La storia della Vongola I von Skylark (Das Leben des Vongola Primo) ================================================================================ Kapitel 1: The great sky at his very first ------------------------------------------ Jahr 1863 [7] „Natürlich ist er merkwürdig!“ Francesca lehnte sich näher zu ihrer Nachbarin hinüber, um zu vermeiden, dass jemand anderer die gewisperten Wort mitverfolgen konnte. „Schau ihn dir doch nur an, Paola! Seine Haare, seine Augen! Alles an ihm ist so … anders.“ Eigentlich war Francesca kein großer Freund von heimlicher Tuschelei, denn zu oft waren diese Geschichten mehr als wage und deshalb ohnehin nicht Wert darüber zu reden, aber in diesem Fall war es anders. Denn die Person über die sie sprachen war niemand anderes als Giotto Loredano, der vermutlich seltsamste Junge auf dieser Erde. Die Farbe seines Haares glich der Farbe von Stroh, seine Augen waren so blau wie der Sommerhimmel und seine Haut glich eher der einer makellosen Marmorfigur, als der eines italienischen Kindes, obwohl er sich viel in der Sonne aufhielt. Die übrigen Jungen, die sie kannten waren so gänzlich anders als er. Ihr Haar war dunkel wie nasses Holz, ebenso wie ihre Augen und ihre Haut war gebräunt von der brennenden Sonne Siziliens. Doch das war nicht alles, denn auch seine Art war so gänzlich anders. Während die anderen Jungen laut waren und fröhlich über die Wiesen und durch die Straßen der Stadt rannten, schien Giotto ständig mit den Gedanken wo anders zu sein schien. Seine strahlend blauen Augen blickten dann in die Leere als könnte er etwas sehen, was außer ihm jedem verborgen blieb und dabei zierte ein merkwürdiges Lächeln seine Züge. Francesca hatte natürlich schon mit ihm gesprochen, aber seine Art war sehr befremdlich gewesen und seitdem mied sie ein weiteres Gespräch. Sie wusste, dass es auch den meisten anderen Kindern so ging. Wenn man von Giotto angesehen wurde, dann hatte man das Gefühl, als könne er in das Innerste eines Menschen sehen. Selbst die tiefsten Geheimnisse und die verbotensten Wünsche schienen ihm nicht verborgen zu bleiben. Genau genommen machte ihr das am meisten Angst. Es gab einem das Gefühl als wisse der Junge sogar mehr über sich als man selbst und das war äußerst unangenehm. Viele der anderen Kinder hatten Angst, dass er eines ihrer Geheimnisse kannte oder schlimmsten Falls weiter erzählen würde. Und dann gab es da noch die Geschichten, die man sich über ihn erzählte. Sie wusste nicht einmal wer damit angefangen hatte, aber es hatte sich zu einem Brauch entwickelt, seine seltsamen Anwandlungen und Verhaltensweisen sofort mit allen Freunden zu teilen. Genau aus diesem Grund saßen sie nun auch hier, auf dieser Bank und tuschelten, während der Junge noch in Sichtweite war. „Gestern nach der Kirche ist er noch zurück geblieben,“ erklärte Francesca leise, „Giulia hat ihn gesehen und statt still zu beten und dann zu gehen, hat er dort lange einfach nur da gesessen. Don Camillo ist dann natürlich auf ihn zugegangen und hat ihn gefragt, ob ihn denn irgendetwas belasten würde. Giotto meinte dann aber wohl nur, dass ihn das Leben belasten Er wollte scheinbar auch nicht darüber reden und meinte dann nur, dass er dem Pfarrer nicht vertrauen würde, da er kein ehrlicher Mensch sei. Außerdem hat er ihm vorgeworfen, dass er doch auch selbst seine Geheimnisse habe und man letztlich nur vor Gott Rechenschaft ablegen müsste. Stell dir das vor! Er sagt einem Pfarrer ins Gesicht er wäre ein unehrlicher Mensch!“ Paola sah sie mit großen Augen an, der Unglaube war ihr ins Gesicht geschrieben. Sie hatte schon viele Geschichten über Giotto Loredano gehört, aber das hier übertraf alles bei weitem. Es war eine Unverschämtheit sondergleichen und sie konnte die Empörung ihrer Freundin voll und ganz nachvollziehen. „Das hat er wirklich gesagt?!“ frage sie ebenfalls empört und Francesca nickte eilig. „Giulia hat es persönlich mit angehört! Das waren genau seine Worte!“ In diesem Moment wandte der blonde Junge den Blick vom Himmel ab und für einen Moment schien er direkt zu ihnen zu sehen. Francesca blieb beinahe das Herz stehen und ein Schauder lief über ihren Rücken, als sie das plötzliche Gefühl hatte, er hätte ihren Tratsch mit angehört. Natürlich war das unmöglich, sie waren weit genug von ihm entfernt und hatten sich so leise unterhalten, dass sie einander kaum verstanden hatten. Giotto müsste schon ein unglaublich gutes Ohr haben, um auch nur einen Bruchteil ihrer Unterhaltung zu verstehen. Dennoch atmete sie erleichtert auf, als sein Blick sich wieder von ihnen abwand. Giotto war es mittlerweile gewohnt, er konnte die beiden Mädchen nicht hören, aber so wie sie tuschelten und ihm hin und wieder einen verstohlenen Blick zuwarfen hätte es seiner besonderen Fähigkeiten nicht bedurft, um zu ahnen worüber die beiden sprachen. Einen Moment verweilte sein trauriger Blick bei ihnen, dann wandte er den Blick wieder ab und betrachtete stattdessen wieder den Himmel. Die Mädchen hatten sofort aufgehört zu tuscheln, als er zu ihnen hinüber gesehen hatte und das war die letzte Bestätigung die er gebracht hatte. Obwohl diese Stadt sein Geburtsort war und seine Heimat sein sollte, so fühlte er sich kaum damit verbunden. Alles war chaotisch, hektisch, laut und man schien ihn zu meiden wo es nur ging. Alle Menschen hier hatten ihre Geheimnisse und das schien der Grund für ihr Missbehagen gegenüber ihm zu sein. Er hatte schnell bemerkt, dass eine eigene Meinung und großes Wissen nicht immer erwünscht war, leider war es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät gewesen. Es war nicht so, dass er hier je eine Chance gehabt hatte, er war seit jeher anders gewesen und selbst wenn er sich wirklich bemüht hätte zu den anderen zu gehören, dann hätte ihn doch wegen seines Äußeren wieder ausgeschlossen. Er wusste, dass viele der anderen Kinder darüber diskutierten weshalb er so anders aussah, dabei war die Erklärung so einfach und lag auf der Hand. Sein Vater war ein Kaufmann und seine Geschäfte hatten ihn hierhin und dorthin geführt und auf einer Reise in den Norden hatte er eine junge Frau kennen gelernt. Giotto hatte gehört, dass sie sehr schön gewesen war und soweit er wusste, hatten seine Eltern heimlich geheiratet. Da er wegen seiner Geschäfte unmöglich die ganze Zeit bei ihr bleiben konnte, war sein Vater weiter gereist und als er ein Jahr später von einer Reise nach Indien zurückgekommen war, musste er erfahren, dass sie im Kindbett gestorben war. Den kleinen Jungen, dem die Mutter noch den Namen eines italienischen Künstlers verpasst hatte, nahm der Vater daraufhin mit nach Italien. Sein Name war allerdings auch das einzig italienische an ihm, denn in sämtlichen Belangen war er das Kind seiner nordischen Mutter. Ein Grund mehr für seine Stiefmutter ihn nicht leiden zu können, denn Giotto wusste schon lange, dass diese nicht akzeptieren konnte, dass ihr Gatte bereits eine Ehe hinter sich hatte und er war der lebende Beweis eben dieser. Er seufzte kaum hörbar. Wieso nur waren all diese Menschen nur so zornig und verbittert? Er konnte es fühlen. Die Stimmung all dieser Personen, die er jeden Tag sah. Er konnte fühlen, ob sie ihm freundlich gesinnt waren oder ob sie die Vorurteile teilten und er bemerkte stets, wenn jemand ihn belog. Alle diese Emotionen und Stimmungen drangen einfach auf ihn ein und er hatte bislang keine Möglichkeit gefunden dies zu unterbinden. Es gefiel ihm nicht wirklich, sofort den Missmut aller Menschen um sich herum zu fühlen, obwohl es für ihn nicht anderes war als zu hören, zu fühlen oder zu schmecken. Dennoch gab er sich große Mühe den genauen Umfang seiner Fähigkeiten geheim zu halten. Mit einem letzten Blick auf die Wolken, die langsam über den Himmel zogen, löste er sich von der kleinen Mauer an welche er sich gelehnt hatte und machte sich auf den Heimweg. Sicher wartete sein Vater bereits auf ihn, bei seiner Stiefmutter bezweifelte er das allerdings, denn manchmal hatte er das Gefühl sie war beinahe enttäuscht wenn er am Abend wieder zurück nach Hause kam. Es war nicht so, dass er einen Groll gegen diese Frau hegte, aber ihm war schon lange aufgefallen, dass sie ihm nichts Gutes wollte. Dass ihre eigene Ehe bislang nicht mit Kindern gesegnet gewesen war schien es nur noch schlimmer zu machen. Giotto machte ihr keinen Vorwurf, sie war eben eine einfache Frau mit alltäglichen Problemen. Rasch schlüpfte er durch das eiserne Tor und legte den kurzen Weg zum Haus zurück. Nach einem kurzen Klopfen öffnete das Hausmädchen der Familie und ließ ihn ein. Er grüßte sie freundlich und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Giotto wusste, dass auch dieses Mädchen nur nett zu ihm war, weil sie unglaublich neugierig war und immer darauf hoffte, dass er ihr eines Tages von Nutzen sein würde, aber es kümmerte ihn nicht. Als er den Flur entlang lief, hörte er Stimmen aus dem Arbeitszimmer seines Vaters und plötzlich hatte er das unbestimmte Bedürfnis, es wäre besser zu lauschen. „Er ist uns doch nur eine Last!“ waren die ersten Worte die er vernahm. Es war die Stimme seiner Stiefmutter und als er näher kam und sich im Schatten des Türrahmens verbarg, konnte er sie auch einen Moment sehen. Eine hübsche junge Italienerin mit fliegenden rabenschwarzen Locken und einer energischen Art. „Aber was soll ich tun, Sofia? Er ist noch ein Kind, ich kann ihn nicht einfach wegschicken.“ Wandte sein Vater nun ein und versuchte sie zu besänftigen. Giotto lehnte sich tiefer in die Schatten hinter der Tür, es war nicht schwer zu erraten, dass sie über ihn sprachen. Sein Herz wurde merklich schwerer und er begann kaum merklich zu zittern. „Er ruiniert sogar deine Geschäfte! Ich habe gehört, wie sich deine Geschäftspartner darüber unterhalten haben und wenn das so bleibt, dann werden wir bald niemanden mehr finden, der sich auf einen Handel mit uns einlässt. Außerdem …“ Giotto konnte hören, dass sie zögerte, während bereits eine einzelne Träne über seine Wange rann, „ … ich erwarte ein Kind.“ „Ich … soll ihn deshalb fortschicken?“ Sein Vater klang nicht besonders angetan von der Idee seinen erstgeborenen Sohn fortzusenden. „Ja, ich will es so! Ich will, dass wir unsere Familie haben, Pietro! Das werden wir aber nie, solange dieser Junge hier ist! Solange wirst du immer an sie denken! Und unser Kind wird ebenso ausgestoßen werden wie er!” Der Tonfall seiner Stiefmutter war nun beinahe hysterisch. Es folgte ein kurzes Schweigen und Giotto konnte die Qual seines Vaters spüren, ganz so als wäre es seine eigene. „Ich … werde ihn zu meinen Eltern schicken.“ Erwiderte sein Vater schließlich zaghaft, „Wäre das in Ordnung?“ Von einem Moment auf den anderen änderte sich die Stimmung im Raum und Giotto konnte die triumphierende Freude seiner Stiefmutter spüren, als sie ihr Ziel erreicht hatte. Rasch wandte sich Giotto ab und lief ohne ein zu Zögern die Treppen hinauf und in sein Zimmer, während er mit dem Handrücken Tränen wegwischte, die nicht enden wollten. Aber es war an der Zeit zu packen. Die Reise war lang gewesen und Giotto war am Ende seiner Kräfte, als sie am Landhaus seiner Großeltern ankamen. Sein Vater hatte ihn in die Hände eines Bekannten gegeben, der aus geschäftlichen Gründen in diese Gegend gereist war. Es hatte nur wenige Sekunden gedauert, bis Giotto bemerkt hatte, dass es nicht erwünscht war zu sprechen oder sich auch nur irgendwie bemerkbar machte. So hatte er die Fahrt damit verbracht so zu tun als wäre er nicht da und war beinahe erleichtert, als man ihn vor der Tür absetzte, seinen Koffer neben ihm abstellte und sich dann verabschiedete ohne auch nur sicher zu gehen, dass er am richtigen Ort war. Was hatte er auch anderes erwartet, denn selbst seine Eltern hatten ihn nicht wirklich liebevoll verabschiedet. Während sein Vater noch so getan hatte, als würde er ihn vermissen, zeigte seine Stiefmutter offen wie zufrieden sie mit seiner Abreise war. Wenigstens war es ihm dadurch nicht schwer gefallen sie zu verlassen. Nachdenklich betrachtete Giotto das ländliche Anwesen und die Gegend. Irgendetwas sagte ihm, dass dieser Ort gut für ihn sein würde. Er betrachtete die uralten Bäume und in einiger Entfernung lag ein Dorf oder eine kleine Stadt. Das Anwesen selbst war größer als er erwartet hatte und schien aus einer besseren Zeit zu stammen. Er wusste, dass Sizilien lange Zeit umkämpft war und die Herrschaft der Franzosen erst vor wenigen Jahren geendet hatte, seitdem war die Situation schwerer geworden. Er hatte spüren können, wie viele der Menschen verzweifelt waren oder hungerten. Wenn Giotto es richtig wusste, dann lebten hier nur seine Großeltern und ein paar wenige Angestellte, dabei musste das Anwesen genug Platz für mehrere Familien und deren Angestellten bieten. Er seufzte leise und betrachtete sein Gepäck. Er hatte nur wenig mitgenommen und dennoch war der Koffer zu groß und zu schwer für ihn. Allerdings brachten ihn all diese Gedanken nicht weiter und so nahm er seine ganze Kraft zusammen und zog den Koffer mühsam über den Weg bis zur schweren Haustür hinter sich her. Etwas außer Atem kam er schließlich dort an und klopfte gegen die schwere alte Haustür. Es dauerte einen Moment bis die Tür geöffnet wurde eine ältere Frau zum Vorschein kam, die ihn einen Moment musterte und ihn dann breit anlächelte. „Guten Tag. Du musst Giotto sein.“ grüßte sie in einer so freundlichen Art, dass Giottos Herz sofort einen Sprung machte und ein strahlendes Lächeln auf sein Gesicht trat. „Mein Name ist Angelika. Komm herein, dann zeige ich dir dein Zimmer. Deine Großeltern sind gerade nicht im Haus, aber sie werden sich sehr freuen dich kennen zu lernen.“ Giotto schleifte gerade seinen Koffer über die Türschwelle, als der Blick der Haushälterin auf das Gepäck fiel und sie sofort freundlich aber bestimmt den Kopf schüttelte. „Lass deinen Koffer hier stehen, Giotto. Ich bitte Adriano ihn dir später hochzubringen.“ Mit einem letzten zaghaften Blick auf den Koffer tat der Junge wie ihm geheißen war und ließ das Gepäckstück direkt neben der Eingangstür stehen. Wenn er ehrlich war, dann war er ziemlich froh, dass er ihn nicht selbst die Treppen hinauftragen musste. Anschließend folgte er der Haushälterin, die ihn zu einem Zimmer am Ende des Flurs im zweiten Stock brachte. Es war ziemlich abgelegen, aber es bot einen wunderschönen Blick auf die Wiesen und Felder, die das Anwesen umgaben. Die hohe Decke war weiß und die Wände waren mit einer lindgrünen Tapete versehen. Das Mobiliar war aus weißem Holz und schien das Zimmer noch heller zu machen, als es durch die großen Fenster ohnehin schon war. Es war schlichtweg wundervoll. „Wir hatten dich erst für morgen erwartet, aber ich mache dein Zimmer nachher fertig, ja?“ schlug die ältere Dame ihm vor und bezog sich dabei auf das Bett, das noch nicht bezogen war. Giotto nickte rasch, während er sich noch immer fasziniert umsah. Schon jetzt fühlte er sich hier sehr wohl und obwohl er zunächst Angst davor gehabt hatte, so freute er sich nun darauf endlich seine Großeltern zu treffen. Während sie auf die Rückkehr seiner Großeltern warten musste, führte Angelika den Jungen durch das Anwesen und zeigte ihm alle Räume, von der Küche bis zur Bibliothek und sogar die Zimmer, die zurzeit unbewohnt waren. Jeder von ihnen war auf seine Weise faszinierend und dennoch war Giotto überglücklich mit seinem Zimmer. Er erfuhr, dass neben der Haushälterin noch ein junger Mann namens Adriano, ein rundlicher Koch mittleren Alters namens Antonio und ein junges Dienstmädchen namens Giorgia im Haus beschäftigt waren. Das riesige Anwesen wurde somit von lediglich 6 Personen bewohnte, ab heute waren es sieben. Auf dem Gelände lebten außerdem noch zwei große Wachhunde und ein paar Pferde. Giotto war gerade auf einem neuen Streifzug durch das Haus, als er hören konnte wie unten die Tür geöffnet wurde. Rasch versteckte er sich zunächst hinter dem Geländer der Treppe und lauschte. Er wusste nicht viel über seine Großeltern und wenn er ehrlich war, dann hatte er noch immer Angst davor sie zu treffen, wenn auch die Hoffnung, dass sie ihn mögen würden bestand. „Sei so gut und bring den Jungen in den Salon, Angelika. Ich möchte ihn wirklich gerne kennen lernen. Pietro hat uns nicht viel von ihm erzählt, außer dass er sich in der Stadt wohl nicht wohlfühlt. Er scheint in dieser Sache wohl nach seiner Mutter zu kommen.“ Erklang eine tiefe aber angenehme Stimme aus dem Eingangsbereich. Sie schien zu seinem Großvater zu gehören. „Ich denke nicht, dass dies der einzige Grund ist, Signore. Sie werden es bemerken, sobald sie ihn sehen, er ist wirklich ein sehr interessanter Junge und ein sehr außergewöhnlicher noch dazu.“ Erwiderte nun die feste freundliche Stimme von Angelika, während Giotto weiterhin versuchte die Stimmung abzuschätzen. „Giorgia, sei so gut und bring einen Tee in den Salon.“ Diesmal war es die Stimme einer Frau, es musste die seiner Großmutter sein. „Natürlich, Signora.“ Eine höfliche Stimme, die zum Hausmädchen gehörte, erklang und er hörte das leise Klappern ihrer Schuhe auf dem glatten Boden. Giotto spürte wie sich eine angenehme Wärme in ihm ausbreitete als er dem Gespräch weiter folgte, man hatte ihn interessant genannt, außergewöhnlich, nicht aber seltsam. Er atmete kurz tief durch, dann stand er auf und ging langsam die Treppen hinunter in den Eingangsbereich. Ein nervöses Lächeln auf seinem Gesicht. Sein Großvater bemerkte ihn schnell und warf ihm einen abschätzenden Blick zu, während auf seinem Gesicht ein leichtes Lächeln lag. Er war ein älterer Herr mit bereits grauen Haaren, aber einer tadellosen Haltung, welche eine große Autorität ausstrahlte. Seine Großmutter besaß eine ähnliche Haltung, allerdings war ihr Lächeln weitaus breiter. „Guten Abend Signore und Signora.“ Grüßte er höflich und versuchte die besten Manieren an den Tag zu legen. „Guten Abend, Giotto.“ grüßte seine Großmutter mit einem gutmütigen Tonfall und betrachtete ihn interessiert. Sein Großvater schien ihn erst noch einen Moment zu mustern, dann nickte er leicht. „Komm mit, mein Junge. Wir haben über vieles zu sprechen.“ Ab diesem Tag veränderte sich sein Leben schlagartig. Seine Großeltern erwiesen sich als streng, aber auch als freundlich und vor allem sehr interessiert. Seine Großmutter erzählte ihm häufig Geschichten und Märchen aus fernen Ländern und las ihm dann und wann vor, während sein Großvater begann ihn zu unterrichten. Er bestand darauf, dass sein Enkel tadellose Manieren an den Tag legte und sich intensiv seinen Studien widmete. Giotto lernte eine Menge über den Handel, aber auch über Politik und die Geschichte von Sizilien. Über die Streitigkeiten zwischen Italien und Frankreich und die sizilianische Revolution, sowie den endgültigen Anschluss an das Königreich Italien im Jahr 1861. Sein Großvater hatte selbst an diesen Kämpfen teilgenommen und es war nicht schwer zu bemerken, dass er kein besonderer Freund von Frankreich war. Ja, manchmal schien es gar so, als hegte er etwas wie Hass gegenüber jeglichen Franzosen. Giotto registrierte diese Einstellung zwar, aber er übernahm sie nicht. Er war fest der Ansicht, dass man nicht jeden Bürger eines Landes für dessen Führung verantwortlich machen konnte. Vermutlich gab es auch nette Franzosen, so wie es auch unfreundliche Italiener gab. Als er 9 Jahre alt gewesen war, hatten sie Besuch von einem Geschäftspartner seines Großvaters aus Japan bekommen, der seinen 14 Jahre alten Sohn mit auf die Reise genommen hatte. Giotto hatte von den Verhandlungen der Beiden nicht viel mitbekommen, dafür aber einige Zeit mit dem jungen Japaner verbracht und ihn etwas herumgeführt. Es war ihm schwer gefallen, seinen neu gefundenen Freund wieder in dessen Heimat zurückreisen zu lassen, aber sie hatten einander versprochen in Kontakt zu bleiben. Was das Thema Politik anging erwies sich Giotto trotz seines Alters als äußerst talentiert. Es fiel ihm nicht einmal sonderlich schwer die zahlreichen Namen, Familien und Organisationen zu behalten, welche einen Machtpol der Insel darstellten. Hin und wieder war es Giotto erlaubt, auch Partner seines Großvaters kennen zu lernen, bei denen es sich größtenteils um einflussreiche Persönlichkeiten des Landes handelte und dank seiner tadellosen Manieren und seines Talents andere Menschen zu verstehen, brachte man ihm schon bald einen außergewöhnlichen Respekt entgegen. Giotto bemerkte schon früh, dass dieses Thema für ihn wichtig sein würde und begann schnell damit auch eigene Standpunkte zu entwickeln und zu vertreten und sich über die zahlreichen Probleme den Kopf zu zerbrechen. Zu anderen Kindern seines Alters hatte Giotto kaum noch Kontakt, aber es kümmerte ihn auch nicht sonderlich. Wenn sich die Gelegenheit bot, dann spielten die Angestellten mit ihm und wenn dem nicht so war, dann ging er meist allein spazieren. Das Schicksal hatte es gut mit ihm gemeint und ihm endlich einen Ort gegeben, an dem er glücklich leben konnte. Eine Familie und eine Heimat. Nicht einmal der frühe Tod seiner Großmutter konnte dieses Gefühl von Heimat zerstören. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)