Are You Sane, Baby? von Blaubeere20 ================================================================================ Kapitel 12: Befriedigung | Ryou ------------------------------- Nein, nein - das durfte nicht wahr sein. Yami hat das entdeckt, das niemand weiß. Und mit “niemand” meine ich auch wirklich niemand. Nicht einmal meine Ärzte wissen das, es ist ein Geheimnis zwischen mir und meiner Selbst. Es zerschmetterte mich innerlich, so gesehen zu werden. So schutzlos, so unfähig, mich zu verteidigen. Ich war total entblößt, die Scham fraß mich regelrecht auf. Gleichzeitig empfand ich eine gewaltige Wut, die sich in meinen Augen klar widerspiegelte. Ich fühlte mich so, als wäre man in meine Privatsphäre eingedrungen. Es war mein Geheimnis, und zwar nur meines. Allein ich besaß das Recht, zu entscheiden, ob wer meine nackten Handgelenke sehen durfte oder nicht. Das war, wie als hätte man mir das Handy weggenommen und all meine Nachrichten gelesen. Zwar waren da keine außer die von Mum und Dad, doch das Prinzip zählte. Das Wort “Privatsphäre” war sogar zu schwach, um zu beschreiben, was es für mich war; es war eher private Privatsphäre. “HABE ICH DIR ERLAUBT, NACHZUSEHEN?”, schrie ich entzürnt und wäre in der Lage gewesen, Yami ein Wörterbuch ins Gesicht zu schlagen. Yami wich fast zurück, als er mich so schreien hörte und bekam Gänsehaut. Dann kam er mir näher und blickte mir sehr ernst aber doch etwas beleidigt in die Augen; “TUT MIR LEID, WENN ICH DICH BESCHÜTZEN WILL”. Ich hätte fast gefragt, vor wem er mich beschützen wolle. Vor mir selber etwa?, dachte ich spottend, verspürte dann jedoch einen Stich im Herzen. Ja, vor mir selber. Mein Verlangen war es, dass jemand kommt, und mich vor meinen düsteren Gedanken beschützt. Vor meinen Panikattacken und meiner Sucht nach der Klinge. Ich wollte wen, der mich davon abhielt, meinen Alltag zu leben. Schweigend band ich mir die schwarzen Bänder um die Gelenke und sah zu Yami hoch. Es war furchtbar still und nur das Nachtlicht hinderte den Raum daran, komplett dunkel zu sein. Er fasste mir extrem vorsichtig an die Stellen, die verbunden waren, und flüsterte; “Ja, ich liebe dich immer noch. Und keine einzige Narbe wird das jemals ändern”. In diesem Moment lockerte sich etwas in mir. Etwas, das mich jahrelang leiden ließ: Fehlende Bestätigung. Bestätigung, dass ich trotz meines Selbsthasses und den psychischen Störungen perfekt für jemanden sein konnte. Dass mich trotzdem eines Tages jemand so annehmen wird, wie ich war. Und nicht so, wie man mich gerne hätte. Ich fragte mich, ob ich liebenswert war, oder ob das nur Wunschdenken war. Ich fragte mich so Vieles. Und nun, in meinem fast abgedunkelten Zimmer, am Bett sitzend, habe ich meine Bestätigung bekommen. “Ich werde dir nicht verbieten, es weiter zu tun. Ich finde es auch nicht verblödet oder sehe auf dich herab. Ich will nur alles über dich wissen, um sicher zu gehen, dich in- und auswendig zu kennen. Sodass ich dir ehrlich sagen kann, dich bedingungslos zu lieben”, Yami streichelte meine Handgelenke. Meine Augen fingen an, feucht zu werden. Ich wimmerte leise und krallte mich an Yamis Shirt fest. Ich habe ihn angeschrien, obwohl er das doch eigentlich nicht verdient hatte. Es tat mir so Leid, und das spürte er wahrscheinlich. Behutsam tätschelte er meinen Kopf. Ich wollte gerade etwas sagen, als wir beide ein Kratzen an der Türe wahrnahmen - Aurora. Ich erhob mich und machte der Katze auf, ehe ich die Türe wieder schloss. Das Tier sprang direkt auf Yami, der erschrack und das Glas Wasser am Schreibtisch umwarf, das mit Wasser gefüllt war. Er kam mit dem Ellbogen an und schon zierten Splitter den Boden. Aurora schnüffelte konzentriert am Mann und sah mich fragend an. Ich kann es mir auch nicht erklären, Aurora. Ich kann es mir ebenfalls nicht erklären. Yami nahm die Katze von sich und platzierte sie am Boden. Danach nahm er mir ganz vorsichtig die Bänder runter und küsste meine Narben. Ich erschauderte, fühlte mich nach wie vor so verdammt hilflos und zur Schau gestellt. “Es tut mir Leid, Ryou. Wie kann ich das wieder gut machen?”, Yami wirkte plötzlich trotz seiner starken Erscheinung so schwach - es tat ihm wirklich Leid. Seine Augen waren halb geschlossen und er blickte mich flehend um Vergebung an. Suchend nach meiner Zustimmung, ihm weiterhin zu vertrauen. Mein Herz schmolz dahin. Niemand war jemals so emotional abhängig von mir, niemandem waren meine Entscheidungen so wichtig. “Ich verzeihe dir, denn du bist das Einzige, das für mich noch zählt”, gab ich zu, kniete mich hin und schlang meine Arme um den Mann. Es wirkte so befreiend, endlich zu wissen, jemandem wichtig zu sein - und zwar wirklich wichtig. Es fühlte sich so an, als hätte man mich aus diesen schweren Ketten, die mich jahrelang belasteten, befreit. Nichts hinderte mich mehr daran, weitere Schritte zu wagen. “Ich beseitige die Scherben vom Glas, bevor dir noch was passiert”, meinte Yami und stand auf. Meine Augen blieben an den Splittern kleben - sie waren so glänzend und scharf. Perfekt, um Haut zu schneiden. Um den seelischen Schmerz für einen Moment zu vergessen. Mich überkam eine verdammt starke Versuchung, es war so verlockend. Yami war gerade dabei, die Splitter vorsichtig auf einen Haufen zu tun, als er meinen Drang verspürte. Augenblicklich blickte er zu mir hoch und war entsetzt. “Ryou…”, flüsterte er besorgt und schüttelte leicht den Kopf. Er ließ den Scherbenhaufen liegen und kam wieder zu mir ins Bett. “Nicht dran denken, Kleiner”, bat er mich, verwickelte mich in einen total unerwarteten Kuss. Er nahm mein Gesicht in die Hände und strich mit seinen Daumen über meine Wangen. Ich fühlte mich so geliebt. So, so geliebt. Wir lösten uns langsam voneinander, bevor Yami mir eine Frage stellte; “Würdest du dich wirklich besser fühlen, wenn du dieses Bedürfnis befriedigst?”. Ich zögerte lange, nickte dann aber schließlich. Der Weißhaarige hob eine Scherbe auf und drückte sie mir in die Hand. Ich zeichnete mit der Spitze einen geraden, langen Strich auf mein Handgelenk und atmete laut aus. Ich schloss die Augen und spürte, wie mir das Blut über die Haut ronn. Es tropfte auf meine Bettwäsche. Ein zweiter Schnitt folgte und ich wusste, ich werde nicht aufhören können. Ich öffnete verwirrt die Augen, als ich plötzlich ein seltsames Gefühl an meinen Wunden spürte; Yami schleckte mir das Blut mit seiner Zunge weg. Es erinnerte mich ein wenig an Aurora, wenn sie sich putzte. Perplex starrte ich den Mann an, der mir am Arm herumschleckte. “Es brennt, richtig? Ich will nicht, dass du Schmerzen spürst”, seine Lippen waren voller Blut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)