The Story of a Bastard Child von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 43: Vielseitige Chancen ------------------------------- Der kalte Wind blies ihr ins Gesicht und ließ sie leicht erschaudern. Sie hielt den Kaffee, den sie sich vor kurzem geholt hatte, fest in ihren Händen und wärmte sich ein wenig auf. Tai kam gerade auf sie zu und hielt ebenfalls einen Becher Kaffee in seiner rechten Hand. Es war bereits Anfang November und die Tage hatten deutlich abgenommen. Mimi kuschelte sich noch ein wenig mehr in ihre Jacke, als sich beide langsam in Bewegung setzten. Sie hatten beschlossen die Nachhilfe ausfallen zu lassen und lieber etwas durch die Stadt zu bummeln. Zurzeit kam sie wirklich ziemlich gut in Mathe zurecht und beide verbrachten auch außerhalb ihrer Nachhilfestunden gerne Zeit miteinander. Mimi hatte das Gefühl, dass sich so langsam alles in die richtigen Bahnen begab. Sie ignorierte die Tatsache, dass Noriko bald sterben könnte komplett, da es ihr zurzeit gut ging und sie ihre Zeit mit Chiaki genoss. Sie wollte nicht daran denken, dass es bald anders sein könnte. Mimi wiederrum freute sich bald umzuziehen und mit ihrer Mutter in ein neues Leben zu starten. Sie brauchte ihren Vater nicht. Sie kamen auch ohne ihn und sein Geld zurecht. Und dann war da noch Tai, der so liebevoll mit ihr umsprang und sich wirklich Mühe gab, ihr zuhörte und sie wieder aufheiterte, wenn es ihr doch mal schlecht ging. „Hab ich dir schon erzählt, dass ich mich am Wochenende mit Matt getroffen habe?“, fragte er vollkommen aus dem Kontext gerissen. Überrascht sah Mimi ihn an und schüttelte beiläufig den Kopf. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet, besonders weil die beiden sich seit Monaten aus dem Weg gingen. „Über was habt ihr denn gesprochen?“, hakte sie verunsichert nach und hoffte, dass Matt wirklich dicht gehalten hatte. Sie wollte mit Tai sicherlich nicht über diese einmalige Sache sprechen, die sie versuchte zu verdrängen. Tai ließ sich auf einer Bank nieder und sah zu Mimi hoch. „Wir haben uns ausgesprochen. Ich habe mich entschuldigt…er war noch nicht mal wirklich sauer auf mich, sondern…ach keine Ahnung, es war komisch“, sagte er durcheinander und wandte den Blick von ihr. Mimi setzte sich ebenfalls dicht neben ihn und spürte seine Wärme. Sein Aftershave stieg ihr mal wieder in ihre Nase und reizte ihre Sinne. Wie gerne würde sie ihm näher kommen und endlich aus dieser Freundschaftszone ausbrechen? Sie hasste es zwischen Liebe und Freundschaft gefangen zu sein, auch wenn sie natürlich nicht das verlieren wollte, was sie bereits hatte. Seine Freundschaft. Mühselig hörte sie ihm zu, wie er von der angespannten Beziehung zu Matt berichtete, aber auch von Fortschritten erzählte. Ein müdes Lächeln zog sich über sein Gesicht, das ihn so unfassbar traurig wirken ließ, sodass Mimi ihn am liebsten in die Arme genommen hätte. Doch sie wusste nicht, ob sie diese Grenze, die immer schmaler wurde, wieder überstreiten sollte. Irgendwann würde sie sich nicht mehr zurückhalten können. „Er hat mir erzählt, dass er weggeht!“, platzte plötzlich aus ihm hervor und Mimis Augen weiteten sich augenblicklich. Es war für sie nichts Neues, da sie bereits von seinen Plänen wusste, aber die Wehmut war aus Taichis Stimme herauszuhören. Er schaute zu seinem Kaffeebecher und drehte ihn in seiner Hand. „Ich habe es wohl endgültig verbockt. Erst fange ich so einen Mist an und dann erfahre ich, dass mein bester Freund ans andere Ende der Welt geht, um berühmt zu werden. Ich hätte ihm nicht so in den Rücken fallen dürfen. Ich habe unsere gemeinsame Zeit einfach weggeworfen, weil ich so egoistisch war und Sora für mich haben wollte“, stammelte er unsicher vor sich hin und krallte sich mit einer Hand in seine wilde Mähne. Mimi rutschte unruhig neben ihm her und überlegte, was sie nur sagen sollte. Die Sache mit Sora versetzte ihrem Herzen einen deutlichen Stich, auch wenn sie das vor ihm nicht zugeben konnte. Aber dennoch merkte sie, wie verzweifelt er war und traurig den Kopf gesenkt hatte. Mimi nahm sich ein Herz und schluckte ihre eigenen Gefühle für den Moment einfach hinunter und rutschte näher an ihn heran. Ohne Vorwarnung schlang sie ihre Arme um ihn und drückte ihr Gesicht gegen seine Halsbeuge. Ein paar Haarsträhnen fielen ihr über ihre Schulter und verdeckten so ihr Gesicht. Erst erwiderte er ihre Umarmung nicht, sondern hielt starr seinen Kaffee in seinen Händen. „Er wird immer dein bester Freund bleiben, egal wo er sich befindet. Eure Freundschaft endet dadurch doch nicht“, flüsterte sie ihm zu und spürte wie er sich langsam zu ihrem Arm vortastete und behutsam seine Hand darauflegte. „Danke, Mimi“, murmelte er, ließ sie aber für ihren Geschmack viel zu schnell wieder los. Enttäuscht löste sie sich und wandte sich wieder zu ihrem Kaffee, den sie neben sich abgestellt hatte. Sie nahm ihn in die Hand und spürte die Wärme, die sich auf ihrer Handfläche langsam ausbreitete. Sie warf einen verstohlenen Blick zu Tai, der sie lächelnd anstarrte, plötzlich ihre Hand ergriff und leicht drückte. Mimi richtete den Kopf zu ihm und merkte wie er sich leicht zu ihr gebeugt hatte. Ihr wurde augenblicklich heiß. Seine Nähe hatte einfach eine unglaubliche Wirkung auf sie, die sie einfach nicht beschreiben konnte. Sie schwitzte, ihre Hände wurden langsam feucht und ihr Hals fühlte sich wie die Sahara an. „Tut mir leid, dass ich dich hier zumülle. Ich weiß ja, dass es bei dir auch drunter und drüber geht“, erwiderte er und sah betroffen zu Boden. Mimi drehte ihre Hand und umfasste seine von unten. Zart fuhr sie mit den Finger zwischen seine, sodass er seinen Kopf anhob und schief grinste. „Willst du vielleicht noch etwas unternehmen? Ich glaube, wir könnten wirklich ein paar positivere Gedanken vertragen“, meinte er überzeugend und Mimi ging ihren Gedanken nach. Was tat sie hier eigentlich? Was war das für ein komisches Gefühl zwischen ihnen beiden? Hielten sie gerade wirklich Händchen? Ihr entgleisten die klaren Grenzen, die sich einst gesteckt hatte. Es fehlte nicht mehr viel…sie hätte sich einfach näher zu ihm rüber beugen können, um ihre Lippen mit seinen zu verschließen. Doch etwas hinderte sie daran. Ihr Gewissen hatte sie fest im Griff und sendete ihr eindeutige Signale. Sie konnte sich nicht einfach fallen lassen, da sie im Hinterkopf hatte, dass er Sora liebte und nicht sie. Vielleicht hatte Noriko Recht und sie war nur reine Ablenkung von dem Mädchen, das er nicht haben konnte. Doch wenn sie in seine warmen Augen schaute, konnte sie es einfach nicht glauben. Tai war kein Arschloch. Ihre Hände waren noch immer miteinander verflochten und er machte auch keinerlei Anstalten ihre Hand loszulassen. Viel mehr starrte er sie erwartungsvoll an und hoffte, dass sie ihm einen Vorschlag unterbreiten konnte. Mimi musste nicht lange überlegen und grinste freudig in seine Richtung. „Ich habe tatsächlich eine Idee, wie wir etwas bessere Laune bekommen könnten“, sagte sie fast schon vorhersagend und sprang auf. Ohne irgendwelche Widerworte zu geben, ließ Tai sich von ihr mitziehen. _ „Hey Tai, ich falle gleich vom Stuhl“, sagte sie lachend und hielt sich an ihm fest. Auch er konnte sein Lachen nicht länger unterdrücken und rutschte ein Stück, sodass Mimi mehr Platz hatte. Eng aneinander gepresst saßen sie in einem kleinen Fotoautomat, den Mimi während des Kaffeeholens entdeckt hatte. Er legte einen Arm um ihre Hüften, um sicher zu stellen, dass sie nicht wieder wegrutschte. Zwei Bilder hatten sie bereits gemacht und wirklich lustige Fratzen in die Kamera gezogen. Mimi war gespannt, was da wohl rauskam. Das letzte Mal war sie mit Sora in einem solchen Automaten gewesen. Beide hatten unfassbar viel Spaß gehabt und die Fotos am Ende aufgeteilt. „So, was machen wir als nächstes?“, fragte Tai belustig und drehte den Kopf zu ihr. Mimi kräuselte die Lippen und verzog sie leicht nach rechts. Sie ließ ihre Schultern hängen und beugte sich leicht nach vorne. „Wie wäre es mal mit einem schönen Foto…auf den ersten beiden ziehen wir nur Grimassen“, schlug Mimi vor. „Okay, dann einfach ein breites Grinsen“, fasste Tai zusammen und drückte auf den Knopf. Die Sekunden wurden bereits angezeigt, als Tai sich zu ihr wandte und feststellte, dass ein paar Haarsträhnen an ihrer Lippe hingen. „Dreh dich mal kurz zu mir, ich mach‘ sie schnell weg“, sagte er und Mimi sah ihm tief in die Augen. Behutsam fuhr er mit seinen Fingern über ihre Lippen und löste die klebenden Strähnen. Doch danach wandte er seinen Blick nicht von ihr, sondern hielt ihrem Stand. Er fuhr über ihre Wange und strich ihre Haarsträhnen hinter ihr Ohr. Seine Hand ruhte in ihrem Nacken. Eine elektrisierende Spannung baute sich zwischen ihnen auf, doch keiner bewegte sich. Ihre Blicke waren aufeinander fixiert, hätten nicht intensiver sein können, als er zusätzlich mit den Fingern über ihre vollen Lippen fuhr und sanft über ihr Gesicht streichelte. Mimi ließ es einfach geschehen, beobachtete seine zarten Berührungen, bis sie bemerkte, dass er sich etwas zu ihr vorgebeugt hatte. Sie sah ihm wieder in die Augen und erkannte, dass er seine Augenbrauen leicht zusammengekniffen hatte und nervös auf seiner Unterlippe kaute. Auch ihre Nervosität zeigte sich, indem ihre Hände leicht zu zittern begannen und sie gespannt darauf wartete, was er vorhatte. Wie hypnotisiert sahen sie sich an, bewegten sich behutsam aufeinander zu, als plötzlich der Blitz ausgelöst wurde und beide zusammen fahren ließ. Erschrocken ließ Tai sie los und richtete sich wieder nach vorne. „So, ein Mist“, murrte er, als das Bild erschien. Er wollte schon auf löschen drücken, als Mimi seine Hand festhielt und sachte zurückzog. „Wir können doch noch eins machen und so schlimm sieht es doch gar nicht aus“, erwiderte sie und lächelte munter. „Na wenn du das sagst“, antwortete er verschmitzt und drückte erneut auf den Knopf. Wieder erschienen die beide in dem kleinen Fenster, doch diesmal hatten beide den Kopf nach vorne gerichtet und schauten fröhlich in die Kamera. „Und jetzt lächeln“, sagte Tai und zeigte seine weißen Zähne. Sein Arm drückte ihren Körper näher an seinen und ihr Herz hämmerte erneut wie wild gegen ihre Brust. Sie schenkte ihm einen kurzen verliebten Blick, konzentrierte sich aber dann wieder voll und ganz auf die Kamera. Beide lachten herzlich, als der Blitz erneut ausgelöst wurde. _ Als sie sich bereits auf dem Nachhauseweg befand, bekam Mimi eine SMS von Sora, mit der zu so später Stunde nicht mehr gerechnet hatte. Es war bereits halb sieben und die Straßenlaternen beleuchteten seit einer halben Stunde ihren Weg. Nachdem Tai und sie ein paar Erinnerungsfotos geschossen hatten, hatten sie gemeinsam eine Kleinigkeit gegessen. Er hatte sogar für sie bezahlt, auch wenn er das bei Sora auch schon öfters getan hatte. Sie genoss einfach die Zeit mit ihm, fühlte sich wie auf Wolken, wenn sie mit ihm sprach. So, als würde sie in eine andere Dimension abtauchen, in der nur sie beide existierten. Aber dennoch wollte sie ihre anderen Freunde nicht vernachlässigen, auch wenn sie mit Tai besonders viel und gerne Zeit verbrachte. Soras Nachricht klang ungewöhnlich dringend, sodass Mimi sofort kehrt machte und auf ihren Wohnblock zusteuerte. Ich habe Neuigkeiten! Kannst du vorbeikommen? Ist wirklich wichtig. – Sora Mimi konnte sich nicht vorstellen, welche Neuigkeiten sie für sie haben könnte, daher war sie auch sichtlich nervös, als sie vor Soras Tür stand und die Klingel betätigte. Nicht einmal eine Sekunde später wurde die Tür von einer strahlenden Sora aufgerissen, die sie prompt in die Wohnung schleifte. Skeptisch zog Mimi ihre Schuhe und Jacke aus und sah, wie ihre beste Freundin fast wie ein hyperaktiver Flummi durch die Wohnung sprang. Sie konnte nicht stillhalten und ein breites Grinsen zog sich über ihre Lippen. Das letzte Mal, wo Mimi sie so glücklich gesehen hatte, war in der Beziehung mit Matt. Doch das war schon eine Zeitlang her und Mimi bekam auch mit, dass beide nicht sonderlich viel Kontakt miteinander hegten. Ihre Freundschaft hatte sich komplett verändert, war gespickt von Geheimnissen und Missverständnissen, die nicht einfach so aufgeklärt werden konnten, da sie tiefe Wunden hinterlassen hatten. Es hatte sich alles verändert und Mimi ahnte nicht welche weitere Veränderung bereits in der Luft lag. „Was ist denn los? Du bist so hibbelig“, stellte Mimi nüchtern fest und ließ sich auf einem Küchenstuhl nieder. Soras Mutter war noch nicht da, weshalb die beiden Mädchen die Wohnung für sich hatten. Sora setzte sich ebenfalls und fuhr mit zitternden Fingern über die Tischplatte. Sie zog sachte Kreise, die Mimi wahnsinnig werden ließen. Warum konnte sie nicht einfach sagen, was los war? „Komm‘ spuck es schon aus! Ich werde nervös“, forderte sie ihre beste Freundin auf, die unaufhörlich grinste. Sie beugte sich leicht über den Tisch und kramte nach etwas. Irritiert blickte Mimi zu ihr, als sie ihr plötzlich ein Brief vor die Nase hielt und sie aufforderte ihn zu lesen. Mit hochgezogener Augenbraue öffnete sie den Umschlag und klappte den Brief auseinander. Ihr Blick klebte an den ersten Zeilen, ihre Augen wurden immer größer und ihr Mund klappte leicht auf. Sehr geehrte Frau Takenouchi…mit Freuden können wir Ihnen verkünden, dass sie sich für einen Praktikumsplatz qualifiziert haben. Vollkommen baff legte Mimi den Brief auf den Tisch und blickte sprachlos zu Sora, die sich vor Freude fast überschlug. „Sora…das ist einfach unglaublich“, brachte Mimi hervor und vergrub immer noch ungläubig ihre Finger in ihrer langen Mähne. „Paris war immer dein Traum gewesen.“ „Ich weiß“, sagte sie mit leuchtenden Augen. „Ich habe mich einfach vor ungefähr einem halben Jahr beworben und nicht damit gerechnet, dass es klappt!“ Mimi ergriff ihre Hand und sah sie freudestrahlend an. Ein paar Tränen bildeten sich in ihren Augen, da sie wusste, dass es sich Sora so sehr gewünscht hatte, einmal in Paris arbeiten zu durfen. „Wissen es deine Eltern schon?“ fragte Mimi und konnte immer noch nicht fassen, was gerade passiert war. Sora hatte die Möglichkeit für sechs Monate nach Paris zu gehen, um in einem kleinen Modelabel ein Praktikum zu absolvieren. Eine große Chance. „Noch nicht, aber du als meine beste Freundin solltest es auch als Erste erfahren“, meinte sie überzeugend, während Mimi automatisch von ihrem schlechten Gewissen überfahren wurde. Ihr Lächeln verschwand und Mimi löste den Griff um ihre Hand. Zaghaft zog sie sie zurück und senkte schuldbewusst den Blick. Auch wenn es mit Sora in den letzten Monaten alles andere als leicht war, war sie doch sehr aufrichtig zu ihr gewesen, erzählte ihr von ihren überforderten Gefühlen, die sie für die beiden Jungs empfand. Und sie? Sie hatte noch nicht mal den Mut, ihr die Wahrheit über ihren Vater und Noriko zu erzählen. Sora hatte durchaus bereits mitbekommen, dass sie etwas beschäftigte, fragte sogar nach, was los war, doch Mimi konnte ihr gegenüber nicht ehrlich sein und versteckte sich hinter fadenscheinigen Lügen, die sie langsam selbst zu glauben begann. Mimi spielte ein Spiel. Ein Spiel, das sie nicht gewinnen konnte. Sie atmete tief ein und blickte wieder zu Sora, die ihr Gesicht verzogen hatte, da Mimis Reaktion, alles andere als nachvollziehbar war. Doch sie hatte einen Entschluss gefasst. Wenn Sora zu ihr ehrlich sein konnte, konnte sie es auch. Ging es im Leben nicht auch darum, sich schwierigen Situationen mutig entgegen zu stellen? Die Momente zu nutzen? Das war einer dieser Momente. Sie hatte es verdient, die Wahrheit zu erfahren, auch wenn sie ihr bisher nur bei Tai halbwegs über die Lippen gekommen war. Sie musste etwas tun, um sich selbst nicht noch mehr zu verlieren. „Sora? Ich muss dir etwas sagen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)