The Story of a Bastard Child von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 55: Der Abschlussball ----------------------------- Gemeinsam standen sie vor dem Spiegel, zupften ihre Kleider zurecht und richteten sich gegenseitig die Haare. Sora steckte eine filigrane Haarspanne in Mimis lange, gelockten Haare, die sie halb hochgesteckt hatte. Sie trug ein türkisfarbenes Kleid, das ihr bis zu den Knien ging. Ihre Schuhe waren schwarz und hatten einen kleinen Absatz. Sora trug ein dunkelblaues Kleid mit Spitze und hatte ihre kurzen Haare in einer geschickten Hochsteckfrisur verpackt. „Ich bin wirklich froh, dass die Prüfungen endlich vorbei sind“, sagte sie erleichtert und sprühte etwas Haarspray auf ihre Frisur. Mimi wuschelte sich mit den Fingerspitzen durch ihre voluminösen Locken und blickte zu ihrer Freundin. „Kann ich mir wirklich vorstellen. So viele Klausuren sind echt anstrengend.“ „Das stimmt, aber jetzt kann ich den Abend voll und ganz genießen und mich mit ganzer Aufmerksamkeit Paris widmen“, erinnerte sie sie, was Mimi einen kleinen Stich versetzte. Auch Sora würde bald gehen und für ungefähr sechs Monate in Europa leben. Das meiste hatte sie schon geregelt, hatte sogar eine kleine bezahlbare Wohnung gefunden und musste lediglich nur noch ein paar Kleinigkeiten regeln, bevor sie im März aufbrach. „Ich werde dich wahnsinnig vermissen“, eröffnete sie ihr wahrheitsgemäß und büßte etwas von der ausgelassenen Stimmung ein, die beide bis vor kurzem noch umgeben hatte. „Es sind noch nicht mal sechs Monate. Ich bin schneller wieder da, als du gucken kannst“, versuchte Sora sie aufzuheitern. Mimi lächelte vage und richtete den Blick kurz zur Uhr. „Wann wollte Izzy nochmal vorbei kommen?“, hakte sie nach und war immer noch überrascht, dass Sora ausgerechnet mit Izzy auf den Ball ging. Doch nach einem langen Erklärungsversuch, konnte sie ihre Freundin verstehen. Sie verstand sich zwar mit Matt und Tai wieder besser, doch sie wollte ihre zarte Freundschaft nicht gefährden, indem sie einen der beiden vorzog. Matt würde sowieso den halben Abend auf dem Ball mit seiner Band spielen, während Tai sich eine andere angelacht hatte. Izzy war nur eine Art Lückenfüller, der Sora jedoch gerne Gesellschaft leistete. Mimi fand es ebenfalls gut, dass er mal von seinem Laptop wegkam und sich ins Leben stürzte. Nachdenklich betrachtete sich Mimi kurz im Spiegel und bewegte sich etwas, sodass ihr Kleid leicht flatterte. „Um neunzehn Uhr. Wo treffen wir eigentlich Toya?“ Mimi sah zu Sora und strich sich durchs Gesicht. Sie schnappte sich ihren Lipgloss und trug etwas auf, bevor sie antwortete. Ihr wäre es lieber gewesen, sich für ihn hübsch zu machen… „An der Schule“, erwiderte sie nur und drehte sich herum. Sie steuerte auf ihr Bett zu und warf ihren Lipgloss in die Tasche. Als sie sich wieder zu Sora wandte, hatte sich diese erwartungsvoll gegen ihre Kommode gelehnt und starrte sie nieder. „Was ist denn?“, fragte Mimi patzig nach und verstand nicht, warum Sora sie auf einmal so seltsam musterte. Sora kam ein paar Schritte auf sie zu und ließ sich auf ihrem Bett nieder. „Naja, du hast mir noch gar nichts von dir und Toya erzählt. Hatte ihr schon viele Verabredungen?“ Mimi seufzte, setzte sich ebenfalls und erinnerte sich daran, dass sie nach ihrem Kaffeedate nur einmal miteinander aus gegangen waren. Er hatte sie zum Essen eingeladen und alles schien perfekt zu laufen, bis sie sich auf dem Nachhauseweg befanden und er sie küssen wollte. Sie hatte hektisch den Kopf zur Seite gedreht und ihm gesagt, dass es ihr zu schnell ginge, obwohl sie insgeheim wusste, dass es nicht an ihm lag, sondern an ihren Gefühlen für Tai. Sie konnte keinen anderen Jungen küssen. Nicht wenn sie immer noch Herzflattern bekam, wenn sie nur eine Sekunde an ihn dachte. Es fühlte sich einfach falsch an. „So oft waren wir noch nicht aus“, gestand sie sich ein und senkte ihren Blick zu Boden. „Macht er dich denn glücklich?“ Mimi hatte ihre Hände auf ihren Schoss gelegt und spielte nervös an ihrem Zeigefinger. Ihre Augen klebten immer noch auf dem Boden. „Naja, nett ist er schon“, sagte sie nur, bemerkte jedoch selbst, dass sie nicht sonderlich überzeugend klang. Es kehrte Stille ein, die Mimi irritierte. Sie sah auf und stellte fest, dass Sora über etwas nachzudenken schien. Wenige Minuten später, sah sie ihr in die Augen und kräuselte die Lippen. „Kann ich dich etwas fragen?“ Mimi nickte nur bestätigend. „Was ist zwischen dir und Tai gelaufen und bitte sei ehrlich!“ Mimi klappte der Mund auf. Ihre Frage klang eher nach einer Forderung. „Was meinst du denn? Wir sind nur Freunde“, meinte sie unsicher, da sie ihre Beziehung schon lange in Frage stellte. Sora schüttelte den Kopf und kratzte sich an der Schläfe. „Ich habe es eigentlich schon viel länger vermutet, aber du hast es immer abgestritten. Wie jetzt.“ „Ich streite überhaupt nichts…“ „Mimi, ich weiß, dass ich in letzter Zeit keine gute Freundin für dich war. Ich war selbst sehr durch den Wind gewesen und jetzt stehe ich kurz vor einer riesigen Veränderung, die alles ziemlich durcheinander gebracht hat. Aber ich habe auch gesehen, dass Tai dir wirklich gut getan hat, weshalb ich wollte, dass ihr euch wieder vertragt, damit du jemanden hast, wenn ich weg bin“, unterbrach sie sie sanft. „Was? Wie kommst du jetzt drauf?“, fragte Mimi verwirrt, da sie davon ausgegangen war, dass Sora dachte, sie würde auf Toya stehen. Sora gestikulierte wild, ließ jedoch ihre Hände sinken, um sich Mimi voll und ganz zuzuwenden. „Ich glaube, ich muss von vorne anfangen“, begann sie geheimnisvoll und erzählte Unglaubliches. „Ich hatte schon länger gemerkt, dass Taichi etwas bedrückt. Ich hatte zwar immer den Verdacht, dass zwischen euch beiden etwas vorgefallen sein muss, aber keiner hatte wirklich mit mir geredet, weshalb ich versucht hatte, euch beide etwas aus der Reserve zu locken. Deswegen hatte ich einmal während des Lernens das Thema absichtlich auf dich gelenkt, was ihn völlig verunsichert hatte. Aber er wollte nichts weiter sagen und dann war mir etwas ausgerutscht“, erklärte sie beschämt und senkte den Kopf. Mimis Augen weiteten sich. In ihrem Kopf ratterte es und ihr fiel ein, dass Tai auch so etwas Ähnliches erzählt hatte. Dass Sora ihm etwas gesagt hätte. Doch vor lauter Stress, hatte sie es vergessen gehabt. „Ich habe ihm ausversehen gesagt, dass Toya dich um ein Date gebeten hat und du deswegen so durch den Wind bist“, eröffnete sie ihr kleinlaut. „Wie bitte?“, brauste Mimi auf und sah entsetzt zu Sora. „Das stimmt doch gar nicht!“ „Ja, ich weiß, aber irgendwie wollte ich euch irgendwie helfen, ihm einen Anreiz geben, aber das ging völlig nach hinten los. Ich hätte mich da nicht einmischen sollen, aber irgendwie habe ich mich sehr ausgeschlossen und hilflos gefühlt. Dir ging es auch die ganze Zeit über sehr schlecht und ich wollte einfach nur, dass ihr zwei wieder miteinander redet, aber als ich Tai vorgestern auch noch erzählt hatte, dass du mit Toya zum Abschlussball gehst, war er so enttäuscht gewesen, dass ich gemerkt habe, dass mein ganzer Plan nach hinten los gegangen ist.“ Sora biss sich auf die Unterlippe und verzog sie mit den Schneidezähnen leicht nach rechts. „Es tut mir leid, aber als du dich gerade eben nicht gefreut hast und auch Tais Reaktion so fragwürdig war, konnte ich eins und eins zusammenzählen.“ „Wie hat er denn reagiert?“, fragte Mimi interessiert, aber auch etwas ruhiger nach. Sie setzte sich auf ihr Knie und sah dringlich zu Sora, die sich unruhig hin und her bewegte. „Naja, er war nicht begeistert und ist furchtbar böse geworden, hat Toya sogar als Mistkerl bezeichnet und das er nicht gut für dich wäre.“ Überrascht über ihre Worte stand Mimi auf. „Und er ist kein Mistkerl oder was?“, brummte sie aufgebracht. „Mimi, ich würde gerne wissen, was zwischen euch vorgefallen ist“, bohrte Sora erneut nach. Mimi wandte ihr den Rücken zu, konnte sie aber im Spiegel immer noch beobachten. „Ja, wir sind uns näher gekommen, aber eigentlich ist alles nur schief gelaufen. Obwohl ich schon so unfassbar lange Gefühle für ihn habe. Doch jetzt reden wir nur noch aneinander vorbei“, murmelte sie schweren Herzens, als sie sich zu Sora herumdrehte. „Und ich wusste ja, dass du ihn irgendwie magst und verunsichert bist. Ich wollte mich da nicht auch noch reinmengen und bin trotzdem irgendwie dazwischen geraten.“ Sie machte eine kurze Pause, sah in Soras Gesicht und überlegte sich, ob sie ihr auch von der Sache mit Matt erzählen sollte. Schon länger hatte sie ein schlechtes Gewissen gegenüber ihr, weil sie sich auf beide Jungs eingelassen hatte, die Sora so sehr mochte. Sie war eine schlechte beste Freundin, doch die ganze Wahrheit brachte sie nicht übers Herz. Matt war ihr Freund, jedenfalls irgendwie. Sie konnte nicht zugeben, dass sie mit ihm geschlafen und Sora hintergangen hatte. Diese stand auf und ging ein paar Schritte auf sie zu, bis sie knapp vor ihr zum Stehen kam. „Du hast Gefühle für ihn? Wie lange schon?“ Mimis Herz setzte aus. Hatte sie wirklich ihr gesagt, dass sie Gefühle für Taichi hatte? Ihr Magen drehte sich automatisch um und fühlte sich an wie ein Sack Beton. „S-Schon länger, aber ich konnte doch nichts sagen, weil er in dich verliebt war“, entgegnete sie schwach. Die Tränen standen ihr in den Augen, als sie zaghaft darüber wischte und etwas von ihrer Wimperntusche an ihren Fingern kleben blieb. „Natürlich hättest du etwas sagen können.“, Sora nahm sie augenblicklich in den Arm und drückte sie fest an sich. „Ich bin so dämlich. Ich hätte so etwas viel früher bemerken müssen, aber in der letzten Zeit war ich zu sehr mit mir beschäftigt gewesen, dass ich gar nicht nach links und rechts geschaut habe. Es tut mir so unglaublich leid. Du bist doch meine beste Freundin und…man Mimi, hätte ich das alles früher gewusst“, erwiderte sie reumütig. Sachte drückte Mimi sie von sich weg und wandte sich von ihr ab. „Sora…du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich hätte einfach viel früher etwas sagen sollen, aber ich dachte, dass es sowieso nichts ändert. Man kann sich ja schließlich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt. Und Tai hatte dich ausgewählt und nicht mich“, antwortete sie deprimiert. „Aber ihr seid euch doch näher gekommen“, fasste sie zusammen und stemmte die Hände in die Hüfte, „das muss doch was zu bedeuten haben und es war ihm alles andere als egal, dass du dich mit Toya triffst!“ „Aber falls du es mitbekommst hast, geht Tai mit einer anderen zum Abschlussball. Mich hat er noch nicht mal gefragt“, antwortete sie erbost und vergaß unmittelbar ihre Traurigkeit. „Du solltest dringend mit ihm reden“, schlug Sora vor, als fast zeitlich die Klingel läutete. „Hier liegt ganz sicher ein Missverständnis vor, an dem ich leider nicht unschuldig bin. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er es auch klären will. Ihm geht es damit nämlich auch nicht gut.“ „Das habe ich schon versucht, aber wenn er nicht reden will, kann ich ihn auch nicht dazu zwingen. Ich würde gerne alles aus der Welt schaffen und ihm sagen, was ihn für ihn empfinde, aber irgendwie klappt das nie so wirklich, egal was ich auch versuche“, erwiderte sie geknickt und senkte betroffen den Kopf. „Hey“, ertönte die sanfte Stimme von Sora, als Mimi hochblickte und in ihre warmen Augen sah. Ihr standen immer noch die Tränen in den Augen, als Sora ihre Hände behutsam auf ihren Schultern ablegte. „Du musst hartnäckig bleiben! Du kennst doch Tai…er ist ein Sturkopf wie es im Buche steht, bekommt oftmals Dinge in den falschen Hals und ist sehr impulsiv. Sei einfach ehrlich zu ihm. Sag ihm das, was du mir gesagt hast und vertraue auf deine Gefühle. Er wird dich nicht wegstoßen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er die gleichen Gefühle hat, wie du. Also nur Mut! Lass sie zu und schnapp‘ ihn dir endlich“, beendete Sora ihren Monolog und ein Grinsen huschte über ihre Lippen. Nachdenklich blickte Mimi sie an, als sie verhalten nickte. Sie hatte Recht. Es war so vieles schief gelaufen und jetzt hatte sie auch ausgerechnet noch ein Date mit Toya, dass sie wohl schlecht kurz vorher absagen konnte. Dennoch spürte sie, dass sie etwas ändern musste. Sie wollte kämpfen. „Vielleicht sollten wir jetzt gehen“, meinte sie nachdem sie ihr Äußeres nochmal kurz im Spiegel gecheckt hatte. „Izzy wartet sicher schon.“ _ Sie hatten gerade Toya an der Schule entdeckt und ihn kurz begrüßt, als Sora und Mimi hinter ihnen langsam in die Halle gingen. Irgendwie verstand Mimi die Reaktion ihrer Freundin nicht wirklich. Sie war verständnisvoll und bestärkte sie mit Tai zu reden, obwohl sie doch selbst Gefühle für ihn hatte. Jedenfalls teilweise. „Du bist aber jetzt nicht mit Toya hergekommen, um Tai eifersüchtig zu machen, oder?“, flüsterte sie ihr auf einmal zu und Mimi blieb empört stehen. Sie zog sie am Arm etwas beiseite und legte ihren Zeigefinger auf die Lippen. „Nicht so laut“, grummelte sie vorwurfsvoll. „Und natürlich will ich ihn nicht eifersüchtig machen. Toya hat mich höflich gefragt.“ Sora sah sie weniger überzeugt an, legte den Kopf schief und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Was denn? Es ist die Wahrheit! Und ich verstehe wirklich nicht, warum du so cool darauf reagierst! Wegen Tai ist doch die ganze Beziehung zu Matt in die Brüche gegangen, weil du dir unsicher geworden bist. Macht dir das denn gar nichts aus?“, hinterfragte Mimi skeptisch. Sora distanzierte sich etwas von ihr und schnaufte lautstark. Sie konnte sich wohl auch noch gut daran erinnern, als sie wegen dem Kuss zwischen ihr und Tai vollkommen ausgeflippt und Mimi regelrecht von ihm weggerissen hatte. „Das war damals etwas anders, Mimi“, versuchte sie auf sie einzureden und wollte sich zielstrebig in die Halle begeben, als Mimi sie festhielt. „Du bist dir mittlerweile nicht mehr unsicher, oder?“ Sora senkte den Kopf und nickte nur leicht. „Am Anfang habe ich beide unheimlich vermisst, aber dann…“ „Dann hast du gemerkt, wen du mehr vermisst und derjenige war nicht Tai“, beendete sie ihren Satz und ließ die Schultern locker nach unten hängen. „Ich war damals sehr unsicher gewesen, gerade weil Matt und ich unsere Beziehung verheimlicht hatten, statt dazu zu stehen. Und dann war da noch Tai, den ich mein ganzes Leben kenne und der immer für mich da war. Gerade in den Momenten, wo es Matt eben nicht war. Ich hätte niemals an meinen Gefühlen zweifeln sollen, aber dann hatte Taichi dich geküsst und ich war echt wütend auf ihn gewesen, aber viel mehr, weil er dich auch noch mit reingezogen und dich in diesem Moment einfach nur ausgenutzt hat, um mir eins reinzuwürgen“, erklärte sie aufrichtig. Ein mildes Lächeln legte sich auf Mimi Lippen und sie tätschelte ihr liebevoll die Schulter. „Ich glaube, in dem Moment fand ich es gar nicht so schlimm ausgenutzt zu werden“, gab sie zu und erinnerte sich an ihren ersten Kuss, der bei ihr sämtliche Gefühle durcheinander brachte. „Wir sollten demnächst alles Mal in Ruhe besprechen. Lass uns jetzt reingehen und den heutigen Abend genießen“, schlug Sora vor. Mimi nickte bestätigend und hakte sich bei ihrer Freundin unter. Gemeinsam betraten sie die festlich, geschmückte Halle. Überall hing buntes Lametta und Luftballons in sämtlichen Farben. „Da seid ihr ja endlich. Habt ihr draußen Wurzeln geschlagen?“, kam es von Toya, der etwas gelangweilt neben Izzy stand. Die Halle war bereits gut gefüllt und die meisten befanden sich auf der Tanzfläche. Die Mädchen trugen wunderschöne Kleider, während die Jungs in schicke, aber schlichte Anzüge gehüllt waren. „Hast du vielleicht Lust zu tanzen?“, fragte Toya keck und grinste Mimi an. Diese sah kurz zu Sora, die ihr zu verstehen gab, dass sie sich ruhig amüsieren sollte. Sie nickte daher nur, machte sich los und ging zu Izzy. Toya streckte Mimi den Arm hin, den sie selbstverständlich sofort ergriff. Gemeinsam schritten sie auf die Tanzfläche und wurden schon nach wenigen Minuten eng aneinander gedrückt. Mimi lächelte verlegen und ließ gelegentlich ihre Blicke schweifen. Matt stand tatsächlich auf der Bühne und grölte ins Mikro. Auch wenn Mimi fast alle seine Lieder bereits auswendig kannte, tanzte sie gerne dazu und ließ die Hüften kreisen. Mit den Augen war sie jedoch immer noch auf der Suche nach einer gewissen Person, die ihr immer noch im Kopf herumspuckte. Nach einer Weile entdeckte sie ihn an einem Tische stehen. Sein Date schien gelangweilt zu sein und nippte an ihrem Getränk, während er ins Leere starrte. Immer wieder schenkte sie ihm einen sehnsüchtigen Blick, wollte am liebsten alles mit ihm klären, obwohl sie wusste, dass sie falsche Signale sendete. Hätte sie gewusst, was Sora zu ihm gesagt hatte, hätte sie sicherlich anders reagiert gehabt. Und nun tanzte sie ausgerechnet mit Toya, den sie auch nicht einfach so abservieren konnte. Plötzlich trafen sich ihre Blicke unweigerlich, sodass Mimi Probleme hatte, sich weiterhin auf ihren Tanzpartner zu konzentrieren. Tai wirkte unfassbar traurig auf sie, sodass sie das Bedürfnis hatte, ihm alles Fragwürdige zu erklären. Doch auf einmal spürte sie eine Hand an ihren Hüften und drehte sich erschrocken um. „Du bist ja ganz abgelenkt“, stellte Toya ein wenig enttäuscht fest und zog sie etwas näher an sich heran. Er grinste und beugte sich etwas zu ihr hinunter. Etwas irritiert, blickte Mimi ihn mit großen Augen an und fragte sich, was er nun vorhatte. Beide bewegten sich tänzerisch hin und her, als er seine andere Hand in ihren Nacken legte. „Ich glaube, ich weiß wie ich deine Aufmerksamkeit wiedererlange“, hauchte er ihr entgegen und kam ihrem Gesicht immer näher. Mimis Herz klopfte gegen ihre Brust, als sie seinen Atem auf ihrer Haut spürte. Ohne eine Reaktion von ihr abzuwarten, legte er seine Lippen auf ihre. _ Völlig durcheinander begab sie sich zu den Getränken und berührte geistesabwesend ihre Lippen. Toya hatte sie geküsst. Vollkommen unerwartet. Sie hatte noch nicht mal die Gelegenheit gehabt zu reagieren. Wieder und wieder fuhr sie über ihre rauen Lippen und presste ihre Zunge gegen ihren Gaumen. Mimi musste dringend mit ihm reden. Sie wollte ihm keine falschen Hoffnungen machen, die dieser Kuss wohlmöglich geweckt haben könnte. Nach dem Kuss war Toya nach draußen verschwunden und hatte sie völlig verstört in der Halle zurückgelassen. Ihre Füße führten sie zu dem Getränketisch, wo sie sich ein Glas Bowle genehmigte. Sie hatte noch nicht mal einen Schluck getrunken, als Sora auf die zugesteuert kam und sie entgeistert niederstarrte. „Was war denn da los? Hab ich mir das eingebildet, oder hat Toya dich geküsst?“ „Er hat mich überrumpelt“, gab Mimi kleinlaut zu und nippte am Pappbecher. „Hast du nicht mitbekommen, wie Tai wütend rausgestürmt ist?“ Sora riss die Augen auf und deutete auf die Tür. „Ich habe Izzy nachgeschickt, weil er so aufgebracht war. Ich dachte, du wolltest ihn nicht eifersüchtig machen!“ „Wollte ich doch auch nicht! Er hat mich geküsst und nicht umgekehrt“, verteidigte sie sich vehement. Doch wenn sie ehrlich war, hatte sie ganz genau bemerkt, dass Tai sie beobachtete. Mimi hatte sich hinreißen lassen. Sie wollte eine Reaktion von ihm erhaschen. Etwas, das ihr ein Zeichen gab und Soras Worte von vorhin bestätigte. Doch jetzt war sie nicht mehr so sicher, ob sie den richtigen Weg gegangen war. „Wo ist Toya überhaupt hin?“ „E-Er wollte nach draußen“, sagte Mimi langsam und deutete zur Tür, als Izzy bereits angerannt kam und aufgeregt mit den Armen umherwirbelte. „Ihr müsst mitkommen“, brüllte er aufgebracht und zeigte immer wieder in die gleiche Richtung. „Tai und deine Verabredung geraten gerade heftig aneinander.“ Mimis Augen weiteten sich und sie blickte unweigerlich zu Sora, die sofort loslief und Mimi hinter sich herzerrte. Draußen hörte man bereits wildes Geschimpfe und Mimi war sich nicht sicher, was sie erwarten würde. Izzy drückte die Tür auf und vor ihnen bot sich ein Bild, mit dem keiner der drei gerechnet hatte. Die Aufsichtspersonen verteilten sich hauptsächlich in der Halle, sodass draußen fast gar nicht kontrolliert wurde. Mimi hielt sich nur die Hand vor den Mund, als sie sah, wie Toya Tai am Kragen gepackt hatte und Blut aus seiner Nase strömte. Einige Mannschaftskollegen standen nebendran und versuchten sie auseinanderzureißen. Doch sie waren wie zwei Hunde, die um einen alten Knochen kämpften und sich verzweifelt festgebissen hatten. Sora brüllte etwas Unvollständiges, als Tai Toya einen Kinnhaken verpasste und sich, wie wild geworden, auf ihn stürzte. Wieder versuchte jemand Tai von Toya zu reißen, doch Tai riss sich los und zog ihn zu Boden. Mimi hielt sich mittlerweile die Augen zu und drückte ihr Gesicht gegen Izzys Schulter, da sie nicht ertragen konnte, wie sich die beiden Jungs windelweich prügelten. Was war nur passiert? So fuchsteufelswild hatte sie Tai noch nie erlebt. Lag es nur an dem Kuss? „Jetzt macht doch endlich mal was!“, forderte Sora die Umherstehenden auf, die völlig ratlos auf die beiden Streithähne blickten. Zwei Mutige packten Tai am Kragen und zogen ihn von Toya herunter, der sich sein Kinn schmerzhaft hielt. „Lasst mich los“, schrie Tai und wand sich umher. Sein wütender Blick war immer noch auf Toya gerichtet, der sich langsam und vorsichtig wieder auf seine Füße begab. „Was ist dein Problem, Yagami? Bist du high?“, raunzte dieser und sah Tai bedrohlich an. Mimi krallte sich an Izzy fest, der immer noch ungläubig und völlig fassungslos zu den beiden schaute. „Was ist denn in euch gefahren?“, fragte Sora plötzlich und stellte sich zwischen die Streithähne, ihren Blick auf Taichi gerichtet. „Tai was ist passiert?“ Mimi erkannte nur, dass er zu Boden schielte und sich weigerte Sora ins Gesicht zu sehen. „Tai, ich rede mit dir!“ „Boah, lasst mich doch alle in Ruhe“, brüllte er und riss sich los. Er drehte sich ruppig herum, sodass Mimi einen kurzen Blick auf sein Gesicht erhaschen konnte. Seine Nase blutete immer noch und auch seine Lippe schien etwas geschwollen zu sein. Auf seinem weißen Hemd befanden sich ein paar Blutspuren. Doch all das schien ihm egal zu sein. Zielstrebig lief er in Richtung Sportplatz und ließ den Rest zurück. Mimi sah ihm hinterher, blickte unsicher zu Sora, die nur bestätigend nickte und ihr so signalisierte, dass sie ihm folgen sollte. Sie lockerte den Griff um Izzys Arm und rannte los. _ Suchend lief sie umher und konnte Tai erst gar nicht finden, da er schneller aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, als sie es erwartet hatte. Sie wanderte beharrlich umher, bis sie die hinteren Umkleidekabinen erreichte und ein ganzes Stück von den anderen entfernt war. Mimi drehte sich kurz herum und sah, dass ihr keiner gefolgt war. Unbeirrt ging sie weiter, bog an der Ecke ab und fand Tai tatsächlich sitzend am Gemäuer lehnend vor. Sein Blick war in die Ferne gerichtet, weshalb er Mimi gar nicht zu bemerken schien. Diese kramte aus ihrer kleinen Handtasche ein Taschentuch hervor und schritt leise zu ihm. Sie beugte sich zu Tai hinunter, der erschrocken zusammenfuhr und sofort in eine Art Abwehrhaltung ging. „Was willst du hier? Solltest du nicht deinen tollen Freund verarzten?“, grummelte er und drehte sein blutverschmiertes Gesicht von ihr. „Er ist nicht mein Freund“, antwortete sie leicht gereizt, drehte seinen Kopf wieder in ihre Richtung und begann mit dem Tempo das Blut abzutupfen. Tai ließ es einfach geschehen, ohne sich weiter zu wehren. Immer wieder fixierte er sie auf neue, konnte ihrem Blick aber nie lange standhalten, was ihr deutlich auffiel. „Warum habt ihr euch geprügelt? Ihr seid doch keine Neandertaler“, murmelte sie und zog die Hand zurück. Tai verdreht nur die Augen und stützte seinen Arm locker auf seinem Knie ab. Mimi hatte sich mit ihrem Kleid einfach auf den Boden gesetzt, ohne sich über Schmutz oder Krabbelvieher Gedanken zu machen. „Der Kerl ist ein Wichser“, behauptete er nachdrücklich und biss die Zähne wütend aufeinander. „Er will dich nur flachlegen.“ „Das weißt du doch gar nicht“, protestierte Mimi, auch wenn sie ebenfalls schon öfters die Vermutung gehabt hatte. Toya war kein unbeschriebenes Blatt, aber sie war dennoch all ihrer Sinne fähig und durchaus in der Lage „Nein“ zu sagen. „Doch das weiß ich! “, brummte er aufgebracht und sah ihr direkt in die Augen. „Warum bist du nur so blind?“ „Wie bitte?“, pfiff Mimi schrill, sodass Tai zusammen zuckte. „Warum machst du überhaupt so einen Aufriss? Dir kann es doch egal sein, mit wem ich was habe!“ Entgeistert sah Tai sie an, bevor er ihre Aussage mit einem Kopfschütteln quittierte und sich aufrappelte. Er drehte ihr den Rücken zu, während sie immer noch auf dem Boden saß und zu ihm hinaufblickte. „Er hat gesagt, dass er genau weiß, wie er dich rumkriegt und dass er ja gar nicht viel machen braucht, damit du seinen Namen vor lauter Lust stöhnst“, erzählte er auf einmal und Mimis Augen weiteten sich. Dass er sowas von sich gegeben hatte, war ihm durchaus zuzutrauen und dann sagte er es auch ausgerechnet noch vor Taichi, der sehr niedergeschlagen auf sie wirkte. „Ich will eben nicht, dass er dich anfasst“, gab er fast flüsternd zu, konnte sie dabei aber nicht direkt ansehen. Mimi sah wie er wütend seine Fäuste ballte und erkannte von der Seite, wie er sein Gesicht ein wenig verzog. Sie presste die Lippen aufeinander und überlegte, was sie ihm nur sagen sollte. Er hatte kein Recht ihr eine Moralpredigt zu halten, schließlich waren sie nicht zusammen. „Ich denke, sowas ist immer noch meine Entscheidung“, erwiderte sie unbedacht. Fassungslos wandte er sich ihr zu und konnte seine Gesichtszüge kaum kontrollieren, als die Wut in ihm sichtbar aufstieg. „Gut, dann viel Spaß beim Vögeln“, giftete er verletzt und setzte sich augenblicklich wieder in Bewegung. Mimi klappte der Mund auf, da sie nicht fassen konnte, was er eben zu ihr gesagt hatte. Sie schnellte nach oben, klopfte den Schmutz von ihrem Hintern und sprintete, in ihren hohen Schuhen so schnell es ging, hinterher. Als sie ihn erreicht hatte, platzte ihr plötzlich der Kragen, sodass sie ihn unsanft schubste und er leicht ins Straucheln kam. „Ey, was soll das?“, blaffte er sie an, hielt aber jedoch sofort inne, als er ihr ins Gesicht sah. Sie musste sich zusammenreißen, nicht jeden Augenblick vor ihm in Tränen auszubrechen. Doch sie konnte ihn beim besten Willen nicht verstehen. Sie wollte doch mit ihm zusammen sein und nicht mit irgendeinem Kerl, der nur eine verdammte Notlösung für sie gewesen war. „Du bist so ein Arsch“, brachte sie wehleidig hervor und kämpfte mit ihren Tränen. „Du hast überhaupt kein Recht mich hier dumm anzumachen! Er hat mich im Gegensatz zu dir wenigstens anständig und höflich um ein Date gebeten!“ Fassungslos sah Tai zu ihr nieder. „Willst du mich jetzt verarschen?“, fragte er gefährlich aggressiv. Er ging ein paar Schritte auf sie zu, seine Miene verfinsterte sich von Mal zu Mal, sodass Mimi angsterfüllt zurückschritt. „Ich habe mich mehrfach bei dir entschuldigt, weil ich mich wie ein Arsch verhalten habe, und du? Du hast überhaupt nicht reagiert. Ich habe dir Blumen geschickt, wollte mich mit dir treffen, aber du kommst einfach nicht und lässt mich wie ein Depp stehen. Ich wollte dich doch fragen, aber dann erzählt mir Sora auch noch, dass du an diesem Affen interessiert bist“, klagte er sie an. „Das hat sie falsch verstanden!“, widersprach sie nachdrücklich, „und ich habe dir doch gesagt, dass ich kommen wollte…aber…es ging nicht.“ „Und warum nicht?“, fragte er plötzlich ganz verwundbar und ließ die Schultern hängen. Mimi senkte schuldbewusst den Kopf und bemerkte, dass sie ihn ebenfalls nicht viel besser behandelt hatte. Sie hätte ihm viel früher sagen sollen, was los war. Dass sie ihn liebte und einfach nur mit ihm Zusammensein wollte. Wehmut machte sich in ihr breit und ein tiefsitzender Schmerz kroch ihren Hals empor. Tai sah sie immer noch wartend an, doch sie war praktisch zu Eis erstarrt. Kein Wort fand einen Weg über ihre Lippen, da sich alles so unfassbar unrealistisch anhörte. Nur stille Tränen liefen über ihre Wangen, während sie fieberhaft überlegte, wie sie Tai alles erklären sollte. Doch was sollte sie sagen? Dass, sie eine Halbschwester hatte, die mittlerweile gestorben war und ihr einen Brief aus dem Jenseits schickte? Es klang einfach nur absurd und sie wusste genau, dass er ihr nicht glauben würde, auch wenn er der einzige war, der Noriko einmal gesehen hatte. „Ich…“, druckste sie und pfriemelte an ihrem Kleid herum. Sein Blick wurde immer finsterer, je länger sie ihn warten ließ. Am liebsten hätte sie ihm alles erzählt, sich vor ihm offenbart, ihre Gefühle in sein Gesicht geschrien, doch sie konnte nicht. Sie hatte Noriko zu lange verleugnet und ihr jegliche Chance genommen, ein Teil ihres Lebens zu werden, während sie keinerlei Probleme hatte, Mimi ihren Freunden sofort vorzustellen. Sie hingegen hatte gewartet, bis alles zu spät war. „Okay, verstehe“, sagte Tai auf einmal, vergrub beide Hände in den Hosentaschen und starrte in den sternenbedeckten Himmel. Stille kehrte zwischen ihnen ein, die fast schon bedrohlich auf sie wirkte. Tai wandte den Blick vom Nachthimmel, konnte aber ihr nicht länger in die Augen sehen. Er seufzte herzzerreißend, wollte gerade an ihr vorbei gehen, als sie sein Handgelenk packte und leise aufschluchzte. „Tai, bitte…“, murmelte sie qualvoll. „Nein, ich habe es schon verstanden“, unterbrach er sie schroff, machte sich von ihr los und ging in Richtung Halle, ohne sich nochmal zu ihr umzudrehen. Mimi sah ihm entsetzt hinterher. Sie hatte alles falsch gemacht. Sie hätte ihm die Wahrheit sagen müssen. Mimi blieb weinend an der gleichen Stelle zurück, stampfte vor Wut auf und hielt sich mit beiden Armen festumklammert, wohlwissend ihn zu tiefst verletzt zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)