Are You Sane, Baby? von Blaubeere20 ================================================================================ Kapitel 24: Gebrochene Herzen | Ryou ------------------------------------ Konnte es wirklich sein, dass all das Schlechte nun vorbei war? Es war dann so still in diesem Haus; kein Jammern, kein Schimpfen und kein Drohen. Es schien nun farbiger und lebendiger. Das Zimmer, in dem Sachen herumgeworfen wurden, war leer. Nur noch kaputte Gegenstände drinnen. Ich ließ Yami los und betrat das Schlafzimmer. Bilder, Möbel und Porzellan wurden herumgeschmissen. Sesselbeine und Scherben zierten den Raum. Schweigend ging ich mit ausdruckslosem Gesicht langsame Schritte nach vorne. All diese Sachen wurden mit so viel Liebe gekauft, aber mit so viel Hass zerstört. Wie konnte er nur meinetwegen so viel Zorn entfachen. Derjenige, der es verdient hatte, war er selber. Und diese Zeit war endlich eingetroffen. Ich wusste nicht genau, wo er war und was ihn dort erwartete, jedoch war ich mir sicher, dass es gerecht war. “Er hat mich so gehasst”, fauchte ich angeekelt, war aber gleichzeitig verletzt. “Habe ich das verdient?”, mein Körper zitterte. Yami legte mir von hinten eine Hand auf die Schulter; “Es ist vorbei. Es ist alles wieder gut. Du musst nicht mehr darüber nachdenken”. Yami hatte Recht. Eigentlich spürte ich ebenfalls, wie der ganze Groll und der Schmerz in mir starb, als ich dabei zusah, wie Dad sein gerechte Strafe bekam. Doch in diesem Moment, in diesem Raum, waren die Erinnerungen so stark, dass ich sie beinahe riechen konnte. Die Gefühle kamen wieder hoch. “Du musst alles, was dich daran erinnert, vernichten”, antwortete Yami auf meine Gedanken. Das stimmte. Es durfte Nichts, was ihm gehörte oder mir sein Gesicht in Erinnerung rief, übrig bleiben. Dieses Haus brauchte eine Neugestaltung. “Aber erst, wenn Mum wieder da ist”, mein Ton war sehr seicht. Mum lag im Krankenhaus und ich wusste nicht, wie ihr Zustand aktuell war. Ich würde sie, sobald ich mich wieder beruhigt hatte, besuchen gehen. Außerdem konnte ich mir sowieso Zeit mit dem Besuch lassen, da man bei einer bewusstlosen Person nach einem Tag wahrscheinlich nichts Genaues sagen konnte. Vielleicht war sie noch gar nicht aufgewacht. Vielleicht hatte sie einen Gedächtnisverlust. Ich sammelte schon wieder Gedankenblöcke. “Denk’ nicht so viel darüber nach”, Yami nahm meine Hand und führte mich aus dem Raum. "Ich muss in diesem Raum noch etwas erledigen", behauptete ich und drehte mich um. Er hatte Recht - ich musste alles, was mich an Dad erinnerte, zerstören. Ich musste diese geladene Energie loswerden. Ich musste mich entladen. Erstmals griff ich mir den Bilderrahmen mit seinem Foto drinnen. Er hatte den Rahmen bereits herumgeschmissen, er lag am Boden. Mit meinen Händen klaubte ich ihn auf und knickte ihn in der Mitte, er war nun kaputt. Es hat ein lautes Knackgeräusch gemacht. Das Knacken erinnerte mich an das Knacken, als die seelische Verbindung zwischen mir und meinem Vater brach. Es erinnerte mich an das Knacken, das entstand, als er einmal meine Staffelei entzwei brach. Es erinnerte mich an das Knacken, als er Auroras Leckerlies zertrat, weil er die Katze nicht mochte. Es erinnerte mich an das Knacken, als mein Herz brach. Als nächstes ließ ich den Eierlikör, der am Kästchen stand, zersplittern. Die Flüssigkeit sammelte sich am Boden. Still sah ich zu, wie sich das Nass in verschiedene Richtungen ausbreitete. Es erinnerte mich an meine Tränen, die ich oft nicht mehr stoppen konnte. Es erinnerte mich an das Wasser in der Badewanne, wenn ich ein Bad nahm und mich darin ertränken wollte. Es erinnerte mich an aber auch an Regen, an die kalten Tage. Die Taschenuhr, die auch am Boden lag, wurde von mir gegen die Wand geschmissen. Sie prallte laut auf. Sie erinnerte mich an die verschwendete Zeit, die ganzen Auseinandersetzungen. Sie erinnerte mich an die Zeit in den frühen Morgenstunden, in denen ich nie schlief, weil mich meine Gedanken wach hielten. Sie erinnere mich an die Zeit, die nie vorbeiging, weil ich so nieder gemacht wurde. Die Zeit, die ich nie wieder zurückbekommen werde. Und dann hoffte ich auf bessere Zeiten. Die Uhr zersprang in Einzelteile, der Zeiger fiel heraus. Der Bilderrahmen lag entzweit vor meinen Füßen. Der Eierlikör pickte am Boden, sickerte langsam aber sicher ein. Es ging mir etwas besser. Ich drehte mich zu Yami, der im Türrahmen lehnte. Er hatte die Arme verschränkt und sah mich geduldig an. Seine Körperhaltung war locker, seine braunen Augen blinzelten mich an. "Tob' dich ruhig aus", kam es gelassen von ihm. "Ich denke, ich bin fertig", ich schritt auf ihn zu und umarmte ihn. Er war warm, er war kuschelig, er war alles, was mich stützte. Ich war froh, ihn an meiner Seite zu haben. Zwar wusste ich nicht genau, was er wirklich getan hat, aber er hat mich jedenfalls befreit. Er hat meine in einem Käfig weggesperrte Seele befreit. Yami hat mich spüren lassen, wie das Leben vor meiner depressiven Störung war. Durch ihn konnte ich wieder atmen. "Schauen wir erstmal nach den Besuchszeiten wegen deiner Mutter", Yami nahm meine Hand und wir verließen das devastierte Zimmer. Er hatte Recht, ich musste sie besuchen kommen. In meinem Zimmer fuhr ich den Computer hoch und ging auf die Homepage des Krankenhauses. Dabei musste ich daran denken, wie mich der Taxifahrer nach Hause gefahren hat. War das Karma, habe ich das verdient? War ich ein guter Mensch, habe ich genug gute Taten vollbracht, um belohnt zu werden? Das Einzige, das ich wusste, war, dass mein Vater ein schlechter Mensch war. Dass er genau das verdient hat, was ihm widerfahren ist. Er hatte seinen guten Job, seine Kollegen und meine Mum nicht verdient. Yami lehnte sich über meine Schulter und blickte auf den Computerbildschirm. "Morgen wären zwischen 9 und 13 Uhr die Besuchszeiten", er war sehr aufmerksam. "Geh' doch gleich morgen hin", schlug er vor und legte eine Hand auf meine Schulter. Ich nickte. Trotz des Freudegefühls, sie wiederzusehen, spürte ich ebenfalls die Angst vor dem Ungewissen. Ich wusste nicht, wie es ihr ging und ob sie schon bei Bewusstsein war. War sie wacfh aber in schlechtem Zustand? Oder wach und in gutem Zustand? Oder schlafend und in gutem Zustand? Oder sclhafend und in schlechtem Zustand? Ich brachte mich deutlich aus der Fassung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)