This Is Called Love von Shunya (Kurzgeschichten Sammlung) ================================================================================ Kapitel 5: Hunted ----------------- „Bleib nicht stehen!ˮ, ruft er mir zu und zerrt mich unnachgiebig hinter sich her. Ich kriege kaum Luft. Meine Lungen brennen und meine Beine schmerzen. Wir rennen kreuz und quer durch die Stadt und werden sie einfach nicht los. Ein Blick zurück. Da kommen sie schon um die Ecke. Ich keuche und habe seit drei Straßenblocks Seitenstechen. Ich bekomme meine Atmung nicht mehr unter Kontrolle. Es schmerzt höllisch. Unsere Schuhe klackern auf dem Asphalt. Jetzt nur nicht schlapp machen, Haruki. Liam zieht mich ohne Erbarmen hinter sich her. Im Gegensatz zu mir scheint er noch fit zu sein. Er wendet abrupt in eine Seitengasse ab und beinahe pralle ich an die Ecke des Gebäudes an dessen Außenmauer wir entlang gelaufen sind. Die Gasse ist gerade mal so breit, dass zwei Leute nebeneinander hergehen könnten. Überall liegt Müll, zerbrochenes Glas und Müllsäcke, die teilweise von den Tieren zerfetzt worden sind. Eine Katze rennt uns fauchend aus dem Weg. Ich lausche meinem eigenen abgehackten Atemzügen. Wir rennen durch die Gasse und gelangen in eine Nebenstraße. Passanten weichen uns überrascht aus als wir an ihnen vorbeirennen und beinahe in sie hineinlaufen. „Liam!ˮ, rufe ich erschöpft. „Ich kann nicht mehr...!ˮ „Mach mir jetzt nicht schlapp! Wir müssen es nur bis zum Hafen schaffen! Wenn wir die Fähre noch kriegen haben wir es geschafft!ˮ, brüllt er mir zu ohne mich dabei anzusehen. Sagt sich so leicht. Ich kann wirklich nicht mehr laufen. Mir tut alles weh. Meine Kehle ist trocken und tut weh. Der Wind brennt in meinen Augen und bringt sie zum Tränen. Wieso ist diese Straße nur so verdammt lang? Ich hoffe, Liam weiß wo wir hinlaufen müssen. Mein Blick irrt unstet umher. Keine Ahnung wo wir hier sind. In dieser Gegend der Stadt war ich noch nie. Ich werfe noch einmal einen flüchtigen Blick über die Schulter zurück. Sie kommen gerade aus der Gasse. Noch immer werden wir verfolgt und werden diese Wachhunde einfach nicht los. Wieso musste Liam mich nur da reinziehen? Diese Typen kriegen uns noch. Die werden uns erschießen! Liam zerrt mich auf einmal mitten auf die Straße. „Hey, was soll das?ˮ, frage ich panisch. Wir sprinten auf die andere Straßenseite, springen auf den Bürgersteig und stürmen direkt auf eine Lagerhalle zu, deren Tor nur halb herunter gelassen worden ist. Da drüber ist ein Schild mit einem Fischlogo. Liam beugt sich herunter und verschwindet unter dem Tor. Ich tue es ihm gleich ohne seine Hand loszulassen. Nie im Leben würde ich loslassen. Wir laufen weiter und sehen uns um. Der beißende Geruch von Fisch steigt mir sofort in die Nase. Auf der anderen Seite ist alles offen für die Ladungen von LKWs. So langsam habe ich das Gefühl, dass Liam schon mal hier gewesen ist. Hinter einem Stapel Kisten hocken wir uns hin. Ich schnappe nach Luft wie ein Fisch an Land. Liam drückt mir seine Hand auf den Mund. „Shht!ˮ Er hält sich den Zeigefinger vor die Lippen. Mit großen Augen sehe ich ihn an und nicke. Ich kauere mich dicht neben ihn und werde an seine Brust gedrückt, als er mir den Arm umlegt und mich eng an sich zieht. Ich lehne meine Stirn an sein Schlüsselbein und schließe die Augen. Ein atmen und aus atmen. Leichter gedacht als getan. Ich atme durch die Nase. Meine Finger krallen sich in seine enganliegende schwarze Lederjacke. Sie ist ganz kalt. Er hat den Job vermasselt. Jetzt sind sie hinter uns her. Dass wir uns ineinander verlieben hätte wohl keiner von uns beiden geahnt, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Er hätte mich töten sollen. Hat er aber nicht und jetzt stecken wir in diesem Dilemma! Liam existiert nicht. Er ist nirgendwo registriert und trägt lediglich ein paar gefälschte Ausweise bei sich. Sein Leben lang hat er Menschen umgebracht und dieser eine Moment, der in dem er mich am Leben gelassen hat, hat alles infrage gestellt. Jetzt muss er beseitigt werden und wenn sie mich ebenfalls erwischen schlagen sie zwei Fliegen mit einer Klappe. Dann wäre alles wieder im Lot. Deswegen müssen wir die Fähre erwischen. Wir müssen runter von der Insel auf der wir uns bisher versteckt haben. Auch dies war kein geeigneter Ort um unterzutauchen. Sie werden uns finden. Immer wieder. Bis sie uns endlich haben. Bis wir tot sind werden sie uns verfolgen und jagen. Ich sehe zu Liam auf. Seine dunkelblonden Haare hängen ihm ins Gesicht. Als er mich ansieht blicke ich in seine klaren hellblauen Augen. Er küsst mich flüchtig und eindringlich auf die Lippen. Dann hören wir Schritte. Sie sind hier und durchsuchen die große Lagerhalle. Dank dem lauten Echo kann ich kaum zuordnen wo sie sich gerade befinden. „Geht's wieder?ˮ, flüstert Liam mir ins Ohr. Ich nicke, obwohl ich total erschöpft bin. Wir müssen weiter und sie endlich loswerden. Leise schleichen wir uns an den hochgestapelten, einfarbigen Kisten vorbei. Zwischen zwei Kistenstapeln kann ich sie flüchtig sehen. Alle drei Männer sind bewaffnet. Sie suchen alles ab. Liam schleust mich durch die Halle. Beim letzten Stapel halten wir an. Für einen Moment sind wir ohne Deckung, wenn wir durch das Tor nach draußen rennen. Wir müssen es wagen, ob wir wollen oder nicht. Liam sieht zu mir und drückt meine Hand fest in seiner. Ich nicke. Mein Puls rast und mein Herz schlägt heftig in meiner Brust. Das Signalhorn der Fähre ertönt aus der Ferne. Scheiße, ob wir das noch schaffen? „Jetzt oder nie!ˮ, flüstert Liam und wirft kurz einen Blick in die Halle. Dann rennt er los. Ich folge ihm und wage es nicht zurückzusehen. „Da sind sie!ˮ „Los, schieß!ˮ Die Pistolen klingen wahnsinnig laut in meinen Ohren. Wie ein Kanonenfeuer schießen die Kugeln an uns vorbei. Bis Liam aufschreit. Ich sehe wie er sich während des Rennens ans Brein greift. „Liam!ˮ „Keine Sorge, nur ein Streifschuss!ˮ, brüllt er und hetzt weiter. Er beginnt zu humpeln, verringert jedoch kaum das Tempo. Es muss extrem schmerzen. Wir laufen um einen weißen Lastwagen herum. „Los, los! Ihnen nach!ˮ, ruft einer der Männer. Ich höre ihre Schritte und eine Gänsehaut überrint meinen Körper. Dieses Gefühl gejagt zu werden ist furchtbar. Ich will einfach nur weg. Nur weg von hier. „Da vorne ist der Hafen, Haruki!ˮ Energisch schleift Liam mich hinter sich her. Eine frische Meeresbrise schlägt mir ins Gesicht. Es schmeckt salzig auf meiner Zunge. Nur noch ein Stück. Bitte, wir müssen es schaffen. Bitte, bitte, bitte... Diesmal laufen wir schräg über das Hafengelände, nur um hinter einer weiteren Lagerhalle zu verschwinden und somit sind wir den Männern für ein paar Sekunden aus ihrem Sichtfeld entkommen. „Da hinten ist die Fähre!ˮ, rufe ich und als würde dieser Anblick meine Lebensgeister wecken, laufe ich schneller. Ich bekomme neue Energie und bin beinahe gleichauf mit Liam. Ich halte seine Hand fest mit meinen Fingern umschlungen. Seine Verletzung macht ihm zu schaffen. Er wird langsamer. „Halte durch! Wir sind fast da!ˮ, rede ich energisch auf ihn ein. Am Pier hetzen wir vorbei an Schiffen, die hier angelegt haben. Die Fähre befindet sich noch an Ort und Stelle. Passagiere betreten sie und Autos werden verladen. Gleich sind wir da. Nur noch ein Stück. Hoffentlich fährt sie nicht ohne uns los. Panik kriecht mir durch Mark und Bein. Was sollen wir machen, wenn wir sie nicht mehr erwischen? Wenn sie vor unseren Augen ablegt? „Schneller, Liam! Schneller!ˮ Wir hasten den Pier entlang. Hinter uns erklingen wieder Schüsse, aber sie sind zu weit entfernt und wahrscheinlich sind die Männer mittlerweile genauso erschöpft wie wir. Es sind nur noch 50 Meter, die uns trennen als die Laderampe der Fähre hochgefahren wird. „Nein, halt! Wir müssen noch mit!ˮ, brülle ich was meine Lungen hergeben. Sie hören uns nicht. „Fahrt nicht ab! Halt! Wartet!ˮ Ich sehe panisch zu Liam. Was jetzt? „Nicht anhalten! Renn weiter!ˮ, fordert er mich auf. Gehetzt sehe ich zum Schiff. Scheiße, das ist doch wohl nicht sein ernst?! Noch 30 Meter, 20 Meter, 10 Meter... Ich nehme das letzte Stück anlauf und dann lässt er meine Hand los. Wir springen. Unter uns das tiefe Wasser. Tosende Wellen schlagen an den Betonsteg. Liam ergreift das Ende der Laderampe. Entsetzt sehe ich ihn an. Meine Hände haben sie nur um Zentimeter verfehlt. Ich falle! Er reißt eine Hand runter und greift nach mir. Liam packt mich, noch ehe ich in das Wasser stürzen kann. Er hält mich am Handgelenk. Ich sehe zu ihm auf und versuche an der Unterseite der Rampe mit Händen und Füßen Halt zu finden. Immer wieder rutsche ich ab. Sein Griff an meiner Hand schmerzt. Ich trete gegen die Rampe und springe daran ab und nach oben. Endlich kann ich danach greifen. Liam lässt mich los und schiebt mich am Hintern über die Rampe. „Hey, was machen Sie da oben!ˮ, ruft ein Mann unter mir. Er trägt eine Schutzweste und sieht mich entgeistert an. Liam zieht sich an der Rampe hoch und schwingt sein Bein darüber. „Das ist lebensgefährlich!ˮ, brüllt der Mann uns an. Wir ignorieren ihn. Ich sehe noch einmal zurück. Die Männer stehen am Pier und sehen uns ratlos nach. Ich lasse mich runterfallen und gehe in die Knie, als ich auf dem harten Boden aufkomme. Erschöpft lasse ich mich zu Boden sinken und ringe nach Atem. „Was haben Sie sich nur dabei gedacht?!ˮ „Haruki...ˮ Liam kriecht auf mich zu und hält sich das angeschossene Bein. Ich ergreife sein Gesicht und küsse ihn fordernd. Er zieht mich in eine Umarmung und legt seinen Kopf auf meine Schulter. „Alles ist gut...ˮ, flüstert er keuchend. Ich spüre seinen Atem auf meinem Hals. Ich weiß er meint er nur gut, aber es wird nie so sein. Sie werden nicht aufhören uns zu suchen. Nicht solange Liam am Leben ist. Nicht solange er all ihre Geheimnisse ausplaudern kann. Ich klammere mich an ihn und schließe meine Augen. Jetzt für den Moment ist es aber tatsächlich gut. Für eine kurze Zeit sind wir in Sicherheit. Hier auf dem Meer können sie uns nichts antun. Wir sind in einer sicheren Zone. Und danach... Tja, wer weiß schon was danach kommt? „Ich bleib bei dir, was auch geschieht...ˮ, murmele ich matt und schlinge meine Arme um seinen Rücken. Ich lasse nicht los. Niemals! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)