Schicksalswege von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 23: Rosenstrauß ----------------------- André trat wieder seinen gewohnten Dienst in der Kaserne an. Und wieder begannen die langen Tage, ohne Aussicht auf baldigen dienstfrei. Der harte Winter ging jedoch vorbei und wich dem milden Frühling. Erste Blumen sprießen aus der Erde und die Bäume zogen ihre grünen Kleider an. Die Vögel kehrten aus dem Süden zurück und die Natur erwachte aus dem Winterschlaf. Der Frühling wich dem Sommer und erst da traute sich André, Oscar zu besuchen – so wie sie es ihm empfohlen hatte. Ob Oscar ihm grämte und ob sie den Vorfall im Winter nicht vergessen konnte, wusste er nicht. Auf dem Heimweg mit Alain überlegte er, was er tun könnte. Ein Geschenk für sie wäre vielleicht praktisch, aber was könnte man denn Oscar schenken?! Sie nahm doch keine Geschenke an! Je näher André an das Wohnhaus kam, desto verzweifelter wurde er. Er hatte nicht mehr viel Zeit zum überlegen. „Mache dir keinen Kopf, Kumpel“, versuchte Alain ihn aufzumuntern, aber von André kam nur ein schwerer Seufzer. Alain hatte gut reden, er besaß doch keine bestimmte Freundin, sondern mehrere und würde sich nie nur für eine einzige entscheiden. Er passte irgendwie nicht in das Muster eines Mannes, der sich nur für eine Frau sein Leben lang interessierte, geschweige von liebte. „Schaue lieber hin, die Heckrosen blühen schon in ihrer Pracht! Da wird mein Schwesterherz sich aber freuen!“, wies Alain André hin, als sie schon das Haus erreichten und von den Pferden abstiegen. Im Hinterhof des Wohnhauses schmückte eine wachsende Dornenhecke die Wände und die ersten Rosen sprießen in der Tat in ihrer Pracht. Diane liebte diese Blumen mit ihrem süßlichen Geruch und stellte sie immer in einem Krug am Fenster oder auch in der Küche auf dem Speisetisch. Andrés Gesicht erhellte sich mit einem Schlag. Ein sehr passendes Geschenk für Oscar, dachte er bei sich und eilte kurz in seine Wohnung, um sich umzuziehen. Alain schüttelte ihm nur mit seinem Kopf nach, als André so überstürzt in dem Haus verschwand. Aber was soll´s! Soll er machen, was er wollte, wenn er schon dieser Frau in Uniform rettungslos verfallen war! Alain grinste bei der Erinnerung an den Vorfall im Winter und begann sein Pferd abzusatteln. André entledigte sich nur seiner Uniform, zog schnell seine Alltagskleidung und rannte wieder zu seinem Pferd. Alain war schon nirgends mehr zu sehen, was André in seiner Eile kaum beachtete. Er schnitt einen kleinen Strauß aus der Hecke mit seinem Messer – vorsichtig und behutsam, um sich nicht an den Dornen zu verletzen und war dann auf und davon. - - - Auf dem Anwesen de Jarjayes ging André wie immer zuerst in die Küche, um seine Anwesenheit kund zu tun. Und wie immer traf er dort auf seine Großmutter, die nach knappen Begrüßung sofort wissen wollte, was es mit den Blumen auf sich hatte. „Ich wollte mich bei Oscar bedanken, dass sie mich im Winter vor Fieber gerettet hat.“ „Gib sie mir!“ Sophie beäugte den Strauß misstrauisch und streckte schon ihre faltige Hand danach aus. „Ich werde Lady Oscar es später geben.“ André wich etwas zurück. „Nein, ich möchte ihn ihr selbst überreichen.“ Sophie sah ihn nun wieder verärgert an. „Was glaubst du, wo du hier bist! Du kannst nicht einfach so auf der Straße irgendwelche Blumen pflücken und sie Lady Oscar geben! Man weißt nie, ob sie gefährlich sind und Lady Oscar schaden können!“ André war baff. „Diese hier sind aber ungefährlich!“ Er brachte noch mehr Abstand zu seiner Großmutter. Diese machte auf ihn einen Schritt und André wich ihr wieder aus. Er wünschte, es möge jetzt jemand reinkommen und ihn erlösen. Und als wäre heute das Glück auf seiner Seite, kam in Kürze schon Rosalie in die Küche. André flüchtete zu ihr, als wolle er sie begrüßen. „Rosalie!“ „André!“ Diese lächelte nach der Begrüßung. „Für wem sind die Blumen?“ „Für Oscar!“ „Sie wird sich bestimmt freuen.“ Rosalie war sich über ihre eigene Worte nicht ganz sicher, aber sie verstand auch Andrés Absicht. Eine Entschuldigung seinerseits wäre ihm auch geraten. „Ich werde ihr Bescheid sagen, dass du schon hier bist. Und du kannst derweilen auf dem Hof warten.“ „Mit vergnügen.“ André schmunzelte zufrieden in sich. Er war von weiteren Tiraden seiner Großmutter gerettet. „Dieses Unkraut bleibt aber hier!“, rief ihm seine Großmutter und schüttelte mit einem Nudelholz ihm nach, aber André tat als hätte er sie überhört. Leider konnte sie ihm nicht nachrennen, da Lady Oscar ihren Nachmittagstee mit Croissants erwartete und sie wollte sie nicht noch länger damit hinhalten. - - - „Rosen?“ Oscar war sichtlich überrascht, als André ihr einen kleinen Strauß reichte. Noch nie hatte ihr jemand irgendwelche Blumen geschenkt. Eigentlich wollte sie mit ihm im Fechten üben und danach über den Vorfall im Winter mit ihm reden. Sie hatte eine Entscheidung getroffen und das wollte sie ihm mitteilen. Aber seine Geste mit dem Rosenstrauß brachte ihr Vorhaben ein wenig durcheinander. Rosalie hatte ihr von den weißen Blumen auch kein Wort verloren und nur ihren Auftrag wie gewöhnlich ausgeführt. Nun stand Oscar mit zwei Übungsdegen in der Hand vor André und starrte überrascht auf das, was er ihr gerade reichte. „Ich wollte mich nur bei dir aus tiefstem Herzen bedanken. Dafür dass du mich im Winter von dem Fieber gerettet hast“, erklärte André mit seinem typischen, freundlichen Lächeln, das allerdings ihm gleich schuldbewusst entglitt. „...und als Entschuldigung für den Vorfall. Es tut mir aufrichtig leid, was ich getan habe und ich würde das gerne wieder gut machen.“ Seine Stimme brachte Oscar die Fassung zurück. „Nichts zu danken...“ Das war nicht direkt das, was sie ihm sagen wollte, aber mehr fiel ihr im Moment auch nicht ein. Ihr war es so, als hätte sie plötzlich alles was sie sagen wollte vergessen. Sie ließ die Degen auf die grasbewachsene Erde fallen und nahm den Rosenstrauß vorsichtig, beinahe unschlüssig entgegen. „Danke für die Blumen. Sie sind schön“, sagte sie dabei und sah zu ihm auf. Ein kurzer Augenblick der Stille legte sich zwischen sie und beiden stieg eine feine Röte auf den Wangenknochen, ohne dass es ihnen bewusst war. Oscar hätte gerne gewusst, was André jetzt über sie dachte. Ob ihn sein schlechtes Gewissen noch plagte? Was sollte sie ihm für seine nette Geste antworten? Wie könnte sie am besten darauf reagieren? Jedoch würde sie ihn nie danach fragen. Das war nicht ihre Art und sie durfte diese weiche Seite in ihr überhaupt nicht zulassen. Aber André war etwas anderes. Bei ihm bräuchte sie sich nicht verstellen, das hatte sie schon lange erkannt und akzeptiert. Oscar senkte ihren Blick wieder auf die Rosen, um nicht noch länger in diese fesselnden, sanftgrünen Augen hineinzusehen – ihr Herz flatterte schon genug schnell und sie befürchtete, er könnte es hören. „Ich werde Rosalie bitten, dass sie die Rosen in die Vase auf meinem Zimmer stellt, sonst verdorren sie schnell...“ Sie setzte sogleich ihre Füße in Bewegung und ließ André am Brunnen einfach stehen. Es kam alles ganz anders, als erwartet. Oscar hatte die Blumen von ihm nicht erwartet. Und vielleicht war es eben diese Überraschung von ihm, die alles änderte und ihre bisherige Gedanken in Frage stellte. Den restlichen Winter nach dem Vorfall und den ganzen Frühling hatte sie über ihn und sich oft nachgedacht. Sie war zu dem Endschluss gekommen, dass jeder von ihnen getrennte Wege gehen sollten, aber die Freundschaft zwischen ihnen dennoch weiterhin bestehen blieb. So halt, wie es all die Jahre zwischen ihren gewesen war. Aber das konnte sie nicht. Nicht mehr, nachdem er ihr diese Blumen gebracht hatte. Sie würde ihre Entscheidung wohl noch einmal überdenken müssen... André sah ihr sehnsuchtsvoll nach. Er hatte sich in ihren kurzen Blicken genauso verloren und gefesselt gefühlt, wie sie in den seinen. Er hätte gerne gewusst, was sie dabei gedacht hatte. Womöglich an den Vorfall im Winter? Oder an etwas anderes? Aber fragen würde er sie nie danach. Oscar würde das sicherlich missverstehen und er wollte nicht, dass dies ihre Freundschaft in Gefahr brächte. So ähnlich wie es im Winter beinahe geschehen war. André seufzte schwer. Es war aussichtslos, bei ihr auf mehr zu hoffen und doch tat er das jeden Tag. Er beugte sich vor und hob die zwei Degen von dem Erdboden. Er würde weiter hierher kommen und mit ihr im Fechten oder Schießen üben. Daran würde sich nie etwas ändern. - - - Während Rosalie die Rosen in einer Vase im Oscars Salon dekorierte, stand Oscar am Fenster und sah zum Hof hinaus. André schien auch alleine zurechtzukommen. An dem großen, mondförmigen Brunnen übte er sich mit zwei Degen. Schwungvoll griff er einen unsichtbaren Gegner an, machte eine Drehung und parierte mit dem zweiten Degen. Dabei schlugen ihm seine lang gewordenen Haare ins Gesicht. Er blieb abrupt stehen, nahm einen Degen in die andere Hand und schob die störende Haarsträhne hinters Ohr. Oscar verharrte ganz still am Fenster und wagte bei diesem Anblick kaum zu atmen. André ging an den Brunnen, schöpfte mit der Hand das kristallklare Wasser und trank. Sein Haar fiel ihm wieder nach vorn und verdeckte sein Gesicht. „Wollt Ihr nicht mit ihm im Fechten üben?“, ertönte Rosalies Stimme am Tisch hinter Oscar. „Ich habe mir anders überlegt, Rosalie.“ Oscar schmunzelte geheimnisvoll. „Nachdem du mit Rosen fertig bist, lade ihn auf eine Tasse Tee in mein Salon ein. Und wenn er ablehnt, sag ihm, dass ich es ihm nicht verzeihen werde.“ „Ihr wollt Euch also für die Rosen revanchieren?!“, stellte Rosalie bemerkenswert fest. „Sozusagen ja...“ Oscar kehrte dem Fenster den Rücken, ignorierte die emporsteigende Hitze in ihrem Körper und sah die junge Frau an. „Ich kann doch schlechthin André nicht ohne Dankesgeschenk gehen lassen...“ Aber was genau das sein sollte, würde es ihr schon einfallen. „Das ist wunderbar.“ Die Augen von Rosalie glänzten vorfreudig und in wenigen Augenblicken verließ sie schon Oscars Gemächer. Oscar durchsuchte derweilen ihre Sachen in ihrer Kommode im Schlafzimmer. Dort lagen meistens Dinge, welche ihr Sophie hineinlegte, obwohl sie es nicht haben wollte. Sie stieß beim Suchen auf Haarschleifen, die sie nie benutzte und beschloss eines davon André zu schenken. Sie wählte ein sattgrünes Band, das hervorragend zu seiner Augenfarbe passen könnte. Zufrieden mit sich selbst, legte Oscar das Band auf dem Tisch im Salon neben der Vase mit Rosen und klimperte gleich danach auf ihrem Klavier, bis André mit Rosalie kam. Sie hörte mit ihrem Musikspiel sofort auf, als er ihren Salon betrat. „Entschuldige, dass du so lange warten musstest.“ „Schon gut.“ André zuckte beiläufig mit seinen Schultern. „Ich habe beim Fechten nicht einmal bemerkt, wie viel Zeit verging.“ „Das ist gut.“ Oscar betrachtete ihn ausdruckslos, obwohl ihr seine Anwesenheit einen Kribbeln im Magen verursachte. „Ich habe etwas für dich.“ „Für mich?“, überraschte es André. „Ja, für dich.“ Oscar wies bewegend mit ihrem Kinn auf den Tisch hin. „Es liegt dort.“ André kam vorsichtig näher heran. „Ein Haarband?“ „Deine Haare sind länger geworden, André. Ich dachte mir, dass es dich zwischen zeitlich stört und möchte dir damit einen Gefallen tun.“ Ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen. „Wieso probierst du es nicht?“ „Und ich kann es zusammenbinden“, erbot sich sogleich Rosalie. André ließ es mit leichten Zögern zu. Das war eben wieder ein Geschenk von Oscar und er wollte nicht unhöflich sein. Zumal er sich noch immer etwas schuldig fühlte. Rosalie ging nicht gerade sanft mit seinen Haaren um, als wolle sie sich damit für sein Verhalten im Winter rächen. Sie zog und zerrte an ihnen erbarmungslos, dass André dabei leises Zischen entfuhr. Aber er ertrug es auch mit Fassung – für Oscar. Oscar heiterte sein leicht gequälten Gesichtsausdruck insgeheim auf, obwohl seine zum Ausdruck gebrachte Leidensmiene schon etwas leid tat. Als Rosalie mit ihrem Werk fertig wurde, sah André mit einem Zopf gar nicht mal so übel aus. Das Band stand ihm hervorragend. „Nun können wir fechten gehen, bis der Tee fertig ist.“ Oscar schmunzelte zufrieden und André kam nicht umhin, ihr verschmilzt zuzulächeln. Zwischen ihnen schien es wieder alles in Ordnung zu sein, wie in alten, guten Zeiten. So, als wäre der Vorfall im Winter nie stattgefunden, als hätte André Oscar nie bedrängt und als hätte Oscar André nie ohrfeigt – das alles verschwand wie ein Alptraum an einem neuen Morgen. Beide taten sorglos, obwohl ihre Gefühle einer anderer Meinung waren. In dem Hof am Brunnen übten sie miteinander im Fechten und hatten ihren Spaß. Sie vergaßen die Zeit und alles um sich herum. Bis Rosalie zu ihnen kam und mitteilte, dass der Tee eingerichtet sei. „Danke, Rosalie, wir kommen.“ Oscar fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn und schaute zu André. „Kommst du mit?“ „Ausnahmsweise ja.“ „Ausnahmsweise?“ „Nun, ich möchte diesmal deine Einladung ungern abschlagen.“ - - -  Oscar dachte an André den ganzen Abend, als er schon längst fort war und sie wieder an ihrem Klavier spielte. Sie musste sich zugeben, dass sein Besuch ihr die Freude bereitet hatte. Sie freute sich, dass es ihm wieder gut ging und da war noch etwas unerklärliches: Ihr Herz ließ sie nicht in Ruhe und ihre Gefühle spielten wieder einmal verrückt. Die Rosen, die er für sie mitgebracht hatte, standen in der Vase auf dem Tisch ihres Salons und ließen sie noch mehr an ihn denken. Normalerweise wäre sie schon von immer denselben Gedanken in Rage geraten, aber nicht bei André. Er verübte eine ruhige Wirkung auf sie und nun taten es die Rosen. In ihrem Garten wuchsen unzählige Sträucher von solchen Blumen, aber diese besaßen für sie etwas Besonderes. Vielleicht, weil sie von André waren und er bedeutete ihr mehr als jeder andere Mensch. Zu sehr war sie schon an ihn und die Zeit mit ihm gewöhnt, dass sie ihn nicht mehr missen wollte. Aber was sollte sie denn tun, um ihr aufregendes Herz zu beruhigen? Was konnte sie machen, um diese weiblichen Gefühle in ihr zu besänftigen? Wenn sie das nur wüsste, hätte sie sich schon längst wohler gefühlt! Und heute half ihr nicht einmal das Klavierspiel, ihre Gedanken zu ordnen und ihren Gemüt zu beruhigen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)