Als wir Kinder waren von KarliHempel ================================================================================ Kapitel 11: Sicherheit ---------------------- „Los wach auf, verdammt!“ Er hörte die Stimme wie durch Watte. Sein Bewusstsein wollte ihm entgleiten und sein Kopf dröhnte entsetzlich. Er würde es nie offen zugeben, doch er hatte Schmerzen. Sein Bein, Sein Kopf. Alles flehte ihn schmerzhaft an, sich auszuruhen. Vorsichtig sah er sich um, um seinen Blick zu fokussieren. Ohne Erfolg. Er kniff die Augen zusammen schnaufte leise. Er wollte nur etwas Ruhe. Jemand trat ihm hart an das verwundete Bein. Ran stöhnte und blickte Schuldig böse an. Seine Sicht wurde klarer. „Adrenalin schärft die Sinne.“, beantwortete er die Frage, ehe Ran sie stellen konnte. Er blickte auf den ohnmächtigen Fremden am Boden. Aus seinem Ohr lief Blut und er erschreckend blass. Einzig der sich bewegende Brustkorb ließ vermuten, dass er noch lebte. Erneut sah Ran sich um. Was war in den letzten Minuten passiert? „Er wird nicht lange weg sein. Also mach mich los.“, hörte er das Drängen. Aus seinen Gedanken gerissen sah er misstrauisch zu dem Schuldig. „Warum sollte ich dir vertrauen?“ Schuldig verdrehte die Augen, als hätte Ran etwas wesentliches übersehen und schüttelte den Kopf. Ran musste feststellen, dass er wirklich mitgenommen aussah. Die verschwitzten Haare, das blasse Gesicht, die unterlaufenen Augen. Ein wenig begann er ihm leid zu tun. „Weil du nur so überlebst!“ Schuldigs Stimme war zu ernst um ihm nicht zu glauben. Mürrisch drehte sich Ran schwerfällig mit seinem Stuhl. Er hörte, wie auch Schuldigs Stuhl sich bewegte und er kurz darauf kalte, feuchte Finger an seinen spürte. Ran stutzte. Hatte er gerade gespürt, dass Schuldig Finger bei dieser kurzen Berührung gezuckt hatten? War es ihm unangenehm? Ran schüttelte den Kopf. Er hatte jetzt keine Zeit um sich über das seltsame Verhalten Schuldigs Gedanken zu machen. Er schloss seine Augen. So konnte er sich besser konzentrieren. Er ertastete den Knoten an Schuldigs Fessel. „Verarsch mich nicht!“, drohte er, als er den Knoten löste und hörte, wie Schuldig sich befreite. Noch immer hatte er seine Augen geschlossen und konnte nur noch hofften, dass Schuldig ihn hier nicht zurückließ und nur seine eigene Haut rettete . Nur Augenblicke später wurde der Druck um seine Handgelenke weniger und er holte seine Arme nach vorn um sich die Handgelenke zu reiben. Seine Schultern begannen zu schmerzen. „Also ich haue jetzt hier ab. Komm mit oder stirb!“ Ran sah über seine Schulter. Schuldig war bereits auf dem Weg zur Tür. Er musste nicht überlegen. Er stand wacklig auf. Sein Bein schmerzte fürchterlich. Taumelnd und humpelnd lief er Schuldig hinterher. Er wusste, würde er Schuldig jetzt nicht folgen, würde er hier sterben. Seine Sicht wurde zunehmend unklar und er spürte, dass seine Beine nachgeben wollten. Er ahnte schon den Fall, doch kam es nicht so weit. Jemand umfing seinen Oberkörper, zerrte ihn rüde auf die Beine und zog sich seinen Arm um die breiten Schultern. Ein einziger Blick bestätigte ihm Schuldigs Nähe. Ran belächelte sich innerlich. Wer sonst sollte ihn stützen? Schuldig schleifte ihn mehr mit sich, als dass Ran lief. Vorsichtig sah er in das angestrengte Gesicht neben seinem. Es zeigte mehr Emotionalität, als Ran es dem Deutschen je zugetraut hätte. Sollte dieser Fremde mit „deinen Ran“ etwa die Wahrheit gesagt haben? In Gedanken über die Bedeutung dieser zwei Worte versunken, trat Ran mit dem verwundeten Bein auf und stöhnte schmerzhaft. Kurz wurde er von Schuldig gemustert. Nur kurz erwiderte er den Blick und schluckte hart. Schuldig musste ein fantastischer Schauspieler sein, oder aber die Sorge in seinem Blick war echt. Ran richtete seinen Blick auf den Weg vor ihnen. Das Gebäude hatten sie offensichtlich schon hinter sich gelassen. „Weiter!“, schnaubte er und drängte seinen Körper vor. So schnell ihre geschundenen Körper es zu ließen liefen sie in das angrenzende Waldstück. In der Sicherheit der Bäume angekommen, löste sich Ran von Schuldig, taumelte an einen Baum und übergab sich geräuschvoll. Er verzog das Gesicht, als er sich abwandte und an der anderen Seite des Stammes auf den feuchten Waldboden sank. Sein ganzer Körper schmerzte, sein Kopf fühlte sich an, als hätte man ihn mehrmals gegen einen Stein geschlagen und seine Nase lief. Vorsichtig fasste er an seine Nase und besah sich den Bluttropfen auf seinem Finger. Er rieb sich das Blut unter der Nase weg. „Der Schwindel vergeht und das Nasenbluten hört auch bald auf. Wir müssen dir jetzt erst mal Schokolade besorgen.“, begann Schuldig gehetzt und sah sich um. Verwirrt sah Ran zu ihm auf. Er fragte sich, ob Schuldigs Kopf doch mehr Schaden genommen hatte, als er vermutete. „Schokolade?“, fragte er nach „Ja. Hast du in Bio nicht aufgepasst? Schokolade ist Zucker. Zucker ist Energie und dein Hirn braucht grade viel Energie um sich zu regenerieren.“ Ran schnaufte. Schuldigs belehrender Unterton nervte ihn. „Tote Nervenzellen können sich nicht regenerieren.“, gab er von sich. Nun war es an Schuldig zu schnauften. Ran beobachtete ihn genau, wie er einen langen Art nahm, nur um ihn wieder von sich zu werfen und einen weiteren Ast zu begutachten. Langsam wanderte eine seiner Brauen nach oben. Das Schuldig nicht ganz normal im Kopf war, war ihm ja bewusst, doch nun schien der Deutsche seinen letzten Rest Verstand verloren zu haben. Was wollte er verdammt noch mal mit einem Ast? „Er zerstört keine Nervenzellen, nur deren Verbindungen zueinander. Die können wieder hergestellt werden. Du wirst wohl die nächste Zeit etwas vergesslich sein, doch du wirst es überleben …“, erklärte Schuldig beiläufig und richte ihm einen dicken, langen Ast. Skeptisch blickte Ran zu ihm. „Als Gehilfe, Trottel!“, hörte er ihn spotten und kam knurrend auf die Beine. Er nahm den Ast und klemmte sich den gegabelten Teil unter die Achsel. Er war erstaunt, wie gut es passte. „Nun sollten wir aber ganz schnell hier weg. Wenn Iva …“ Schuldig schüttelte den Kopf. „Wenn er aufwacht wird er richtig sauer sein.“, erklärte er und ging los. Ran hatte Mühe mit ihm schritt zu halten. Ihm war noch immer schwindlig und sein Bein schmerzte höllisch. Er musste sich ablenken. „Warum hast du ihn dann nicht getötet?“, fragte er. Schuldig blieb stehen und sah ihn mit hartem Blick über die Schulter an. „Meine Beweggründe gehen dich einen Scheiß an.“, blaffte er ungehalten und blickte vor sich. Offensichtlich musste er sich beruhigen. „Da vorne ist eine Tankstelle“ Ran hörte die unterdrückte Wut und beschloss zu schweigen und zu folgen. Fürs Erste wäre das wohl klüger. Zusammen betraten sie die Tankstelle. Er fand das Bild grotesk, dass sie zusammen abgaben. Zwei Männer, die Blut und Dreck an ihrer zerrissenen Kleidung kleben hatten, mehr stolperten als liefen und auf ein Regal mit Schokolade starrten. Dieses Bild wurde durch die Fahrstuhlmusik im Hintergrund und den jungen Mann an der Kasse abgerundet, der gelangweilt in einer Zeitschrift blätterte, Kaugummi kaute und damit Blasen schlug. „Du solltest dich langsam entscheiden. Wir müssen weiter.“, drang es an sein Ohr. Ran blickte auf eine Schokolade, deren rot weiße Packung offensichtlich mit einem Glas Milch warb. Lesen konnte er es nicht. „Weißt du,“, begann er leise. „Eigentlich mag ich nichts Süßes.“ Schuldig drehte seinen Kopf etwas zu ihm und begann zu grinsen. Das konnte er aus dem Augenwinkel erkennen. „Das ist witzig. Ich stehe total auf Süßes!“ Nun drehte Ran seinen Kopf und blickte Schuldig an. Er nickte nur verstehend. Lange sah Ran ihn an, bis Schuldig den starren Blickkontakt abbrach, amüsiert schnaufte und seine Hände in die Hosentaschen steckte. Das Neonlicht der Tankstelle verstärkte Rans Eindruck, dass auch Schuldig mit seinen Kräften am Ende war. Mit seinen seltsamen Reaktionen wirkte er fast menschlich. Ran sah auf das Regal vor sich um das Schmunzeln zu verstecken, das ihm bei diesem Gedanken über die Lippen huschte. „Lass uns hier abhauen!“, meinte Schuldig plötzlich und schnappte sich ungesehen eine dieser rot, weißen Packungen mit dem Milchglas drauf. Sie verließen die Tankstelle. In einem angrenzenden Park reichte Schuldig ihm ein Sandwich. Rans Kopf arbeitete noch immer nicht richtig. Er hatte keine Ahnung, welcher Weg sie hier her geführt hatte. Er setzte sich auf eine Parkbank und war erleichtert und dankbar für diese Pause. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Schuldig sich auf die Lehne setzte, seine Füße ruhten auf der Sitzfläche. Er packte sich einen dieser seltsam geformten Riegel aus und biss genüsslich hinein. Ran beobachtete ihn genau. Irgendetwas stimmte nicht mit Schuldig. Er konnte es nicht genau benennen was, doch es ließ ihn sympathischer wirken. Schweigend aß er sein Sandwich auf und sah sich dann in dem Park um. „Wo sind wir hier?“, wollte er wissen. „In Deutschland. Genauer gesagt irgendwo in der Nähe von Frankfurt.“, gab Schuldig mit vollem Mund Auskunft. „Woher weißt du das?“ Ran lauerte. Hatte Schuldig etwa seine Finger in dieser Entführung? „In der Tankstelle lag die Frankfurter Allgemeine aus.“ Ran sah ihn fragend an, doch Schuldig reagierte nicht, schien sich in dem Park orientieren zu wollen, ehe er in eine Richtung deutete.. „Ich habe hier in der Nähe ein Versteck. Da werden wir untertauchen und uns um unsere Wunden kümmern. Morgen sehen wir dann weiter.“, bestimmte er und sprang von der Bank. Ran nickte. Er hatte wohl keine andere Wahl, als dem Telepaten zu vertrauen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)