Abseits der Wege von hunny123 (ein weiteres Abenteuer für Oscar) ================================================================================ Kapitel 20: 20. Epilog ---------------------- Es klopfte. Zögerlich wurde die knarzende Tür einen Spalt breit geöffnet. Eine junge Frau spähte skeptisch nach draußen. Doch ihre Mimik entspannte sich sogleich. „Oh, Ihr seid es Alain. Was für eine schöne Überraschung!“ Ihr zauberhaftes Lächeln ließ ihn erröten. Sie kicherte herzerwärmend, als sie sah, wie er sich verlegen am Hinterkopf kratzte. „Hallo....Na... Nadine, ich war zufällig in der Gegend und äh... da dachte ich..., ob vielleicht...“ Nadine trat heraus und blickte in die schüchternen, schokobraunen Augen des sonst so selbstbewussten Soldaten. Er wirkte heute anders als die letzten Male, als er sie besuchen kam. Belustigt von seiner Unsicherheit, schnappte sie sich den unbeholfenen jungen Mann und hakte sich bei ihm ein. Gemeinsam verließen sie das Dorf, hinaus zu den Feldern. Im herbstlichen Sonnenuntergang wiegte der sanfte Wind das goldene Getreide und spielte leichthin mit Nadines langem Haar. Da ergriff er mutig die Initiative: Alain umschloss mit seinen großen, zittrigen Händen behutsam ihr Gesicht. Ihre Lippen verschmolzen miteinander, die Augen genüsslich verschlossen... Und während das Zittern seiner Hände erlosch, begann auch er losgelöst zu lächeln. „Alain!?“ André beobachtete seinen Freund in der Taverne: Er grinste, geistesabwesend den Kopf auf seinen Arm gestützt. Er wirkte entspannt, seelig und... betrunken... Ja, nach vier Krügen Bier konnte man ihm so manches Geheimnis entlocken. Alain schwärmte förmlich von Nadine und das dieser Höllentrip doch etwas Gutes mit sich gebracht hatte. Er war verliebt- über beide Ohren! So hatte André ihn noch nie erlebt. Dabei war er sich eigentlich immer sicher gewesen, dass Alain ein freizügiger Frauenheld war. Sein Freund antwortete nicht. Seufzend nippte André an seinem Bier und erinnerte sich an jenen Tag zurück, als wäre es gestern gewesen: --------------------------------------------------------------------------------------------------------- „Es tut mir Leid... Ich konnte dir nicht helfen Oscar... Was für ein Beschützer bin ich denn, der seine Aufgabe nicht einmal ansatzweise erfüllen kann?“ André lehnte an dem Gatter des Stalls und streichelte seinem Pferd traurig über die Nüstern. Die kastaniengroßen Augen blickten ihn erwartungsvoll an. Eine magische Wirkung ging von seinem braunen Hengst aus. Er war ein Freund, der einfach nur zuhörte, was André bereits seit dem Aufbruch nach Paris auf der Seele brannte. Oscar stand mit dem Rücken am Stalltor und beobachtete ihn. Unauffällig lauschte sie seinen Worten, denn er hatte ihre Anwesenheit noch nicht bemerkt. Sie hatte sehr wohl erkannt, dass er ihr seit dem Vorfall aus dem Weg ging. „Ja, mein Guter, in den entscheidendsten Momenten ist auf mich kein Verlass. Ich stehe ihr nur im Weg und bin zu schwach.“ Wütend schlug er die Faust auf den Holzbalken. „Der General hätte mich tot prügeln sollen... Dafür, dass ich zu ließ, dass seine Tochter so stark verwundet wurde. Es wäre eine gerechte Strafe gewesen...“, Andrés gerötete Hand wanderte nun sanft an den muskulösen Hals seines Braunen und verharrte dort. Er lehnte seinen Kopf an dessen prachtvolle Mähne. „Doch selbst da ging Oscar dazwischen, setzte sich wieder einmal für mich ein, weil ich in ihren Augen keine Schuld dafür trage...“, er hustete leicht. Das Pferd blieb ruhig, spitzte jedoch die Ohren und stupste ihn danach an die Wange. André blickte daraufhin zum Stalltor: „Oh, Oscar? Äh...was machst du denn hier? Solltest du deinen Arm nicht schonen?“ Oscar kam langsam auf ihn zu. Sie lächelte sanft. „So eingepackt wie der ist, kann doch gar nichts passieren.“ Sie zeigte auf den frischen Schlauchverband, der um ihren Nacken geschlungen war und keinerlei Bewegung zu ließ. „Was hat der Doktor noch zu dir gesagt, André?“ Oscar deutete auf die ebenfalls verbundene Wunde unter seinem Hemd. „Er meinte, die gebrochene Rippe sei nicht das Problem. Aber die beiden Nachbarrippen wurden stark geprellt. Und das täte mehr weh, als wenn sie durchgebrochen wären. Das Atmen geht schon wieder ganz gut. Ich solle versuchen, langsam wieder tiefer zu atmen, damit sich keine Lungenentzündung bilden kann...“ André sah nun zu ihr. Wie sie da stand, leichtfüßig und entspannt, das helle Tageslicht von draußen ließ sie engelsgleich erscheinen. Ihr Haar wehte in der sanften Brise des kühler werdenden Herbsttages. So stark, energiegeladen und um ihn besorgt. Sollte er es nicht sein, der diese Eigenschaften besitzen musste? André wurde aus seinen Gedanken gerissen: „Bereite doch bitte die Pferde für einen kleinen Ausritt vor. Ich würde den sonnigen Tag heute gerne noch etwas auskosten. Die frische Luft wird dir ebenfalls gut tun.“ Oscar verließ den Stall und zog sich um. „Oscar, aber dein Arm!?“ , rief André ihr hinterher, doch sie war bereits aus seinem Sichtfeld verschwunden. Eigentlich liebte er dieses kleine vertraute Ritual zwischen ihnen. Doch heute würde er den Ausritt nicht entspannt genießen können und das hatte überhaupt nichts mit seiner Rippenverletzung zu tun. Schweigend ritten die beiden im ruhigen Trab nebeneinander. Sie wirkten innerlich angespannt. Schließlich brach Oscar die Stille. Sie musste schlucken, doch ihr Gaumen war auf einmal ganz trocken. Die Hand vor den Mund haltend, räusperte sie sich und atmete noch einmal tief durch. Oscar blickte in die Ferne und bemerkte wie ihre Lippen die ersten Worte formten. „André...höre bitte auf... dich selbst zu bemitleiden!“ Das Gesagte klang hart und so verwunderte es nicht, dass er ihr keine Antwort gab und erneut eine unangenehme Stille zwischen sie trat. Schließlich wurde ihre Stimme weicher und leiser. „Du irrst dich gewaltig...“ , sie zögerte weiter zu sprechen. Die Vögel taten genau das Gegenteil. Sie piepsten und zwitscherten munter in allen Oktaven in den nahegelegenen Baumwipfeln. Oscar fiel es sichtlich schwer ihre nächsten Gedanken preis zu geben. „Denn du hast mich im wichtigsten aller Momente gerettet... Aufgefangen, als mein Körper mich nicht mehr tragen konnte und mein Geist zu schwach war, ihn zu kontrollieren... Du warst da und dafür werde ich dir ewig dankbar sein!“ Oscar ließ André nicht zu Wort kommen, der in diesem Augenblick eh nicht hätte antworten können. Wie versteinert musste seine Mimik gewirkt haben, sprachlos, auf das eben Gesagte angemessen zu reagieren. „Und nun Schluss mit dem Thema! Lass uns ein Wettrennen zum See machen!“ Unfähig ihn dabei anzuschauen riss sie die Zügel mit dem gesunden Arm an sich und galoppierte davon. Sie war deutlich langsamer als sonst, denn sie wollte es nicht riskieren, das Gleichgewicht zu verlieren. Ihr Herz dagegen pochte rasanter als je zuvor gegen ihren Brustkorb. Die frische Luft, die ihre Lungen mit Freude aufsogen, reichte dennoch nicht aus, um tief durchzuatmen. Doch sie wusste, André würde sie trotzdem nicht einholen können. André war sich einen Moment unsicher, ob er diese Worte tatsächlich gehört hatte. Er erhöhte ebenfalls das Tempo. Die Hufschläge seines Pferdes wurden härter und trafen als leichte Erschütterungen seinen Körper. Seine Rippen vibrierten. Doch er spürte weder Druck noch Schmerz, sondern ein seltsam befreiendes Gefühl in seiner Brust. Sein Kopf war voll mit unendlich vielen Fragen und doch so leer wie nie. Sie trieben ihn an, dieses Wettrennen doch noch zu gewinnen. Oscar fühlte sich erleichtert, nachdem diese schwergewichtigen Worte nun endlich ausgesprochen waren. Ihr rasendendes Herz begann sich zu beruhigen. Wissend, dass er hinter ihr war und ihr folgte. Die vertraute Nähe zu André war nun endlich wieder hergestellt. Erst jetzt realisierte sie, wie wichtig ihr das war. Sie spürte, wie André dichter zu ihr aufschloss. War ihre Freundschaft durch den Vorfall auf dem Chateau Thierry möglicherweise noch tiefgründiger geworden? Die junge Frau war verwirrt, gab ihrer Stute einen weiteren sanften Tritt in die Flanken und gewann wieder an Vorsprung. Oscar sollte Recht behalten, auch diesen Ausritt hatte sie gewonnen, so wie ihr kleines Ritual stets endete. Diese winzige Zeitspanne, die nur ihnen gehörte, war für diese beiden Menschen von undenkbarer Wichtigkeit! --------------------------------------------------------------------------------------------------------- Und auch heute, hier in der Taverne bei seinem vierten Bier, war er sich noch immer nicht sicher, ob Oscar wirklich diese Worte zu ihm gesagt hatte. Er trank das inzwischen schale Getränk in einem großen Schluck aus und blickte nachdenklich in das flackernde Licht der Tischkerze. Die Flamme tanzte unermüdlich hin und her und warf einen großen Schatten hinter sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)