Als wir Kinder waren von KarliHempel ================================================================================ Kapitel 5: Wissen ----------------- Als er in seinem Zimmer ankam zog er sich das zerfetzte Shirt aus und besah sich den Schnitt. Erst jetzt bemerkte er, dass seine Finger zitterten. Er warf das Shirt in den Müll. Mit beiden Händen fuhr er sich durch die Haare und atmete tief ein. Er hatte keine Angst. Hatte sie den ganzen Abend nicht gehabt. Warum zitterte er jetzt? War es die Wut über den Gedanken, dass er unvorsichtig war? Er hatte den Mann im weißen Anzug unterschätzt. Ein Fehler, den er nie wieder begehen würde. Er zog sich eine dünne Sporthose und ein neues Shirt an und ging in ihren Trainingsraum. Er hatte nicht die Ruhe sich mit seinem Bokken zu beschäftigen. Er holte sich die Schnurlosen Kopfhörer aus dem Schrank und ließ die Musik der Anlage über diese in seine Ohren drängen. Auf dem Laufband würde er sich etwas beruhigen. Mit weiten Joggingschritten begann er seinen Lauf, wurde jedoch zügig schneller. Die Musik schnitt ihn von seiner Umwelt ab. Er hörte seinen eigenen Atem in seinem Körper. Ayas Gedanken liefen zurück zu dem Vorfall auf dem Dach. Seine Augen wurden schmaler. Er war sich sicher mit dem was er gesagt hatte. Der Wahnsinn war diesem Verrücken aus den Augen gesprungen und doch … Er wusste einfach, dass dieser Mann, Schuldig war sein Name, es nicht bis zum Äußersten getrieben hätte. Er konnte es sich selbst nicht erklären, doch er hatte es einfach gewusst. Er wusste er war sicher. Zumindest einige Körperstellen. Auch wusste er einfach, dass er diesen Abend überleben würde. Kurz hatte er den Gedanken gehabt, diesen Mann zu kennen. Und auch in diesem Gedanken war er sich sehr sicher gewesen. Für einen Augenblick schien er zu wissen, wer dieser breit grinsende Kerl war, wer er wirklich war. Er schüttelte den Kopf über diesen Gedanken. Wie konnte man nur glauben etwas über einen Fremden zu wissen? War er so leichtsinnig geworden? Er wusste doch genau, wie gefährlich Leichtsinnigkeit in diesem Job sein konnte. Natürlich hätte dieser Abend sein Letzter sein können. Aya begann sich über sich selbst zu ärgern. Vielleicht hatte man ihn auf dem Dach manipuliert. Irgendwie. Ja, so musste es sein. Er war nie leichtsinnig. Gut. Vielleicht hin und wieder, wenn er Takatori vor sein Schwert bekommen konnte. Aber er würde niemals sein Leben an einen Handlanger Takatoris verschwenden. Er spürte, wie er zu schwitzen begann und kleine Tropfen an seiner Wirbelsäule entlang liefen. Eine Gänsehaut folgte ihnen nach und Aya beendete seinen Lauf. Gierig sog er die Luft in seine Lungen und setzte sich auf eine dünne Yogamatte. Seine Beine stellte er auf und legte seine Ellen auf die Knie. Er atmete noch einige male tief durch, ehe er sich die Flasche neben der Matte nahm und einen großen Schluck trank. In Gedanken schloss er die Flasche und drehte sie in seinen Händen. Die Ellen hatten ihren Platz wieder auf den Knien gefunden. Ein schmales Lächeln zog sich über seine Lippen. Dieses Sportgetränk hatte Ken ihm empfohlen. Wohl ein Geheimtipp unter Fußballern. Die Musik drängte sich ihm noch immer über die Kopfhörer in die Ohren. Aya selbst glaubte nicht an die Versprechen auf dem Etikett, die von mehr Vitalität und einem gesünderen Leben handelten, doch schmeckte ihm dieses Getränk. Wasser allein war auf die Dauer langweilig und Säfte klebten ihm zu sehr im Mund. Sein Atem hatte sich beruhigt und er erhob sich. Noch einen großen Schluck von dem farblosen Sportlergetränk und Aya verließ den Trainingsraum. Im Koneko war es bereits still geworden. Sein Blick suchte die Uhr und ein überraschtes Geräusch entfloh seiner Kehle. Es war bereits weit nach Mitternacht. Höchste Zeit um sich zu duschen und ins Bett zu fallen. Im Bad zog er sich die verschwitzte Kleidung vom Körper und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser entspannte ihn und gab ihm die nötige Bettschwere. Lieblos rieb er sich die Haare etwas trocken und ging in seiner Nachtwäsche ins Zimmer. Er sah auf das Shirt im Papierkorb und sah auf seine Hände. Das Zittern war vergangen. Den Grund für diese Unruhe in seinen Fingern hatte er jedoch nicht gefunden. Nun sollte es ihm auch gleichgültig sein. Bei ihrem nächsten Aufeinandertreffen würde er diesem Mann, der angeblich Gedanken lesen konnte, einfach den Garaus machen und all seine Probleme wären gelöst. Und das sie sich wiedersehen würden, dass wusste er ganz genau. Aya legte sich ins Bett und zog die Decke über seine Schulter. Er hatte Schuldig geglaubt,. Was er gesagt hatte. Das hieß er glaubte es ihm noch. Es hatte ihn nicht so sehr erstaunt zu hören, dass der Mann sich als Telepath bezeichnete, wie er es für normal hielt. Einmal mehr lief ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Er hätte sich doch über den geistigen Zustand dieses erwachsenen Menschen wundern müssen. Hatte er nicht. Er hatte es einfach hingenommen. Gleichwohl hätte Schuldig ihm sagen können, er könne Lesen und Schreiben. „Als wäre so eine Fähigkeit normal.“, murmelte er für sich und war schon halb im Schlaf versunken. Seine Zunge war schwer beim Sprechen und er unterband jeden weiteren Versuch sich zu artikulieren. Mit einem abschließenden Seufzen sank er in den Schlaf, der nach nur wenigen Stunden ruckartig beendet wurde. Aya fand sich in seinem Bett sitzend und wunderte sich. Er konnte sich nur schemenhaft an ein paar Bilder aus seinem Traum erinnern. Es war ganz sicher kein Alptraum. So etwas hatte er schon seit Jahren nicht mehr. Die Wirklichkeit war der größere Alptraum, fand er. Er hatte als kleines Kind unter einem Baum gesessen. Jemand saß neben ihm und er hatte das Gefühl, diesem Jungen vertrauen zu können. Ein seltenes Gefühl. Sie hatten geredet. Er schüttelte den Kopf und erhob sich. Er würde nicht mehr in den Schlaf finden. Zeit für einen schönen heißen Tee. Gute Idee. Er zog eine bequeme Stoffhose und ein Shirt an und trat leise aus seinem Zimmer. Er wollte den Rest seines Teams nicht mit seiner Schlaflosigkeit belästigen. Kurz zuckte er zusammen, als er Yoji wie einen müden Zombie an sich vorbei schlürfen sah. „Morgen“, flüsterte er in seinem Schreck, doch Yoji nahm ihn nicht wahr. Aya sah ihm nach, als er in seinem Zimmer verschwand und das Poltern, welches nur Sekunden später ertönte ließ ihn vermuten, dass Yoji sein Bett gefunden hatte und wohl den heutigen Tag verschlafen würde. Ihm sollte es recht sein. Der Laden blieb geschlossen und sie alle konnten sich etwas ausruhen. War bekanntlich auch wichtig. Aya lief barfuß in die die Küche und brühte sich seinen Tee auf. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er alle Zeit der Welt haben würde. Es war gerade kurz nach vier. Hatte er also sagenhafte drei Stunden geschlafen. Mit dem Tee begab er sich zu dem Küchentisch, stoppte jedoch davor. Er überlegte es sich anders. Er würde heute faulenzen. Mit dem Buch, dass er aktuell las und seinem Tee begab er sich in sein Zimmer zurück. Er stellte fest, dass es ihm gefiel barfuß in weiter Kleidung unterwegs zu sein und keine kühle Strenge zeigen zu müssen. In seinem Zimmer stellte er den Tee auf seinen Nachtschrank und schob sein Kissen an die Wand um sich daran anzulehnen. Er warf sich die Decke über die Beine, ehe er diese anstellte und sie als Buchstütze benutzte. Noch etwas tiefer ließ er sich rutschen und trank an seinem Tee. Er hatte eigentlich kein gesteigertes Interesse an ausländischer Literatur, doch dieses Buch von zwei deutsch Schriftstellern hatte es ihm angetan. Es war voller intelligentem Witz und einer packender Verschwörungstheorie. Nicht, dass er in seinem Leben nicht genug Geheimnisse und Verschwörungen hatte, aber mal als Unbeteiligter daneben stehen zu können war wirklich erfrischend. Man konnte entspannt mitfiebern und gemütlich einen Tee trinken, wenn das eigene Leben nicht durch diesem Tanz auf dem Drahtseil bedroht wurde. Aya lächelte. So fühlte sich also Normalität an. Er wusste es würde nicht lange dauern, bis ihn sein Leben eingeholt hatte, doch er würde heute einfach zur Seite treten und für ein paar Stunden Normalität leben. Nach nur dreißig Seiten hörte er Schritte auf dem Flur. Sie klangen weich gepolstert, in kurzer Abfolge. Omi also. Hatte er seine Straßenschuhe mit den dicken Sohlen wieder in der Wohnung angezogen. Aya schnaufte. Heute würde jedoch keine Belehrung folgen. Er wusste, Omi würde sich nicht daran halten. Er war offensichtlich in Eile und würde sich nicht um ein paar Steinchen auf dem Flur stören. Aya lauschte, wie Omi in der Küche etwas zu suchen schien und entschied, dass er für heute Morgen genug geschmökert hatte. Außerdem war sein Tee alle. Er lief mit Tasse und Buch barfuß in die Küche und beobachtete Omi, wer dieser angestrengt nach etwas im Hängeschrank suchte. „Morgen“, versuchte er es erneut einem Teammitglied einen Gruß zuzuwerfen. Diesmal sollte er größeren Erfolg haben, als es bei Yoji der Fall war. Aus irgendeinem Grund war er sich sicher, Yoji würde sich nicht mal an den Weg nach Hause erinnern. „Morgen“, kam es von Omi, er seine Suche unterbrach und angestrengt nachdachte. Aya blieb still. Er würde sich nicht die Mühe machen, auf den atmosphärischen Hilferuf zu reagieren. „Weißt du, wo die Muffins sind?“, hörte er und deutete auf den Hängeschrank in der Ecke. „In dem obersten Regal. Hinter den Haferflocken, da traut sich eh keiner ran“, erklärte er. Ihm klang noch das Flehen Omis in den Ohren, diese teuren Importmuffins zu kaufen und bitte, bitte, bitte gut zu verstecken, damit er sie heute zu seinen Freunden mitnehmen konnte. Ja Omi hatte seine Finger verschränkt und tatsächlich drei mal Bitte gesagt. Da konnte er nicht anders und war dem Wunsch nachgekommen. Er wusste, wie er seinen Teammitgliedern eine Freude machen konnte. Einmal im Jahr einen Wunsch erfüllen und er war auf der Sympathieleiter etliche Stufen hinaufgeklettert. Zumindest bei Omi. Er hörte, wie Omi die Muffins einpackte und mit einem knappen Gruß die Küche verließ. Mit einem neuen Tee lehnte er sich an die Arbeitsplatte. Ken betrat die Küche und Aya schob ihm den Wasserkocher etwas hin. Der Fußballer brauchte früh einen starken schwarzen Tee. Ken lächelte. Aya trank an seinem Tee und lächelte. Wissen war eben doch Macht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)