Are You Sane, Baby? von Blaubeere20 ================================================================================ Kapitel 22: Die Rache mit den Schusspatronen | Ryou --------------------------------------------------- Durch laute Geräusche wurde ich aufgeweckt. Fragend öffnete ich die Augen und bemerkte, dass der Krach aus dem Zimmer meines Vaters kam. Hörte sich so an, als würde er mit den verschiedensten Dingen herumwerfen. War er sauer auf irgendwen? Ehrlich gesagt hatte ich nicht den Mut dazu, um nachzusehen. Dad schien sehr aggressiv drauf gewesen zu sein und stellte somit eine Gefahr für meine Sicherheit dar. Ich hatte keine Lust, mir wieder weh tun zu lassen, mich demütigen zu lassen. Keine andere Wahl zu haben, als geschlagen zu werden. Fest rieb ich mir die Augen und beschloss, solange im Zimmer zu bleiben, bis er sich wieder beruhigt hatte. Als ich versuchte, aufzustehen, spürte ich, wie meine beine leicht zitterten. Mir fiel das gesamte Szenario von gestern Nacht ein, das Dach, die Autos, die Sterne. Ein kleines bisschen Adrenalin schien sich noch in meinem Körper zu befinden. Ich war mir ziemlich sicher, dass das die aufregendste Nacht meines Lebens war. Ich griff zum Milleniumsring, der auf meinem Schreibtisch lag und betrachtete ihn eine Zeit. Ich fragte mich, ob Yami drinnen schlief oder ob er jederzeit erscheinen konnte. Das Schmuckstück glänzte mir entgegen und schimmerte in einem satten Gold. “DRECKSKERL!”, ertönte es plötzlich aus dem Zimmer neben mir, in dem sich der Lärm noch immer nicht gezügelt hatte. Ich fragte mich, ob meinem Vater nicht bald die Gegenstände ausgingen. Die Wand war bestimmt auch schon total angeschlagen und hatte Risse. Nun war ich mir nicht mehr so sicher, ob er wieder zur Ruhe kommen würde, immerhin ging das nun schon Minuten und die Kraft, mit der er die Sachen warf, wurde nicht schwächer. Alle prallten laut gegen die Trennwand zwischen unseren Zimmern auf. Ich hatte vor, schnell ins Bad zu gehen und mich zu beeilen, sodass ich schnell wieder in meinem Zimmer sein konnte. Auf Zehenspitzen schlich ich zu meiner Türe, öffnete diese und tapste unauffällig weiter. Stark zuckte ich zusammen, als die Schlafzimmertüre aufging. Schwer atmend drehte ich mich um und erkannte meinen Vater. Ihm war die Wut deutlich ins Gesicht geschrieben. Hinter ihm sah man etliche zerbrochene Gegenstände, die teilweise auch Mum gehörten. “Du kannst nicht einfach Mums Sachen zerschmettern!”, schrie ich mit einer Ängstlichkeit in der Stimme und einer unsicheren Haltung. Ich wollte ihm klar machen, dass das nicht in Ordnung war, jedoch kam ich nicht aus meiner Schreckhaftigkeit heraus. Meine Knie schlotterten und meine Augen wässerten beinahe. Ich hatte Angst. Natürlich hatte ich Angst. “Diese dumme Ziege hat mich wegen Körperverletzung angezeigt”, verriet mir mein Vater und ballte die Fäuste. “D-das ist auch gut so!”, mein ‘Herz schlug mir bis zum Hals. Ich wusste genau, dass mir wegen diesen verteidigenden Aussagen etwas passieren würde. Dass ich seiner Meinung nach frech zurückredete. “Hat dir die Ohrfeige von letztem Mal nicht gereicht?!”, brüllte er und schritt näher. Ich taumelte zwei Schritte zurück, versuchte immernoch vergeblich, selbstbewusst zu wirken; “Hat dir die Drohung von letztem Mal nicht gereicht?”. Hatte er den Vorfall mit Yami längst vergessen? Oder hatte er das alles verdrängt? Mit einer straffen Haltung und geballten Fäusten stand er vor mir, lachte laut und zückte etwas aus seiner Gesäßtasche. “Ich bin bestens gewappnet”, flüsterte er mit einem Grinsen und richtete eine Pistole gegen mich. Das Blut in meinen Adern schien zu gefrieren und mein gesamter Brustbereich wurde kalt. Mit weit aufgerissenen Augen blickte ich auf die Waffe, ehe ich meinem Vater zutraute, dass er abdrücken würde. Er hätte kein Problem damit gehabt, mich aus dieser Welt zu schaffen. Ich war ihm nur eine Last, nur ein Klotz am Bein. Aber das durfte nicht passieren. Wer würde dann auf Mum aufpassen? Ich konnte sie doch nicht so zurücklassen. “Versuch’ doch nochmal, mich so am Kragen zu packen, wie letztes Mal”, er klang sehr amüsiert und fühlte sich mir überlegen. Er bewegte seinen steifen Arm einige Zentimeter nach oben, sodass er nun auf mein Gesicht zielte. Hörbar schluckte ich und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Stirb mit Ehre, Ryou. Stirb stolz. “Drück’ ab, wenn du willst”, begann ich. “Du sollst dir nur im Klaren sein, dass du den Tod verdienst”, mein Hals war inzwischen ganz trocken und fühlte sich komplett rau an. Wenn es schon so kurz vor dem Ende war, konnte ich ihm wenigstens noch sagen, wie es sich richtig gehörte. Er hatte all die Angst und das Leid verdient, das ich in diesem Moment zu spüren bekam. Er hätte bis in die letzte Vene die Kälte und Taubheit spüren sollen. Die letzten Wünsche, die man hatte, bevor man wusste, es ist gleich alles aus. “Du hast mir ziemlich viel Enttäuschung und Wut gebracht”, behauptete er und lehnte die Waffe gegen meine Stirn. Die kalte Fläche lag an meiner nackten Haut an und brachte meinen gesamten Körper zum Schlottern. “Du bist ein Feigling”, sprach ich mit geschlossenen Augen und einer dünnen, zerbrechlichen Stimme. “Du bist hier der Feigling”, korrigierte er seine Vorstellung und presste die Pistole stärker gegen meine Stirn. Mein Atem ging nur noch stoßweise und ich hatte keine Kontrolle mehr über die Funktionen meines Körpers. Die Umgebung hatte ich inzwischen ausgeblendet und nicht mehr wahrgenommen. Sie schien verschwommen; im Zentrum meines Blickfeldes war nur noch mein Vater, der sich nicht scheute, seinen eigenen Sohn zu erschießen. Der es nicht einmal bereut hätte. Der es nicht einmal in Erwägung gezogen hätte, einzusehen, dass er am Holzweg war. Ein lautes Miauen ertönte hinter meinem Vater und Aurora trat hervor. Ihre Ohren waren angelegt und sie fauchte. “Du Drecksvieh”, mein Vater stieß sie mit dem Fuß kräftig weg. “DU DRECKSVIEH!”, schrie ich, griff die Waffe rasch mit der linken Hand, lenkte sie weg von mir und wollte mich auf mein Gegenüber stürzen, als ich einen lauten Knall wahrnahm. Ich erstarrte sofort. Der Schuss ging in den Boden. “Jetzt reicht es mir aber!”, ich wurde am Kragen gepackt und das kalte Eisen schmiegte sich wieder gegen meine Stirn. Ich bekam keine Luft mehr, hörte das verzweifelte Miauen von Aurora und schloss die Augen. War es wirklich schon Zeit für mich? War meine Sanduhr schon bei den letzten Körnern? War ich es nicht wert, etwas in dieser Welt zu verändern? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)