Dreams come true von Akikou_Tsukishima ================================================================================ Prolog: -------- Die Kaizen Talent Akademie ist ein berühmtes Internat etwas abgelegen von Tokyo. An dieser Schule werden Künste jeglicher Art gelehrt, ob es nun Töpfern, Malen, Tanz, Gesang, Instrumente spielen, Schauspiel, Modedesign, Dichten oder jegliche andere Kunst ist. Die Schüler können sich hier künstlerisch frei entfalten. Diese Schule hat schon viele Künstler in jeglicher Art hervorgebracht. Jeder, der sich als Künstler einen Namen machen möchte, zumindest jedes männliche Individuum (es ist ein reines Jungeninternat, denn Liebesbeziehungen würden die jungen Talente nur vom Lernen abhalten und sie in ihrer Laufbahn behindern) Japans und auch weltweit, versucht, sich an dieser Schule zu bewerben, denn wenn man an dieser Schule seinen Abschluss gemacht hat, steht einer strahlenden Zukunft nichts mehr im Weg. Eine Ausbildung an dieser Schule ist recht teuer, darum können Manche nur davor träumen, aufgenommen zu werden. Die mit gesundem Selbstbewusstsein und gewissem Potential bewerben sich trotzdem und erhoffen sich, anhand der erbrachten Leistungen, ein Stipendium zu bekommen. Seit kurzem vergibt die Schule nämlich auch Stipendien an Schüler, deren Testergebnisse nicht so gut waren, in denen aber dennoch Potential zu stecken scheint. Es ist Samstag der 22. Januar 2011 und in wenigen Stunden beginnt die der Aufnahmetest an der Kaizen Talent Akademie für die neuen Schüler. „Ryuu stehst du jetzt auf!“ Unfreundlich wurde ich aus meinen Träumen gerissen. Kamui-nii riss mir die Decke weg, und da ich mich wie ein Bündel darin eingewickelt hatte, flog ich gleich mal mit einem lauten Knall aus dem Bett. „Nii-san! Was sollte das denn?“, fauchte ich ihn an. „Glaubst du, ich will mir dein ewiges Wehklagen anhören, dass du nicht rechtzeitig zum Einstiegstest erscheinst, weil ich dich angeblich nicht rechtzeitig geweckt habe.“, meinte er und rümpfte die Nase während er die Decke zusammenlegte und auf mein Bett packte. Ich hielt mir die Hand vor die Nase welche leicht blutete. Durch diesen Baka von Bruder bin ich genau auf der Nase gelandet. „Dasch geht aber ausch freundlischer, Nii-san!“, meckerte ich und stand auf. „Du schläfst doch wie ein Stein!“, bemerkte er mit einer abwertenden Handbewegung. „Dich würde nicht mal ein Märchenprinz wach küssen können.“, grinste er und ging zu meiner Zimmertür hinaus. „Ka-mu-i!“, brüllte ich. Wütend stand ich immer noch an Ort und Stelle. Der hielt mir mein Missgeschick aus der 2. Klassenstufe in der Chûgakko immer noch vor. Wie mich das nervte. „Willst du noch ewig so da rum stehen?“, fragte er mich, als er wieder in mein Zimmer trat. „Muss ich dich erst wach küssen, damit du aus deiner Starre aufwachst oder was?“ Dabei grinste er fies und kam auf mich zu. *Na warte!* Ich wartete, bis er mir ganz nah war und mir schon seine Lippen aufdrücken wollte und dann gab ich ihm eine Kopfnuss. „Du bist das Letzte!“ Er ging in die Knie. „Nii-san du bist ein verdammter Baka.“ „Geht das auch mal einen Morgen ohne Streit.“ Kopf schüttelnd zog meine Nee-san mich von Kamui-baka weg. „Ryuu-chan, zieh dich an! Dein Frühstück wird kalt. Und Kamui-kun, du solltest selbst zusehen, dass du zur Arbeit kommst.“ Kamui erhob sich vom Boden und sah mich finster an. „Der fängt doch immer an!“ „Was? Du hast mich doch aus dem Bett geschmissen!“ „Du…“ Wir standen kurz davor, uns wieder an die Gurgel zu gehen, aber Narumi-nee ging dazwischen. „Schluss jetzt!“ Resigniert ging ich ins Bad und hörte noch, wie sie ihn „Hast du ihn schon wieder damit aufgezogen?“, fragte. Ja, also mein Name ist Yagisawa, Ryuu und ich bin 16 Jahre alt. Meine Familie besteht nur noch aus mir und meinen älteren Geschwistern: Narumi Nee-chan und Kamui Nii-kun. Naru-chan ist Hausfrau und arbeitet nebenbei als Putzfrau in privaten Haushalten und ab und zu betreut sie die Kinder der Nachbarn bei uns Zuhause. Als die Älteste von uns, sie ist 25, hat sie die Mutterrolle übernommen, denn unsere Mutter ist nämlich vor 3 Jahren im Alter von 39 Jahren verstorben. Angeblich haben Sehnsucht und Einsamkeit sie krank gemacht, haben die Ärzte gesagt. Kamui-kun ist 21 und hat sein Studium abgebrochen, da er jetzt als Kellner arbeitet, um für unseren Unterhalt mit aufzukommen. Zwar müssen wir keine Miete bezahlen, da wir im Eigentumshaus unserer Großeltern wohnen, welches wir geerbt haben, aber auch da fallen Kosten an. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Er hat uns verlassen als ich noch ein Baby war. Ich machte mich im Bad fertig und band mir gerade meine rosaroten Haare zusammen, als mein Bruder energisch gegen die Tür klopfte. „Ich bin ja schon fertig!“, gab ich genervt als Antwort und verließ das Bad um ihm Platz zu machen. In der Küche aß ich schnell mein Frühstück, welches schon für mich bereit stand und packte dann mein Bento in meine Tasche. „Viel Glück beim Test. Und bitte verschreck' nicht gleich alle mit deiner vor Übermut strotzenden Selbstsicherheit. Stell dir das nicht so leicht vor!“, mahne sie mich. Gut gelaunt lief ich zur nächsten Bushaltestelle, dabei pfiff ich eine Melodie, die mir, seit ich sie gestern auf der Gitarre zufällig komponiert hatte, nicht mehr aus dem Kopf ging, vor mich hin. Es war eine sehr ruhige Melodie die zum Winter passte. Und dabei hasse ich den Winter. Der macht so depressiv. Gedankenverloren lief ich also die Straße lang und war keine 500m mehr von besagter Haltestelle entfernt, als ich plötzlich einen Stoß spürte, der mich Richtung Straße drängte. Beim Versuch einen Sturz zu vermeiden, rutschte ich auf einer nicht mit Sand bestreuten Fläche aus, fiel hin und schlitterte direkt auf die Straße. Genau vor ein schwarzes Auto, das gerade um die Ecke bog. Ich hielt mir die Hände vors Gesicht und hoffte, es würde schnell und schmerzlos sein. Vor meinem inneren Auge sah ich schon die Schlagzeilen in der morgigen Zeitung. Aber es kam kein Schmerz. Verwundert sah ich auf. Ich saß mitten auf der Straße und die Scheinwerfer des Autos blendeten mich so sehr, dass ich blinzeln musste. „Hey bist du lebensmüde? Wenn du unbedingt sterben willst, dann mach das wo anders und zieh‘ keine anderen Menschen mit rein, die es eilig haben!“ Noch zitternd stand ich mit wackeligen Beinen auf und schaute, aus welcher Richtung diese Stimme kam. Die linke Hintertür des Autos war geöffnet worden und ein Junge, ungefähr in meinem Alter mit blonden langen Haaren stieg aus dem Auto. Sein Gesicht war wutverzerrt und seine blauen, eiskalten Augen, schienen mich zu durchbohren. Sein Blick fesselte mich, ich musste ihn anstarren. „Bist du da festgefroren, oder was? Mach den Weg frei, oder ich befehle Hatori dich einfach umzufahren!“ Ich wurde sanft am Arm gepackt und auf den Fußweg zurückgezogen. Ich ließ es einfach geschehen, während ich zusah, wie er wieder einstieg, mit einem demonstrativen Knallen die Autotür schloss und das Auto dann weiter fuhr. „Geht es dir gut?“ Ich zuckte zusammen und sah dann zu dem jenigen der mich angesprochen hatte. Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- „Was soll das heißen, ich werde nicht mehr reingelassen. Der Test fängt doch erst in 10 Minuten an.“ Aufgeregt stand ich am Eingang der Kaizen Akademie und diskutierte mit einem der Wachleute. Der wollte mich nicht mehr reinlassen, dabei hatte ich noch Zeit. „Die Regel besagt: Jeder, der nach 8 Uhr kommt, egal aus welchem Grund, wird ausgeschlossen, denn die restlichen Minuten bis zum Beginn der Tests werden zur Einführung benötigt, damit problemlos und pünktlich mit dem Test begonnen werden kann.“, erklärte mir der Wachmann. Ich spürte, wie meine Augenbraue wie wild zuckte. Das konnte doch nicht wahr sein! „Bitte lassen Sie -ihn- wenigstens am Test teilnehmen. Es ist meine Schuld, dass er es nicht geschafft hat.“, schaltete sich mein neuer Freund Yamagiwa, Ren ein. „Bestrafen Sie mich, indem Sie mich vom Test ausschließen, aber nicht ihn.“, versuchte er zu vermitteln. „Yamagiwa-kun?“, fragte ich ganz erstaunt und eine Träne der Rührung schlich sich in mein Auge. Ren strich seinen Pony zurück, legte den Kopf leicht schief und säuselte: „Bitte machen Sie für ihn eine Ausnahme!“ Mir klappte die Kinnlade runter. Was sollte denn der Scheiß? Jetzt klimperte er auch noch mit den Wimpern, war das sein Ernst? Erst stutzte der der Wachmann und dann brach er in lautes, heiteres Gelächter aus. Und auch ich konnte mich vor Lachen nicht mehr halten. Diese Szene war einfach zu komisch. Der Wachmann und ich kugelten uns im Schnee vor Lachen. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“, kreischte ich und wischte mir die Lachtränen aus den Augen. Der Wachmann rief sich selbst wieder zur Ordnung, stand auf, klopfte sich den Schnee von der Uniform und sagte dann: „An deiner Schauspielkunst musst du aber noch arbeiten.“ „Also dürfen wir noch rein?“, fragte ich rasch und sprang blitzschnell auf die Beine. Yamagiwa und ich sahen gespannt unseren gegenüber an. Dieser grinste: „Natürlich...“ „Yuhu!“ Vor Freude sprang ich auf und ab, rannte mehrmals jubelnd im Kreis und packte Ren an seinen Schultern um ihn hin und her zu schütteln, während ich ihn freudig anstrahlte und sagte: „Hast du das gehört? Wir haben es geschafft.“ Ja, irgendwie musste ich die Energie loswerden, ich wusste einfach nicht wohin damit. „Das war nur meine schauspielerische Überzeugungsarbeit.“ Wir fassten uns an den Händen und sahen uns in die vor Freude strahlenden, immer größer werdenden, Augen, während uns die Freudentränen die Wangen runter liefen. „Unser Traum wird wahr.“, sagten wir beide gleichzeitig. „... nicht! Glaubt ihr wirklich, zwei solche Schwachköpfe wie ihr, lasse ich hier durch? Das ich nicht lache. Ihr könnt es ja im nächsten Jahr noch mal probieren.“ „Aber... aber... Hä....?“ Der Mann drehte sich um und ließ uns da einfach stehen. Ich folgte ihm war aber erst so verdutzt, reingelegt worden zu sein, dass ich ihn nicht mehr erreichte und stattdessen gegen die sich schließende Tür knallte. „Itai...“ Schon wieder meine Nase. Kurz hielt ich inne, um mir über die Nase zu streichen, welche schon wieder blutete. Und dann hämmerte ich impulsiv gegen die geschlossene Tür wie ein Bekloppter. „Lasst mich rein!“, brüllte ich. „Gib es auf! Das ist doch nur verschwendete Energie.“, meinte Yamagiwa und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Lass uns gehen, bevor die noch wegen Sachbeschädigung die Polizei rufen.“ Ruckartig drehte ich mich um. „Das ist alles deine Schuld.“ Mit den Fäusten schlug ich gegen seine Brust. „Alles, alles, alles nur wegen dir.“ Mir liefen Tränen die Wangen runter. „Wenn du... und dann... und...“ Yamagiwa nahm meine Hände und hielt sie fest, dass ich sie nicht mehr bewegen konnte. „Das tut mir wirklich Leid. Ich hab es ja wirklich versucht.“, versuchte er sich zu entschuldigen. „Was war deine Vorstellung den bitte für ein Versuch? »Bitte machen Sie für ihn eine Ausnahme!«“ Ich riss mich los und äffte seine „Glanzleistung“ von vorhin nach. Dabei kam ich seinem Gesicht ganz nah und klimperte ebenfalls wie er zuvor mit den Wimpern. Ich sah ihm direkt in die Augen und stockte. Ich bemerkte dass er die Entschuldigung wirklich ernst meinte, sogar verletzt schien und den Blick abwand, indem er verschämt zur Seite sah. „Gomen.“ Ich atmete tief ein und ließ mich dann an der Tür hinab gleiten, dann blieb ich mit angezogenen Knien an die Tür gelehnt sitzen. Ich seufzte. „Dir war es wirklich wichtig, hier aufgenommen zu werden, oder?“, fragte Yamagiwa und setzte sich neben mich. Kurz sah ich zu ihm, nickte, dann schaute ich in den Himmel, aus welchem wieder Schneeflocken vereinzelt zu Boden rieselten. „Ja, ich habe es meiner Mutter versprochen. Sie meinte immer, ich hätte das musikalische Talent meines Vaters geerbt und sie wäre sehr stolz, wenn ich hier einen Abschluss machen könnte: Wie er! Sie hat die ganze Zeit über immer jeden übriggebliebenen Yen für mich gespart, damit ich hier die Ausbildung machen kann. Und weil sie immer alles für mich und meine Geschwister gegeben hat, habe ich ihr auf dem Sterbebett versprochen, dass ich alles tun werde, um hier aufgenommen zu werden.“ Erneut seufzte ich und unterbrach meine Erzählung, bevor ich fortfuhr: „Doch der Traum ist jetzt vorbei. Ich sollte es vielleicht doch als Straßenmusiker versuchen. Vielleicht entdeckt mich ja jemand.“ Resigniert stand ich auf, klopfte mir den Dreck und Schnee von den Klamotten und reichte ihm die Hand, damit er auch aufstand. „Danke!“ „Ich friere mir hier noch einen ab. - Und was wirst du jetzt machen?“ Er legte einen Finger ans Kinn und überlegte. „Ich weiß nicht...“ „Komm doch mit zu mir Yamagiwa-kun. Meine Schwester will dich sicher kennen lernen.“, säuselte ich und äffte ihn erneut nach, wofür ich gleich eine Kopfnuss bekam. „Itai!“ „Hör auf mir meinen Fehler ständig unter die Nase zu reiben.“, entgegnete er grimmig. Doch dann begann er zu lachen. „War ich wirklich so schrecklich?“ „Und ob!“, antwortete ich, dann lachten wir beide. „Also dann: nimmst du meine Einladung an, Yamagiwa-kun?“ „Ja, wenn deine Schwester denn hübsch ist, dann schon.“, grinste er frech. „Lass ja die Finger von meiner Schwester, sag ich dir.“, grinste ich und schlug ihm auf den Rücken. „Das meine ich Ernst!“, fügte ich mit finsterer Miene hinzu. „Ja, keine Sorge, das war ein Scherz. Ich komme gerne mit. Dabei müsste ich eigentlich dich einladen.“ Während wir im Bus saßen, ließ ich alles noch mal Revue passieren: Ich war auf dem Weg zum Bus der mich zu meiner zukünftigen Schule in Spe fahren sollte. Dann wurde ich aus Versehen von Yamagiwa-kun, welcher es sehr eilig hatte den Bus zu bekommen, geschubst – er hatte es eilig noch den selben Bus zu bekommen, welchen ich auch nehmen wollte, und rutschte auf dem schlecht gestreuten Fußweg aus – und sah mich schon in den Tod schlittern. Zum Glück hatte der Fahrer rechtzeitig reagiert und ich durfte weiter leben. Und dann habe ich in diese Eiskalten blauen Augen gesehen. Die hatte ich schon einmal gesehen, irgendwo, aber ich konnte mich nicht erinnern. Ich glaube ich wäre noch Stunden dort gestanden, wenn Yamagiwa mich nicht von der Straße gezogen hätte. Ja und kurz nachdem dieser Typ weitergefahren ist, fuhr auch unser Bus an uns vorbei. „Hallo bist du noch anwesend?“ Ich schüttelte meinen Kopf und sah zu meinem Gegenüber. „Ja, klar, ich habe bloß gerade an den versauten Tag gedacht.“ „Ja ist schon blöd gelaufen. Sag mal, wie heißt du eigentlich? Du kennst zwar meinen Namen, aber ich kenne deinen noch nicht.“ Verdutzt sah ich ihn an, weil ich erst nicht wusste, was er meinte, doch dann war es mir klar, was er von mir wollte. „Mein Name ist... Oh wir müssen aussteigen.“ Ich wurde an der Hand gepackt und einfach mitgezogen. Rasch zog mich der rosarot Haarige aus dem Bus an einigen Häusern vorbei, bis wir vor einem älteren traditionell-japanischen Haus standen. „Da wären wir.“ Er öffnete das Gartentor und ich las erst mal den Namen am Klingelschild. „Yagisawa.“ So hieß er also. „Naru-chan, ich bin wieder da. Und ich hab Besuch mitgebracht.“ Wir traten ein und Yagisawa-kun wies mir an die Schuhe auszuziehen und sie neben seine zu stellen. „Besuch? Wer ist es denn?“ „Guten Tag Yagisawa-s... san...“ Ich hatte nur kurz aufgeblickt und war überwältigt. Eine junge Frau war in den Flur getreten. Ihre mittellangen türkisen Haare umspielten ihr zartes rundes Gesicht. Yagisawa-kuns Schwester war wirklich sehr hübsch. Yamagiwa klotzte wie ein Auto zu meiner Schwester, seine Kinnlade war leicht nach unten geklappt. Demonstrativ wedelte ich mit meiner Hand vor seiner Nase rum. „Hallo?“ „Ryuu bring' deinen Freund doch mit in die Küche und lass ihn hier nicht so angewurzelt stehen.“, lächelte sie und ich wollte ihn gerade an der Hand nehmen, da kam mein Bruder rein und fragte: „Was höre ich da? Du hast einen Freund?“ Blitzschnell ließ ich meine Hand wieder sinken und schob ihn stattdessen in die Küche. „Es ist nicht das, was du denkst.“ In der Küche setzten wir uns an den Kotatsu, an welchem uns Naru-chan schon Tee kredenzt hatte. „Und wer ist jetzt dein Freund?“, fragte sie mit einem Lächeln und nahm uns gegenüber Platz, hob pustend ihre Tasse an und trank. „Ja genau, wer ist dein Freund, Nii-chan?“, wiederholte Kamui-kun und setzte sich ebenfalls. Die Ader an meiner Schläfe begann schon wieder leicht zu pochen und meine Faust zitterte vor Aufregung, ihm eine rein zuschlagen. Wenn er nicht diesen unterschwelligen Tonfall benutzt hätte und so fies gegrinst, dann wäre es ja eine ganz normale Frage gewesen, aber so... Yamagiwa wollte gerade zum Sprechen ansetzen, aber Naru-chan unterbrach ihn, indem sie ihre Teetasse auf den Tisch knallte. „Könntet ihr euch bitte einmal nicht streiten!?“ „Er fängt doch immer wieder damit an, mich mit der Sache von damals auf...zu...“ Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, das bedeutete nichts Gutes. Und siehe da, wir bekamen beide eine Kopfnuss, Kamui wurde nach draußen geschickt, um den Gehweg zwischen Haus und Gartentor frei zu schaufeln und ich durfte den Abwasch machen. Während ich abwusch liefen mir sie Tränen, weil mir meine Beule am Hinterkopf, die Naru-chan mir verpasst hatte, immer noch höllisch wehtat. „Naru-chan ist so gemein zu mir.“, brabbelte ich vor mich hin. „Ryuu, das hab' ich gehört. Da wo die erste Kopfnuss herkam gibt’s noch mehr, wenn dir die nicht reicht.“, deutete sie mir mit ihrer Faust an. Rasch drehte ich mich um und wusch noch schneller ab. „Entschuldige meine Brüder. - Wo waren wir? Ach ja du wolltest dich vorstellen.“ Manchmal war sie richtig unheimlich. Sie konnte so schnell zwischen wütend und freundlich switschen. Das war richtig gruselig. Ich wettete, sie sah Ren jetzt so an und lächelte, als wäre nichts gewesen. „Yamagiwa! Yamagiwa, Ren. Aber nennt mich Ren, Yamagiwa-kun ist mir zu persönlich. Da komme ich mir so alt vor.“, grinste er verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. „Ok Ren-kun. Habt ihr euch beide bei der Aufnahmeprüfung kennengelernt?“ *Oh Nein!* Ich wusste die Frage würde sie stellen. *Yamagiwa, sag' jetzt ja nichts Falsches!*, ging es mir durch den Kopf. Ich schaute zu den beiden, Naru-chan saß zum Glück mit dem Rücken zu mir, so sah sie nicht, wie ich Ren mit allerhand seltsamen Bewegungen versuchte, klar zu machen, dass er ihr ja nichts sagen sollte. Das sah bestimmt total bescheuert aus - ein guter Pantomime war ich nämlich noch nie. Bei einer meiner Verrenkungen stolperte ich sogar und landete unsanft auf dem Boden. Heute war echt nicht mein Tag. Ren-kun schielte an Naru-chan vorbei und ließ mit einer Antwort auf ihre Frage auf sich warten. Der Angstschweiß brach mir bereits aus. *Bitte sag es nicht, sag es nicht!*, bibberte ich. „Ja, wir saßen beim Test nebeneinander. War gar nicht so einfach, oder Ryuu-kun?“ Ich sprang auf und kratzte mich dann verlegen am Kopf. „Ja stimmt, einige Aufgaben waren echt schwer. - Puh, bin ich froh, dass ich den hinter mir habe. Findest du nicht auch, Ren-kun?“ Sie sah zwischen uns beiden hin und her. Hoffentlich merkte sie nichts von unserer dreisten Lüge. Im Lügen war ich genauso schlecht. Einfach grinsen und winken... „Na dann hoffe ich doch, dass ihr gute Freunde werdet und euch gegenseitig unterstützt.“, lächelte sie, sammelte die Tassen ein und stand auf. „Ich wasche den Rest auf, ihr könnt hoch gehen.“ „Ja, folge mir Ren-kun!“ Er stand auf und folgte mir. Außer Sichtweite atmete ich erst mal tief ein und aus. „Danke Mann, hätte nicht gedacht, dass du meine schlechten Pantomimenkünste wirklich deuten kannst.“ „Ich habe mir erst gedacht *Was soll das dumme Rumgehampel* aber dann wurde es mir klar.“ „Klasse! Wir verstehen uns auch ohne Worte.“, grinste ich und deutete ihm mit einem „Daumen hoch“ noch mal meine Dankbarkeit an. Er tat es mir gleich. „Warte kurz! Du kannst dich schon mal wieder anziehen, ich hole nur schnell meine Gitarre und dann gehen wir in die Stadt. Ich muss meinen neuen Song mal ausprobieren, wie er ankommt.“ In der Stadt setzte ich mich dahin, wo ich immer saß und begann, mein neues Arrangement zu spielen. Und dazu sang ich einen Song, der mich sehr bewegt hatte in letzter Zeit. Ich kannte zwar den Orignalinterpreten des Songs nicht, aber die Lyrics dieses Songs waren einfach klasse. Dreams come true Refrain Follow me! Let all the trouble behind you! Where we go, you can be free. Dreams come true! Strophe For years you've felt the same something deep inside. This sharp pain shows something is not right. Bridge Shout loud! Break out! Shout loud! Break out! Strophe You do everything, that someone wants from you. They force you to do. Now it is enough, you can't bear it anymore. Break the chains, be insane, show who you really are. Bridge Shout loud! Break out! Shout loud! Break out! Strophe Be strong and start a new life on your own way. You will demonstrade you can do it what you've wait for so long. Bridge Shout loud! Break out! Shout loud! Break out! Strophe Your old one is erased and the one yust begin. Follow me to this special place Where we're now livin'. Bridge Shout loud! Break out! Shout loud! Break out! Refrain Follow me! Let all the trouble behind you! Where we go, you can be free. Dreams come true! Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Als ich geendet hatte mit dem Song schaute ich auf und war überrascht als plötzlich geklatscht wurde. Noch nie hatten mir so viele Leute zugehört. Leicht wurde ich rot vor Verlegenheit. „Minna-san, domo arigatou!“, sagte ich und verbeugte mich. Ren trat näher zu mir. „Wow, du hast echt eine gute Stimme. Jetzt tut es mir noch mehr Leid, dass du wegen mir deinen Traum nicht verwirklichen kannst.“ „Hehe, nicht doch! So gut bin ich auch nicht.“, sagte ich mit einer abwehrenden Handbewegung. „Nein wirklich. An deiner Stimme musst du noch arbeiten, aber du hast Akoyas Song bis jetzt am besten interpretiert.“ hörte ich die Stimme von einem Jungen, der auf mich zukam. Er war total vermummt mit Kapuze und Schal bis unter die Augen. Darum war er auch etwas undeutlich zu verstehen. Auch er hatte blaue Augen, aber sie waren nicht so eiskalt, wie bei dem heute früh. „Ich habe schon viele diesen Song covern hören im Internet in JP-TV-Tube. Aber keiner hat den Song bis jetzt auch nur ansatzweise so gut rüber gebracht wie du.“ Oh Mann, ich hatte den Song das erste Mal performt und bekam gleich so viel Zuspruch. „Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. So ein gutes Cover gab es noch nie!“, meinte jetzt auch ein Mann und kam klatschend auf mich zu. „Leute, das ist doch übertrieben, haha!“ Ich war richtig peinlich berührt, und konnte nicht anders als mich am Kopf zu kratzen. „Das war wirklich keine große Sache. Hört auf! Ihr macht mich ganz verlegen.“ „Zier' dich nicht so, Mann! Du warst super!“, kreischte Ren ganz begeistert und sah mich mit großen Augen an. „So wie's aussieht hast du deinen ersten Fan.“, meinte der Junge und er und der Mann begannen zu lachen. Total überrumpelt ging ich mit erneuter abwehrender Handbewegung ein paar Schritte rückwärts, flog über meine Gitarrentasche und stürzte. Dabei riss ich den Jungen neben mir mit nach unten, weil ich in der Schnelle nur reflexartig das nächste griff um nicht zu fallen. Er landete direkt auf mir und ich landete auf dem Fußweg. Der Aufprall wurde durch den Schnee zwar gemildert, aber war durch nicht weniger schmerzvoll. Die Beule war wohl gerade noch mal um ein 3-Faches größer geworden. Kurz sah ich nur Sternchen und alles drehte sich. „Gomene!“, brachte ich nur heraus. Ich schloss die Augen für einen Moment bis das Pochen in meinem Kopf nachgelassen hatte. „Würdest du mich bitte loslassen?“ Langsam öffnete ich die Augen. Ich sah in die blauen Augen des Jungen der auf mir lag. Der Schal war verrutscht, so dass ich sein Gesicht komplett sehen konnte und eine blonde Haarsträhne war unter der Kapuze hervor gerutscht. *Aber, das ist doch...* „D... du...“ Vor Schreck ließ ich ihn los. Er sprang auf, nuschelte ein „Viel Glück noch!“ und verschwand. Ren reichte mir die Hand. „Alter wenn du da noch lange liegen bleibst, holst du dir noch was weg.“ Dankend nahm ich diese an und ließ mir hoch helfen. „Was war eigentlich mit dem Typen los? Der ist ja los gerannt, als hätte ihn eine Tarantel gestochen.“ „Keine Ahnung!“, seufzte ich. Der sah echt genauso aus, wie der heute Morgen, aber das war unmöglich. Der war ganz anders drauf, und definitiv viel netter. Wie heißt es doch so schön: „Jeder Mensch hat auf der Welt irgendwo einen Doppelgänger.“ Also zuckte ich nur mit den Schultern. „Darf ich euch beide vielleicht zu einem Tee einladen?“, schaltete der Mann sich wieder ein. „Worüber wollen Sie jetzt mit mir sprechen, Herr...“ „Fujisaki. Fujisaki, Rei. Sehr erfreut!“ Er reichte mir die Hand. „Der Tee.“ Die Kellnerin brachte uns den Tee, verbeugte sich und ging zum nächsten Tisch. Er trank einen Schluck Tee, bevor er sprach. „Du hast wirklich Talent. Hast du schon mal darüber nachgedacht, an die Kaizen Talent Akademie zu gehen?“ Ich spuckte meinen kompletten Tee wieder aus und alles landete auf Fujisaki-san. „Hehe, das ist aber echt witzig dass sie das ansprechen. Halten Sie mich denn wirklich für so talentiert?“, lachte ich hysterisch auf und machte dabei irgendwelche undefinierbaren Bewegungen. So versuchte ich meine Freude darüber auszudrücken, dass auch noch andere Außenstehende der gleichen Meinung waren, dass ich zumindest Potential hatte. Dass ich noch weit entfernt vom Profi war, wusste ich selber. „Ja, warst du denn beim Aufnahmetest? Der war heute glaub' ich.“ Hatte ich gerade noch vor Freude getanzt, oder zumindest so was Ähnliches getan, so war meine Freude auf einen Schlag weg und ich begann zu heulen. „Nei-ei-ei-ei-ein!“, weinte ich. „Ich hab' ihn verpasst.“, gab ich schluchzend von mir. „Fujisaki-san. Es ist meine Schuld. Wegen mir hat er heute Morgen den Bus verpasst. Die Wachleute wollten uns nicht mehr reinlassen.“ Erstaunt lehnte Fujisaki sich nach hinten. „Das ist je echt ärgerlich.“ „Ja!“, gab ich noch weinerlich von mir, dann wischte ich mir die Tränen weg, stellte mich mit erhobener Faust mit einem Fuß auf die Tischkante und nahm eine Siegerpose ein. „Aber wen juckt das? Ich werde es auch ohne diese Schule schaffen.“ Verdutzt sahen Fujisaki und Ren mich an. „Haha, du hast ja echt ein gesundes Selbstbewusstsein, mein Junge.“, er lachte, während Ren mich vom Tisch runter zog, da die Kellnerin mich schon ganz kritisch ansah. „Glauben Sie mir etwa nicht?“ Er lachte noch lauter. Das empfand ich schon etwas beleidigend. Fand er nun, dass ich Talent hatte oder nicht? „Das ist mein Ernst, Fujisaki-san.“ „Ich glaube dir ja, Junge. So ein Selbstvertrauen ist in dieser Branche sehr wichtig. Wer das nicht hat kann einpacken. Ich kenne da so jemanden, der war anfangs genauso optimistisch.“ Er schien nachdenklich, dann seufzte er. „Und wurde er erfolgreich?“, stellte Ren an meiner statt die Frage. Fujisaki schüttelte den Kopf. „Anfangs war er erfolgreich, aber irgendwann ist er einfach untergetaucht.“ Er seufzte und grinste dann. „Naja, kann man nichts daran ändern. Er wird seine Gründe gehabt haben.“ Er stand auf und legte das Geld auf den Tisch. „Wie dem auch sei. Ich wünsche dir viel Erfolg für die Zukunft.“ Er war fast aus der Tür raus, da drehte er sich noch mal um: „Bevor ich's vergesse: Wie heißt du Junge? Vielleicht hört man ja irgendwann mal was von dir.“ Diese Aussage katapultierte mich gedanklich schon wieder in die höchsten Sphären. Er glaubte also an mich. Siegessicher hob ich den Daumen nach oben und sagte: „Ich bin Yagisawa, Ryuu und eines Tages werde ich ein berühmter Musiker, genau wie mein Vater.“ Seine Augen weiteten sich. War das so ungewöhnlich, dass man seinen Eltern nacheifert, auch wenn man seinen Vater nicht kennt. Dann legte sich ein Grinsen auf seine schmalen Lippen. „Mhh, ich glaube, dass du es schaffen kannst, wenn du nur weiter an dich glaubst. Und wenn du so treue Freunde hast wie ihn, dann wirst du eines Tages groß raus kommen. Und vielleicht noch berühmter als dein Vater.“ „Glauben Sie? Jetzt schmeicheln sie mir aber. Ich und so gut wie mein Vater oder besser... Ähm Moment... Woher...?“ Er war weg. Ich lief nach draußen und schrie: „Hey Fujisaki-san, wo sind sie? Woher kennen Sie meinen Vater?“ Zwecklos! Er war verschwunden. Ren brachte mir meine Jacke und Gitarre hinterher. „Was war denn plötzlich los?“ Dankend nahm ich die Jacke an und zog sie mir über, denn ich merkte schon wie ich bibberte. „Ich bin mir sicher, dass er etwas über meinen Vater weiß, oder ihn sogar kennt. Er hat so Andeutungen gemacht.“ „Na komm, lass uns gehen.“ Ich nickte ihm zu, hing mir meine Gitarre auf den Rücken und folgte ihm. Er beobachtete die beiden Jungs aus sicherer Entfernung. Er hätte nie gedacht, dass er ihm jemals in seinem Leben begegnen würde. Er war erstaunt, was aus dem Jungen geworden war. *Shun, dein Sohn ist dir wirklich sehr ähnlich, er strotzt genau wie du vor Selbstbewusstsein und Optimismus. Wollen wir hoffen, dass er nicht wie du, einfach irgendwann verschwindet. Er hat jedenfalls großes Talent. Ich werde ihn im Auge behalten.* Ihm legte sich erneut ein Lächeln auf seine Lippen. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- „Sag mal, Ryuu-kun, magst du Akoya?“ Fragend sah er mich an. „Akoya-wer?“ Das glaubte ich jetzt nicht. „Na Tsukiomi, Akoya.“ Ich blieb stehen und sah ihn an. Er schien zu überlegen und schielte leicht an mir vorbei um mir nicht in die Augen schauen zu müssen. Letztendlich schlug er sich mit der Faust auf die Handfläche und lächelte: „Ah das ist doch...“ „Ja?“ Ich wartete ganz gespannt. Vielleicht war er ja genau wie ich ein großer Akoya-Fan. „... Ich hab keine Ahnung wer das ist.“ Meine Beine knickten ein. Das war's dann wohl mit gemeinsamer Fanliebe zu Akoya. Schade! Aber warum... Rasch sprang ich auf die Beine und packte ihn am Kragen. Er lächelte so unschuldig. „Wie kann man jemanden wie Akoya nicht kennen? Dass ist der, dessen Song du gesungen hast. Er ist momentan in aller Munde.“ „Ach wirklich? Wusste ich gar nicht.“ Mir kamen die Tränen und ich ging erneut auf die Knie. „Wie kannst du seinen Song singen, ohne ihn zu kennen? Ohne zu wissen, wessen Song du eigentlich singst?“ Mir war es mit der Frage echt ernst. Darum sah ich ihn auch genauso ernst an, nachdem ich wieder auf den Beinen war. „also, um ehrlich zu sein: Ich habe gar keine Ahnung was für Musik im Moment angesagt ist. Ich höre kaum Radio oder schaue Fern. Ich habe dieses Lied bloß letztens mal während meines Einkaufs in einem Konbini gehört und fand den Text klasse. Mir ging der Song nicht mehr aus dem Kopf also habe ich ihn auf meiner Gitarre neu arrangiert und heute auch zum ersten mal gesungen.“, grinste er verlegen. „Ja aber wie...“ Irgendwie wollte das nicht in meinen Kopf rein. Er hat den Song so rüber gebracht als wäre er Akoyas Zwilling. Er hat den Song nicht einfach nur imitiert, er hat ihn gelebt, wenn man dass jetzt mal so bildlich sagen kann. „Dann erzähl mir doch mal etwas über diesen Akoya!“, forderte er mich auf. „Tsukiomi, Akoya ist seit letzten November in den Oricon-Charts mit seinem Nummer 1 Hit „Dreams come true!“. Der Song ist seit letzten Jahr immer mal wieder in den Charts vertreten. Er gilt momentan noch als One-Hit-Wonder, aber ich hoffe, dass es nicht nur bei diesem einen Song bleibt. Tsukiomi-san hat großes Potential und seine Stimme ist der Wahnsinn. Sie ist so warm und gefühlvoll und...“ Ren kam richtig ins Schwärmen. Seine Augen leuchteten förmlich, während er von diesem Akoya erzählte. Und seine Gestikulation dabei war auch zum schießen. Ich konnte mir ein Lachen nicht länger verkneifen. „Du bist ja wie ein kleines Fangirl.“ „Hör' auf mich mit diesen kreischenden Weibern zu vergleichen. Ich habe Anstand. Ich verehre Tsukiomi-san bloß. Sein Text lässt vermuten, dass ihn etwas sehr beschäftigt, von dem er sich lossagen möchte. Sein Leben war und ist nicht einfach.“ In Ren's Blick lag etwas Wehmut. „Du scheinst ihn genauer zu kennen, kann das sein?“ Er schüttelte den Kopf. Nein, das hab ich nur mal irgendwo gelesen.“ Ren war plötzlich ganz betrübt. Irgendwas schien ihn zu beschäftigen und es musste mit diesem Akoya zu tun haben. Auf einmal grinste er mich an, packte mich bei der Hand und zog mich mit sich. „Hast du auch so einen Hunger wie ich? Komm, ich lad' dich ein.“ „Aber... Ren-kun...“ Mir blieb keine Wahl. Vor dem erst besten Nudelsuppenstand hielten wir an. „Zwei mal Ramen, bitte“ Bisschen peinlich war das schon. Erst lud Fujisaki-san uns zum Tee ein und jetzt lud auch noch Ren mich ein mit ihm Ramen zu essen. Da er mir aber Andeutungen machte, dass er darauf bestände, dass ich jetzt mit ihm esse, ließ ich mich einfach auf einem der Stühle nieder und wartete darauf, dass das Essen serviert wurde. Schweigend saßen wir nebeneinander. „Ren-kun, warum wolltest du eigentlich an die Kaizen?“, fragte ich schließlich nach einer Weile, weil mir die Stille zwischen uns nicht gefiel. „Ich liebe das Schreiben, darum wollte ich gerne dort die Kunst des dichterischen Schreibens lernen um später Schriftsteller zu werden.“ „Wow, das klingt doch cool!“, entgegnete ich begeistert. „Schon. Aber jetzt habe ich es mir selbst total versaut.“ Wut klang in seiner Stimme mit. Mit der Faust schlug er laut auf den Tisch. „So werde ich nie einen Song für ihn schreiben können:“ Abrupt hielt er inne. Sein Gesicht wurde knallrot. Ich grinste ihm direkt ins Gesicht. „Soso!“ Er zuckte zusammen, wich zurück und fiel vom Stuhl. Mein Lachen übertönte alle anderen. „Du bist ja total verknallt.“ „Bin ich nicht. Ich verehre ihn nur.“ „Haha, jetzt hast du dich selbst verraten.“ Das Rot seines Gesichtes wurde gleich noch eine Spur dunkler. Statt aufzustehen stammelte er nur unverständliches Zeug und druckste herum. Da ich merkte wie peinlich es ihm war, ertappt worden zu sein, beendete ich mein Gelächter und half ihm stattdessen hoch. „Tut mir leid.“ Ich war schließlich nicht wie mein Bruder, der einem Jeden Fehler ewig unter die Nase rieb. Später am Abend, nachdem wir nicht mehr wirklich groß zu einem Gespräch gekommen waren, begleitete Ren mich noch Nachhause. Naru-chan öffnete uns die Tür als ich gerade den Schlüssel ins Schloss stecken wollte. „Oh, ihr seid wieder da. Schön! Ich wollte nur noch kurz in den Konbini die restlichen Zutaten fürs Abendbrot holen. Ren-kun, möchtest du zum Essen bleiben?“ „Oder möchtest du nicht gleich für immer bleiben?“ , warf Kamui ein, als er gerade die Treppe runterkam. „Ka-mu-i!“, brüllte ich. Jetzt reichte es mir. Mit einem Riesensatz stand ich auch gleich vor ihm und schlug mit der Faust zu, dass er bis zum Ende des Flures flog. Anschließend trat ich noch paar mal auf ihn drauf, bis ich glaubte, dass er nur noch Sternchen sah. „Baka, Baka, Baka, Baka, Baka, Ba-ka!“ Irgenwie waren Ryuu und sein Bruder schon paar komische Vögel. Und dennoch Liebenswert. Letztendlich hatte ich mich doch breitschlagen lassen, mit zu Abend zu essen. Und wenn ich das nicht getan hätte, dann hätte ich es sicher bereut. Narumi konnte echt super Curry kochen. „Junge du haust ja rein, als hättest du ewig nichts mehr zwischen die Zähne bekommen.“, merkte Kamui-kun an. Weil ich damit nicht gerechnet hatte, verschluckte ich mich und hustete. „Das nehme ich mal als ja.“ , meinte er und klopfte mir hilfreich auf den Rücken. „Geht's wieder?“ „Ja, danke.“ Ich trank noch einen Schluck Tee und dann war ich bereit zu erzählen. „Ich wohne schon seit 4 Monaten allein, weil ich mit meinem Stiefvater nicht klar komme. Wenn meine Mutter sich mir zu Liebe von ihm hätte scheiden lassen, dann wäre sie todunglücklich geworden. Das wollte ich ihr nicht antun, also bin ich selbst ausgezogen. Sie schickt mir alle 2 Wochen Geld, damit ich mir Essen kaufen kann und leider sieht das immer recht einseitig aus, weil ich nicht kochen kann.“ „Dann ist meine Hausfrauenkost wohl mal eine gelungene Abwechslung.“, merkte Narumi an. Eifrig nickte ich und langte beim Reis und Curry noch mal zu. Das war so lecker, dass mir die Tränen die Wangen runter liefen. „Mhh, Kamui und Ryuu, was meint ihr: Wollen wir Ren-kun bei uns aufnehmen, bis ihr dann in die Kaizen zieht?“ Bei diesen Worten blieb mir ein Stück Fleisch im Hals stecken und mir stockte der Atem. Mit den Händen griff ich mir an den Hals um anzudeuten, dass ich keine Luft mehr bekam, ich zappelte auf meinem Sitz hin und her, versuchte irgendwie Luft zu bekommen. Ryuu war aufgesprungen und versuchte mir zu helfen. Nach einem beinahen Ohnmachtsanfalls war meine Luftröhre nun endlich wieder frei. Mehrfach schnappte ich nach Luft bevor ich wieder Sprach. „Das ist wirklich sehr nett von euch. Aber das braucht ihr nicht.“ „Warum nicht! Lassen wir meinen Schwager in Spe doch einziehen.“ „Guten Flug!“, meinte Ryuu bloß und katapultierte Kamui in die Luft. „Schick mir 'ne Postkarte!“ Dann setzte er sich hin als wäre nichts gewesen. Ich sollte ihn besser nie verärgern. „Der lernt es wohl nie!“, meinte er sauer und stopfte aus Frust gerade alles in sich hinein, was ihm unter die Finger kam. „Ren-kun, du kannst wirklich gerne hier bleiben. Ist doch besser als allein zu wohnen. Wir haben hier genug Platz.“ Ich war wirklich geschmeichelt. „Naru-chan, wenn du den Baka, der jetzt irgendwo rumfliegt, siehst und ihn dazu bringst, endlich diese Andeutungen zu lassen habe ich nichts dagegen, wenn Ren hier übernachtet oder gar hier bleibt.“ Er erhob sich, stellte sein Geschirr in den Abwasch und ging nach oben. In dem Moment krachte ein leicht angesengter Kamui auf den Tisch. Er hielt eine Karte in der Hand. „Ryuu wollte doch eine Postkarte.“ Dann verlor er das Bewusstsein. „Manchmal könnte ich Kamui echt...“ „Was ist denn da zwischen den Beiden, dass sie sich ständig streiten?“ „Das sollte dir Ryuu lieber selbst erzählen. Es ist etwas sehr persönliches und da möchte ich ihm nicht reinreden. Er soll entscheiden wer es wissen darf und wer nicht.“ Sie seufzte. „Und wer darf den Ganzen Mist wieder aufräumen? Natürlich ich! Aber diesmal nicht, mein Freundchen. - Hey, Kamui, Aufstehen! Ich hoffe, du hast den Rundflug genossen, denn jetzt darfst du die ganze Unordnung wieder aufräumen.“ Sie warf den bewusstlosen Kamui einfach vom Tisch runter. Eiskalt. Er rührte sich und setzte sich auf, dabei strich er sich seine lila-schwarzen Haare aus dem Gesicht. „Ich soll was?“ Der hatte sich aber schnell erholt, denn er stand schon wieder sicher auf den Beinen. „Ja klar du. Am besten du fängst damit an, das Dach abzudichten, Handwerker kann ich erst morgen bestellen. Und beeil' dich, bevor es hier zu kalt wird oder gar noch rein schneit, verstanden.!?“ Sie reichte ihm etwas zum abdichten und er ging resigniert nach oben. „Und möchtest du das Angebot annehmen?“ Noch etwas geschockt nickte ich bloß. „Sehr schön. Sag Ryuu, er soll schon mal den Gästefuton ausrollen, ich bringe dir dann gleich eine Decke und ein Kissen. Ab morgen kannst du dann im Gästezimmer schlafen.“, lächelte sie und wuselte davon. Das war wirklich eine komische und dennoch sehr warmherzige Familie. Im 1. Stock schaute ich nach, welches wohl Ryuu's Zimmer sein könnte. Das war aber gar nicht so schwer, seine Tür war mit einem Poster einer großen Gitarre beklebt. Ich klopfte. „Komm rein!“ Ich trat ein und ersetzte sich auf seinem Bett auf. Sein Blick war irgendwie gleichgültig, welcher für eine angespannte Atmosphäre sorgte. Das war irgendwie unbehaglich. „Naru-chan meinte, du...“ „Du hast dich also entschieden zu bleiben, schön. Ich hol den Futon gleich.“ Mit ernster Miene stand er auf und verließ das Zimmer, vermutlich um den Futon zu holen. Gleich darauf trat er wieder ein, mit unveränderter Miene. „Ist alles in Ordnung?“, fragte ich. „Klar! Alles ist super!“ Er warf den Futon auf den Boden und rollte ihn aus, indem er wütend mit den Füßen dagegen trat. „Mein Bruder ist nur so bescheuert, dass ich ihn am liebsten... am liebsten...“ Er gestikulierte mit seinen Händen und ich konnte mir denken, dass er damit andeuten wollte, dass er Kamui-kun am liebsten erwürgen würde. Ich trat zu ihm und hielt seine Hände fest. „Lass los!“, befahl er. „Beruhige dich!“, entgegnete ich. Mit festen Blick suchte ich den seinen. „Er...“ Ohne groß zu überlegen, zog ich ihn einfach nur in meine Arme. „Ich weiß zwar nicht, was vorgefallen ist, aber vielleicht hilft es dir wenn du mal mit jemanden darüber sprichst.“ Er hatte mich einfach so in seine Arme gezogen. Ohne jegliche Vorwarnung. Erst mal war ich leicht irritiert, aber ich merkte dass es mir gut tat. Ich hatte das Gefühl ihm wirklich trauen zu können. „Dieser Baka... Immer wieder fängt er damit an.“, schluchzte ich und ließ endlich mal all meinen Frust raus. Mit der Stirn lehnte ich mich an seine Schulter und heulte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)