Love Happens von May_Be ================================================================================ Kapitel 14: Zwiespalt --------------------- Nachdem Mio zu Hause angekommen war, war das erste, was sie tat, aus den verschwitzten Sportklamotten zu schlüpfen. Danach war eine zweite Dusche unvermeidbar. Das Wasser machte sie zwar äußerlich sauber, aber es konnte ihre Wut und Enttäuschung nicht fortspülen. Mio setzte sich auf den Boden der Dusche und ließ das kühle Wasser auf sich hinab prasseln. Sie fühlte sich ausgelaugt und leer. Mio schloss die Augen und versuchte an etwas anderes zu denken. Doch jeder Versuch, ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, schlug fehl. Immer wieder wurde sie an den Strand der Erinnerungen gespült, die um Keiji und Akira kreisten. Was Akira getan hatte, war unverzeihlich. Er hatte ihr eine Falle gestellt, in die sie blindlings hinein gelaufen war. Er hatte das Gerücht in die Welt gesetzt, nur um es Keiji in die Schuhe zu schieben. Akira hatte gewusst, dass Mio so etwas nicht auf sich beruhen lassen und Keiji-Sempai zur Rede stellen würde. Selbst wenn er es abstreite, würde Mio eher Akira Glauben schenken als ihrem ehemaligen Freund. Wie konnte ich nur so dumm sein?, schalt sich Mio innerlich. Sie hatte Akira vertraut und er missbrauchte es, nur um sein eigenes egoistisches Ziel zu verfolgen. Als er es ihr heute auf dem Sportplatz gestand, hatte er nicht einmal Reue gezeigt. Wie konnte sie sich in diesem Menschen nur so täuschen? Hatte er die Freundschaft lediglich vorgespielt? Nein. Das konnte nicht wahr sein. Mio dachte an die vielen Momente, in denen sie gemeinsam Spaß hatten, in denen sie gelacht haben, in denen sie glücklich waren. So etwas konnte man nicht vortäuschen. Oder... Mios Hand fuhr über den beschlagenen Spiegel. Sie hatte gar nicht realisiert, wann sie aus der Dusche gestiegen war. Das Wasser tropfte von ihren nassen Haaren, verwandelte sich in Wasserperlen, die über ihren Körper hinabliefen. Sie fröstelte leicht, machte jedoch keine Anstalten nach dem Handtuch zu greifen. Wie in Trance fuhr sie mit ihren Fingern über die Stelle an ihrem Hals, die Keiji-Sempai gekennzeichnet hatte. Unwillkürlich dachte sie daran, wie er über ihr lag, wie seine wachsamen Augen sie fixierten. Wenn wir das nächste mal in einem Bett liegen, kann ich mich sicher nicht mehr beherrschen. Mio erschauderte bei dem Gedanken an seine dunkle Stimme. Dieser Kerl hatte mehr Macht über sie, als sie sich eingestehen wollte. Sie hatte versucht es mit aller Kraft zu unterdrücken, aber etwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass es bereits zu spät war. Mio raufte sich die Haare und gab ein gequältes Stöhnen von sich. Zum Glück war sie allein zu Hause und musste sich somit nicht beherrschen. Sie umfasste den Rand des Waschbeckens und atmete tief durch. Mutter hatte doch unrecht. Probleme lösten sich einfach nicht von selbst. Vielleicht sollte sie auswandern. Timbuktu sollte weit genug sein. Bei dem Gedanken musste sie grinsen. Sie stellte sich vor, was wohl Keiji und Akira für Augen machen würden, wenn sie nicht mehr zur Schule kam. Der Gedanke gefiel ihr. Aber... wo lag Timbuktu überhaupt?   Als Mios Blick das nächste Mal zur Uhr wanderte, war es bereits halb acht Uhr Abends. Vor der gesamten Klasse hatte Keiji verkündet, dass er sich heute um 7 Uhr am Tokyo Tower mit ihr treffen wollte. Sollte er doch warten, bis er schwarz wurde!, dachte Mio gehässig und blätterte ungerührt in einem Magazin weiter, das sie bereits vor einer halben Stunde fertig gelesen hatte. Mio war immer noch wütend auf Keiji, weil er sie als seine Freundin hingestellt hatte. Wer auch immer das Gerücht über uns in die Welt gesetzt hat, darf sich freuen. Denn jetzt bist du offiziell meine Freundin. Keiji hatte es verdammt noch mal ernst gemeint. Unverblümt hatte er vor der gesamten Klasse verkündet, dass sie zusammen waren. Bestimmt wusste es mittlerweile die ganze Schule. Und wer war Schuld daran? Akira! - Dieser blöde Arsch. Hätte er das Gerücht nicht in die Welt gesetzt, hätte Keiji sicher ihre Antwort abgewartet und das Gerücht nicht zur Wahrheit werden lassen. Er hatte ihr zwar seine Liebe gestanden, aber es war letztendlich ihre Entscheidung, ob sie mit ihm zusammen sein wollte oder nicht. Zu einer Beziehung gehörten immer noch zwei! Wieder wanderte ihr Blick zur Uhr. Ob er noch auf sie wartete? Mio schlug sich mit der Zeitschrift gegen die Stirn und brummte vor sich hin, was für eine Idiotin sie war. Sollte er doch warten! Sie war nicht seine Freundin, egal was er sagte. Sie gehörte niemandem. Sie... Mio sprang vom Bett und riss ihren Schrank auf. Ich werde nur schnell schauen, ob er noch wartet, redete sie sich ein. Sie würde auf undercover zum Tower gehen und aus der Ferne beobachten, ob er noch da war. Genau. Und dann würde sie verschwinden. Nichts leichter als das. Doch was sollte sie bloß anziehen? Das rote Kleid mit den kleinen weißen Pünktchen? - Nein, zu auffällig. Den Jeansrock mit dem gestreiften oder dem karierten Top? - Nein, zu langweilig. Die Klamotten sammelten sich auf ihrem Bett zu einem großen Haufen, bis sie sich endlich für eine Jeansshorts und ein schlichtes weißes T-Shirt entschieden hatte. Sie durfte sich nicht zu hübsch machen. Falls er sie dann doch entdeckte, konnte sie immer noch behaupten, zufällig hier zu sein. Raffiniert. Ein letzter Blick in den Spiegel erinnerte sie zum Glück daran, ihren Knutschfleck überzuschminken. Da sie selbst kein Make-Up besaß, stibitzte sie es von ihrer Mama. Und wenn sie schon dabei war... Ein bisschen Lippenstift konnte nicht schaden.   Mit rasendem Herzen hatte Mio sich ein gutes Plätzchen ausgesucht, von wo sie den Tower gut im Blick hatte. Es tummelten sich viele Menschen herum, sowohl Touristen als auch Einheimische. Aber Keiji war nirgends zu sehen. Es war ja auch bereits kurz nach acht. Eigentlich hätte sie sich denken können, dass er nicht länger als eine Stunde auf sie warten würde. Wenn er überhaupt gekommen war. Bestimmt wusste Keiji, dass sie nicht aufkreuzen würde und war nicht einmal selbst erschienen. Wie dem auch sei... er war nicht da. Mio seufzte resigniert und verspürte einen Anflug von Enttäuschung. „Ach was soll's“, murmelte sie, als ihr jemand plötzlich von hinten eine Hand auf die Schulter legte. Sie gab einen erschrockenen Laut von sich und sprang mit einem Satz nach vorn. Grade wollte sie zu einer Schimpftirade ausholen, als sie Keiji-Sempai erblickte, der sie mit seinen dunklen, aufmerksamen Augen fixierte.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)