The Story of a Bastard Child von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 10: Ein Stückchen Wahrheit ---------------------------------- Ihr schlechtes Gewissen stand ihr praktisch ins Gesicht geschrieben, trotzdem hatte Sora die Woche kaum mit ihr geredet gehabt. Sie war sauer. So richtig. Mimi spürte ihre abweisende Haltung ihr gegenüber und schämte sich solche intimen Details in einem öffentlichen Café rumgebrüllt zu haben. Doch unter Schock passierten manchmal solche Dinge. Vielleicht hätte Sora ihr es wirklich nicht erzählen sollen. Genervt und miesgelaunt saß Mimi am Tisch. Ihren Kopf hatte sie auf ihrer Handfläche abgelegt und hörte halbherzig dem Gespräch ihrer Mutter und Großmutter zu. Ihre Großeltern besuchten sie immer während der Golden Week. Es war eine Art Tradition, die durch Amerika unterbrochen wurde. Doch auch schon letztes Jahr waren sie da gewesen und freuten sich sehr über ihre Rückkehr ins gute alte Japan. „Und Mimi, wie läuft es in der Schule? Hast du noch Probleme in Mathe?“, fragte ihre Oma interessiert. Ihr Großvater war mit ihrem Vater ins Wohnzimmer verschwunden und wahrscheinlich leerten sie wie immer die Hausbar. „Ehm, naja es geht. Ich habe einen Nachhilfelehrer“, sagte sie und bewegte den Kopf leicht. „Einen richtig Süßen sogar“, warf ihre Mutter ein, die hinter der Küchentheke stand und sich um das Mittagessen kümmerte. „Mama“, zischte Mimi wütend und warf ihrer Mutter einen bösen Blick zu, den sie zu ignorieren schien. „Was denn? Ich sage nur die Wahrheit!“ Ihre Großmutter lächelte verhalten und richtete den Blick auf ihre Enkelin. „Also wenn er wirklich so süß ist, solltest du ihn dir schnappen“, meinte sie zwinkernd. „Fängst du jetzt auch schon damit an?“, stöhnte Mimi genervt und hielt sich ihre Stirn. Ihre Familie war einfach unglaublich. Konnte sich denn niemand um seine eigenen Probleme kümmern? Mimi sah wieder zu ihrer Mutter, die vor sich hin summte und in einem großen Topf herumrührte. Plötzlich fiel Mimi wieder das Gespräch zwischen ihren Eltern ein, dass sie zufällig belauscht hatte. Sie hatte sich nicht getraut ihre Mutter zu fragen, warum sie zu ihrer besten Freundin keinen Kontakt mehr hatte. Schließlich passierte all das vor ihrer Geburt. Aber dennoch war sie neugierig und wollte wissen, weshalb die beiden sich so verkracht hatten. Und außerdem fragte ihre Mutter sie auch ständig aus. Die Sache mit Tai schien sie wohl auch nicht loszulassen. Sollte sie einfach nach der Geschichte mit Ayame fragen? Vielleicht sollte sie auch einfach ihrer Großmutter ein wenig auf den Zahn fühlen, wenn ihre Mutter den Tisch deckte? Mimi blickte kurz zwischen den beiden hin und her. Ihre Mutter würde ihr sicher nicht so leicht etwas erzählen, das war einfach nicht ihre Art. Besonders weil ihr Vater anscheinend von der Geschichte nichts mehr hören wollte. Also blieb Mimis Blick bei ihrer Großmutter hängen, die sie liebevoll anlächelte. Variante zwei hatte ihr sowieso besser gefallen. _ Ihre Mutter holte die Teller hervor und Mimi wusste, dass sie den Tisch im Wohnzimmer decken wollte. Sie verschwand kurz, kam daraufhin aber schnell wieder, um das Besteck zu holen. Danach war Mimis Chance gekommen. Sie musste sich beeilen. Viel Zeit hatte sie nicht. Sie wandte sich zu ihrer Oma und beäugte sie kritisch. Ob sie ihr die Wahrheit sagen würde? Ein Versuch war es allemal wert. „Du, Oma?“ „Ja, was gibt es denn?“, fragte sie und wandte den Blick von ihrem Rätsel, das sie gerade lösen wollte. „Kennst du eine Ayame? Mama und Papa haben letztens über sie gesprochen.“ Ihre Großmutter senkte den Kopf und presste die Lippen aufeinander, sodass sie einen schmalen Strich ergaben. „Hat dir Satoe nie etwas von ihr erzählt?“, stellte sie die Gegenfrage, die Mimi verneinte. „Nein, nie. Und jetzt scheint mir auch niemand etwas sagen zu wollen“, meinte sie gekränkt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich weiß nur, dass beide besten Freundinnen waren und jetzt halt irgendwie nicht mehr.“ „Ja, das stimmt wohl“, bejahte sie und schwelgte in Erinnerungen. „Die beiden waren wirklich unzertrennlich. Aber das war kein Wunder, so lange wie die beiden sich schon kannten.“ Mimi spitzte die Ohren. „Wie lange kannten sie sich denn?“ Ihre Großmutter lachte. „Schon seit ihrer Geburt. Ayame war fast wie eine zweite Tochter für mich.“ Seit ihrer Geburt? Mimi sah ihre Großmutter perplex an. So lange kannten sie sich schon? Und niemand hatte ihr je von ihr erzählt? Das stank doch zehn Meilen gegen den Wind. „Und was ist passiert? Haben die beiden sich gestritten?“ Mit großen Augen beobachtete sie die Reaktion ihrer Großmutter, die plötzlich traurig wirkte. Anscheinend steckte mehr dahinter, als sich Mimi vorstellen konnte. „Sie haben beide mit ihrem Studium angefangen. Direkt nach der Oberschule. An der Universität hat deine Mutter auch deinen Vater kennengelernt und auch Ayame hat sich verliebt“, erzählte sie die Kurzfassung. Mimi erinnerte sich dunkel daran, dass ihre Mutter ihr mal erzählte, dass sie BWL studiert hatte. Doch dann heirateten ihre Eltern und sie bekam Mimi. Von da an, bestand ihr Lebensinhalt darin, allen Tätigkeiten einer guten Hausfrau und Mutter nachzukommen. Mimi wusste noch nicht mal, ob ihre Mutter ihr Studium je beendet hatte. „Und was ist dann passiert?“, fragte die Brünette und sah gespannt zu ihrer Großmutter. „Ayame wurde schwanger, kurz bevor sie ihren Abschluss als Juristen machen konnte. Deine Mutter konnte ihren damaligen Freund gar nicht leiden, aber sie haben wegen des Babys geheiratet und sind danach weggezogen“, erklärte sie schulterzuckend. „Deine Mutter sollte eigentlich Patentante werden, aber irgendwas war vorgefallen. Und auch Ayames Eltern hatten danach kaum noch Kontakt zu ihr gehabt.“ „Weißt du auch, was da vorgefallen ist?“, fragte Mimi interessiert und rückte näher an ihre Großmutter heran. Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Tut mir leid, mein Schatz. Aber deine Mutter meinte nur, dass sie sich auseinander gelebt hätten“, antwortete sie stirnrunzelnd. „Geglaubt habe ich es ihr jedoch nie. Dafür standen sie sich einfach zu nahe. Aber es gab auch mal ein…“ „Mama? Mimi? Kommt ihr ins Wohnzimmer? Der Tisch ist fertig gedeckt“, rief Satoe Tachikawa, so als hätte sie geahnt, dass ihre Mutter, Mimi etwas erzählen wollte, was für ihre Ohren nicht bestimmt war. Mimi gab einen genervten Laut von sich und sah hoffnungsvoll zu ihrer Großmutter, die nur leicht den Kopf schüttelte. „Ach, ich sollte dich mit den alten Kamellen wirklich nicht langweilen“, meinte sie nur und stand auf. Na toll, schoss ihr durch den Kopf, jetzt hatte sie zwar einige Informationen mehr, aber brauchbar konnte man sie wirklich nicht nennen. Missmutig stand sie ebenfalls auf und ging gemeinsam mit ihrer Großmutter ins Wohnzimmer. _ Nachdem ihre Großeltern gegen Abend wieder gefahren waren, lag Mimi auf ihrem Bett und starrte zur Decke. Ihr Handy lag direkt neben ihr. Sie hatte schon mehrmals Soras Nummer gewählt, doch nie auf den grünen Hörer gedrückt. Sie hatte Angst, dass sie immer noch sauer auf sie war. Aber sie wollte sich wieder mit ihr vertragen. Die Geschichte über ihre Mutter und ihre beste Freundin, hatte sie regelrecht wachgerüttelt. Sie musste etwas tun. Sie musste sich bei Sora entschuldigen, auch wenn es ihr schwer fiel. Mimi schnaubte kurz und drückte ihren Hinterkopf noch ein bisschen mehr in ihr Kissen. Dann nahm sie ihr Handy und wählte erneut ihre Nummer. Diesmal drückte sie auf den grünen Hörer und wartete darauf, dass sich Soras Stimme meldete. Nach mehrfachem Tuten meldete sich Sora und klang sehr überrascht. „Mimi? Mit dir habe ich wirklich nicht gerechnet.“ „Hallo Sora“, murmelte sie in den Hörer und sie merkte das Sora einen erleichterten Ton von sich gab. Wahrscheinlich hatte sie schon auf ihren Anruf gewartet oder wollte sich ebenfalls bei ihr melden. „Ich wollte mich bei dir entschuldigen“, meinte sie zähneknirschend. „Ich hätte das im Café nicht sagen sollen.“ „Du hättest nicht schreien sollen“, korrigierte Sora sie. „Aber ich bin dir nicht mehr böse.“ „Echt nicht? Warum hast du das nicht eher gesagt? Die letzte Woche hast du kaum mit mir gesprochen und mein schlechtes Gewissen erst, ach Mensch Sora“, klagte sie empört und hörte Sora am anderen Ende kichern. „Ach Mimi, ich war sauer. Ganz schön sogar, aber ich kenn‘ dich mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass du es nicht böse meinst.“ „Ja, trotzdem, tut es mir leid und in dem Café können wir uns wohl nicht mehr blicken lassen“, sagte sie enttäuscht. „Ach, das macht nichts. Ich habe gehört, dass die sowieso viel zu teuer sind“, entkräftete Sora lachend. „Wie war die Golden Week bei dir so?“ „Meine Großeltern waren da. Sie sind vor ‘ner Stunde nach Hause gefahren. Und bei dir? Hast du dich wieder mit Matt getroffen?“ Stille herrschte am anderen Ende. „Also ja“, schlussfolgerte Mimi grinsend. „Und wann macht ihr es endlich offiziell?“ „Wenn wir mit Tai geredet haben“, antwortete sie knapp und klang komisch. „Oh, okay und wann habt ihr vor mit ihm zu reden?“, wollte sie wissen und drehte mit dem Finger eine Haarsträhne ein. „Wenn es nach mir ginge, sofort. Aber Matt hat Angst, dass er sauer sein könnte. Wir haben es schon recht lange verheimlicht.“ „Ich würde es ihm sagen“, bestärkte Mimi sie. „Er ist euer bester Freund und sollte wohl von den aufkommenden Veränderungen als erster in Kenntnis gesetzt werden“. „Ich weiß“, murmelte Sora, fast kaum hörbar. „Ich werde es ihm demnächst sagen und ich weiß auch schon die perfekte Gelegenheit.“ „Ach ja und welche?“ Mimi drehte ihre Haarsträhne nochmals um ihren eigenen Finger und betrachtete sie kurz. Vielleicht sollte sie sich wirklich mal die Spitzen nachscheiden lassen. Sie waren doch sehr kaputt, wie ihr gerade auffiel. „Matt hatte doch am vierten Geburtstag und er wollte ihn am nächsten Freitag nachfeiern. In der Karaoke Bar. Vielleicht ergibt sich da ja eine Gelegenheit“, erzählte sie fast schon ein wenig euphorisch. „Ja vielleicht.“ Mimi hoffte, dass sich das „vielleicht“ in ein „auf jeden Fall“ umwandelte. Tai musste einfach erkennen, dass Sora sich in Matt verliebt hatte. Nur so hatte sie eine Chance, ihm möglicherweise näher zu kommen. Wenn sie Glück hatte, verliebte er sich ja wirklich noch in sie. Sie musste einfach für ihn da sein. Mimi lächelte leicht. Sie spürte doch, dass irgendeine Anziehung zwischen ihnen war, er hatte es nur nicht bemerkt, da er zu sehr auf Sora fixiert war. Sie musste ihm einfach die Augen öffnen. Am besten bald. Diese unglückliche Liebe machte Mimi wirklich fertig. Das ihr Plan, aber viele Lücken aufwies, ignorierte sie schlichtweg. Sie wusste noch nicht mal, ob er wirklich in Sora verliebt war, sie vermutete es nur. Und selbst wenn Tai in sie verliebt war, würde er sich sicher nicht so schnell umverlieben, auch wenn Mimi noch so viel für ihn da sein würde. Vielleicht würde dieses Geständnis auch alles ins Bodenlose reißen und bereits bestehende Freundschaften für immer zerstören. Doch Mimi war vollkommen blind und sah nur das, was sie sehen wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)