A Beacon of Hope von ayachan ================================================================================ Kapitel 6: Reboot ----------------- Kapitel VI ( Demon III ) - Reboot Alte und neue Eindrücke vermischten sich in diesem Moment. Er wusste, was Schreie waren, woher sie kamen und er wusste auch, dass Menschen, die schrien, oftmals körperliche Qualen erleiden mussten. Andere Dinge jedoch waren ihm fremd. Die Tür seiner Zelle wurde geöffnet, nicht so, wie es die weißgekleideten Gestalten in einer fernen Vergangenheit taten, nicht über das leise, unterdrückte Klicken eines verstärkten Stahlschlosses, nicht öffneten sich die kleinen Zugänge, die sonst von seinen 'Kindermädchen' genutzt wurden, sondern über rohe Muskelkraft, verstärkt durch mehrere Stemmeisen, die ein Kräftemessen mit der verrosteten Türe suchten. Und sie würden dieses Kräftemessen gewinnen. Schon bald würde die Tür aus den Angeln gerissen sein. Gerissen, wortwörtlich, die feineren Bestandteile der schweren Türe verbogen sich nicht, sie brachen nicht, nein, das verrostete Metall zerriss, kreischend wie die Klagelaute einer Todesfee. Doch all dieser Lärm kümmerte ihn nicht, wohl, weil auch nur die Hälfte dessen überhaupt zu ihm durchdrang. Nach all dieser Zeit hatte sich seine Wahrnehmung zurückgezogen, kehrte nur zurück, wenn es darum ging, Nahrung aufzunehmen oder sein Geschäft zu verrichten. Nicht einmal der kurze Traum, der ihn heimgesucht hatte und aus dem man ihn furchterfüllt geworfen hatte, schien irgendeine Wirkung auf ihn zu haben. Regungslos verharrte er in einer sitzenden Position auf seinem Bett, die einzige Position, neben der des Liegens, die ihm die schweren Ketten an seinen Armen ermöglichten, alles deutete darauf hin, dass er sein Schicksal, welches es auch immer sein mochte, stoisch, fatalistisch hinnehmen würde. Doch diese Rechnung, wenn man sich ihr denn hingab, war ohne seine langjährige und brutale Konditionierung gemacht worden. So reglos er auch auf seiner Pritsche saß, so abgestumpft seine Sinne auch über die lange Zeit der Isolation geworden waren, sein Unterbewusstsein arbeitete dennoch, über feine Zahnräder mit seiner Konditionierung und seiner Aufzucht verbunden. Nicht nur hörte er das Schnaufen der Männer vor der Tür, das unterdrückte Schluchzen eines Mannes, nein, er konnte den Schweiß der Männer an der Türe riechen und sein Unterbewusstsein bestimmte, dass sie von Furcht erfüllt waren, noch bevor ein klarer Gedanke aus den zittrigen Worten, die er ebenfalls hören konnte, an sein Gehirn weitergeleitet worden war. Sie stanken, nicht nur hatten sie wohl lange Zeit keine Dusche mehr genommen – worin er ihnen allerdings um Nichts voraus war -, sie hatten auch diesen beißenden Schweißgeruch an sich, der nicht der Erschöpfung entsprungen war. Nein, sie rochen nach Angst. "Niemand kommt ihm zu nahe, ihr öffnet die Tür und erschießt ihn, egal, wie lange es brauch!", der Befehl wurde von einer nasalen Stimme erteilt, die das sich nähernde Klacken wohl noch nicht wahrgenommen hatte. Lang würde es nicht mehr dauern, bis die Tür endlich unter den aufpeitschenden Worten der Stimme und dem Einsatz von roher Muskelkraft nachgeben würde, sie war einfach zu alt und der Rost hatte sie zerfressen, eine Wartung hatte es schon seit Jahren nicht mehr gegeben. Und es würde sie auch nicht mehr geben. Das Klacken jedoch schien für den Moment verstummt zu sein. Die Tür wurde geöffnet, nicht leise, sondern unter dem markerschütternden Kreischen von reißendem Stahl. Die schwere Türe, aus den Angeln gerissen, knallte auf den steinernen Boden und hätte selbst die Toten erwecken können, die an diesem Ort, unbegraben, ihrer letzten Ruhe verweigert, ihr Ende gefunden hatten. Keine plötzliche Stille, die Männer vor der Tür atmeten scharf ein, als sie das erste Mal einen Blick ins komplette Innere seiner Zelle werfen konnten, wichen zurück, weil sie wussten, dass er noch lebendig war, festgekettet, regungslos, aber lebendig. Sein Atem war flach, die Augen halb geöffnet, starr geradeaus gerichtet. Er schien schlicht durch sie durchzusehen, als wäre er hypnotisiert worden. Niemand rührte sich und nachdem all dieser Lärm vergangen war, der durch die fallende Tür aufgewirbelte Staub sich gelegt hatte, schien alles darauf zu warten, dass irgendjemand etwas tat. Einfach, damit die Zeit weiterlaufen konnte. Ob bewusst oder nicht, jedem der anwesenden Männer, den Gefangenen eingeschlossen, war klar, dass sie sich hier am Scheideweg befanden. Und sie mussten nicht lange warten. Noch in dem Moment, als die Tür aus den Angeln gerissen worden war, begann das Klacken erneut, schien aufgeregt zu sein, näherzukommen. Nachdem sich die Fremden vom Schock seines Anblicks erholt hatten reagierten auch sie endlich auf die fremdartigen Geräusche, die sich rapide näherten. Und ein weiterer Schrecken schoss duch ihren Körper, als sie sahen, von wem dieses nervenaufreibende Geklacke stammte. So überrascht oder geschockt war jeder von ihnen, dass nicht eine Waffe gehoben, nicht ein Schuss abgefeuert wurde, als sich seine 'Kindermädchen' näherten und in die schwache Beleuchtung seiner Zelle traten. Auch sie waren Schöpfungen von Doktor Vegapunk, der für die Forschung in der gesamten Anlage verantwortlich war, ihr Design jedoch schien mehr einem Albtraum oder einer kranken, durch chemische Substanzen noch weiter verunreinigten Phantasie entsprungen zu sein, als irgendwelchen fachlichen oder sogar praktischen Vorgaben zu genügen. So, wie sie dort standen, waren sie nicht einmal von hüfthoher Größe, vielleicht 30cm an ihrem höchsten Punkt. Ihre Körperhaltung jedoch war nicht aufrecht, wie die eines Menschen, sondern erinnerte viel mehr an eine Person, die mit dem Brust nach oben lag und auf Händen und Füßen marschierte. Nur, dass diese Person sechs Gliedmaßen hätte haben müssen. Und ihr Gesicht hätte nicht auf einem kopfähnlichen Fortsatz sitzen müssen, sondern in ihrem höhergelegenen Unterleib. Ein schreckliches Gesicht, starr, frei von jedweder Emotion, lidlose, kalt leuchtende Augen, darunter ein weit aufgerissener Schlund, der stumme Schreie in eine bewölkte, sternlose Nacht sandte. Die 'Kindermädchen' waren aus Metall, leblosem Material, doch dieses Gesicht, was so entfernt einem Menschen ähnlich sah, ließ sie lebendig wirken. Zwei an der Zahl befanden sich jetzt in der Zelle, hatten sich nicht mal an den Eindringlingen vorbeipressen müssen, diese waren freiwillig zurückgesprungen. Und dann folgte wieder ein Moment der Stille. Genug Zeit, damit zumindest einer der Eindringlinge seinen Mut wiederfinden konnte. Zittrig zog er eine Pistole, einen einfachen Vorderlader, aus dem Gürtel. Seine Finger klammerten sich beinahe an den Kolben der Waffe, als würde der ganze Körper daraus Kraft beziehen, so fest, dass sich seine Nägel in das Holz bohrten und seine Fingerknochen weiß hervortraten. Doch bevor das Donnern eines Schusses diese dunklen Hallen erleuchten konnte, diese schreckliche Stille vertreiben konnte, regte sich etwas anderes. Innerhalb einer der beiden Maschinen rumorte es, sekündlich lauter. Man hätte der Meinung sein können, dass das Gerät sich in die Luft jagen würde, in einem atemberaubenden Finale einfach detonieren und den Gefangenen samt der Eindringlinge mit sich reißen würde. Doch man würde enttäuscht werden, zumindest ein wenig. Anstelle einer Explosion zerriss ein ohrenbetäubendes Kreischen die Stille, in die Länge gezogen und mit Höhen und Tiefen, einer Sirene gleich. Es wäre sicherlich dazu in der Lage gewesen, frisch Verstorbene aus dem Schlund der Hölle zu reißen und sie daran zu erinnern, dass es noch unerledigte Aufgaben auf Erden gab. Doch alle Toten in dieser Anstalt waren schon seit Wochen, Monaten oder gar Jahren tot. Noch. Bis auf den Gefangenen drückten alle die Handflächen auf die Ohren, hatten die Münder aufgerissen, um ihre Trommelfelle zu schützen. Doch das war nicht alles. Nach schier endlosen Sekunden verging das Geheule und eine kalte, emotionslose Frauenstimme war zu hören, ausgehend aus dem Inneren des Kindermädchens, von dem auch die Sirene ausging. Zum Zeitpunkt der Aufnahme schien sie nicht geschrien zu haben, doch im Innenleben der Maschine schien ein Verstärker am Werk zu sein, der ihre Stimme, wenn auch teilweise verzerrt, ebenso laut durch diese leeren Hallen schallen ließ, wie schon das vorhergehende Geheule: "BRUCHPROTOKOLL TAU-4: FEINDLICHE ÜBERNAHME. AUTORISIERUNG: EINHUNDERTDREIUNDFÜNFZIG – VIERZEHN – SECHSHUNDERTACHT – SIEGE. SUCHEN UND ZERSTÖREN." Diesmal gab es keine nachfolgende Stille, viel eher wurden die Hallen mit Leben erfüllt, Notstromagregate flammten ein allerletztes Mal auf und hauchten ihr Leben dabei aus, einen letzten Impuls durch die Leitungen zu jagen. Und es zeigte sich, warum. Alle Türen im Flur wurden förmlich aufgesprengt und hinterließen tiefe Spuren in den kalten Wänden. Das Klackern der sechsbeinigen Kindermädchen war jetzt überall zu hören, sie strömten aus Schächten, die man wohl zuerst für Lüftungsschächte hätte halten können. Es waren dutzende von ihnen, die in die jetzt geöffneten Zellen strömten, das Klackern ihrer spitzen Beine erinnerte jetzt an das Feuer einer Gatling-Kanone. Aber es übertönte kaum das Rasseln der zu Boden fallenden Ketten. Wieder hatten die Eindringlinge ihre Hände auf die Ohren gepresst, um dem Lärm zu entgehen. Sie schienen geschockt darüber, doch noch Leben in dieser verlassenen Basis gefunden zu haben, sogar ein funktionierendes, wenn auch sterbendes, Stromnetz. Und dann waren da diese .. Dinger, die an eine verkommene Kreuzung aus Mensch und Spinne erinnerten, mit häßlichen Fratzen auf dem Bauch, die einem gequälten Menschen nicht unähnlich sahen. Doch all das bedeutete dem Gefangenen nichts mehr. Sein Verstand war leergefegt, seine Muskeln spannten sich an, wollten die eisernen Ketten aus den Wänden reißen, nachdem er die vor langer Zeit aufgenommenen Worte vernommen hatte, die so tief in seinem Unterbewusstsein verankert waren, brutal in ihn hineinkonditioniert worden waren, dass er sie wohl niemals komplett abschütteln könnte. Sie waren ein Teil seines Wesens geworden. Und sie weckten die Bestie, die schon im Traum für einen Moment erwacht war. Nach dem Zusammenbruch waren auch die Trainingsprogramme ausgeblieben, seine Muskeln waren degeneriert, aber er war immer noch gut genährt. Und dann fielen seine Ketten prasselnd zu Boden, das zweite Kindermädchen in der Zelle hatte sie geöffnet, nachdem die Durchsage vorbei war. So musste es sich anfühlen, wenn man neu geboren wurde. Die Haut an seinen Handgelenken, über eine gefühlte Ewigkeit in Ketten gelegt, war farblos. Doch er achtete nicht darauf, er achtete auf gar nichts mehr. Wieder trat das, was von seiner eigenen Persönlichkeit übrig war, in den Hintergrund und seine Konditionierung, die Bestie, übernahm die Kontrolle über seinen Körper und mobilisierte mühelos jene Kräfte, die zwar in jedem Menschen schlummerten, aber eigentlich von den Schranken des Selbstschutzes zurückgehalten wurden. Und seine gequälte, krächzende Stimme war das Letzte, was viele der Eindringlinge in ihrem Leben zu hören bekamen. Ein einziges Wort, bestehend aus zwei Silben, hervorgedrückt durch ein leichenhaftes Grinsen und gefletschte Zähne. "Soru." Der Mann, der die Pistole aus dem Gürtel gezogen hatte, konnte nicht wissen, wie ihm geschah. Noch immer verwirrt durch das ohrenbetäubende Gekreische der Sirene und der Order, die folgten, war er noch nervöser geworden, als sich alle übrigen Stahltüren ebenfalls öffneten. Erst die Tatsache, dass dieser Mann, der Gefangene, dieses in die Ecke gedrängte wilde Tier, vor ihrer aller Augen verschwunden war, ließ ihn zur Besinnung kommen. Er hob die Pistole, zielte in den leeren Raum hinein und bis zu seinem letzten klaren Gedanken wusste er nicht, dass er starb. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)