Lost Future - Dark Paradise? von RaoulVegas (Same as it never was...) ================================================================================ Unexpected meeting... --------------------- Zwei Monate später – Februar… Der lange, harte Winter löst langsam seinen Klammergriff und gibt der Welt die Chance, einen Neubeginn zu wagen. Nach und nach steigen die Temperaturen über den Gefrierpunkt, die Sonne lugt verhalten hinter den schweren Wolken hervor und versucht die Erde aufzuwärmen. In der friedlichen Stille der schneebedeckten Trümmer Manhattans hört man überall das Tropfen von Tauwasser. Dennoch ist die ehemalige Stadt am East River noch mit einer dicken Schicht aus Eis und Schnee bedeckt. Wer nicht unbedingt nach draußen muss, verbringt seine Zeit lieber an einem warmen Ort, eingekuschelt und mit dem Gedanken an den bevorstehenden Frühling. Doch nicht jeder kann diesem schönen Gedanken folgen. Im Schnee sind deutlich die Spuren einiger Tiere zu erkennen, die versuchen, unter der weißen Masse etwas Fressbares zu finden. Aber auch hier warten die meisten lieber darauf, dass der Schnee vollständig schmilzt. Bei den Menschen wagen sich nur die nach draußen, die es müssen. Erschöpfung zeichnet die Schritte der drei Männer, die nach so langer Zeit den Weg in ihre alte Heimat wiedergefunden haben. Die Schneemassen lassen sie nur ahnen, wie viel Vernichtung der Krieg vor so langer Zeit angerichtet hat. Dennoch stimmt sie der Anblick unendlich traurig, da sie wissen, dass es nie wieder so sein wird wie früher. Vielleicht sind sie jetzt wieder hier, wo sie geboren und aufgewachsen sind, all die schöne Zeit miteinander verbrachten, doch alles, was ihnen etwas bedeutet hat, ist nun Vergangenheit. Und irgendwo unter all den Trümmern liegen ihre beiden Brüder begraben und machen damit ihr Wiederkehren zu etwas sehr Unerfreulichem. Trotz der Traurigkeit, die sie beim Anblick der Stadt und bei dem Gedanken an all die Verstorbenen empfinden, fühlen sie doch so etwas wie Freude, den Ort wiederzusehen, der ihnen einst alles bedeutet hat und für den sie Nacht für Nacht auf den Straßen für die Sicherheit der Bewohner gekämpft haben. Allein das sie noch leben, um diese Gefühle hier an diesem Ort zu haben, grenzt an ein Wunder, das lange Zeit mit dem Schicksal gerungen hat. Auch nach über zehn Jahren und getrübt von all den Trümmern, finden sie noch sicher ihren Weg, als wären sie erst gestern zum letzten Mal hier entlanggegangen. Die vielen zerstörten Gebäude und die karge, verschneite Landschaft stimmt sie sehr traurig. Scheinbar hat sich niemand die Mühe gemacht, die einst so berauschende Stadt wiederaufzubauen, wie sie es endlose Meilen entfernt in einer anderen Stadt getan haben. Aber vielleicht haben hier, im Zentrum des Krieges, gar keine Menschen überlebt, die sie wiederaufbauen konnten? Doch daran mag keiner von ihnen denken. Wahrscheinlicher ist, dass die Bewohner sich einen anderen Platz zum Leben gesucht haben und Manhattan aufgaben. Langsam setzen die drei Männer ihren Weg fort. Angeführt werden sie dabei von einem schwarzhaarigen Schwertträger. Sein langer Ledermantel flattert im leichten Wind. Seine strengen Augen sondieren die Umgebung nach möglichen Gefahren. Um seine Stirn schmiegt sich ein langes, blaues Band, das in besseren Tagen seine Augen bedeckte wie eine Maske. Nun, da der Krieger in ihm in der letzten Schlacht gefallen ist, dient es einzig und allein dazu, seine schulterlangen Haare aus seiner Sicht zu halten. Als der Wind erneut seinen Mantel in Bewegung versetzt, sieht man deutlich wie der Krieg ihn gezeichnet hat. Auf der Mitte seiner Brust glüht ein grünes Licht, von der Größe eines Untertellers. Es wirkt unglaublich futuristisch, erinnert es einen doch an einen längst vergessenen Comichelden. Und ganz ähnlich wie bei Toni Stark, ersetzt auch dieses Leuchten das Herz des ehemaligen Schildkrötenkriegers. Als vor all den Jahren ein aufstrebender Schwertkämpfer namens Leonardo von Baxters Stockmans Strahlenkanone getroffen wurde, hat er das Ganze zwar überlebt, doch sein Herz wurde immer schwächer, bis es schließlich seinen Dienst versagte und durch diese batterieähnliche Vorrichtung ersetzt werden musste, die mit Hilfe von Sonnenenergie eine Art Herzschlag produziert. Dicht hinter ihm stützt sich ein alter Mann tief auf seinen Stock. Seine Schritte sind müde und vorsichtig. Von seiner einstigen Kampfkunst scheint nichts mehr sichtbar zu sein. Die lange Reise, die Flucht und die schrecklichen Dinge, die er seit dem Krieg sehen und ertragen musste, haben ihn schwer gezeichnet. Sein Haar ist vollständig ergraut, jede seiner Bewegungen scheint wohlüberlegt zu sein und seine trüben Augen wirken hinter den dicken Brillengläsern so traurig, als würde er die Last der ganzen Welt auf den Schultern tragen. Der dritte Mann legt ihm stützend die linke Hand um die Schulter und führt ihn langsam um einen großen Trümmerberg herum. Beim Anblick seiner Hand wird einem klar, dass der Krieg beim ihm ebenfalls seine Zeichen gesetzt hat. Auch Donatello wurde damals von Baxters Strahlenkanone getroffen und hat dabei seinen linken Arm einbüßen müssen. An seine Stelle ist nun ein mechanischer Arm getreten, dessen metallische Oberfläche sanft im schwachen Sonnenlicht glänzt. Da er Linkshänder ist, brach damals die Welt für ihn ein weiteres Mal zusammen, da er fürchtete niemals wieder eine Erfindung bauen zu können. Dennoch ist es ihm trotz aller Schwierigkeiten gelungen, seinem älteren Bruder das Leben zu retten. Den Preis dafür bezahlte er mit seinem eigenen Arm. Es gelang ihm auch dieses Problem mit Hilfe der überlebenden Bevölkerung Brasiliens zu lösen. Allerdings tut er sich immer noch schwer mit seinem neuen Körperteil. Durch den Krieg ging vieles zu Bruch, was ihm besser hätte helfen können, aber er bleibt standhaft und versucht mit den Macken seines Roboarms zu leben. Und vielleicht besteht ja die Möglichkeit irgendwann etwas Besseres zu finden, um die minimalistische Konstruktion zu verbessern? Gemächlich erreichen sie die Straße, in der sie einst alle so glücklich gelebt haben. Die Verwüstung stimmt sie ein weiteres Mal tieftraurig. Nichts ist mehr dort, wo es einst gewesen ist. Außer in ihren Erinnerungen scheint es diesen Ort nie gegeben zu haben. Schließlich erreichen sie den Platz, an dem vor so langer Zeit ihr Dojo gestanden hat. Fassungslos betrachten die den Haufen Trümmer und Asche, der unter dem tauenden Schnee sichtbar ist. Hilflos rinnen Splinter Tränen über die Wangen. Alles, was er sich mit so viel Mühe aufgebaut hat, ist zerstört. Ungeschickt nimmt Donnie seinen Ziehvater in die Arme und wendet den Blick von ihrer Vergangenheit ab. Einzig Leo verweilt mit seinen Augen auf den Trümmern. Mit geballten Fäusten kämpft er mit seinen Gefühlen. Er versucht sie zu unterdrücken, als er spürt wie ein leichtes Stechen sich in einem Brustkorb bemerkbar macht. Sein neues Herz hält ihn zwar am Leben, doch wie Donnies Arm ist auch es nicht perfekt. Bei Anstrengung oder heftigen Gefühlen fällt es ihm schwer seinem Besitzer genügend zu versorgen. Als er merkt, wie ihm das Atmen immer schwerer fällt, schließt er die Augen, um seinen Geist zu ordnen. Langsam lässt das Ziehen nach und das Luftholen geht wieder leichter. Mit schweren Schritten nähert sich der einstige Leader den Trümmern. Sie wirken anders, als die zerstörten Gebäude nebenan. Kein anderes Haus scheint in Flammen aufgegangen zu sein. Nachdenklich streicht er mit den Fingern durch die kalte Asche. Kann es sein, dass ihr Zuhause absichtlich angesteckt wurde? Haben Shredders Leute nur gewartet, bis sie in die Schlacht ziehen und dann ihr Dojo niedergebrannt? Oder geschah dies erst nach dem Krieg? Hat Shredder vielleicht sogar überlebt und es als letzten Akt der Genugtuung und des Sieges über seine ewigen Feinde getan? Wie immer es auch gewesen sein mag, nun ist alles vernichtet, was ihnen etwas bedeutet hat und sie müssen weiterziehen und einen anderen Platz zum Leben finden. Eigentlich haben sie sich so etwas schon gedacht. Warum sollte auch ihr Haus im Krieg verschont geblieben sein, wo ihre Fehde mit dem Tyrannen doch den Krieg erst in Gang gesetzt hat? Sie wollten nur noch ein letztes Mal diesen Ort sehen, vielleicht irgendetwas retten und dann weiterziehen. Allerdings gibt es hier nicht mehr zu retten, also werden sie ihren Weg fortsetzten müssen und sehen, wo sie vielleicht noch anderen Menschen helfen können. Mit einem tiefen Seufzen wendet sich Leo zu den Überlebenden seiner Familie um und gemeinsam machen sie sich wieder auf den Weg. Es ist schon Mittag und sie müssen sich noch einen Platz für die Nacht suchen. Ein Blick über die zerstörte Stadt verrät ihnen jedoch, dass dies nicht gerade leicht werden wird. Kein einziges Haus scheint Shredders Bombardement verschont geblieben zu sein. Vielleicht haben sie aber auf der anderen Seite der Brücke mehr Glück. Nach und nach bahnen sie sich ihren Weg durch das Gerippe der Stadt. An jeder Ecke werden sie von heftigen Erinnerungen eingenommen und müssen gezwungenermaßen eine Rast einlegen, um sich wieder zu beruhigen. Dadurch kommen sie nur sehr langsam voran und die Chance einen Unterschlupf bis Sonnenuntergang zu finden, wird mit jeder Pause geringer. Immer mehr kommen sie zu dem Schluss, dass die ehemaligen Bewohner an einen anderen Ort gewechselt sind, scheint doch nichts auf Menschen hinzudeuten. Dennoch wirkt es an einigen Stellen so, als hätten die Leute versucht aufzuräumen oder ihre letzten Habseligkeiten aus den Trümmern zu fischen. Doch selbst wenn dem so ist, ist dies wahrscheinlich schon viele Jahre her. Dann jedoch bleibt Leonardo abrupt stehen. Splinter und Donnie stoßen sogar fast gegen ihn. „Was ist los? Warum bleibst du einfach mitten auf dem Weg stehen?“, fordert der Stabträger zu wissen. Dabei klingt er eher verärgert, als verschreckt, wie wenn eine Gefahr drohen würde. „Fußspuren.“, ist das einzige Wort, welches Leo ihm zu teil werden lässt. Sie haben schon etliche Spuren gesehen, ohne das der Ältere so ein Theater gemacht hat, aber die stammten auch alle von irgendwelchen Tieren. Der Schwertträger geht in die Hocke und betrachtet die Spuren genauer, während Splinter und Donnie sich neben ihn stellen. Es handelt sich tatsächlich um die Spuren von Menschen, oder zumindest einem Menschen. Sie wirken noch sehr frisch, vielleicht befindet sich die Person ja noch hier ganz in der Nähe? Stellt sich die Frage, ob sie freundlich gesinnt ist oder nicht? Zumindest sollten sie erst mal vorsichtig sein. Also macht Leo den Späher und geht hinter einem Haufen Trümmer weiter vorne in Deckung, um sich einen Überblick zu verschaffen. Donnie und Splinter folgen ihm auf sein Zeichen hin und ducken sich, um nicht gesehen zu werden. Mit geschultem Blick sondiert der Schwertkämpfer die Umgebung nach möglichen Bewegungen. Bei all dem Eis und Schnee sollte es eigentlich einfach sein, jemanden zu entdecken. Doch wer nicht gesehen werden will, findet auch einen Weg, sich zu verstecken. In einiger Entfernung erblickt Leonardo noch weitere Spuren des Unbekannten und richtet seine Beobachtung in diese Richtung aus. Dabei hofft er inständig, dass es sich wirklich nur um eine Person handelt und sie nicht hinterrücks von weiteren beobachtet werden. Sie haben sich zwar eine geschützte Stelle ausgesucht, doch immerhin sind sie nicht gerade in Deckung hierhergekommen. Jeder, der wollte, hätte sie bei ihrem Eintreffen sehen und sich jetzt auf die Lauer legen können. Leo könnte sich für diese Nachlässigkeit selbst rügen, doch immerhin wirkte die Stadt so verlassen, dass er sich davon täuschen ließ. Jetzt kann er nur hoffen, dass ihnen das nicht zum Verhängnis wird. Angestrengt suchen seine Augen weiterhin die Gegend ab, bis sie eine Straße weiter eine Silhouette entdecken. „Da hinten ist jemand…“, teilt er den anderen leise mit und nimmt dann seine Beobachtung wieder auf. Vorsichtig linst Donatello über den Schuttberg hinweg, in die Richtung, die Leo anvisiert. Dort ist wirklich jemand. Aus der Ferne wirkt die Person sehr zierlich, vielleicht ist es sogar eine Frau? Jedenfalls trägt die Gestalt trotz der Kälte sehr enganliegende Sachen. Ist es möglicherweise ein Ninja? Auf die Entfernung ist das unmöglich zu sagen, doch die Bewegungen wirken sicher und bedacht. Allerdings steht die Person mit dem Rücken zu ihnen, sodass alles andere nur Vermutungen sind. Die unbekannte Gestalt bewegt sich scheinbar suchend durch die Berge aus Trümmern und Schutt. Aber was könnte sie bloß suchen? Fragend blicken sich die beiden Brüder an und berichten Splinter von ihren Beobachtungen. Dann schauen sie weiter zu. Die Person nähert sich den Resten eines Gebäudes, von dem noch der Großteil des ersten Stocks steht. Scheinbar will sie die Zwischendecke als Aussichtspunkt nutzen, vielleicht um ihre Gefährten wiederzufinden oder zu sehen, wo sich die Suche mehr lohnen würde. Mit zwei geschickten Sprüngen erklimmt die Person den ersten Stock und stellt sich in die Mitte der Zwischendecke. Wieder blicken sich Donnie und Leo an. Die Bewegungen des Unbekannten wirken doch sehr trainiert. Vielleicht handelt es sich wirklich um einen Ninja? Sorge schlägt sich in ihren Gesichtern nieder. Normalerweise sind Ninjas ja auch nicht allein unterwegs, also könnte eine ganze Truppe hier irgendwo lauern. Aber nirgends ist etwas zu sehen. Die Gestalt blickt sich suchend um, vielleicht wurde sie von den anderen getrennt? Dann erfüllt plötzlich ein merkwürdiges Knacken die kalte Luft. Es wird immer lauter, dann ein ohrenbetäubendes Krachen und die Zwischendecke bricht ruckartig in sich zusammen und stürzt samt des Unbekannten ins Erdgeschoss. Ein überraschter Schrei ist alles was noch zu hören ist, dann ist die Luft von Staub und Schnee verschleiert. Erschrocken sehen sich die beiden Hamatos an. Für Leonardo ist die Sache klar, er muss dort hin und nachsehen, ob die Person noch lebt, ganz egal wie viele andere hier noch in der Nähe sein könnten. Entschlossen springt er auf. „Ihr wartet hier!“, weist er die beiden anderen an und huscht auch schon los. Nervös verfolgt Donatello seine Bewegungen und behält gleichzeitig die Umgebung nach anderen Leuten im Auge. Vorsichtig und doch schnell überwindet Leonardo die Distanz zur Unglücksstelle und taucht in die anhaltende Staubwolke ein. Unruhig wartet Donnie darauf endlich wieder freie Sicht zu haben, doch in der kalten Luft hält sich der Dreck hartnäckig. Auch Leo kommt nur mühsam in den dichten Schwebeteilchen zurecht. Er presst sich ein Taschentuch auf Mund und Nase, um möglichst wenig von dem Zeug einzuatmen, dann erreicht er den Rest des Gebäudes. Es sah ja vorher schon nicht unbedingt stabil aus, doch jetzt wirkt es, als würde es jeden Moment noch weiter zusammenbrechen. „Ich muss mich beeilen…“, flüstert er sich selbst zu und klettert vorsichtig über die Trümmer. Nur allzu deutlich spürt er, wie die ganze Konstruktion unter seinem Gewicht in Bewegung versetzt wird und hier und da weitere Betonbrocken abrutschen. „Mist…“ Dann endlich legt sich der Staub soweit, dass er das Taschentuch weglegen und das Loch entdecken kann, durch das der Unbekannte gestürzt ist. Der Rand ist mehr als instabil. Da Leo nicht riskieren will, dass weitere Brocken abbrechen und den Unglücklichen treffen, setzt er zum Sprung durch die Öffnung an und hofft, an einer sicheren Stelle zu landen. Der Schwertkämpfer landet etwas ungelenk auf einem Haufen Trümmer und rutscht zum Boden. Keine zwei Meter neben ihm liegt der Unbekannte. Im Halbdunkeln der Ruine kann Leo nicht viel erkennen, doch dafür hat er auch nicht wirklich Zeit. Seine Anwesenheit hat den ganzen Aufbau erneut in Bewegung versetzt. Und schon hört er wieder das verdächtige Schaben und Bröckeln herabstürzender Trümmer. Sie müssen hier definitiv schnell wieder raus! Also schnappt sich Leonardo die hoffentlich nur bewusstlose Gestalt und nimmt dann die Beine in die Hand. Er hat Glück, dass ganz in der Nähe eine Fensterausbuchtung noch nicht zugeschüttet wurde und diese benutzt er als Fluchtweg. Wie sich herausstellt, gerade noch rechtzeitig. Kaum das er seine Füße auf festem Boden hat, bricht das ganze Gebäude hinter ihm endgültig zusammen. In letzter Minute gelingt es ihm noch, den herabfallenden Betonbrocken auszuweichen. Panisch beobachtet Donatello das Ganze aus sicherer Entfernung. Für ihn hat sich der Staub noch nicht weit genug aufgelöst, als dass er etwas hätte erkennen können, als das ganze Ding auch schon mit lautem Krachen in sich zusammenbricht. Mit jagendem Herzen und angehaltenem Atem starrt er fassungslos auf die neue Staubwolke, die sich meterhoch in den winterkalten Himmel erhebt. „Leo…?“ Splinter sitzt nicht weniger hilflos neben ihm und betet um das Leben seines Sohnes. Da taucht plötzlich ein Schatten in der Staubwand auf. Es ist Leonardo und auf seinen Armen der Verunglückte! Donnie und Yoshi fällt ein Stein vom Herzen, doch Leo wirkt nicht sonderlich fit. Kaum, dass er die Staubwolke verlassen hat, sinkt er schwerfällig auf die Knie und ringt nach Luft. Die Anstrengung steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Die Flucht vor den Trümmern war scheinbar zu viel für sein künstliches Herz. „Oh Gott, Leo!“, kommt es besorgt von Donnie, der auf ihn zugelaufen kommt. Krampfhaft greift sich Leonardo an die Brust und umklammert das kalte Glas, hinter dem Röhrchen und Drähte krampfhaft versuchen sauerstoffreiches Blut in seinen Körper zu pumpen. Schmerzverzerrt presst er die Augen zu und zittert leicht. Dann ist Donatello bei ihm. Vorsichtig legt er seinen Bruder auf den Boden und blickt durch das leuchtende Glas. Die Energieversorgung scheint immerhin in Ordnung, das bestätigt ihm das grüne Licht. Etwas unbeholfen öffnet Donnie das Glas mit der rechten Hand. Er will es nicht mit seiner Robohand machen, da er befürchtet in beiden Geräten vielleicht einen Kurzschluss zu verursachen, wenn gerade in dem Augenblick eine Störung seine künstliche Hand überkommt. Die Wahrscheinlichkeit so beide Geräte außer Betrieb zu setzen, ist zwar verschwindend gering, doch dieses Risiko kann er einfach nicht eingehen. So muss er sich bemühen, es mit Rechts zu machen. Sein geschulter Blick überfliegt den Wust aus Kabeln und Leitungen in Leos Brustkorb und schließlich entdeckt er einen Knick in einem Röhrchen, der den Bluttransport erschwert. Ganz langsam lässt er seine Finger in die enge Öffnung gleiten und tastet blind nach dem Fehler. Bei Leos plötzlicher Flucht muss er eine ungeschickte Bewegung gemacht und so die Leitung eingeklemmt haben. Kaum, dass der Knick beseitigt ist, beruhigt sich der überanstrengte Herzschlag und der Schwertkämpfer kann wieder schmerzfrei Atmen. Etwas erschöpft lächelt er seinem jüngeren Bruder zu. „Danke, Donnie…“ „Kein Problem, aber du hast uns eine Heidenangst eingejagt!“, mahnt ihn der Stabträger. Schuldbewusst senkt Leonardo den Blick und richtet sich langsam wieder auf. Er vergisst nur allzu gern sein Handy Cup. Inzwischen ist auch Splinter zu ihnen gestoßen und gemeinsam werfen sie nun endlich einen Blick auf den Unbekannten. Allerdings glauben sie ihren Augen nicht trauen zu können. Es ist, als würde der tiefe Wunsch ihre vermissten Brüder wiederzufinden, ihnen gerade weiß machen, dass Mikey dort bewusstlos vor ihnen liegt und er keinen Tag älter, als vor zehn Jahren ist. „Das kann doch nicht möglich sein…“, entkommt es Splinter, während er vorsichtig mit der Hand über die Wange des Jungen streicht. Nein, es kann wirklich nicht möglich sein, und doch scheint es dennoch wahr zu sein. Alle drei sehen dasselbe. Doch es muss einfach ein Irrtum sein. Selbst wenn Mikey tatsächlich noch am Leben ist, wäre er jetzt mindestens zehn Jahre älter und hätte nicht mehr das gleiche Kindergesicht wie damals. Es wirkt, als wären sie in der Zeit zurückgereist und in einer anderen Realität gelandet. Anders können sie sich nicht erklären, warum ihr geliebter Bruder und Sohn die Uniform eines Foot-Ninjas trägt. Als wäre die Tatsache, in diesem Jungen ihr vermisstes Familienmitglied zu sehen, nicht schon schwer genug, müssen sie dann auch noch annehmen, dass Shredder wirklich noch lebt? Diese unschöne Vermutung trifft sie alle sehr hart. Allzu lange können sie sich aber nicht in dieser Tragik verlieren, da wacht der Junge auch schon auf. Der Blonde gibt ein schmerzliches Stöhnen von sich und öffnet langsam die Augen. Ungelenk versucht er sich hinzusetzen und reibt sich den Kopf. Passiert scheint ihm nichts zu sein, mal abgesehen von ein paar blauen Flecken und einer Beule am Hinterkopf. „Oh, au – mein Kopf…“, wimmert er und reibt sich die anwachsende Beule. Schließlich merkt er, dass er gar nicht allein ist. „Oh…“ Mit großen Augen sieht er die Fremden vor sich an und entdeckt dann die Überreste des Gebäudes, auf dem er eben doch noch stand. Die Staubwolke hat sich inzwischen schon fast völlig verzogen, dennoch reicht sie dem Jungen als Antwort auf die brennende Frage, was eigentlich passiert ist. „Das ist ja dann gerade noch mal gutgegangen…“, wirft er daher in die Runde der drei Männer, die ihn überrascht anblicken. Diese Stimme. Sie gehört ganz eindeutig Mikey und diese blauen Hundeaugen würden sie überall wiedererkennen. Zudem stecken an seinem Gürtel zwei Nunchakus. Bei genauerem Betrachten entpuppt sich der Gürtel auch als Bandana. Ist es also wirklich Mikey? Leos Starre löst sich als erstes. Er räuspert sich verhalten. „Ja, da hast du wirklich Glück gehabt, Junge.“, erwidert er. Der Blonde schenkt ihm ein dankbares Lächeln, das dem Herzen des Leaders einen Stich versetzt. So lange hat er es nicht mehr gesehen und dennoch wirkt es jetzt irgendwie so fremd und distanziert und er widersteht nur knapp dem unbändigen Drang in sich, seinen Babybruder in seine Arme zu schließen. Den anderen geht es nicht anders. Wiedersehensfreude ist von Seiten des Nunchakuträgers scheinbar nicht zu erwarten. Doch so sehr haben sich die drei doch nicht verändert, dass er sie nicht wiedererkennen würde. Oder ist es vielleicht wirklich nicht Michelangelo, der dort vor ihnen sitzt? Die Ähnlichkeit ist beängstigend, doch allein der Altersunterschied kann einfach nicht stimmen. „Ihr seid nicht von hier, oder? Ich hab euch noch nie gesehen?“ Das beantwortet wohl die Frage der Wiedererkennung. Diesmal ist es jedoch Donnie, der sich zu Wort meldet. „Wir kommen aus Brasilien und haben dort geholfen, nach dem Krieg wieder alles aufzubauen. Doch eigentlich haben wir damals hier in der Nähe gewohnt und wollten jetzt wieder in unsere Heimat zurück. Doch wie es aussieht, ist hier niemand mehr, oder?“ „Brasilien? Man, dass ist aber weit weg von hier, alle Achtung! – Naja, wir haben uns hier auch ein bisschen am Wiederaufbau versucht, doch für die ganze Stadt hat es noch nicht gereicht. Aber wir wohnen auf zwei Inseln nicht weit von hier und da ist es richtig schön heimelig.“, berichtet der Blonde vergnügt. Nun meldet sich auch Splinter. „Wer sind denn ‚wir‘ und wo sind diese Inseln, von denen du gesprochen hast, mein Junge?“ Der Nunchakuträger schenkt ihm ein fröhliches Lächeln. „Wir, dass sind mein Meister und seine Ninja-Truppe und natürlich die Überlebenden des Krieges, die wir gesucht und in Sicherheit gebracht haben. Und die zwei Inseln befinden sich mitten im East River, etwa zehn Meilen von hier.“ Er deutet mit dem Finger in die Richtung, in der der Strand liegt, an dem die Hamatos damals ihre letzte Schlacht geschlagen haben. Nachdenklichkeit geht durch die drei Männer. Er sprach von seinem Meister und dessen Ninja-Trupp. Laut seiner Kleidung müsste dies der Foot-Clan sein und somit auch Shredder. Doch warum sollte sich der Tyrann die Mühe machen und Menschen um sich scharen, die den Krieg überlebt haben? Und wie ist es ihm gelungen, diesen Jungen darin zu involvieren, der ihrem Bruder so ähnlichsieht? Will er seinen Clan wiederaufbauen und jeden dazu verpflichten mitzumachen bei seiner Unterwerfung der Welt? Möglich wäre es. Die beiden Inseln im East River deuten ebenfalls auf Shredder hin, immerhin hatte er seinen geheimen Unterschlupf auf einer der Inseln. Die ganze Sache gefällt den Schildkrötenkriegern immer weniger, dennoch lassen sie sich nichts anmerken. „Das klingt doch gar nicht mal so übel. Wie heißt du denn, Kleiner?“, hakt Leo nun nach. „Oh, klar. Wie unhöflich von mir. Ich bin Michael und wie heißt ihr?“, grinst der Blonde sie an und reicht ihnen die Hand. Er wirkt so unschuldig und freundlich wie ihr Bruder und doch passt es nicht zu Philosophie der Foot. Selbst die Namen sind ähnlich, obwohl Mikey diesen Spitznamen immer gehasst hat. Kann es wirklich so viele Zufälle geben? Nacheinander schütteln sie sich die Hände und Donnie übernimmt das Antworten. Falls das Ganze wirklich etwas mit Shredder zu tun hat, wäre es keine gute Idee ihm zu sagen, wer sie wirklich sind. „Ich bin Dominique, das ist Lennard und das unser Vater Joshua. Freut uns sehr.“ „Meinst du, bei euch wäre noch ein bisschen Platz für drei Reisende, um die Nacht zu verbringen?“, will Splinter nun wissen. Wenn Shredder noch lebt, steht viel auf dem Spiel und daher sollten sie auch so viel wie möglich rausbekommen. Zu dritt werden sie zwar überhaupt keine Chance gegen eine Armee Foot-Ninja haben, aber ihnen fällt sicher etwas Anderes ein. „Klar, wir haben sehr viel Platz und ihr könnt auch gern länger bleiben, Leute. Folgt mir einfach, es ist nicht allzu weit.“ Aufgeregt springt der Junge auf. Dass er vor weniger als 20 Minuten noch ohnmächtig in einem zusammenstürzenden Haus gelegen hat, merkt man ihm überhaupt nicht an. Die drei Männer tauschen ein paar Blicke aus und erheben sich dann ebenfalls. Langsam machen sie sich auf den Weg, folgen einem Jungen, der ihrem Mikey so schrecklich ähnlichsieht, zu einem Ort, der von ihrem schlimmsten Feind bewohnt werden könnte. Doch was bleibt ihnen anderes übrig? Nach einer Weile erreichen sie den niedergebrannten Park, indem ihr Schicksal einst besiegelt werden sollte. Trotz des langsam tauenden Schnees, ist deutlich zu erkennen, dass die Natur sich ihren Platz wiedererobert hat. Wo einst ein Strand zum Wasser hinunterführte, stehen nun Bäume und Büsche in Winterruhe und alles wirkt unglaublich friedlich. Schließlich betreten sie den stillgelegten U-Bahnhof, dessen geheimer Tunnel das Festland mit den Inseln verbindet und es Schredder ermöglicht hat, heimlich an Land zu gehen. Die Turtles hatten zwar irgendwann herausgefunden, dass der Tyrann auf einer der Inseln haust, doch nicht wie es ihm unbemerkt gelingt, an Land zu kommen. Jetzt wissen sie es und schämen sich, dass sie etwas so Offensichtliches übersehen haben. Langsam gehen sie durch den Verbindungstunnel Richtung South Brother Island. Michael erzählt ihnen unterwegs, dass sie sein Meister dort in Empfang nehmen wird und man sie untersucht und sie dann auf der Nachbarinsel ein Zimmer beziehen können. Sie gehen den ganzen Weg zu Fuß, doch auf dem Boden verlaufen Schienen, die den Männern klarmachen, wie es Shredder gelungen ist, sein ganzes Material zu transportieren. Dann endet der Tunnel, eine Dräsine steht auf den Schienen bereit. Doch was hinter ihr steht, verschlägt den Turtles abermals die Sprache. Es ist ihr alter Shellraiser! Er hat den Krieg scheinbar heil überstanden und rostet hier unten jetzt als Kriegsbeute vor sich hin. Donnie kämpft hart mit sich, um diese Tatsache zu verkraften. Er hat all sein Können und sein Herzblut in diesen Wagen gesteckt und jetzt das. Tröstend legt Leo ihm einem Arm um die Schulter. Dann betreten sie eine Art Treppenhaus und gehen anschließend einen Flur entlang, an dessen Ende sich, laut Michael, der sogenannte Thronsaal befindet, indem sich sein Meister aufhält. Der Flur wirkt düster, nahezu erdrückend, was auch kein Wunder ist, immerhin befinden sie sich metertief unter der Erde und hier gibt es nur spärliche Lampen, die den Weg gerade soweit erhellen, dass man nicht stürzt. Etwas Anderes haben sie unter Shredder aber auch gar nicht erwartet. Der Thronsaal ist von einer riesigen Tür verschlossen, die so einschüchternd wirkt, wie man es sich gar nicht vorstellen kann. Auf ihrem dunklen Holz prangert gebieterisch des Foot-Symbol, wie das Zeichen einer antiken Zivilisation. Alles in den drei Hamatos weigert sich dagegen, diesen Raum zu betreten und wohlmöglich dem Mann gegenüber zu stehen, der ihr ganzes Leben und das so vieler anderer Menschen zerstört hat. Doch sie müssen sich Gewissheit verschaffen! Nachdem er geklopft hat, öffnet Michael die schwere Tür und geht hinein. Unsicher folgen ihm die drei, jederzeit zum Angriff bereit. Der Saal ist unglaublich groß und wird dominiert von dem Foot-Logo, das einem von jeder Wand entgegen zu springen scheint, als könnte man beim Eintreten vergessen haben, dass es an der Tür zu sehen war. Auf der einen Seite des Saals befindet sich eine riesige Scheibe, mit der man in einen anderen Raum blicken kann, indem gerade die Foot ihr Training abzuhalten scheinen. In der Mitte des gewaltigen Raumes steht dann der Thron. Auf ihm sitzt eine Gestalt im Halbschatten der Lampen. „Meister Shredder, ich bringe euch drei Reisende, die die Nacht hier verbringen wollen.“, berichtet Michael und geht dabei vor der Gestalt auf dem Thron auf die Knie. Shredder! Ihre schlimmsten Befürchtungen haben sich also bestätigt! Doch die drei versuchen sich nichts anmerken zu lassen, haben ihre Hände aber dennoch an ihren Waffen. Tief und düster erklingt die Stimme des Tyrannen und erfüllt den Raum. „Müde Reisende? – Nein! Bekannte Gesichter auf deren Rückkehr ich so lange hab warten müssen und es doch nie für möglich hielt!“ Langsam erhebt sich die Gestalt vom Thron und tritt ins Licht. Es ist unzweifelhaft Shredder in seiner furchterregenden Krallenrüstung. Sie wirkt irgendwie anders und auch die Stimme Sakis scheint im Laufe der Jahre eine Veränderung durchgemacht zu haben. Doch seine Worte wirken keinesfalls erfreut. Er hat sie erkannt und was wird er nun mit ihnen machen? Sie augenblicklich hinrichten lassen? Noch befinden sich keine anderen Ninja im Raum, oder sie haben sich verdammt gut versteckt. Die Anspannung steht den dreien förmlich ins Gesicht geschrieben. Dann hebt Shredder die Hände und zieht sich den Kabuto vom Kopf. Eine Geste, die die Turtles von ihrem ehemaligen Widersacher nicht erwartet hätten. Doch der Mann, der unter dem Helm zum Vorschein kommt, ist nicht Shredder – nicht Oroku Saki. Nein, es ist allenfalls ein Shredder und sein Name ist Raphael Hamato! Vor ihnen steht tatsächlich ihr totgeglaubter Bruder und spielt den Herrscher dieser zerstörten Welt. Die Fassungslosigkeit der drei kennt keine Grenzen. „Hallo Leo, schön euch wiederzusehen…“ Er schenkt ihnen ein eher wütendes Lächeln und in seinem einsamen Auge funkelt nicht gerade die Freude, die man nach so langer Zeit erwarten würde… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)