Are You Sane, Baby? von Blaubeere20 ================================================================================ Kapitel 2: Viel zu viel | Ryou ------------------------------ Der bricht gleich zusammen”, lachte jemand, während wir Liegestützten am Boden machen mussten. “Das könnte gut sein”, lächelte ich schwach. Meine Arme zitterten und ich hatte das starke Bedürfnis, etwas zu trinken. Schweiß rann mir den Körper hinunter, durchnässte mein Shirt. Ich stand auf und ging auf die Garderobe zu. Dort drehte ich den Wasserhahn auf, von welchem ich die Flüssigkeit genießend trank. Ich wusch mir das Gesicht und sah in den Spiegel; So kaputt siehst du aus, Ryou. Meine weißen Haare waren ganz zerzaust und gleichzeitig nass vom Schwitzen. Tiefe Augenringe zierten mein Gesicht und meine Körperhaltung war schlaff. “Ich brauche eine Pause”, sprach ich gegen den Spiegel. “Vom Leben”, beendete ich meine Aussage und legte meine Hände auf die Scheibe. Vielleicht wäre alles anders, wenn ich jemanden hätte. Jemanden, der sich um mich kümmert und sich für meine Anliegen interessiert. Jemanden, der Nachts neben mir liegt und mir meine Paranoia nimmt, sobald es dunkel wird. Dazu noch die Albträume, die üblich bei mir sind. “Du bist psychisch so demoliert”, meine Hände glitten an der Scheibe runter. Ich knirschte mit den Zähnen und beschloss, noch einen Schluck zu trinken. “Hey, du Schlappschwanz! Die Doppelstunde ist noch nicht vorüber!”, machte mich der Lehrer aufmerksam und bat mich somit indirekt, wieder am Unterricht teilzunehmen und das Päuschen zu beenden. So ging ich wieder zurück in die Halle, in der wieder eine ganz andere Stimmung herrschte; es tat gut, die paar Minuten in einem stillen Raum zu sein, und etwas Zeit für mich selbst zu haben. Andererseits bin ich doch viel zu oft alleine… “Basketball-Aufwärmübungen, falls du es verschwitzt hast”, informierte mich ein Mitschüler und warf mir den Ball zu. Ich jedoch besaß sehr schlechte Reflexe, und der Ball knallte somit direkt gegen meinen Magen, worauf mich ein schrecklicher Brechreiz überkam. Schmerzerfüllt hielt ich mir den Bauch, alle schüttelten seufzend den Kopf. Erneut fand ich meinen Weg zur Garderobe - diesmal hieß ich die Toilette willkommen. Hart fiel ich auf die Knie, welche dadurch blaue Flecken bekamen. Sofort übergab ich mich und ließ den Kopf noch eine Weile so hängen. “Ich muss hier weg”, stellte ich fest und begann schnell, wieder in meine Alltagskleidung zu schlüpfen. Hastig griff ich nach meiner Schultasche und rannte aus dem Schulgebäude. Ich lief zur Bushaltestelle, setzte mich und spürte, wie mein Herz gegen meine Brust schlug. Wo sollte ich hin? Es scheint so, als würde ich nirgendwo hingehören. Als wäre ich überall nur störend und überflüssig. Der Bus, in den ich planlos einstieg, kam sehr rasch. Es waren fast keine Leute drinnen, weshalb ich schnell einen Sitzplatz fand. Tränen bildeten sich in meinen Augen, während dem Gedanken, nicht einmal zuhause willkommen zu sein. Nach ein paar Stationen stieg ich aus und beschloss, etwas durch die Innenstadt zu schlendern. Meine Augen blieben bei einem Geschäft hängen, das goldenen Schmuck in der Auslage präsentierte. Es funkelte mir entgegen und lud mich ein, es besser zu durchforschen. Wie hypnotisiert betrat ich den Laden und steuerte direkt auf das Einzelstück zu. Es war ein goldener Ring, der in der Mitte eine Art Pyramide hatte, in welcher ein Auge dargestellt war. Es hingen längliche Dreiecke runter. Das einzigartige Design faszinierte mich, was der Verkäufer schnell bemerkt hatte. “Das einzige Exemplar, das wir haben”, informierte mich der große Mann und lächelte. “Wie viel?”, wollte ich mit lauter Stimme wissen, die mich selber erschreckte. Der Preis, der mir genannt wurde, war nicht überheblich hoch und für mich leistbar. “Ich nehm’s!”, versicherte ich und zahlte an der Kassa. Habe ich mir gerade ernsthaft eine Belohnung gegönnt, dafür, dass ich von der Schule abgehauen bin? Kurz hielt ich inne. Nein; ich habe mir eine Belohnung gegönnt, weil ich durchgehalten habe. Die letzten 3 Jahre habe ich überstanden und stehe heute hier. Dafür habe ich mich belohnt. Glücklich hing ich mir den Ring - wie ich ihn ab jetzt nennen werde - um. “Er steht Ihnen”, der Verkäufer musterte mich. “Danke!”, sprach ich höflich und verabschiedete mich. Der Tag war noch lang. Doch was bringt ein sonniger, schöner Tag, wenn man ihn mit niemandem teilen kann? Eine unermessliche Wut staute sich in mir. Bin ich wirklich so schrecklich, wie alle sagen? Hält man mich tatsächlich nicht aus, aufgrund meiner Sensibilität und der Art, wie ich mit Menschen umgehe? Ist es nicht normal, einen eigenen Charakter zu haben? Ich ließ einen lauten Schrei aus, alle Leute wandten den Blick zu mir. Unkontrolliert lief ich. Ich lief weit, weit weg - Richtung zuhause. Meine Arme schmerzten noch von den Liegestützten und meine Augen brannten vom Wind, der mir durchs Rennen entgegenkam. Nach einigen Metern wurde mir schwindelig und schwarz vor Augen, ich hatte mich wohl im Sportunterricht überanstrengt. Einen Mangel an Wasser hatte ich ebenfalls. Ich stützte meine Hände an den Knien ab und schnaufte. Die komplette Umgebung war nur noch halb vorhanden für meine Augen. Ich zuckte, als mein Handy vibrierte. Noch atmend hob ich ab; “Hallo?”. Eine verärgerte Stimme sprach mir entgegen; “Ryou! Wenn du nicht sofort nach Hause kommst, gibt es noch mehr Ärger, als es sowieso schon geben wird! Dein Lehrer hat angerufen!” - Dad. Ich versprach, mich zu beeilen. Zuhause angekommen, sperrte ich die Türe so langsam, wie es nur möglich war, auf. “Er ist da”, merkte mein Vater angesäuert und blickte mich entzürnt an. Ich zog mir still die Schuhe aus und setzte mich an den Tisch, wo auch schon meine Mutter saß. “Der Junge lernt nicht, der Junge redet nicht und der Junge fickt nicht!”, Papa schlug seine Hand gegen den Tisch und ihm entfleuchte ein verärgerter Laut. “Katsuro!”, mahnte Mum und schenkte ihrem Mann einen schockierten Blick. “Hat er schon mal ein Mädchen nach Hause gebracht? Nein. Und was soll dieses schwule Goldstück um deinen Hals?!”, er war total gereizt. Er klatschte sich die Hand gegen das Gesicht und wusste nicht weiter. Er wusste nicht, was mit so einer Schande von einem Sohn machen sollte. Noch weniger wusste ich, was ich mit mir machen hätte sollen. Eine Zeit redete Vater noch von meiner angeblichen Faulheit. “Er ist depressiv”, erinnerte ihn Mum und versuchte, mich zu verteidigen. “So eine Lusche habe ich auf jeden Fall nicht erzogen!”, mit diesen Worten verließ er das Wohnzimmer. Nicht einmal zu meinem siebzehnten Geburtstag zeigte er Verständnis für mich. Ich fing an, zu weinen und spürte, wie die heißen Tränen meine Wangen runterkullerten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)