondern eine kleine, ältere Frau mit großem Busen, die mir zunickte. „Fräulein Uchiha.“ „Guten Abend“, grüßte ich, höflich, obwohl es irritierend war, so direkt von einer Person angesprochen zu werden, die ich noch nie gesehen hatte. Sie musste wohl die Haushälterin sein, die mein Vater eingestellt hatte als ich ausgezogen war. Während die Dame das Grundstück verließ, betrat ich das Haus durch die von ihr offen gelassene Tür. Natürlich wartete meine Familie nicht im Flur, dafür aber flauschige Pantoffeln, in die ich schlüpfte, ehe ich das Haus betrat. „Vater?“ „In der Küche“, kam die Antwort aus selbiger, und als ich zu Fugaku stieß, sah ich, dass die Haushälterin sich um das Abendessen gekümmert hatte. Ein üppiges Mahl aus Vor- und Hauptspeise köchelte auf dem Herd, und auf dem Tisch stand bereits der Salat. Itachi und unser Vater standen in ihren Anzügen in der Küche wie vor einem Geschäftsessen, und ebenso steif reichte Fugaku mir die Hand. „Schön, dass du die Zeit gefunden hast.“ „Vielen Dank für die Einladung.“ „Setzt dich“, befahl er, und ich gehorchte. „Was trinkst du?“ „Wasser, bitte.“ Noch nie war ich mir irgendwo so fremd und fehl am Platze vorgekommen wie in der Küche meiner Familie in diesem Moment. In die Stille hinein hörte ich mein eigenes Schlucken als ich an dem Wasser nippte, welches mein Vater mir hingestellt hatte. „Und, Sasuke“, brach Itachi schließlich das Schweigen, während er allen Salat auftat. „Ist deine Wohnung bisher, wie du es dir vorgestellt hast?“ „Es ist… Sehr ruhig“, antwortete ich, nur einen kurzen Blick zu ihm wagend. Ich hatte nicht gemerkt, wie leicht ums Herz mir in den letzten Wochen, in denen ich meinen Bruder nicht gesehen hatte, gewesen war. Jetzt war es, als drücke ein unsichtbares Gewicht mir die Schultern nach unten. Aber ich wollte das nicht, dachte ich, und richtete mich bewusst wieder auf. Ich würde nicht von Itachis bloßer Präsenz zerstören lassen, was ich so mühsam repariert hatte. Ich war stark genug, seine Anwesenheit zu ertragen, und um mir das zu beweisen war ich hier. „Nächste Woche wird noch ein Schrank geliefert, dann habe ich alles“, fuhr ich fort, um die Stille zu vertreiben. „Itachi wird dir helfen, ihn aufzubauen“, bestimmte mein Vater, und ich wäre fast vom Stuhl gefallen. So viel zu ´stark genug`. „Nein“, japste ich, ich will ihn nicht an meinem Rückzugsort. Als die beiden mich fragend ansahen, saugte ich mir eine Erklärung aus den Fingern. „Ich… Suigetsu und Juugo haben sich schon angeboten. Wir schaffen das.“ „Na gut“, stimmte Fugaku wenig begeistert zu, dann wandte sich das Gespräch anderen Themen, vorrangig der Arbeit, zu. Sobald wir nicht mehr über mich sprachen, wurde mein Vater gesprächiger, überraschte mich sogar, indem er sagte: „Bald solltest du als studentische Hilfskraft in der Firma anfangen. Ich denke, zuerst in den Laboren und dann in den Abteilungen der Büros. Dafür dürften deine Kenntnisse in der BWL mittlerweile genügen, nehme ich an?“ Ein halbes Semester vor dem Bachelor nahm ich das auch an, aber da ich andere Pläne hatte, die ich ihm noch nicht offenbaren wollte, nickte ich nur. „Ja, Vater.“ „Gut. Dann wirst du in den Semesterferien anfangen. Schick deine Bewerbung an die Personalabteilung. Es wird sowieso Zeit, dass man dich in der Firma kennt.“ Damit spielte er wohl auf meinen letzten Besuch an, und ich fragte mich, ob die damalige Sekretärin ihren Job noch hatte. Falls nicht, hielt sich mein Mitleid in Grenzen. „Dann wird die Familie diesen Sommer zusammenarbeiten“, stellte Itachi fest. Er schob sich lächelnd den letzten Bissen in den Mund, kaute gewissenhaft und legte sein Besteck beiseite. „Das wird sicher sehr produktiv.“ Das wäre ein Grund, das Praktikum sofort abzusagen. Mein Vater wirkte gerade so zufrieden, dass ich den Frieden nicht stören wollte – Außerdem war ich es nicht gewohnt, in diesem Haus zu wiedersprechen. Das war der Grund, aus dem ich Fugaku im Büro von meinem Auszug erzählt hatte; dort waren unsere Machtverhältnisse nicht so festgefahren. Aber leider hatte ich für diesen Sommer – und für die künftigen – andere Pläne, weshalb ich mich räusperte. „Was das angeht, Vater… Ich habe bereits eine Arbeit für den Sommer.“ „So?“ Fugaku war scheinbar so überrascht, dass er keine Details erfragte, was mein Glück war. Ich log nicht unbedingt gerne, obwohl ich es gut konnte. „Genau genommen arbeite ich bereits in der Firma. Meine Vorgesetzten sind sehr zufrieden.“ „Natürlich“, erwiderte er; für einen Uchiha gab es keine andere Möglichkeit. Kurz sah er nachdenklich aus, dann nickte er. „Du kümmerst dich um deine Angelegenheiten, das unterstütze ich. Wir werden einen anderen Termin für deine Arbeit in der Firma finden.“ Das bezweifelte ich, doch um des lieben Frieden Willens sagte ich nicht mehr – zumindest fürs erste. Das Gespräch drehte sich weiterhin vorrangig um die Arbeit. Unser Vater plante meine Einführung in das Unternehmen, und für eine Weile glaubte ich, dass mein Auszug tatsächlich dazu geführt hatte, unsere Beziehung zu verbessern. Wenn ich jeden Monat ein Mal herkam und die Stimmung so wie jetzt war, war das alles, worauf ich gehofft hatte. Als jedoch der Nachtisch verspeist war und wir abräumten, merkte Fugaku an: „Es ist spät. Du solltest hier schlafen“, und meine ganze Entspanntheit war dahin. „Es ist nicht weit. Ich werde gehen“, wiedersprach ich möglichst beherrscht. „Wie du meinst. Itachi, begleite deine Schwester“, befahl mein Vater, womit er endgültig Übelkeit in mir hervorrief. Mein Bruder erhob sich, doch plötzlich war ich nicht mehr fähig, mich zu rühren. Ich wollte nicht alleine mit ihm sein, und schon gar nicht wollte ich ihn auch nur in der Nähe meiner Wohnung. Meines wahren zu Hauses. Ich wollte einen Bruch zwischen dem, was hinter mir lag, und meinem neuen Leben, und plötzlich fragte ich mich, wieso ich überhaupt hier war. Diese ´Familie` war giftig, akzeptierte nur, wer funktionierte, was ich nicht tat, weil sie mich kaputtgemacht hatten. Das alles wusste ich, also wieso war ich hier? „Sasuke?“, sprach Fugaku mich irritiert an und meine angespannten Schultern sanken herab. Ach ja. Deshalb war ich hier; ich war abhängig von ihm. „Das ist nicht nötig. Wenn du darauf bestehst, bleibe ich“, gab ich nach, worüber Itachi lachte. „So unentschlossen wie eh und je, mein Schwesterherz. Das habe ich vermisst“, behauptete er und ging zur Tür. „Ich beziehe dein Bett.“ So war ich alleine mit meinem Vater. Man sah ihm sein Unbehagen so wenig an wie mir meines, doch seine Konversationsversuche sprachen Bände. „Deine neue Wohnung gefällt dir?“ „Ja.“ „Deine Nachbarn?“ „Ruhig.“ „In der Universität?“ „Ich bin sicher, die Prüfungen werden gut laufen.“ „Dieser Junge?“ Ich stockte, blinzelte und spannte nervös die Schultern an. „Junge?“ „Dein Freund, nehme ich an, nachdem du bei ihm geschlafen hast.“ Darauf wusste ich nichts zu sagen. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass Fugaku dieses Thema von sich aus anschneiden würde, und dann hatte er es so interpretiert. „Ich… Nein. Wir… Sehen uns nicht mehr.“ Aber ich wollte. Mehr als alles andere, besonders in diesem Moment, wollte ich nichts lieber, als bei Naruto zu sein. „Gut.“ Mein Vater lehnte sich zurück und entspannte die Schultern. „Ich denke nicht, dass er für dich geeignet wäre. Du solltest wieder Firmenfeiern besuchen. Dort könntest du…“ „Werde ich aber nicht“, unterbrach ich, giftiger als geplant. Unsere Blicke trafen sich und vielleicht zum ersten Mal wandte ich mich nicht ab. Ich hatte seine Augen; sie waren genauso stark. Schließlich nickte Fugaku knapp. „In dieser Sache werden wir uns nicht einig. Aber das ist hinfällig, wenn ich euch nicht mehr trefft.“ „So ist es.“ „Worüber redet ihr?“, fragte Itachi, der gerade zurückgekehrt war. „Nichts Wichtiges.“ Ich stand auf und räumte mein Glas in die Spülmaschine zum restlichen Geschirr, das mein Bruder zuvor schon aufgeräumt hatte. „Ich bin müde. Ihr entschuldigt mich.“ Sie wünschten mir eine gute Nacht und ich ging, schwer bezweifelnd, ob es eine ´gute Nacht` werden würde, in mein Zimmer. Ich hatte weder den Raum, noch die Erinnerungen, die daran klebten wie Gift, mitnehmen wollen. Bei seinem Anblick kehrte die alte Übelkeit zurück und erneut fragte ich mich, wieso ich hier war. Ich hatte ein neues, richtiges zu Hause. Wieso fühlte ich mich dem alten verpflichtet? Woher kam diese Stimme in mir, die sagte, ich sei selbst schuld daran, dass wir nie eine Familie gewesen waren? Hartnäckig redete sie mir ein, ohne mich seien Itachi und Fugaku und Mikoto glücklich gewesen. Und jetzt war ich gekommen um zu sehen, dass es nicht so war. Denn obwohl auch ich alleine glücklicher war, wollte ich nicht für die letzten zwanzig Jahre verantwortlich sein. Für die Verbitterung meines Vaters. Für den Zorn meines Bruders. Für mein eigenes Leid. Es musste Itachis Schuld sein, sonst könnte ich mich nicht mehr selbst ertragen. Wenn es aber seine Schuld war, wüsste ich nicht, wie er sich ertrug. Wahrscheinlich tat er es, indem er mich verantwortlich machte. Aber was, wenn ich dasselbe tat? Wenn ich wirklich selbst schuld war an allem und es Itachi nur zuschob, um mich nicht damit auseinandersetzen zu müssen? Meine Finger zitterten, als ich mir das Shirt über den Kopf zog. Das hatte ich hinter mir gelassen. Es war vorbei, Itachi hatte keine Macht mehr über mich. Er hatte nicht mal viel gesagt beim Abendessen. Trotzdem sperrte ich die Tür zu, bevor ich mich ins Bett legte, und ich war mir unangenehm bewusst, dass er die Laken angefasst hatte. Ein unerklärliches Jucken hielt mich wach, bis ich mich wie unter Schüttelfrost fühlte. Die Dunkelheit schien mit mir zu reden, aber ich konnte nichts verstehen, weil ich mir einbildete, Schritte auf dem Flur zu hören. War er dort? Bewegte sich nicht die Türklinke? Aber er konnte nicht rein, ich hatte abgesperrt. Muss er denn durch die Tür? Ruckartig setzte ich mich auf und sah mich um, aber da war nichts. Das Haus schlief, und das sollte ich auch tun. Ein Blick auf mein Handy zeigte, dass es bereits nach zwei war. Als das Display ausging, kroch die Dunkelheit zurück ins Zimmer, und mit ihr die Stimme. Glaubst du, er ist weg? Oder wird es je sein? Ich hörte ein kaltes Lachen in meinem Kopf und wusste plötzlich, dass genau das mein Problem war; mein Kopf. Und was bringt dir diese Erkenntnis? Ich bin immer noch da. „Nein.“ Ich stand auf, weil ich auch unsichtbare Feinde nicht liegend im Bett bekämpfte. „Ich bin alleine.“ Aber du hörst mich. Vielleicht werde ich verrückt, dachte ich, und die Stimme lachte. Ein Beweis deines Intellekts, das zu bemerken, während du mit dir selbst redest. Ich öffnete das Fenster, ließ mir das Gesicht von der Luft kühlen, doch das änderte nichts an dem schabenden Geräusch, das ich mir vor der Tür zu hören einbildete, oder an dem imaginären Dreck im Bett, der mich wach hielt. Vielleicht hatte die Stimme Recht. Ich wurde verrückt, wenn ich es nicht schon war. Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung, kicherte die Stimme. Ich verschränkte die Arme gegen die kalte Luft. Ich träumte, das war alles. In Träumen Stimmen zu hören, war nicht weiter schlimm. Deswegen war man nicht verrückt. Es gab sogar ein Fachwort dafür, das mir aber partout nicht einfallen wollte. Durchgeknallt?, schlug die Stimme hilfsbereit vor. Ich weigerte mich, weiter mit mir selbst zu streiten, konnte mich aber nicht dazu bringen, wieder ins Bett zu gehen. Es war, als würde ich gefesselt, sobald ich das Laken nochmal berührte. Und krabbelte da nicht etwas unter der Decke…? Nein, das tat es nicht, rief ich mich zur Ordnung, und riss zum Beweis das Bettzeug herunter. Wie ich da so stand, nackt, mitten in der Nacht, realisierte ich, dass ich geträumt hatte. Ich war nicht verrückt, mein Unterbewusstsein wollte bloß nicht hier sein – aus gutem Grund. Wieso war ich überhaupt noch hier? Ich hatte versprochen, mit der Familie zu essen, das hatte ich getan. Es gab keinen Grund, mich in diesem Zimmer, dieser Gruft meiner Kindheit, weiter aufzuhalten. Erleichtert von dieser Erkenntnis zog ich mich an und sammelte meine Sachen ein. Wenn ich etwas vergaß, würde ich wiederkommen müssen, was ich so lange wie möglich vermeiden wollte. Also sah ich alles drei Mal durch, bevor ich in die Küche ging, um einen Zettel mit Erklärungen da zu lassen. Einen Zettel mit Lügen, meinst du. „Sei still“, zischte ich und schrieb, dass ich Unterlagen von der Universität hatte holen müssen. Außer Lügen kannst du nichts, Sasuke. „Sei still!“, blaffte ich, wandte mich um… Und erstarrte, als ich mich Itachi gegenüber sah. Er zog die Brauen hoch, warf einen Blick auf meinen Zettel, wobei er meinen – für ihn – sinnlosen Kommentar ignorierte. „Was treibt dich so spät aus dem Bett, Schwesterherz?“ „Ich… Zu tun… Unterlagen…“, würgte ich hervor, wobei ich zurückwich, bis die Küchenzeile gegen meinen Rücken stieß. Mir war die Kehle plötzlich unerträglich eng. „Artikuliere dich, Sasuke“, tadelte Itachi und nahm mir den Zettel aus der Hand. Seine Augen leuchteten beim Lesen düster. „Schriftlich kannst du das ja scheinbar.“ Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich mit ihm auseinander zu setzen. Ich wollte nur schlafen. Und ich wollte, dass ich nie gekommen wäre. „Lass mich in Ruhe“, flüsterte ich erschöpft. „Wo hast du nur dieses Großmaul her, Schwesterherz?“, fragte mein Bruder, während er langsam näher kam. „Du wusstest doch immer, wo du hingehörst. Das weißt du auch jetzt, sonst wärst du nicht geblieben.“ Die Anrichte drückte fester gegen meinen Rücken und Itachi war mir viel zu nahe. Beinahe greifbar nahe war er vor mir, ein tieferer Schatten in den Schatten. Die Übelkeit schnürte mir die Kehle zu… Aber ich wollte das nicht. Ich würde mich nicht von ihm in alte Muster zwingen lassen. Hektisch tastete ich hinter mir, bis ich die Besteckschublade fand, die ich aufriss. Ich tastete darin herum, schnitt mir alle Finger auf, aber das war mir egal, als ich endlich ein Messer hatte, hinter dem ich mich verstecken konnte. „Lass. Mich. In. Ruhe“, knurrte ich, die Finger zitternd, selbst überrascht, wie kalt meine Stimme klang. Ich war wohl doch ein Uchiha. Itachi war stehen geblieben und hob langsam die Hände. „Sasuke, wir können über alles reden. Du bist verwirrt. Lass mich dir helfen, sonst begehst du eine Straftat. Das willst du Vater nicht antun, oder?“ „Du bist der Straftäter“, fauchte ich, wild mit dem Messer fuchtelnd. „Du bist der Verrückte. Ich rufe die Polizei, wenn du noch einen Schritt näher kommst.“ „Mit einem Messer in der Hand?“ Itachi lachte, zog sich aber zum Küchentisch zurück, von dem aus der mich beobachtete. „Sie würden dich in die Klapse werfen. Wohin du scheinbar auch gehörst… Psycho.“ „Vergewaltiger“, erwiderte ich, Eis in der Stimme. Die Wahrheit machte Itachi sprachlos, und ich nutzte die Gelegenheit, um an ihm vorbei zum Flur zu flüchten. Sekunden später war ich auf dem Weg vor dem Haus. Kies knirschte unter meinen Sohlen und dem Messer, das ich zu Boden fallen ließ, als ich das Anwesen verließ. Ich hatte gehofft, draußen freier atmen zu können, doch stattdessen bekam ich Herzrasen. Ich verfluchte meine irrationale Angst und redete mir ein, sicher zu sein. Helfen tat es nicht. Zu Hause in meiner Wohnung wäre alles besser, versicherte ich mir selbst. Ich erlaubte mir trotzdem nicht, schneller zu laufen, denn dafür gab es keinen Grund. So dämmerte es bereits, als ich am Bahnhof ankam. In der Bahn lehnte ich am Fenster und sah halb schlafend dem rotgoldenen Sonnenaufgang zu, der über den Himmel kroch. Licht war gut. Licht vertrieb die Träume. Wenn ich nur nicht in wenigen Stunden schon in der Uni hätte sein müssen. Irgendwann während der Fahrt war ich eingeschlafen, aber kurz vor meiner Haltestelle schreckte ich hoch. Taumelnd stolperte ich ins Freie, immer nach Hause… Nach Hause… Kam ich da nicht gerade her? In der Wohnung herrschte kühles Halblicht, da die ersten Sonnenstrahlen hereinschlichen. Alles wirkte unwirklich, was daran lag, dass ich hundemüde war. Ich wankte in mein Zimmer und ließ mich mit Klamotten ins Bett fallen. Mich auszuziehen, hätte gerade zu viel Kraft verschlungen. Wie von selbst fielen mir die Augen zu. Und ich hörte ein Lachen. Langsam setzte ich mich auf, sah mich um. Das konnte nicht sein, nicht hier. Ich war zu Hause. Ich war sicher. Ich war… Nicht alleine. Glaubst du, du kannst weglaufen? Nein, ich war zu langsam. Glaubst du, du kannst dich verstecken? Nein. Glaubst du, du kannst mich aussperren? Nein. Ich realisierte es erst jetzt, aber das konnte ich nicht. Ich hatte gedacht, ich hätte es hinter mir gelassen. Ich hatte gedacht, ich wäre stark geworden. Ich hatte mich geirrt. Er war noch da, in meinem Kopf, und er flüsterte mir zu, dass er mich begleiten würde, egal, wohin ich ging. Ich musste mit seinem höhnischen Lachen leben, wenn ich versagte. Ich musste seinen Spott ertragen, wenn mir etwas gelang. Ich musste Kritik an jeder Entscheidung über mich ergehen lassen, selbst hier, in meinen eigenen vier Wänden. Und ich war selbst schuld. Ich hatte meine Vergangenheit mitgebracht. Mit leeren Augen starrte ich an die gegenüberliegende Wand des Zimmers, wünschte mir Naruto her oder Orochimarus kleines Tütchen, das ich so leichtfertig hergegeben hatte, irgendetwas, das mich stark machen würde. Aber ich musste das alleine schaffen. Wenn ich nur nicht so schwach gewesen wäre… Naruto “Es ist jedenfalls schön, dass wir das geklärt haben.” Sakura lächelte mir zu und ich umarmte sie. Leise lachend legte sie die Arme um mich und strich mir durchs Haar. Es tat gut, dass jetzt wieder tun zu können, denn in den letzten beiden Monaten hatte seltsame Stimmung zwischen uns geherrscht. Diese war im Hüttenurlaub entstanden und hatte sich nicht verflüchtigt, wie ich gehofft hatte. Erst, als ich ein Treffen vorschlug und wir heute essen gegangen waren, hatten wir vieles klären können; dass sie sich vernachlässigt gefühlt hatte, dass ich Zeit gebraucht hatte, Sasukes Verlust zu akzeptieren, dass wir die Intimität von früher vermissten und noch einiges mehr. Es hatte gut getan, so reden zu können, und ich hoffte, wir würden uns wieder näher kommen. Im Moment saßen wir im Auto meiner Großeltern. Es war bereits halb drei, da wir noch spazieren gegangen waren, und vor Sakuras Wohnung, wo ich geparkt hatte, lange geredet hatten. „Willst du… Noch mit hochkommen?“, fragte diese, verlegen auf das Armaturenbrett schauend. Dagegen sah ich sie überrascht an. Natürlich war ich schon in ihrer Wohnung gewesen; ich hatte sogar geholfen, sie einzurichten. Aber um diese Zeit noch Besuch zu wollen, war doch ungewöhnlich. Sakura schien meine Verwirrung zu spüren, denn sie räusperte sich. „Du, ähm, könntest bei mir schlafen. Bevor du jetzt extra heimfährst…“ “Ja… Wenn es dich nicht stört, bleibe ich schon.” Lächelnd schnallte sie sich ab und gemeinsam gingen wir vom Parkplatz zum Haus und durchs Treppenhaus nach oben. An der Tür zitterte ihre Hand so, dass sie den Schlüssel erst nicht ins Loch brachte. Ich fragte mich genau so lange, was mit ihr los war, bis sie die Tür hinter mir ins Schloss zog und mich einfach küsste. „Oh“, machte ich, als sie sich löste. Das erklärte vieles. Sakura sah verlegen auf meine Brust, während sie ihr Haar hinters Ohr strich. „Ich… Wollte dir das schon länger sagen, aber es war nie der richtige Moment, und dann haben wir uns gestritten… Naruto, ich mag dich wirklich sehr und du… Du bedeutest mir viel.“ Noch vor einem Jahr hätte ich einen Luftsprung gemacht, hätte ich das gehört. Jetzt war ich nur überrascht. Ich freute mich, klar, immerhin hatte es eine Zeit gegeben, da hätte ich alles für eine Situation wie diese getan; alleine mit Sakura, die meine Hand nahm und sie mit ihrem Daumen streichelte, während sie mich schüchtern anlächelte… Aber das war vor ihr gewesen. Sasuke. Sie stand zwischen uns, obwohl ich sie seit einem halben Jahr nicht gesehen hatte. Sasuke hatte gesagt, sie würde zurückkommen, und ich hatte gesagt, ich würde auf sie warten. Aber selbst wenn wir uns wiedersahen, hatte sie nicht versprochen, mit mir zusammen zu sein. Wie hätte sie auch sicher sein sollen, in unbestimmter Zeit dieselben Gefühle für mich zu haben? Gefühle, derer ich mir nicht mal sicher sein konnte, weil sie sie nicht in Worte gefasst hatte. Zudem war es albern, darüber nachzudenken nach so langer Zeit. In diesen Monaten hatte sie sich nicht ein Mal gemeldet, nie gefragt, wie es mir ging oder was ich tat. Das musste doch heißen, dass sie keinerlei Interesse an meiner Freundschaft hatte – und erst Recht nicht an meiner Liebe. Oder redete ich mir das nur ein, weil ich Sakura wollte – körperlich wollte? Und weil ich sie liebte, wie ich alle meine Freunde liebte? Und weil der Blick, mit dem sie mein länger werdendes Schweigen beantwortete, mir das Herz zerriss? Ich wollte ihr nicht wehtun. Vielleicht war das der falsche Grund, aber ich hob ihre Hand an die Lippen und küsste sanft ihre Finger. Sofort kehrte das Lächeln in ihr Gesicht zurück. Sie kicherte, legte die Arme um meinen Hals und schmiegte sich an mich. „Ich bin so froh“, flüsterte sie. „Ich dachte schon… Wegen Sasuke-kun…“ Ich schluckte leicht, als sie diesen Namen aussprach und damit Recht hatte. In diesem Moment dachte ich daran, wie es gewesen war, als Sasuke mich zum letzten Mal umarmt hatte, viel zu lang und fest für eine Umarmung unter Freunden. Ich erinnerte mich, wie es gewesen war, ihre Lippen auf meinen zu spüren. Wie kühl ihre Haut unter meiner gewesen war. Wie leise ihr Atem, als sie an mich geschmiegt eingeschlafen war… „Nein“, sagte ich rau. Ich war nicht sicher, ob ich es zu dieser Erinnerung an Sasuke sagte oder zu Sakura. „Nein, ich… Ich war… Ich bin nur überrascht. In letzter Zeit hatten wir ja nicht den besten Draht.“ Sie wurde rot, sah auf meine Brust. „Ich war furchtbar zu dir, tut mir Leid… Ich war nur so… eifersüchtig auf Sasuke-kun. Ich meine, sie hat dich einfach zurückgelassen, und du denkst trotzdem ständig an sie…“ Sogar jetzt, dachte ich bitter. Aber vielleicht war es Zeit, damit aufzuhören. Alle sagten seit Monaten, ich solle aufhören zu warten. So Unrecht konnte doch mein ganzer Familien- und Freundeskreis nicht haben. Ich war schlecht darin, loszulassen, und klammerte mich deshalb an etwas, das schon lange vorbei war. Vielleicht würde es leichter, Sasuke gehen zu lassen, wenn ich etwas Neues zuließ. Und Sakura wäre ein wundervoller Neuanfang. „Tut mir leid, dass ich dir Kopfzerbrechen bereitet habe“, sagte ich zu dieser und strich ihr über die Wange. „Das mit Sasuke war irgendwie aus dem Ruder gelaufen, so intensiv, obwohl es keinen Gegenwert hatte. Aber… Das ist jetzt vorbei.“ Skeptisch runzelte Sakura die Stirn. „Sicher?“ Ich lächelte, umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und strich mit den Daumen über ihre Wangen. „Wenn du das willst.“ „Ich will vor allem mit dir zusammen sein. Aber wir… Können es langsam angehen lassen. Ein paar Mal ausgehen und sehen, wie es funktioniert…“ Man sah ihr an, dass sie auf diesen Teil des Gesprächs gerne verzichtet hätte, und ich war ihr dankbar, dass sie mir trotzdem Zeit geben wollte. Das zeigte, wie sehr sie meine Situation mit Sasuke verstand. „Danke“, lächelte ich, bevor ich sie küsste. Sasuke “Hol den Fisch aus der Kühlung!” „Hol ihn selbst.“ Mein Kollege sah mich an, wie ich in aller Ruhe Fleisch briet, sah ein, dass ich nicht gehen würde und verschwand selbst. Na also. An seine Stelle trat ein anderer Mann in weißem Hemd, der mir kritisch zusah. „Du bist hier nur Praktikantin“, erklärte er mir. „Es ist dein Job, für die anderen zu holen, was sie brauchen.“ Ich richtete das Fleisch auf den Teller und stellte diese auf das Heizbrett, wo er auf die Bedienung wartete, die ihn zum Kunden bringen würde. Dann wandte ich mich an meinen Chef. Er war mittelgroß, hatte dafür aber einen übergroßen Bauch. Sein Bart wirkte stets etwas fransig, was ihm trotz seiner weißen Haare das Aussehen eines Jungen verlieh. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt, wenn er grinste, was nicht sehr oft vorkam. Kazuma Ando war stets ein wenig bärbeißig, wobei er das selbst ‚konzentriert‘ nannte. „Hattest du schon Pause?“, fragte er und deutete mir an, ihm zu folgen, als ich den Kopf schüttelte. „Dann komm jetzt mit.“ Er wies jemanden an, uns zu vertreten, und ging mit mir hinter das Restaurant, wo eine Sitzgelegenheit für Angestellte aufgestellt worden war. Er bot mir eine Zigarette an, die ich ablehnte, sodass er nur sich selbst eine anzündete. „Du siehst echt aus wie jemand, der rauchen würde“, kommentierte Kazuma nach einem Zug. Ich zuckte die Schultern. „Ist besser für dich… Wie dem auch sei. Wie sieht´s aus? Die Praktikantenzeit ist bald vorbei und ich muss wissen, was du vorhast.” Irritiert runzelte ich die Stirn. “Wir hatten uns bereits geeinigt. Haben Sie den Vertrag noch nicht?” Mit verschränkten Armen lehnte er sich an eine Palette, die in den drei Monaten, die ich jetzt schon in dem Restaurant arbeitete, niemand aufgeräumt hatte. Er musterte mich. „Hätte ja sein können, dass du dich umentschieden hast. Ist ziemlich viel, was du dir da vorgenommen hast.“ Das mochte stimmen, doch ich hatte mich nie gescheut, hart und viel zu arbeiten. Zumal ich mir das hier selbst ausgesucht hatte, und ich ruderte nicht von Entscheidungen zurück, die ich mal getroffen hatte – so hart das auch sein mochte. „Sind Sie unzufrieden mit meiner Arbeit?“, wollte ich wissen, woraufhin Kazuma seufzte. „Ganz im Gegenteil.“ „Dann gibt es kein Problem. Der Vertrag kann abgeschickt werden.“ Er drückte stirnrunzelnd seine Zigarette aus. „Ich frage, weil ich mir um dich Gedanken mache. Es ist nicht gerade üblich, dass Studenten mit deinem Format – Bestnoten, Empfehlungen, Auszeichnungen auf allen Ebenen… Dass Studenten wie du plötzlich eine Lehre anfangen.“ „Ich sagte nie, dass es normal wäre.“ „Du bist echt ein störrisches Kind“, brummte er und rieb sich die schlecht rasierte Wange. „Wenn ich mir deine Noten so anschaue, mache ich mir um das Lernen keine Sorgen – die Berufsschule wird ein Klacks für dich. Aber es wird eine Doppelbelastung, hier zu arbeiten, auch nachts, und dann sowohl für dein Studium als auch für die Ausbildung zu lernen.“ „Ich werde das Studium nicht abbrechen“, schoss ich dazwischen, denn das stand im Bachelor-Semester nicht zur Diskussion. „Das habe ich mir schon gedacht. Aber willst du dann nicht lieber erst deinen Bachelor machen, bevor du etwas neues anfängst? Du bist erst zwanzig. Wieso die Eile?“ Weil ich es nicht erwarten konnte, auf eigenen Füßen zu stehen. Weil ich die Anstandsbesuche bei Fugaku und Itachi hasste. Weil ich wusste, dass ich sowohl Fernstudium als auch Ausbildung schaffen würde. Weil ich meine Ziele so schnell wie möglich erreichen wollte, um eine bestimmte Person wiedersehen zu können. Doch das alles ging Kazuma nichts an, also zuckte ich die Schultern. Wieder runzelte er die Stirn, ehe er nickte. „Na schön… Dann besorge ich die Verträge, und du bist ab September Auszubildende als Köchin.“ Naruto Ich parkte das Motorrad vor der Schule, wartete, bis meine Beifahrerin abgestiegen war, und nahm selbst den Helm ab. Sakura kramte inzwischen in meinem Topcase nach unseren Sporttaschen und reichte mir meine, ehe wir uns auf den Weg machten. Wie immer steuerte ich das abgeschlossene Tor an, doch die Schritte meiner Freundin wurden immer langsamer. Während ich schon fast über die Absperrung geklettert war, blieb sie stehen. „Ist das nicht verboten?“, fragte sie skeptisch. „Wieso? Wir müssen doch sowieso rein.” Grinsend hielt ich ihr die Hand hin. „Komm, ich helf dir.“ Sakura verschränkte mit gerunzelter Stirn die Arme. „Der Zaun ist doch nicht zum Spaß da. Hast du keinen Schlüssel?“ Seufzend kletterte ich zurück und nickte in die andere Richtung. „Da ist ein nicht abgesperrter Durchgang.“ „Warum nimmst du nicht einfach den?“, wollte meine Freundin wissen, als wir losgingen. Ich schob die Hand in ihre und quengelte: „Weil wir ganz außen rum müssen!“ Sakura schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Du bist so ein Kindskopf… Und der faulste Sportlehrer, den ich kenne.“ „Zu Ihren Diensten“, verbeugte ich mich, ehe ich sie küsste. Dafür blieben wir vor der Tür der Sporthalle stehen, sodass die Kinder, die reinliefen, uns sahen. Ein paar kicherten, ein paar machten dumme Kommentare, aber ich grinste Sakura nur an, als wir uns wieder lösten. Gemeinsam gingen wir nach drinnen, wo ich meiner Begleitung die Damenumkleide zeigte, bevor ich mich selbst umzog. Wenig später trafen wir uns vor der Sporthalle. Sakura trug schwarze Leggins mit pinken Streifen, ein pinkes Shirt und hatte das kurze Haar zu zwei Zöpfchen gebunden. Ich schlenderte zu ihr, legte von hinten die Hände auf ihre Hüften und küsste ihren Nacken. „Du siehst absolut scharf aus.“ „In Sportsachen?“, fragte sie und kicherte, als ich zustimmend summte. „Du hast einen komischen Geschmack… Nicht vor den Kindern.“, wehrte sie ab, als ich sie erneut küssen wollte. „Oh, keine Sorge. Ich heb mir noch was für später auf“, grinste ich, wofür ich einen Schlag in den Magen kassierte. „Sakura-chan…!“, keuchte ich empört. „Selber schuld… Und jetzt komm, die Kinder warten schon.“ Jammern folgte ich ihr zu der Gruppe von Kindern, die Sakura neugierig musterte. Einer machte Schmatzgeräusche, die wohl uns beim Küssen darstellen sollten, worüber die meisten – mich eingeschlossen – lachten. „Das musst du aber noch lange üben, bevor du es an einem Mädchen ausprobieren kannst“, stellte ich dann kunstkritisch fest und legte den Arm um Sakura. „Das ist Sakura-chan. Ich will sie beeindrucken, also benehmt euch ausnahmsweise.“ “Das hat doch bei der letzten schon nicht geklappt”, warf ein Junge ein. Erneut lachten ziemlich viele, nur ein Mädchen fragte: „Warum kommt Sasuke-san eigentlich nicht mehr?“ Meine Freundin spannte sich neben mir merklich an und ich fuhr mir genervt durch die Haare. Manchmal waren die Plagen zum gegen die Wand klatschen. „Jetzt macht eben Sakura-chan mit. Und sie will anfangen, also legen wir los!“ Damit war Sasuke aus den Köpfen der Kinder verschwunden. Wir hatten in der letzten Woche ausgemacht, einen Parcours aufzubauen und die erste halbe Stunde verbrachten die Kinder damit, alle Geräte aus dem Schuppen zu ziehen und diese in möglichst gefährlichen Konstellationen aufzubauen. Ich verbat die schlimmsten Ideen und legte Matten unter die nicht ganz mörderischen Geräte. Sakura und Tamina verbaten dann diese auch noch, aber am Ende tobten meine Schützlinge über Bänke, Sprossenwände und an Ringen. Nach einer Weile wurde ihnen aber scheinbar langweilig, sodass ein Junge ein Seil hochkletterte und sich weigerte, wieder runterzuklettern, bis ich ihn einsammelte. „Wenn du das nochmal machst, brauchst du nicht mehr hierher zu kommen. Die Gruppe für Kleinkinder trifft sich eine Stunde früher“, warnte ich den Scherzkeks, sobald wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten. „Und jetzt setzt du dich an den Rand... Na los.“ Kurz sah er mich ungläubig an, dann trollte er sich, wobei er der Bank, auf die er sich setzte, einen Tritt verpasste. Die anderen sahen mich irritiert an, denn ich hatte noch nie einen von ihnen bestraft. Doch ich lächelte schon wieder. „Der Rest bildet zwei Gruppen und stellt sich am Anfang auf.“ Während die überraschten Kinder das taten, kam Sakura zu mir, legte die Hände auf meinen (Inzwischen wieder durchtrainierten) Bauch und lächelte. „Weißt du, im letzten Jahr bist du echt erwachsen geworden. Ich bin wahnsinnig stolz auf dich.“ Verdutzt sah ich sie an. “Was meinst du?” “Na ja, vor einer Weile hättest du mit dem Jungen da oben gehangen und Blödsinn gemacht, und inzwischen bist du echt ein Vorbild”, erklärte sie und stellte sich für einen Kuss auf die Zehenspitzen. Ich gab ihn ihr und streichelte über ihre Hüfte. „Hm… Jeder wird mal erwachsen. Aber man muss es ja nicht immer sein“, grinste ich, worüber meine Freundin lachte, ehe sie sich von mir löste. „Kindskopf.“ „Dein Kindskopf. Und gegen den musst du jetzt spielen“, kündigte ich an und zog sie zu den inzwischen eingeteilten Teams. „Was? Wir machen mit?“, fragte Sakura leicht irritiert, ehe sie sich seufzend einem Team anschloss. Ich stellte mich neben sie an die Spitze der anderen Gruppe und wandte mich an die Kinder: „Also, ihr lauft so schnell ihr könnt, sobald euer Vorgänger mit dem Hindernis fertig ist. Sobald der letzte wieder da ist, ist das Rennen beendet. Für das Siegerteam habe ich einen kleinen Preis. Sakura-chan und ich starten als erste, damit wir alles beobachten können. Alles klar? Dann geht es auf mein Zeichen los!“ Ich drehte mich zum Parcours und grinste Sakura an, die die Stirn runzelte, aber etwas nervös lächelte, dann zählte ich von drei runter und lief los. Das erste Hindernis war ein Schwebebalken, auf den man mit einem Sprungbrett gelangte. Die Jahre meiner Freundin im Leichtathletik-Kurs machten sich bezahlt; leichtfüßig tänzelte sie über den Schwebebalken und sprang auf der anderen Seite wieder runter. Auf dem nächsten Hindernis – zwei Böcke, die man durch einen Schwung an einem Seil überwinden musste – geriet sie allerdings ins Stocken. Als ich auf der anderen Seite war, wandte ich mich nach Sakura um, die skeptisch das Ziel ihres Sprungs anstarrte. „Sind die Dinger stabil?“, wollte sie wissen, worüber ich lachte. „Dir kann nichts passieren, da sind überall Matten“, beruhigte ich und hielt ihr die Hand hin. „Na komm.“ Noch immer misstrauisch schwang Sakura sich zu mir rüber und ich fing sie auf. Die Turngeräte waren allerdings für Kinder ausgelegt, nicht für zwei Erwachsene, und gerieten ins Schwanken, als wir darauf standen. Erschrocken klammerte meine Freundin sich an mich, während ich versuchte, irgendwie das Gleichgewicht wiederzufinden. Als wir wieder standen, lachte ich und küsste Sakuras Stirn. „Angsthaste“, neckte ich, und bekam dafür wie erwartet einen Schlag in die Magengrube. „Das war nicht witzig“, erklärte sie würdevoll und sprang vom Bock. Mir den Magen reibend sah ich ihr nach, so lange, bis eines der Kinder rief: „Was machst du da, Naruto? Das ist ein Rennen!“ Das hatte ich für eine Sekunde tatsächlich vergessen. Umso schneller sprintete ich jetzt los, kletterte den Stick hoch, sprang über die Sprossenwand und überwand alle anderen Hindernisse. Am Schluss war ich eine halbe Minute vor Sakura im Ziel und kümmerte mich bereits um die Kinder an den Stationen, als meine Freundin keuchend eintrudelte. „Gut gemacht!“, lobte ich. „Lügner“, schnaufte sie, freute sich jedoch merklich über das ernstgemeinte Kompliment. Sakura war auf einem normalen, gesunden Fitnesslevel und dafür hatte sie sich wirklich gut geschlagen. Es konnte ja nicht jeder eine Herausforderung für einen Sportfreak wie mich sein – obwohl es Spaß gemacht hätte, sich ab und zu mit meiner Freundin zu messen. Meine letzte Partnerin beispielsweise war Läuferin gewesen, und die davor Kampfsportlerin. Aber das musste nicht sein, dachte ich, während ich Sakura mit den Kindern beobachtete. Sie war umwerfend, so, wie sie war, und ich war froh, sie zu haben. Da würde ich sie sicher nicht vergleichen. Am Ende der Stunde ging ich zu Masato, dem Jungen, den ich zuvor auf die Bank geschickt hatte. Er sah grummelig mit verschränkten Armen zur Seite, aber ich wuschelte ihm sanft durch die Haare. „Das war lustig. Schade, dass du nicht mitmachen konntest“, verkündete ich, als er nichts sagte, und lachte über seinen bösen Blick. „Du bist nur wegen der da so ein Arsch“, warf er mir vor und nickte zu Sakura, die gerade mit ein paar Mädchen plauderte. Über diese Behauptung musste ich tatsächlich nachdenken. Hätte ich Masato bestraft, wenn meine Freundin nicht dabei gewesen wäre? Sogar sie war überrascht gewesen, wenn auch positiv. Allerdings hatte ich es nicht wegen Sakura getan, zumindest nicht bewusst. Konnte also schon sein, dass sie Recht hatte und ich erwachsener geworden war. „Nicht wirklich“, wiedersprach ich dem Jungen. „Manchmal müssen wir Erwachsenen eben uncool sein. Aber deswegen sind wir trotzdem Freunde, oder?“, fragte ich lächelnd, woraufhin er mich wiederstrebend ansah, ehe er nickte. „Schätze schon.“ „Na also!“ Grinsend nahm ich ihn in den Schwitzkasten und rubbelte ihm durch die Haare, wogegen er sich wehrte. Wir rangelten, bis seine Mutter nach ihm rief und ich sah zu, wie sie ihm einen Kuss auf die Stirn hauchte, er sich beschwerte und in Richtung der Umkleide davonsauste. Die Frau sah ihm nach, erschöpft von ihrem Pubertier, aber auch unglaublich liebevoll. Wie ein heftiger Stich durchfuhr mich der Neid, doch dann schüttelte ich den Kopf, stand auf und ging meine Freundin einsammeln. Dieses Gefühl kannte ich, es kam eben ab und zu auf und ich hatte gelernt, damit umzugehen. Wenig später befanden Sakura und ich uns Hand in Hand auf dem Weg zu m einem Motorrad. „Hattest du Spaß?“, wollte ich von meiner Freundin wissen. „Die Kinder sind süß“, antwortete sie, womit sie meiner Frage auswich, wie ich sehr wohl bemerkte. Sie würde wohl nicht mehr mitkommen, aber das war schon ok. Jeder hatte andere Interessen. „Es ist schön, wie du mit ihnen umgehst”, fuhr Sakura fort. „Hehe… Ist immerhin mein Job.“ „Ja – und den machst du gut“, lobte Sakura, dann küsste sie mich. Mir ging es also wirklich gut. Es hätte absolut nichts geben sollen, das mir fehlte. Sasuke Eine Treppe führte in einen kleinen, durch Stufen unterteilten Eingangsbereich mit klobigen Sesseln und alten Plakaten an den Wänden. Ich zog mit einem Ruck eine Stahltür auf, hinter der noch mehr Stufen in den Barbereich führten. Der Boden war zur Bühne hin abschüssig. Auf dieser stand bereits das Equipment der Band, obwohl im Moment noch die Playlist eines DJs durch die ältlichen Lautsprecher knackte. Ich sah mich kurz um, entdeckte meine Freunde an der Bar und gesellte mich zu ihnen. Neben Suigetsu stand seine neue Freundin, eine hübsche Farbige namens Flora. Sie war eigentlich zu nett für ihn, und Karin wurde nicht müde, ihr das zu sagen, doch inzwischen hielt sie es seit immerhin drei Monaten mit ihm aus. Wegen ihr hielten wir uns in dieser Bar Schrägstrich mini-Konzerthalle auf; einer ihrer Freunde spielte in der Band, die später auftreten würde. Ich begrüßte alle und bestellte mir Wasser bei der Blondine hinter dem Tresen. Sie sah etwas überrascht aus, gab mir aber die Flasche und wandte sich kommentarlos ab. „Was hat dich aufgehalten?“, fragte Suigetsu, der wie alle anderen (außer vielleicht Flora) wusste, dass ich sonst eher überpünktlich war. Ich zuckte die Schultern, nicht wirklich bereit, zuzugeben, dass ich einfach nicht hatte alleine herumstehen wollen. „Es hat noch nicht angefangen.“ „Künstler sind doch immer zu spät“, beschwerte Karin sich, dann erzählte sie, wie sie und Juugo sich auf dem Herweg verlaufen hatten. Suigetsu brüllte vor Lachen, während ich die anderen Gäste beobachtete. Es waren vielleicht 50 Leute da, die Angestellten nicht mitgerechnet, und als der erste Sänger auftrat wusste ich, wieso. Er gab Schnulzen zum Besten, mit einer Inbrunst, als wäre die Besungene selbst anwesend. Suigetsu machte sich natürlich lustig und fing sich einige böse Blicke der Fans ein, als er den Künstler imitierte, aber das war ihm egal; seine Freundin zumindest lachte. „Für was braucht so eine unbekannte Band überhaupt eine Vorgruppe?“, motzte Karin in der Pause. „So unbekannt sind sie gar nicht“, verteidigte Flora ihren Bekannten. „Immerhin machen sie eine Tour durchs ganze Land.“ „Ach so?“, erwiderte die Rothaarige ein wenig schnippisch, was Suigetsu natürlich als Anlass nahm, einen Streit vom Zaun zu brechen. Inzwischen war mein Waser leer, sodass ich eine Ausrede hatte, vor ihrem Gezanke zu flüchten. „Toilette“, erklärte ich knapp und verzog mich, bevor eine der Damen mir Geleitschutz anbieten konnte. Die Musik war nicht schlecht – etwas kitschig vielleicht, für meinen Geschmack – und der Laden nicht zu voll, trotzdem brauchte ich einen Moment Ruhe. Diesen fand ich vor der Tür der Konzerthalle zwischen den Rauchern. Ich suchte mir ein etwas abgelegenes Plätzchen, lehnte mich an die schmutzige Hauswand, atmete tief durch und schloss die Augen. Nach der Arbeit war ich direkt hergekommen, ich hatte nicht mal geduscht (Juugo hatte mir vorhin umsichtig ein wenig Teig aus den Haaren gezogen). Ich war erschöpft, körperlich genauso wie geistig. Die Doppelbelastung zwischen Studium und Ausbildung war wie erwartet nicht groß; das Lernpensum der Berufsschule war ein Witz, und mit den Vorbereitungen meiner Bachelorarbeit kam ich gut voran. Aber durch all das war ich ständig unter Menschen, was mich nach wie vor anstrengte. Doch ich hatte mir vorgenommen, alles auf die Reihe zu bekommen; Uni, Ausbildung und Privatleben. Versagte ich jetzt in einem davon, müsste ich von vorne anfangen. Und ich wollte meinen Weg unbedingt beenden, um zum Anfang zurückzukehren. Ich hatte die Augen geschlossen, hörte den Lärm der Straße und die Gespräche der Raucher in der Nähe, als ein bekanntes, viel zu lautes Lachen mich die Augen öffnen ließ. Ich bildete mir das sicher nur ein, wie schon so oft… Trotzdem wanderte mein Blick über die Anwesenden. Und da war er. Naruto. Er stand bei einigen Leuten, an die ich mich düster erinnerte, vermutlich aus Kyûbis WG. Natürlich rauchte er nicht, aber dafür redete er umso mehr. Und natürlich atmete er Glück aus wie andere Leute Stickstoff. Mein Magen verknotete sich vor Nervosität und mein erster Impuls war es, wegzulaufen. Ich war noch nicht so weit… Aber wieso eigentlich nicht? Ich hatte mir selbst ein funktionierendes Leben aufbauen wollen, in das ich Naruto integrieren konnte, ohne ihn zum Heftpflaster meiner vielen Baustellen zu machen, und das war mir gelungen; ich hatte mich von meiner Familie lösen wollen, und das hatte ich getan. Ich hatte eine Ausbildung anfangen wollen, die mir gefiel, und ich hatte es geschafft. Ich hatte ein stabiles soziales Umfeld, mir ging es gut, auch ohne ihn, genau, wie ich es mir vorgestellt hatte. Also konnte ich ihn doch wiedersehen, oder? Die Entscheidung wurde mir abgenommen (ich wäre nie sowieso hingegangen, dazu war ich viel zu feige), als Naruto den Blick hob und mich sah. Zuerst war seine Stirn gerunzelt – er war wohl irritiert, weil er mein Starren bemerkt hatte. Dann weitete er überrascht die Augen, bevor sein bekanntes, strahlendes Lächeln seine Züge erhellte. Er lächelte. Trotz allem, obwohl ich ihn verlassen, wohlweislich, wie sehr ihn das verletzten würde, obwohl ich ihn schlecht behandelt hatte, lächelte Naruto. Wie immer… Er wandte sich an seine Begleiter – drei von Kyûbis Mitbewohnern – deutete auf mich und sagte etwas. Sie runzelten noch fragend die Stirn, als er sie stehenließ, um zu mir rüber zu kommen. Ich spürte die neugierigen Blicke seiner Begleiter, doch ich sah nur ihn an, obwohl ich am liebsten weggelaufen wäre. Aber dann war er bereits bei mir. „Sasuke! Was für eine Überraschung. Was machst du hier?“, wollte er wissen und klang dabei ehrlich erfreut. „Das Konzert“, brachte ich nervös heraus. Das hier passierte doch nicht wirklich, solche Zufälle gab es nicht… Doch er lachte wirklich und wahrhaftig und kratzte sich an der Nase. „Haha, ja, macht Sinn. Hätte nicht gedacht, dass dir sowas gefällt.“ Ich zuckte die Schultern. „Ein Freund von Suigetsus Freundin ist in der Band.“ „Er hat eine Freundin? Ich dachte immer, er würde irgendwann mit Karin zusammenkommen.“ „Sie ist lesbisch“, erinnerte ich ihn, doch jetzt war es Naruto, der die Schultern zuckte. „Und?“ Ich machte mir nicht die Mühe, ihn über die Definition von Homosexualität aufzuklären (Zumal ich wusste, dass es möglich war, sich unabhängig von der eigentlichen Orientierung zu verlieben) und verschränkte die Arme. „Und du? Alleine hier?“ „Ne, ein paar Freunde sind dabei.“ Er nickte zu den Leuten aus der WG, die mich genauso misstrauisch musterten wie ich sie. “Aber erzähl von dir. Was machst du, außer auf Konzerte gehen?“ „Ich habe eine Ausbildung angefangen.“ Überrascht blinzelte er, dann grinste Naruto breit. „Lass mich raten; als Bäckerin?“ „Fast“, lächelte ich zurück und strich mir durchs Haar. „Rate nochmal.“ „Das ist unfair! Aber ok… Ähm, irgendwas mit Lebensmitteln… puh… Köchin?“ Ich nickte und er strahlte, als wäre das sein persönlicher Verdienst. „Wow, das freut mich! Macht es Spaß?“ „Im Moment bin ich noch Praktikantin. Aber ja, es macht Spaß.“ „Was hat dein Vater dazu gesagt?“, erkundigte er sich vorsichtig, während die anderen Gäste langsam wieder nach drinnen stromerten. Ich zuckte die Schultern, worüber er lachte. „Du hast es ihm gar nicht gesagt? Wusste ich doch, dass du noch eine Rebellin wirst.“ „Das hat nichts mit Rebellion zu tun“, seufzte ich und er knuffte mich gegen den Arm. „Ne, versteh schon. Er wird nicht begeistert sein, wegen dem Studium… Hätte nie gedacht, dass du ein Studium abbrichst.“ „Habe ich auch nicht.“ Bevor er weiter fragen konnte, öffnete sich die Tür neben uns und eine junge Frau trat heraus, die sich an Narutos Seite stellte. Sakura sah stirnrunzelnd zu Naruto auf, als er den Arm um sie legte; mich hatte sie nicht mal bemerkt. „Wo bleibst du? Es geht los.“ „Schau mal, wen ich getroffen habe!“, ignorierte er ihre Frage, und zum ersten Mal wandte Sakura sich mir zu. Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich rasant von überrascht zu entsetzt zu einem leicht gezwungenen Lächeln. „Oh… Hallo, Sasuke-kun. So eine Überraschung.“ „Ja, ist das nicht cool?“, freute Naruto sich, was weder ich noch seine Freundin (So, wie sie sich an ihn schmiegte, musste sie das sein), so sahen. Er bemerkte zwar wohl die Stimmung, konnte den Grund aber nicht erkennen, weshalb er nur verwirrt lächelte. Er war also immer noch ein Trottel… Ein vergebener Trottel. Wundervoll. „Hm… Wir sollten wohl echt wieder reingehen, sonst verpassen wir noch alles“, merkte Naruto an und schob die Finger in die Hand seiner Freundin. „Wird bestimmt cool, Suigetsu und die anderen wieder zu sehen…. Er hat jetzt eine Freundin, weißt du das?“, erzählte er seiner Freundin, obwohl Sakura und Suigetsu sich höchstens ein oder zwei Mal gesehen hatten und sie sich vermutlich nicht mal an ihn erinnerte. Entsprechend irritiert sah sie ihn auch an, während sie sich von ihm die Tür aufhalten ließ. „Aha…?“ „Ja, so hab ich auch geschaut… Huh? Sas, kommst du nicht?“, fragte Naruto, als er merkte, dass ich noch immer an der Wand lehnte. Ich war vollkommen perplex von dem, was hier gerade ablief; einerseits war Naruto genauso wie damals, fröhlich und kein bisschen nachtragend oder sauer. Andererseits war es grundlegend falsch, dass er Sakuras Hand hielt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt… Und es zerriss mich beinahe, dass ich kein Recht auf die Eifersucht hatte, die ich gerade empfand. Schließlich war ich gegangen. „Sas?“ „Ich werde nicht mitkommen“, erklärte ich und war froh, dass man mir selten Emotionen an der Stimme anhörte. Jetzt brauchte ich nur noch eine Erklärung – obwohl Sakura auch ohne Grund ganz froh über meine Absage schien. „Vorhin hab ich einen Anruf bekommen, dass ich morgen früh arbeiten muss. Deshalb wollte ich gerade gehen, als wir uns gesehen haben.“ Na also, das klang doch sogar recht überzeugend. „Oh, dann hab ich dich aufgehalten, sorry!“, rief Naruto, der mir natürlich sofort glaubte. Er zog die Hand aus der seiner Freundin und kam wieder näher. „Aber wir müssen uns unbedingt mal treffen und quatschen… Das heißt, wenn du willst“, fügte er hinzu, als ihm einfiel, wie unser letztes Treffen geendet hatte. Mein Blick huschte zu Sakura, dann nickte ich. Wenn er mich treffen wollte, konnten wir das, sie hatte das nicht zu bestimmen. Ich gab Naruto meine Nummer, ließ mich kurz umarmen, winkte Sakura zu und ging. Unterwegs fühlte ich mich seltsam taub. Völlig pragmatisch schrieb ich meinen Freunden eine Nachricht mit derselben Ausrede, die ich Naruto aufgetischt hatte, und nahm die Bahn zu meiner Wohnung. Unterwegs hatte ich die Kopfhörer meines I-Pods aufgesetzt und ließ meine Gedanken von der Musik betäuben. Ich wollte nicht daran denken, was gerade passiert war, weigerte mich einfach, es zu verstehen. Meine Füße trugen mich durch die Wohnungstür und in mein Schlafzimmer. Dort setzte ich mich aufs Bett und starrte auf den schwarzen Fernseher auf der Kommode an. Versprochen. Er hatte versprochen, auf mich zu warten. Was machte also diese Frau an seiner Seite? Es war doch wirklich Ironie des Schicksals, dass wir uns aus Zufall über den Weg laufen sollten, so, wie ich das vor einem Jahr angekündigt hatte, und dann war er in Begleitung seiner neuen Freundin. Mir ging es, wie ich gehofft hatte, gut, ich hatte wieder Platz in meinem Leben – aber Naruto nicht mehr in seinem. Vor einem Jahr hatte ich geglaubt, mit so einer Situation umgehen zu können, dass mir eine Freundschaft weiterhin genügen würde. Ich hatte mich geirrt. Ich hatte mich verändert, und jetzt wollte ich nicht mehr alleine nach Hause gehen, jedes Mal, wenn wir uns gesehen hatten. Ich wollte jetzt nicht alleine sein in dem Wissen, dass er bei ihr war. Für mich war es so eine abstrakte Zukunft gewesen, die es ohne Itachi und meinen Vater geben sollte, dass ich mir nicht hatte vorstellen können, welchen Platz andere Menschen darin einnehmen könnten. Inzwischen wusste ich aber, welchen Platz ich Naruto zugeschrieben hatte, und mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass dieser Plan nicht aufgehen könnte. Er hatte doch so sicher gewirkt. Er hatte immer nur mich gewollt… Solange ich in seiner Nähe gewesen war. Wie hatte ich so dumm sein können? Hatte ich wirklich geglaubt, Naruto würde warten, ohne zu wissen, ob er mich überhaupt je wiedersah? Und selbst wenn wir uns wiedergesehen hätten, hätte er nach all seinen Erfahrungen mit mir nicht auf eine Beziehung hoffen können. Das hatte er erkannt, und jetzt sah er Sakura so an, wie er früher mich angesehen hatte; wie das wichtigste auf der Welt. Ich wusste plötzlich nicht mehr, wie man sich bewegte, und mein Herz schlug unangenehm schnell und hart in meiner Brust. Meine eigene Naivität und Hilflosigkeit lähmten mich, denn es gab absolut nichts, was ich hätte tun können. Sie hatten glücklich ausgesehen, alle beide. Er war glücklich – ohne mich. Ich fragte mich, wie der Verlust von etwas, das ich vor einem Jahr freiwillig aufgegeben hatte, so wehtun konnte. Vielleicht, weil zum ersten Mal nicht Itachi mir weggenommen hatte, was mir so viel bedeutete. Ich hatte es selbst kaputt gemacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)