Ist schweigen dasselbe wie lügen? von LucifersBraut ================================================================================ Kapitel 1: Ist schweigen dasselbe wie lügen? -------------------------------------------- Tränen verschmierten Ailas Eyeliner und die Wimperntusche. Sie hatte bisher immer geglaubt zum Lügen müsste man den Mund aufmachen, müsste bewusst falsche Aussagen treffen, aber diesmal fühlte sie sich ohne Worte belogen, durch Schweigen belogen. Wie war es dazu gekommen? Aila Gruys war eine sehr zurückgezogene, fast schon verschüchterte junge Frau von 18 Jahren. Sie machte auf einer Berliner Gesamtschule gerade ihr Abi und hatte nicht viel mit ihren Mitschülern am Hut. Sie verstand sich zwar gut mit ihnen und kam während der Schulzeit prima mit ihnen aus, darüber hinaus gab es aber nichts das sie besonders mit ihnen verband und für eine Freundschaft sorgte. So fuhr sie jeden Tag nach der Schule sofort nach Hause während die anderen sich bisweilen noch für den Nachmittag oder das Wochenende verabredeten. Auch privat hatte sie aufgrund ihrer Verschlossenheit kaum Freunde und die meisten wohnten sehr weit weg, sodass der überwiegende Kontakt übers Internet lief. In den Sommerferien hatte sie mit ihrer einzigen richtigen Freundin verreisen wollen, aber wie immer hatte Jamie ihr Geld nicht beisammen halten können und zwei Reisen hätte Aila bei weitem nicht bezahlen können. Also blieben sie doch die gesamten Ferien in der Hauptstadt und vertrieben sich wie üblich mit zocken und kleinen Ausflügen in der Stadt ihre Zeit. Seit ein paar Jahren war die 18-Jährige in der Gothicszene und hatte sich auf einer sozialen Plattform für ebendiese angemeldet. Irgendwann gegen Ende der Sommerferien saß sie mit ihrem Notebook auf dem Balkon in der Sonne und checkte ihre Mails. Jemand neues hatte sie angeschrieben, neugierig klickte sie zuerst auf sein Profil um einen Eindruck zu bekommen wer sich mit ihr Unterhalten wollte. Er nannte sich BlöderFuchs und war 28 Jahre alt, lebte in Rostock, hatte einen Hund, entsprach in seinem Aussehen überraschend genau Ailas Traumvorstellung und machte auch sonst aufgrund seines Profils einen sympathischen Eindruck. Sie schrieben eine Weile über belangloses Zeug, über den Hund von BlöderFuchs, seine Zeit in Berlin, der Gothicszene im allgemeinen und der Musik im besonderen. Ziemlich schnell machte ihr Alex, so hieß der Fuchs in echt, den Vorschlag gleich morgen zu ihm zu fahren – schon mit dem Link zu einer Mitfahrgelegenheit. „Holla, der geht aber ran!“ stieß sie überrascht aus. Ihr Kater, der bisher im unbepflanzten Blumenkübel gesessen und die Vögel beobachtet hatte, drehte sich zu ihr um und gab einen kurzen Schnurrlaut von sich, der fast fragend klang. „Was sagst du dazu Artax? Der Typ kennt mich gerade mal durch ein paar Mails und will jetzt schon das ich für ein Wochenende vorbeikomme.“ Wie als wolle er antworten maunzte Artax, sprang dann aus dem Blumenkübel und kletterte bei seinem Frauchen auf den Schoß, wo er sich zusammenrollte und zu schnurren begann. Gedankenversunken fing die Blondine an ihren Liebling zu kraulen, ehe sie laut darüber nachdachte: „Also, er ist ja durchaus Interessant und im Grunde würde ich gerne mal runterfahren, aber doch nicht jetzt, ich kenn' den doch gar nicht! So bescheuert bin ich dann doch nicht.“ Aber Alex ließ nicht locker und fragte auch in den folgenden Wochen immer wieder und wieder nach, ob sie nicht bald mal zu ihm nach Rostock kommen wolle und schließlich gab Aila nach und stimmte zu, das letzte Wochenende der Sommerferien in der Hansestadt in Mecklenburg-Vorpommern zu verbringen. Ihrem Vater, der von früh bis spät in einem Imbiss arbeitete und kaum zuhause war, erzählte sie sie wolle dort eine Freundin besuchen, nur ihrer besten Freundin Jamie erzählte sie die Wahrheit. Und dann war es auf einmal so weit: Aila saß im Zug nach Rostock. Je näher sie der kleinen Stadt an der Ostsee kam, desto nervöser wurde sie. Die letzten Minuten verbrachte sie auf der Zugtoilette wo sie immer wieder nervös einen prüfenden Blick in den Spiegel warf um zu sehen wie ihr Make-Up aussah. Wirklich zufrieden war sie nicht mit dem was sie sah: rundes Gesicht mit viel zu hoher Stirn, der Teint war viel zu dunkel, viel zu feines, schwarzgefärbtes Haar das ihr bis zu den Schultern hinabreichte, langweilig grau-blaue Augen die schwarz umrandet waren, am rechten Auge waren im rechten Augenwinkel noch Ornamente gemalt, die Nase zu groß, nur an den vollen rot bemalten Lippen hatte sie nichts zu meckern. Ihr Blick glitt weiter über den Hals mit dem Nietenhalsband und der Kette, weiter zu der weit ausgeschnittenen Bluse, vielleicht sollte sie den oberen Knopf auch noch schließen, aber dann kam sie sich immer so eingeengt vor. Die Arme zu dürr, der Bauch nicht flach genug, die Beine zu Dick, der Po zu flach und und und. Während die junge Goth noch mit ebendiesen Gedanken auf der Zugtoilette stand, fuhr der InterConnex im Rostocker Hauptbahnhof ein: jetzt gab es kein zurück mehr! Mit als eine der letzten verließ die Schwarzhaarige den Zug, einerseits um nicht mitten im Gedränge sonst irgendwo zu landen, andererseits um das unvermeidliche noch ein kleines bisschen hinauszuzögern. Da stand er mit seinem Hund. Knapp über 1,90 groß, schlank, mit langen, dunklen Haaren, hohen Wangenknochen und grünen Augen. Alex strahlte Aila an und ging auf sie zu. „Hey, schön das das doch noch geklappt hat.“ begrüßte er sie ehe er sie fest umarmte. „Ja ich freu' mich auch endlich hier zu sein.“ erwiderte die Schülerin und versuchte ihre zitternde Stimme unter Kontrolle zu bekommen. Alex lies sie wieder los und strahlte sie an „Am besten fahren wir einmal kurz nach zu mir nach hause und laden deine Sachen ab. Vor acht Uhr müssen wir aber auf jeden Fall nochmal los, was einkaufen, sonst verhungerst du noch das Wochenende das war ja nicht Sinn der Sache.“ erklärte er ihr, nahm ihr ungefragt den Rucksack mit ihren Klamotten ab, hakte sich bei ihr unter und stiefelte mit Aila und seinem Boxer Bert im Schlepptau zum Ausgang. Die fahrt durch Rostock war recht kurz, eine halbe Stunde vielleicht, aber währenddessen zeigte Alex seinem Gast viele Kleinigkeiten: „Sieh mal da rechts aus dem Fenster, da kann man gleich ein kleines Stück vom Meer sehen.“ oder „Schau mal, da ist der Wasserturm.“ und „Das ist die Marienkirche dort hinten“ und noch mehr zeigte er ihr im vorbei fahren. Schließlich landeten sie in einer netten kleinen Straße mit Mehrfamilienhäusern zu beiden Seiten. Die Häuser waren aus Backsteinen gefertigt, vier Stockwerke hoch und zwischen den Haustüren lagen kleine Rasenflächen die von kleinen Hecken eingefriedet wurden. Zu einer dieser Haustüren wurde Aila nun geführt. „In diesem Haus wohne ich mit meiner Mitbewohnerin. Da oben rechts, im dritten Stock kannst du unser Küchenfenster sehen.“ Prompt wandte die Berlinerin ihren Blick von der grünen Haustür ab und blickte zum angegebenen Fenster, dessen Fensterrahmen ebenfalls in Dunkelgrün gestrichen war. „Daneben das kleine Fenster ist vom Badezimmer und daneben ist mein Zimmer.“ erläuterte ihr Gastgeber weiter während er die Tür aufschloss. Die Wohnung oben war recht klein, zuerst standen sie in dem kleinen Flur der die Zimmer miteinander verband, gleich rechts lag die kleine Küche in die gerade so ein Tisch für zwei hinein passte, daneben kam das Bad mit Dusche indem man sich gerade so um die eigene Achse drehte und am ende des Flures schließlich Alex' WG-Zimmer. Hier standen eine Couch zum schlafen, ein kleiner Wohnzimmertisch davor, an der Wand ein Schreibtisch mit Computer, ein Platz für Bert und ein Kleiderschrank. Kurz deutete der junge Mann noch auf die Tür links im Flur: „Das ist das Zimmer meiner Mitbewohnerin, aber die ist nicht da.“ Nach der kurzen Wohnungsführung gingen sie gleich noch einmal los um einzukaufen. Etwa 15 Gehminuten vom Haus entfernt war ein kleines Center mit Supermarkt, Optiker, Apotheke, Schreibwarenladen und Florist. Hierher führte sie ihr nachmittäglicher Spaziergang. Schnell suchten sie sich ein bisschen was zu essen und machten sich dann sofort auf den Rückweg und schnell stand Aila neben ihrem neu gefundenem Traummann in der Küche und sah ihm beim kochen zu. „Brauchst du wirklich keine Hilfe?“ fragte sie zum ungefähr 100sten male. „Wirklich nicht.“ lachte dieser und schob sie auf einen Stuhl am Tisch. „Genieße einfach deinen spontanen Kurzurlaub und hör auf zu fragen.“ Etwas widerwillig blieb die 18-Jährige sitzen und hielt vorerst die Klappe. Schneller als Aila lieb war war das Wochenende herum und sie saß wieder im Zug nach Berlin und schwelgte in den Erinnerungen des Wochenendes. Mehr als einmal war eine Gänsehaut über sie gerollt wenn sie in Alex nähe war oder ihn angesehen hatte. Es war ein sehr ruhiges Wochenende gewesen, sie hatten ein paar Spaziergänge in der Stadt gemacht, natürlich mit seinem Hund, und hatten sich auf DVD ein paar Filme angesehen und schlief mit ihm, die junge Frau war definitiv verliebt. So mit dem Kopf in den Wolken vergingen die zwei Stunden Zugfahrt nach Hause wie im Flug und ohne das Aila es bemerkte. In der Wohnung ihres Vaters angekommen verschwand sie gleich in ihrem Zimmer und schaltete das Notebook an um nach ihren E-mails zu sehen und Jamie Bescheid zu geben wie das Wochenende gelaufen war, auch wollte sie ihrer neuen Liebe schreiben das sie gut angekommen war. Auf seinem Profil erwartete sie eine Überraschung während ihrer Heimfahrt hatte er seinen Beziehungsstatus von verliebt, wie er ihn in am Wochenende gesetzt hatte, auf in einer Beziehung geändert. Galt das ihr? Hieß das jetzt das sie zusammen waren? Oder gab es andere Gründe das er den Status geändert hatte? Diese Entdeckung erfreute und verunsicherte sie zu gleichem Maße, allerdings getraute sie sich nicht nachzufragen. Die nächsten Wochen und Monate vergingen für Aila viel zu schnell. Am Ende des Schuljahres waren Abiturprüfungen und dafür musste viel gelernt werden. Mit Alex schreib sie weiterhin jeden Tag, aber irgendwie gingen die Gespräche schleppend dahin und versiegten nach kurzer Zeit wieder ohne viel Gerede. So erfuhr sie zum Beispiel erst zwei Wochen später das er ein Wochenende in Berlin verbracht hatte. Das war der erste Schlag für die Abiturientin. Die Erkenntnis das Alexander in Berlin gewesen war und ihr nicht davon erzählt hatte und sie nicht nach einem Treffen gefragt hatte war ein kleiner Schock für sie. Die gleich hinterher geschobenen Sätze wie lieb er sie hatte und wie sehr er sie vermisse wirkten dagegen irgendwie scheel. Aber verliebt sein macht blind und auch wenn Aila deswegen tot unglücklich war und lange brauchte um sich davon zu erholen kam sie nicht auf die Idee den Rostocker in den Wind zu schießen. Je mehr Zeit verstrich in denen nur von einem Wiedersehen gesprochen, aber nicht wirklich etwas dafür getan wurde, desto weniger und nichtssagender wurden die Gespräche Ailas empfinden nach. Weihnachten ging herum und Silvester nahte, Aila lümmelte mit ihrer Katze zuhause auf dem Boden ihres Zimmers herum und ging ihrer Lieblingsbeschäftigung nach: im Internet rumhängen. Dabei landete sie auch auf dem Internetprofil des BlödenFuchses, wo ganz zu oberst ein böse Überraschung auf die schwarzhaarige lauerte. In der Spalte was bin ich stand in einer Beziehung und daneben ein Name, aber es war nicht Ailas. Alex hatte ihr nie gesagt das er mit einer anderen Frau zusammen war, sondern nur weiterhin davon gesprochen das er in sie verliebt wäre, das er sie vermisse und bald wiedersehen wolle. Wie passte das denn mit einer Beziehung zu einer anderen Frau zusammen? Eine Weile saß Aila wie versteinert da und starte den Bildschirm an, unfähig sich zu bewegen, unfähig eine Mail an Alexander zu verfassen und ihn zu fragen warum, wieso, weshalb. Aila war auch nicht traurig, wütend oder enttäuscht, sie fühlte einfach gar nichts. Sie klappte den Laptop zu und lies ihn in den Stand-by-Modus gehen, machte ihre Musikanlage an, setzte sich auf die Couch, zog die Beine an und dachte nach. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war wusste die schwarzhaarige schon lange das aus ihnen beiden kein Paar werden würde, es gab einfach nichts das sie verband und die Entfernung tat ihr übriges, aber einfach so verschweigen das man jemand anderes gefunden hatte und so tun als wäre alles wie immer? Weiter den verliebten Gockel spielen obwohl es nicht so wahr? Was versprach wer sich davon?? Erst nach und nach kamen die Tränen und die Gefühle zurück. Konnte man ohne Worte Lügen? Lügen hieß die Unwahrheit sagen, sie bestand aus Worten die absichtlich falsch genutzt und verdreht wurden, die wissentlich etwas falsches erzählten, aber doch kein Schweigen? Doch, auch ein Schweigen konnte wohl eine Lüge sein, den Aila fühlte sich belogen. Belogen, betrogen, benutzt und enttäuscht. Dadurch das jemand einfach geschwiegen hatte. Lange saß sie so mit sich hadernd in ihrem Zimmer und weinte. Erst zwei Tage später schrieb sie Alex einen Brief, oldschool von Hand und auf einem Briefbogen, in dem sie ihm schrieb wie sie sich aufgrund seines Schweigens fühlte und das sie Zeit für sich wollte und ihn aus der Freundesliste warf. Es war das letzte mal das sie von sich aus zu dem Rostocker IT-Fachmann Kontakt aufnahm. Jedes mal wenn er sie anschrieb antwortete sie freundlich, blieb aber nichtssagend und zurückhaltend. Kurz nach dem Bruch mit Alex lernte sie einen anderen IT-Fachmann kennen, ebenfalls auf der gleichen Internetplattform, ebenfalls in Berlin wohnend, aber mit sehr viel mehr Gesprächsstoff. Stundenlang redeten die beiden über dies und das und alberten herum, fanden immer etwas neues zum quatschen und hatten viele Gemeinsamkeiten. Schneller als sie selbst glauben konnte traf sie sich mit Daniel und diesmal blieb es nicht nur bei einem Date... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)