Als wir Kinder waren von KarliHempel ================================================================================ Kapitel 1: Erinnerung --------------------- Als wir Kinder waren Ich lief aufgeregt den Gang entlang zum Speisesaal. Ein neuer Junge sollte heute in dieses Kinderheim kommen, dass sich selbst „Privatschule mit Internat“ nannte. Immer wieder rutschte mir die große Sonnenbrille von der Stirn auf die Nase und ich schob sie zurück in meine Haare. Vor dem Speisesaal hielt ich an, atmete kurz durch und lauschte vorsichtig an der Tür. Hören konnte ich nichts, doch ich wusste, dass sich Personen dahinter befanden. Ich kniff meine Augen zusammen um die Gedanken unseres Heimleiters zu hören, doch alles was ich Sekunden später hörte, war die Tür und ein Räuspern. Vorsichtig öffnete ich ein Auge und grinste den hochgewachsenen Mann an. „Du sollst doch nicht lauschen!“, kam es mahnend von ihm, ehe er sich zu mir hockte und mir durch die langen Haare strich. „Du bist ein talentierter Junge, Schuldig. Dennoch darfst du nicht einfach lauschen, wenn sich andere unterhalten“ Ich nickte und schielte dann um die Tür. Der Neue saß auf einem Hocker und seine Füße hingen etliche Zentimeter über dem Boden. Ich fragte mich, wie er wohl da rauf gekommen war. „Ist er das?“, fragte ich neugierig und erntete ein zustimmendes Geräusch. „Willst du ihm hallo sahen?“ Schnell nickte ich und rannte zu dem Jungen. Er blickte mich erst erschrocken dann skeptisch an. „Mein Name ist Schuldig. Und wer bist du?“, fragte ich unter einem breiten Lächeln und hielt ihm eine Hand hin. Mit mehr Eleganz, als ich es ihm zugetraut hatte, rutschte der Neue von dem Hocker und verbeugte sich etwas vor mir. „Mein Name ist Ran“, kam es leise von ihm. Ich begann zu grinsen und umarmte ihn herzlich. „Willkommen, bei den ungewollten Kindern!“, lachte ich und bemerkte, wie er die Luft anhielt und starr wurde. „Schuldig! Ran ist Japaner. Körperliche Nähe ist nichts, was man bei ihnen unter Fremden austauscht.“, hörte ich den Mann sagen und löste mich etwas von Ran. Er versuchte seine Verlegenheit zu verbergen, doch ich konnte hören, wie seine Gedanken rasten. „Es muss dir nicht peinlich sein!“, kicherte ich und machte einen Schritt von ihm. „Besser?“ Ich legte meinen Kopf leicht schief und grinste ihn wissend an. Er nickte, dann blickte er zu dem Mann empor. „Ich danke Ihnen, dass sie mich aufnehmen, Herr Iljin.“, meinte er ruhig und verbeugte sich vor ihm. Den Namen des Heimleiters konnte oder wollte ich mir einfach nicht merken. Mir reichte zu wissen, dass er Russe war, streng sein konnte und gute Geschichten erzählte. Kalte Schale, warmer Kern. Oder so. Er hatte mir einmal von Väterchen Frost erzählt, als es ganz fürchterlich geschneit hatte. „Aber ich bin Deutscher. Bei uns umarmt man sich eben, wenn man sich mag!“, berichtigte ich und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Die große Sonnenbrille fiel mir dabei erneut auf die Nase. Nun grinste ich breit um meine eigene Verlegenheit zu verbergen und tat, als ob ich es genau so geplant hatte. „Komm Neuer! Ich zeig dir alles!“, gab ich gutmütig von mir und schritt voran. Die schnellen Schritte hinter mir nahm ich amüsiert zur Kenntnis. Ich lief langsamer um dem Neuen Zeit zulassen sich umzusehen. Ich blickte mit noch immer hinterm Kopf verschränkten Armen hinter mich, über die Ränder der Sonnenbrille. Der Neue blickte mit ausdruckslosen Augen auf den Boden. Ich begann zu grinsen. „Wenn du nicht aufpasst verläufst du dich irgendwann“, begann ich, blickte erst nach vorn, dann schloss ich meine Augen und legte den Kopf etwas in den Nacken um theatralisch zu seufzen. „Und ich habe so gar keine Lust dir alles zweimal erzählen zu müssen.“, beklagte ich mich und schielte aus dem Augenwinkel zu ihm. Er nickte. „Ich habe ein gutes Gedächtnis.“, meinte er und blieb plötzlich stehen. Er starrte in den Raum zu seiner Linken. Ich drehte mich zu ihm um und beobachtete ihn eingehend. Seine Gedanken waren geradlinig und er schien auf etwas in dem Raum fixiert. Langsam ließ ich meine Arme sinken und steckte meine Hände in die Taschen meiner Hose. Ich trat an ihn heran und blickte in das Zimmer. Zwei Jugendliche kämpften mit Holzschwertern und in Rüstungen gegeneinander. Ich hatte zwar den Namen des Sportes schon einmal gehört, doch waren Namen für mich einfach nicht wichtig. Schelmisch grinste ich ihn an. „Du willst wohl auch mal das Schwert schwingen? Dann nenn ich dich ab jetzt Killer.“, kicherte ich, doch er schien wie in Trance. Seine Augen bekamen einen sehnenden Glanz. „Ich kann das.“, gab er leise von sich und trat in den Raum ein. Die Jungs beendeten ihr Training und sahen auf den Neuen herunter. Mit wenigen Blicken war klar, der Neue würde seine Chance bekommen. Er erhielt ein Holzschwert und eine dieser Masken von dem einen Jungen, der Andere kniete sich hin um mit dem Kind ungefähr auf Augenhöhe zu sein. Interessiert lehnte ich mich an die Ecke der Tür und beobachtete. Die Jungs blieben still, doch in ihren Gedanken spotteten sie über den Kleinen. Der jedoch war vollkommen konzentriert. Seine Gedanken waren klar, ruhig, wie Eis. Spiegelglatt, kam es mir in den Sinn und eine leichte Gänsehaut zog sich über meinen Arm. Ruhe legte sich in den Raum, als der Neue das große Schwert über seinen Kopf hob. In den Gedanken der Jugendlichen hörte ich schallendes Gelächter und ich unterdrückte ein Knurren. Solche Zwiespältigkeit in Denken und Handeln war mir nicht neu. Ich kannte das nun schon seit knapp eineinhalb Jahren. Doch ärgerte es mich noch immer. Warum konnte man nicht einfach sagen, was man dachte? Warum konnte man nicht ehrlicher zu einander sein? Warum konnte man nicht mehr wie ich sein? Ich machte keinen Hehl daraus, dass mich Namen und langweilige Menschen nicht interessierten. Ich sagte, was ich dachte und dachte, was ich sagte. Wie ein Blitz traf mich ein Gedanke und ich sah auf den Neuen. Mit einer Kraft, die ich so nicht erwartet hatte hieb er auf den Jugendlichen ein. Dieser stand auf, wollte sich so vor den kraftvollen Schlägen retten. Doch wurde er immer weiter über die Matte gedrängt. Der Kleine trat hinter die Beine des Größeren, stieß ihn mit der Schulter an und brachte ihn so zu Fall. Ran stellte sich auf seinen Bauch und hielt ihm das lange Holzschwert an den Hals. Mein Mund stand offen und ich starrte Ran an. Diese Kraft. Diese Präzision. „Alter. Du wurdest von einem Fünfjährigen besiegt.“, kam es mit Unglauben von dem Anderen. Endlich mal etwas Ehrlichkeit von ihm. Ich schnappte einen anderen Gedanken auf. Der Besiegte wollte Ran eine Lektion erteilen, ihm den Hintern versohlen und Rache üben. Schnell kam ich zu ihnen, schnappte Ran an den Schultern und zog ihn Richtung Tür. „So ein Pech. Es ist schon so spät. Wir werden erwartet.“ Es war nicht gelogen. Wir wurden in Rans Zimmer erwartet. Träge setzte Schuldig sich auf und rieb sich die Augen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er gerade einmal vier Stunden geschlafen hatte. Seine Laune war am Tiefpunkt angekommen. Er schwang die Beine aus dem Bett. Er träumte viel. Schon immer. Es war seine Art mit den fremden Gedanken zurecht zu kommen. Doch von seiner Kindheit hatte er schon lange nicht mehr geträumt. Es ärgerte ihn. Er zog sich ein Shirt und eine dünne Stoffhose an. Der Sommer war zu heiß für zu viel Kleidung. Er setzte sich die Sonnenbrille in die Haare und begab sich in die Küche. Ohne ein Gruß schnappte er sich eine Tasse und goss sich Kaffee ein, ehe er sich an den Tisch setzte und schnaufte. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Brad etwas über die Zeitung und dann zur Uhr geschielt hatte. Auch Schuldig blickte an die Uhr. Sieben Uhr zwölf. Viel zu früh. So früh stand er doch sonst nicht auf. Er schlürfte an seinem Kaffee. Bei jedem Schluck lauter. Sollte ruhig jeder in der Villa mitbekommen, dass er mies gelaunt war. „Hör auf damit, das nervt!“, kam es von Brad, der seine Zeitung niederlegte und ihn mahnend ansah. Der Deutsche hingegen bedachte ihn mit einem gelangweilten Blick. „Siehst du in deiner Kristallkugel, dass ich nächster Zeit damit aufhöre?“, fragte er zurück. Brads Blick wurde dunkler. „Nein...“, fing er an, wurde jedoch von Schuldig unterbrochen. „Warum versuchst du es mir dann auszureden?“, wollte er wissen. Seine Stimme klang genervt. Der Amerikaner richtete seine Brille und räusperte sich. „Wir bekommen es bald mit einer gegnerischen Gruppe zu tun.“, begann er. Schuldig hatte seine Tasse abgestellt, hob nun die Arme gelangweilt über den Kopf und wackelte mit den Händen. „Juhu!“, rief er sarkastisch, lies die Arme fallen und schlürfte erneut an seinem Kaffee. Ihm war an diesem Morgen einfach alles uninteressant. Er war genervt und gelangweilt. Blöde Kombination. „Ein nerviges Geräusch!“, kam die ruhige Stimme Nagis an sein Ohr, ehe seine Tasse aus seiner Hand schwebte und in der Mitte des Tisches abgestellt wurde. „Sag ich ja.“, bemerkte Brad und versteckte sich wieder in seiner Zeitung. Schuldig knurrte ungehalten. „Ach leckt mich doch...“, maulte er in seiner Muttersprache und verschränkte bockig die Arme vor der Brust. „Nagi, gib ihm den Kaffee wieder, sonst beleidigt er uns den restlichen Tag auf deutsch.“, erklang die Stimme hinter der Zeitung. Die Tasse schob sich über den Tisch zu dem Langhaarigen, der sie mit übertriebenen Geräuschen leerte und geräuschvoll abstellte. „Ich brauche frische Luft.“, meinte er und erhob sich. Mürrisch stapfte Schuldig aus der Küche. Ein :“Aber bring keinen um!“, begleitete ihn. Er warf die Haustür zu und atmete durch. Mit den Händen in den Taschen spazierte er in die Stadt. In der Fußgängerzone ließ er seinen Geist abschweifen. Er schnappte etliche Gedanken auf ohne sie sich zu merken. Es beruhigte ihn und nahm ihm seinen Ärger. Allmählich konnte er darüber nachdenken, warum er von dem Heim geträumt hatte. Er ließ sich auf eine Parkbank nieder und schob die Sonnenbrille auf die Nase. Es hatte lange gedauert, bis sie ihm gepasst hatte. Ein Lächeln zog sich über seine Lippen. Die Sonne schien und er genoss die Gedanken, die ihn durch wuschen und Alles, was ihm nicht gefiel, mit sich nahmen. Kapitel 2: Jetzt und hier ------------------------- Ein Gähnen ließ den Rothaarigen aufsehen. Er legte sein Buch zur Seite und nippte an seinem Tee. Ken kam in die Küche und machte sich Frühstück. Bei dem Geklapper konnte man so wie so nicht ruhig lesen. „Morgen, Aya.“, nuschelte der Brünette als er sich schließlich an den Tisch setzte und erntete ein kurzes Kopfnicken. Aya erhob sich, trank seinen letzten Schluck Tee und wusch die Tasse aus. Leise stellte er sie in den Schrank zurück und begab sich aus der Küche in den Blumenladen um diesen zu öffnen. Mit einer Hand als Sonnenschutz blickte er in den strahlend blauen Himmel, der an eine Postkarte aus der Karibik erinnerte. Nur kurz werte dieser Moment der Stille und Ruhe. Er wurde angesprochen und widmete sich seiner Arbeit. Mit Bedacht wickelte er einen Blumenstrauß ein. Er redete nicht viel und hing seinen Gedanken nach. Doch das kannte dies Kundschaft von ihm schon. Bei einigen Mädchen war er genau deswegen so beliebt. Der unnahbare Kühle. Früher war er anders. Aufgeschlossen und schnell mit einem Lächeln auf den Lippen zu sehen. Doch heute lächelte er nicht mehr. Und wenn doch, versteckte er es. Er war ein anderer geworden. Seit seine Schwester angefahren wurde und im Koma lag. Seine Brust schmerzte bei dem Gedanken und er schob ihn von sich. Nicht so einfach, wenn ein kleines Mädchen vor ihm stand und seiner Schwester ähnlich sah. Er hatte sich geschworen sie zu rächen. Geschworen den Mann zu töten, der in diesem Auto saß. Aya überreichte den Blumenstrauß und nahm das Geld entgegen. Es war ein zerknitterter Schein. Heute Abend würde er ihn beim Kassenabschluss etwas glatt streichen. Er mochte Ordnung. Der Abend kam und Yoji zog das Tor vor dem Laden herunter. Kurz vor dem Boden hielt er inne. „Hmm... Solch schöne Beine.“, begann er und öffnete das Rolltor noch einmal um Manx herein zu bitten. Die trat ein und schenkte Yoji einen mitleidigen Blick auf sein Lächeln. Die glimmende Zigarette zwischen seinen Lippen tat dem Bild keinen Abbruch. Schweigend schloss Yoji den Laden und gesammelt stiegen sie in den Keller. Aya wurde aufmerksam, als er das Bild Takatoris auf dem Monitor sah. Morgen wäre es soweit. Morgen würde er die Gelegenheit haben diesem Mann den Lebensfaden abzuschneiden. Er nickte nur knapp und zog sich in sein Zimmer zurück. Ein Teil von ihm wollte zu seiner Schwester und ihr das Versprechen geben, sie morgen zu rächen. Ein anderer, größerer Teil wollte ihr lieber erst unter die Augen treten, wenn er sein Versprechen wahr gemacht hat. Er setzte sich auf die Bettkante und legte sein Katana auf seinen Schoß. Er hatte trainiert. Viel. Hart. Für diese Gelegenheit. Für diesen Moment in dem der Glanz aus den Augen dieses Monsters verschwand und sein Herz aufhörte zu schlagen. Er zog den Stahl aus der Scheide und besah sich die Spiegelungen darin. Mit einem Tuch wischte er langsam über das Metall, ehe er auf ein anderes Tuch etwas Öl tropfte. Hochkonzentriert ölte er den Stahl und versank in den Erinnerungen an seine Schwester. An seine Kindheit. So oft hatte er mit ihr gespielt, sie getröstet und sie vor den Rüpeln aus der Schule beschützt. Sie war seine Prinzessin. Seit ihrer Geburt fühlte er sich für sie verantwortlich. Er musste sie beschützen. Er musste sie rächen, weil er sie liebte. Niemanden liebte er so wie sie. In seinem Herzen schien kein Platz für eine andere Person zu sein. Bis zu seinem eigenen Tode würde er für Aya da sein und sie beschützen, vor allem Übel der Welt. Als er das Öl einmassiert hatte schob er das Schwert in seine schützende Hülle. Es sollte perfekt sein, wenn es durch den verhassten Brustkorb drang. Aya erhob sich und ging duschen. Das heiße Wasser machte ihn schläfrig und schwer. Zurück in seinem Zimmer legte er sich in sein Bett und verfiel dem Schlaf. Endlich. Ich stand dem Mann gegenüber. Takatori. Mein Schwert reflektierte kalt das wenige Licht des Mondes. Kalt. Ja ich war kalt. Ich hatte kein Mitleid mit dem wimmernden Mann vor mir. Dieser sank auf seine Knie und bot mir Geld, Schutz und Macht. Nichts davon wollte ich. Ich wollte Rache. Kalte, scharfe Rache. Ich hob das Schwert und umfasste den Griff mit beiden Händen. Ich würde Kraft und genug Schwung brauchen um Knochen und Fleisch zu durchdringen. Meine Fäuste hielten neben meiner Wange inne. Die Spitze meines Schwertes prophezeite dem Monster vor mir den baldigen Tod. Takatori weinte, flehte. Flüssigkeit lief aus seinen Augen und der Nase. Eklig, fand ich. Dieser Mann hatte keine Würde. Er war schwach und erbärmlich. Mit der aufkommenden Wut stieß ich den geschliffenen Stahl vor und ließ meine Wut in einem Schrei durch die Nacht wandern. Ich spürte den Widerstand des Brustkorbs und wie ich ihn durchdrang. Die Bewegung endete an der Wand. Japsend setzte sich Aya in seinem Bett auf. Der Traum hatte ihn aufgewühlt. Nie hatte er eine solch sadistische Freude am Töten gehabt. Es war ihm schlichtweg egal. Er stand auf, als er seinen Atem beruhigt hatte und ging ins Bad um sich die Zähne zu putzen und sich Wasser ins Gesicht zu spritzen. Anschließend zog er sich an und trat in die Küche um sich einen Tee zu machen. Yoji saß auf einem Stuhl und hatte die Augen geschlossen. Vor ihm stand eine unangetastete Tasse Kaffee. Mit einem Griff um die Tasse stellte Aya die Vermutung an, dass der Playboy wohl einfach eingeschlafen war, bevor der Kaffee kalt genug zum trinken war. Er beschloss gutmütig mit Yoji zu sein und ließ ihm noch ein paar Stunden unbequemen Schlaf in dem Stuhl. Leise trat er aus der Küche und trank seinen Tee im Laden. Dabei öffnete er die Post und sortierte sie. Als die Tasse geleert war ging er in die Küche zurück. Omi stand unschlüssig neben Yoji und sah nun zu Aya. Offensichtlich wollte er einen Rat. Aya schüttelte den Kopf. „Er wird schon aufstehen, wenn es ihm unbequem wird.“, meinte er und wusch seine Tasse aus um sie in den Schrank zu stellen. „Dann helfe ich dir heute. Ich muss nur schnell telefonieren.“, meinte Omi und sah auf den Schlafenden. Ohne ein weiteres Wort ging Aya zurück in den Laden und öffnete ihn. Er spürte die Blicke fast körperlich auf seiner Gestalt. Er wusste, dass er gut aussah. Trainiert und groß. Zumindest für den ersten Teil tat er ja auch täglich etwas. Krafttraining und Ausdauer. Kendo war schon immer der Sport seiner Wahl gewesen. Es stärkte Körper und Geist. Mit stoischer Geduld ertrug er die eindeutigen Anfragen nach einem Date und blieb stumm. Er würde nicht absagen und einem jungen Mädchen das Herz brechen. Er würde auch nicht zusagen. Es gab keinen Platz für eine Andere. Der Tag strich in den Abend aus und Yoji rieb sich den schmerzenden Rücken, als die Vier sich trafen um zu ihrer Mission zu fahren. Takatori, war alles, an das Aya denken konnte. Er würde ihn heute töten. Sie schlichen sich in das Hochhaus und Aya kam mit seinem Opfer auf dem Dach an. Nur den Bruchteil einer Sekunde war er skeptisch. Es lief zu glatt. Er war zu einfach an diesen Mann herangekommen. Aus dem Augenwinkel erhaschte er einen Blick auf einem Mann, der ihn im nächsten Moment die Faust in den Magen rammte. Takatori flüchtete in den Hubschrauber. Aya rieb die Zähne aufeinander. Diesen Störenfried musste er vor Takatori erledigen und ihm lief die Zeit davon. „Ihr seid also diese Weiß?“, kam es mit einem Kichern in der Stimme an sein Ohr. Aya wankte einige Schritte zurück und besah sich den Mann vor ihm. Weißer Anzug, lange, orangene Haare, überhebliches Grinsen. Aya schärfte seinen Blick und ging mit der blanken Klinge auf den Mann los. Dieser wich ihm aus. Seine Geschwindigkeit überraschte Aya. „Wer bist du?“, wollte er wissen und seine Stimme forderte eine Antwort. „Wir sind Schwarz“, gab der Andere von sich. „Mein Name ist Schuldig und deiner ist Aya, wenn ich deine Gedanken richtig lese.“ „Was erzählst du da?“, wollte Aya wissen und der Andere grinste überheblich. „Ich kann deine Gedanken lesen, Kitty. Aber das wirst du dir nicht lange merken müssen. Denn ich schicke dich jetzt ins Jenseits.“, meinte er und seine Mimik wurde kalt. „Ich glaube nicht!“, rief Aya und griff erneut an. Erneut wich Schuldig aus. Aya wurde am Mantel gegriffen und glitt mit einer weichen Bewegung aus den Ärmeln. Er drehte sich um, doch der Mann war weg. Er sah sich um. Ein harter Schlag in den Nacken ließ Aya nach vorn stürzen. Er landete auf einem Teil der Klimaanlage. Er keuchte und spürte nur Sekunden später eine große Hand in seinem Nacken. Pure Angst durchzog seinen Körper und er ballte die Hände zu Fäusten. Er konnte nur hören, wie sein Katana von dem Boden gehoben wurde. „So gefällt es mir am Besten.“, gab Schuldig von sich und Aya spürte, wie der Griff in seinem Nacken stärker wurde. Er konnte seinen Oberkörper nicht von dem Kasten heben. „Jetzt weiß ich wenigstens, was für ein krankes Schwein du bist.“, schnappte Aya und versuchte Schuldig im Augenwinkel auszumachen. Er spürte eine Hüfte an seiner und kurz darauf das Gewicht eines anderen Körpers auf seinem. Scharf zog er die Luft ein. „Hmmm... Ist das die Erregung, die dich zittern lässt?“, schnurrte es neben seinem Ohr und er konnte das amüsierte Blitzen in den blauen Augen ausmachen. „Ganz sicher nicht.“, begann er. „Was bist du für ein kleines Kind, dass du mit deinem Auftrag spielst?“, knurrte er und Schuldig lachte lauthals, ehe er sich etwas erhob. „Hat das kleine Kitten denn überhaupt keine Angst?“, fragte er amüsiert. „Sicher nicht vor so einem wie dir. Ich bin mir sicher, du quatscht bloß.“ Erneut versuchte Aya den Anderen anzusehen. „Selbst im Angesicht des baldigen Todes noch so kämpferisch. Dann wird es mir umso mehr Spaß machen.“ Aya zuckte zusammen, als er den kalten Stahl seines Schwertes zwischen seinem Shirt und seiner Haut spürte. Die Angst überschwemmte ihn erneut. „Nein!“, japste er, als das Schwert hochgerissen wurde und sein Shirt zerschnitt. Nur ein Fetzen Stoff hielt die beiden Seiten noch zusammen, die über seine Flanken rutschen. Erneut spürte er das Gewicht. Spürte den Stoff auf seiner Haut. „Möchtest du jetzt doch Angst bekommen und um Gnade flehen?“, fragte die Stimme an seinem Ohr lockend. „Du ziehst es nicht durch. Dazu bist du nicht Manns genug. Komm schon! Mach! Dann habe ich einen Grund mehr dich zu töten.“, zischte Aya und hörte ein neues, haltloses Lachen. „Oh man. Glaubst du im ernst, du könntest mit mir solche Psychospiele spielen? Wirklich? Ok. Ich gebe dir noch mal ein bisschen Zeit um darüber nachzudenken, was du gerade gesagt hast, damit du die Erkenntnis mit ins Grab nehmen kannst.“ Das Kichern hinter ihm erstarb augenblicklich und der Mann knurrte. „Wir werden deinen Tot wohl verlegen müssen. Order von oben.“, gab Schuldig zu verstehen. Der Griff um seinen Nacken verschwand und er richtete sich schlagartig auf. Er sah sich um, doch der Mann war verschwunden. Sein Katana lehnte an dem Kasten neben ihm. Aya griff das Schwert und rannte zur Kante des Daches. Nichts. Er war weg. „Aya!“, hörte er Omi rufen und vernahm wenig später die Schritte dreier Personen. „Was ist passiert?“, fragte Yoji mit Entsetzen. Sicher hatte er das zerschnittene Shirt damit gemeint, doch Aya würde keine Antwort geben. Er würde nicht die Rolle eines Opfers einnehmen. Sein Schweigen schien Antwort genug zu sein. „Lass mich diesen Wichser für dich kalt machen!“, schnaubte Yoji und Aya sah über seine Schulter. „Keine Sorge. Er wird bekommen, was er verdient.“, versprach er und setzte Schuldigs Namen auf seine Todesliste. Direkt nach Takatori würde er diesen Mann töten. Kapitel 3: Jetzt und hier - zensiert ------------------------------------ Ein Gähnen ließ den Rothaarigen aufsehen. Er legte sein Buch zur Seite und nippte an seinem Tee. Ken kam in die Küche und machte sich Frühstück. Bei dem Geklapper konnte man so wie so nicht ruhig lesen. „Morgen, Aya.“, nuschelte der Brünette als er sich schließlich an den Tisch setzte und erntete ein kurzes Kopfnicken. Aya erhob sich, trank seinen letzten Schluck Tee und wusch die Tasse aus. Leise stellte er sie in den Schrank zurück und begab sich aus der Küche in den Blumenladen um diesen zu öffnen. Mit einer Hand als Sonnenschutz blickte er in den strahlend blauen Himmel, der an eine Postkarte aus der Karibik erinnerte. Nur kurz werte dieser Moment der Stille und Ruhe. Er wurde angesprochen und widmete sich seiner Arbeit. Mit Bedacht wickelte er einen Blumenstrauß ein. Er redete nicht viel und hing seinen Gedanken nach. Doch das kannte dies Kundschaft von ihm schon. Bei einigen Mädchen war er genau deswegen so beliebt. Der unnahbare Kühle. Früher war er anders. Aufgeschlossen und schnell mit einem Lächeln auf den Lippen zu sehen. Doch heute lächelte er nicht mehr. Und wenn doch, versteckte er es. Er war ein anderer geworden. Seit seine Schwester angefahren wurde und im Koma lag. Seine Brust schmerzte bei dem Gedanken und er schob ihn von sich. Nicht so einfach, wenn ein kleines Mädchen vor ihm stand und seiner Schwester ähnlich sah. Er hatte sich geschworen sie zu rächen. Geschworen den Mann zu töten, der in diesem Auto saß. Aya überreichte den Blumenstrauß und nahm das Geld entgegen. Es war ein zerknitterter Schein. Heute Abend würde er ihn beim Kassenabschluss etwas glatt streichen. Er mochte Ordnung. Der Abend kam und Yoji zog das Tor vor dem Laden herunter. Kurz vor dem Boden hielt er inne. „Hmm... Solch schöne Beine.“, begann er und öffnete das Rolltor noch einmal um Manx herein zu bitten. Die trat ein und schenkte Yoji einen mitleidigen Blick auf sein Lächeln. Die glimmende Zigarette zwischen seinen Lippen tat dem Bild keinen Abbruch. Schweigend schloss Yoji den Laden und gesammelt stiegen sie in den Keller. Aya wurde aufmerksam, als er das Bild Takatoris auf dem Monitor sah. Morgen wäre es soweit. Morgen würde er die Gelegenheit haben diesem Mann den Lebensfaden abzuschneiden. Er nickte nur knapp und zog sich in sein Zimmer zurück. Ein Teil von ihm wollte zu seiner Schwester und ihr das Versprechen geben, sie morgen zu rächen. Ein anderer, größerer Teil wollte ihr lieber erst unter die Augen treten, wenn er sein Versprechen wahr gemacht hat. Er setzte sich auf die Bettkante und legte sein Katana auf seinen Schoß. Er hatte trainiert. Viel. Hart. Für diese Gelegenheit. Für diesen Moment in dem der Glanz aus den Augen dieses Monsters verschwand und sein Herz aufhörte zu schlagen. Er zog den Stahl aus der Scheide und besah sich die Spiegelungen darin. Mit einem Tuch wischte er langsam über das Metall, ehe er auf ein anderes Tuch etwas Öl tropfte. Hochkonzentriert ölte er den Stahl und versank in den Erinnerungen an seine Schwester. An seine Kindheit. So oft hatte er mit ihr gespielt, sie getröstet und sie vor den Rüpeln aus der Schule beschützt. Sie war seine Prinzessin. Seit ihrer Geburt fühlte er sich für sie verantwortlich. Er musste sie beschützen. Er musste sie rächen, weil er sie liebte. Niemanden liebte er so wie sie. In seinem Herzen schien kein Platz für eine andere Person zu sein. Bis zu seinem eigenen Tode würde er für Aya da sein und sie beschützen, vor allem Übel der Welt. Als er das Öl einmassiert hatte schob er das Schwert in seine schützende Hülle. Es sollte perfekt sein, wenn es durch den verhassten Brustkorb drang. Aya erhob sich und ging duschen. Das heiße Wasser machte ihn schläfrig und schwer. Zurück in seinem Zimmer legte er sich in sein Bett und verfiel dem Schlaf. Endlich. Ich stand dem Mann gegenüber. Takatori. Mein Schwert reflektierte kalt das wenige Licht des Mondes. Kalt. Ja ich war kalt. Ich hatte kein Mitleid mit dem wimmernden Mann vor mir. Dieser sank auf seine Knie und bot mir Geld, Schutz und Macht. Nichts davon wollte ich. Ich wollte Rache. Kalte, scharfe Rache. Ich hob das Schwert und umfasste den Griff mit beiden Händen. Ich würde Kraft und genug Schwung brauchen um Knochen und Fleisch zu durchdringen. Meine Fäuste hielten neben meiner Wange inne. Die Spitze meines Schwertes prophezeite dem Monster vor mir den baldigen Tod. Takatori weinte, flehte. Flüssigkeit lief aus seinen Augen und der Nase. Eklig, fand ich. Dieser Mann hatte keine Würde. Er war schwach und erbärmlich. Mit der aufkommenden Wut stieß ich den geschliffenen Stahl vor Japsend setzte sich Aya in seinem Bett auf. Der Traum hatte ihn aufgewühlt. Nie hatte er eine solch sadistische Freude am Töten gehabt. Es war ihm schlichtweg egal. Er stand auf, als er seinen Atem beruhigt hatte und ging ins Bad um sich die Zähne zu putzen und sich Wasser ins Gesicht zu spritzen. Anschließend zog er sich an und trat in die Küche um sich einen Tee zu machen. Yoji saß auf einem Stuhl und hatte die Augen geschlossen. Vor ihm stand eine unangetastete Tasse Kaffee. Mit einem Griff um die Tasse stellte Aya die Vermutung an, dass der Playboy wohl einfach eingeschlafen war, bevor der Kaffee kalt genug zum trinken war. Er beschloss gutmütig mit Yoji zu sein und ließ ihm noch ein paar Stunden unbequemen Schlaf in dem Stuhl. Leise trat er aus der Küche und trank seinen Tee im Laden. Dabei öffnete er die Post und sortierte sie. Als die Tasse geleert war ging er in die Küche zurück. Omi stand unschlüssig neben Yoji und sah nun zu Aya. Offensichtlich wollte er einen Rat. Aya schüttelte den Kopf. „Er wird schon aufstehen, wenn es ihm unbequem wird.“, meinte er und wusch seine Tasse aus um sie in den Schrank zu stellen. „Dann helfe ich dir heute. Ich muss nur schnell telefonieren.“, meinte Omi und sah auf den Schlafenden. Ohne ein weiteres Wort ging Aya zurück in den Laden und öffnete ihn. Er spürte die Blicke fast körperlich auf seiner Gestalt. Er wusste, dass er gut aussah. Trainiert und groß. Zumindest für den ersten Teil tat er ja auch täglich etwas. Krafttraining und Ausdauer. Kendo war schon immer der Sport seiner Wahl gewesen. Es stärkte Körper und Geist. Mit stoischer Geduld ertrug er die eindeutigen Anfragen nach einem Date und blieb stumm. Er würde nicht absagen und einem jungen Mädchen das Herz brechen. Er würde auch nicht zusagen. Es gab keinen Platz für eine Andere. Der Tag strich in den Abend aus und Yoji rieb sich den schmerzenden Rücken, als die Vier sich trafen um zu ihrer Mission zu fahren. Takatori, war alles, an das Aya denken konnte. Er würde ihn heute töten. Sie schlichen sich in das Hochhaus und Aya kam mit seinem Opfer auf dem Dach an. Nur den Bruchteil einer Sekunde war er skeptisch. Es lief zu glatt. Er war zu einfach an diesen Mann herangekommen. Aus dem Augenwinkel erhaschte er einen Blick auf einem Mann, der ihn im nächsten Moment die Faust in den Magen rammte. Takatori flüchtete in den Hubschrauber. Aya rieb die Zähne aufeinander. Diesen Störenfried musste er vor Takatori erledigen und ihm lief die Zeit davon. „Ihr seid also diese Weiß?“, kam es mit einem Kichern in der Stimme an sein Ohr. Aya wankte einige Schritte zurück und besah sich den Mann vor ihm. Weißer Anzug, lange, orangene Haare, überhebliches Grinsen. Aya schärfte seinen Blick und ging mit der blanken Klinge auf den Mann los. Dieser wich ihm aus. Seine Geschwindigkeit überraschte Aya. „Wer bist du?“, wollte er wissen und seine Stimme forderte eine Antwort. „Wir sind Schwarz“, gab der Andere von sich. „Mein Name ist Schuldig und deiner ist Aya, wenn ich deine Gedanken richtig lese.“ „Was erzählst du da?“, wollte Aya wissen und der Andere grinste überheblich. „Ich kann deine Gedanken lesen, Kitty. Aber das wirst du dir nicht lange merken müssen. Denn ich schicke dich jetzt ins Jenseits.“, meinte er und seine Mimik wurde kalt. „Ich glaube nicht!“, rief Aya und griff erneut an. Erneut wich Schuldig aus. Aya wurde am Mantel gegriffen und glitt mit einer weichen Bewegung aus den Ärmeln. Er drehte sich um, doch der Mann war weg. Er sah sich um. Ein harter Schlag in den Nacken ließ Aya nach vorn stürzen. Er landete auf einem Teil der Klimaanlage. Er keuchte und spürte nur Sekunden später eine große Hand in seinem Nacken. Pure Angst durchzog seinen Körper und er ballte die Hände zu Fäusten. Er konnte nur hören, wie sein Katana von dem Boden gehoben wurde. „So gefällt es mir am Besten.“, gab Schuldig von sich und Aya spürte, wie der Griff in seinem Nacken stärker wurde. Er konnte seinen Oberkörper nicht von dem Kasten heben. „Jetzt weiß ich wenigstens, was für ein krankes Schwein du bist.“, schnappte Aya und versuchte Schuldig im Augenwinkel auszumachen. Er spürte eine Hüfte an seiner und kurz darauf das Gewicht eines anderen Körpers auf seinem. Scharf zog er die Luft ein. „Hmmm... Ist das die Erregung, die dich zittern lässt?“, schnurrte es neben seinem Ohr und er konnte das amüsierte Blitzen in den blauen Augen ausmachen. „Ganz sicher nicht.“, begann er. „Was bist du für ein kleines Kind, dass du mit deinem Auftrag spielst?“, knurrte er und Schuldig lachte lauthals, ehe er sich etwas erhob. „Hat das kleine Kitten denn überhaupt keine Angst?“, fragte er amüsiert. „Sicher nicht vor so einem wie dir. Ich bin mir sicher, du quatscht bloß.“ Erneut versuchte Aya den Anderen anzusehen. „Selbst im Angesicht des baldigen Todes noch so kämpferisch. Dann wird es mir umso mehr Spaß machen.“ Aya zuckte zusammen, als er den kalten Stahl seines Schwertes zwischen seinem Shirt und seiner Haut spürte. Die Angst überschwemmte ihn erneut. „Nein!“, japste er, als das Schwert hochgerissen wurde und sein Shirt zerschnitt. Nur ein Fetzen Stoff hielt die beiden Seiten noch zusammen, die über seine Flanken rutschen. Erneut spürte er das Gewicht. Spürte den Stoff auf seiner Haut. „Möchtest du jetzt doch Angst bekommen und um Gnade flehen?“, fragte die Stimme an seinem Ohr lockend. „Du ziehst es nicht durch. Dazu bist du nicht Manns genug. Komm schon! Mach! Dann habe ich einen Grund mehr dich zu töten.“, zischte Aya und hörte ein neues, haltloses Lachen. „Oh man. Glaubst du im ernst, du könntest mit mir solche Psychospiele spielen? Wirklich? Ok. Ich gebe dir noch mal ein bisschen Zeit um darüber nachzudenken, was du gerade gesagt hast, damit du die Erkenntnis mit ins Grab nehmen kannst.“ Das Kichern hinter ihm erstarb augenblicklich und der Mann knurrte. „Wir werden deinen Tot wohl verlegen müssen. Order von oben.“, gab Schuldig zu verstehen. Der Griff um seinen Nacken verschwand und er richtete sich schlagartig auf. Er sah sich um, doch der Mann war verschwunden. Sein Katana lehnte an dem Kasten neben ihm. Aya griff das Schwert und rannte zur Kante des Daches. Nichts. Er war weg. „Aya!“, hörte er Omi rufen und vernahm wenig später die Schritte dreier Personen. „Was ist passiert?“, fragte Yoji mit Entsetzen. Sicher hatte er das zerschnittene Shirt damit gemeint, doch Aya würde keine Antwort geben. Er würde nicht die Rolle eines Opfers einnehmen. Sein Schweigen schien Antwort genug zu sein. „Lass mich diesen Wichser für dich kalt machen!“, schnaubte Yoji und Aya sah über seine Schulter. „Keine Sorge. Er wird bekommen, was er verdient.“, versprach er und setzte Schuldigs Namen auf seine Todesliste. Direkt nach Takatori würde er diesen Mann töten. Kapitel 4: Wut -------------- Wütend schlug er die Tür hinter sich zu und warf seinen Mantel auf das Bett. Er wusste schmollen brachte ihm in diesem Moment gar nichts, doch er wollte, dass der Rest seines Teams wusste, wie sehr sie ihn verärgert hatten. Zu gerne hätte er mental auf seinen Leader eingeprügelt. Für ihn hatte Brad nichts anderes verdient. Er hatte sich so gut amüsiert. Wer wusste, wann er das nächste Mal auf einen solch starken Geist treffen würde, der ihm Stand hielt? Wann er das nächste Mal die Gelegenheit hätte, so viel Spaß zu haben und einen Mann wie einen Bleistift zu brechen. Schuldig knurrte drohend, als Brad die Tür öffnete und eintrat. „Verzeih dich!“, motze der Deutsche und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Blick richtete sich auf die Wand neben ihm. Er versuchte seine Wut unter Kontrolle zu halten. „Benimm dich nicht wie ein Dreijähriger. Wir werden noch einmal auf sie treffen. Du wirst schon noch deinen Spaß haben. Für heute aber haben wir unsere Aufgabe erledigt.“ „Dann hättest du mich einfach da lassen können und ich hätte in meiner Freizeit weiter...“, begann Schuldig. „Du hattest einen verdammten Auftrag!“, unterbrach ihn Crawford rüde. „Du solltest nur den Hubschrauber sichern und dich nicht in deinen Spielen mit dem Weißleader verlieren.“ „Ich habe meine Aufgabe erledigt! Was ich in meiner Freizeit mache, geht dich einen Scheiß an! Ich bin nicht dein Lakai!“, rief Schuldig wütend. Er stand auf, schnappte sich seinen Mantel und verließ das Zimmer. „Kotzt du dich nicht selbst an, mit dieser Art?“, rief er im Gehen und verließ die Villa. Er war sich sicher, Brad würde ihn jetzt als bockigen Teenager bezeichnen, doch das war ihm egal. Dann war er eben bockig. Aber er würde sich nicht herum kommandieren lassen, wie eine billige Aushilfskraft. Nein. Nicht von einem Typen, der als Kind einen halben Kopf kleiner war. Außerdem war er zu wichtig um sich scheuchen zu lassen. Für das Team und auch für Brad. Wo wären sie denn ohne seine Fähigkeiten? Schuldig schnaufte wütend, zündete sich eine Zigarette an und steckte die Hände in die Taschen. Wie stand er denn nun vor seinen Feinden da? Wie ein Typ, der den Schwanz einzog, wenn es ernst wurde. Wie ein blöder Hund, der kam, wenn man mit dem Finger schnippte. Nicht mit ihm. Das nächste Mal, würde er dem Rotschopf zeigen, dass er Dinge zu ende brachte. „Verfluchter Brad! Alles deine Schuld! Ich bin sicher nicht deine kleine Schachfigur!“, schimpfte er. Schuldig hielt an einer Kneipe und begann zu lächeln. Ja. Alkohol war ein guter Anfang. Er schnippte die Kippe auf die Straße und betrat das Lokal. Kurz nach ein Uhr nachts verließ er als letzter Gast das Lokal wieder. Er hatte seine unzähligen Drinks mit Crawfords Kreditkarte bezahlt. Sollte der Amerikaner mal schön für seinen Frust bezahlen. Es war kühl geworden und Schuldig schlug den Kragen seines Mantels hoch, ehe er sich eine Zigarette anmachte. Er war kein Kettenraucher. Aber wenn er sauer war mussten ein oder zwei Zigaretten einfach sein. Mit einem überraschten Blick in die leere Zigarettenschachtel stellte er fest, dass es heute Nacht wohl ein paar mehr waren. Er knüllte die Packung und warf sie über die Schulter, als er los lief. Wen kümmerte es? Er würde sicher nicht an den Folgen des Rauchens sterben. Sein Blick hob sich, als er Absätze klappern hörte. Sex wäre auch eine schöne Möglichkeit, seinen Frust zu vergessen. Die Frau blieb vor ihm stehen und sah ihn vielversprechend an. Er las ihre Gedanken und grinste sie breit an. „Keine Chance Schätzchen. Ich bezahle nicht für Sex. Und wenn müsstest du mich bezahlen.“, meinte er leise. Sie überlegte kurz. „Bist du so gut?“, fragte sie angetan, doch ihre Gedanken waren rein geschäftlich. Sie hatte heute Nacht noch nicht viel eingenommen. Schuldigs Grinsen wurde breiter. „Nach mir willst du keinen Anderen mehr. Aber dich Matratze fasse ich sicher nicht an. Wo du schon überall warst!“, meinte er tadelnd und schnalzte mit der Zunge. „Such dir einen Anderen!“ Damit ging er an ihr vorbei, zog dabei die Schulter eng an seinen Körper zur Verdeutlichung seiner Ablehnung. Die Flüche der Frau ließ er an sich vorbei ziehen. Mit einem dunklen Lächeln schenkte er ihr noch die Migräne ihres Lebens und lief weiter. Es tat gut. Er wusste er war mächtig. Zu gern hätte er es einigen anderen Personen ins Gedächtnis gebrannt, dass er ihnen allen überlegen war. Harte Bässe drangen an seine Ohren und zog seine Aufmerksamkeit auf die Club. Schuldig trat seine Zigarette aus und trat in den Club ein. Ein Lächeln zog sich über sein Gesicht. Der große Raum roch nach Sex, Drogen und Gewalt. Letzteres manifestierte sich in einer Schlägerei an der Bar. Hier war er richtig. Dieser Sündenpfuhl hatte soeben seinen König gefunden. Hier würde er sich die restliche Nacht um die Ohren schlagen. Oh er würde sich Prügeln. Er würde jemanden finden, der ihm das Machtgefühl gab, dass er bei diesem Weiß nicht bekommen hatte. Er würde sich an einem Geist austoben und ihn in kleine Stücke reißen. Genießerisch leckte er sich über die Lippen. Er erspähte sein Opfer für diese Nacht. Eine Frau, lehnte an der Bar. Ihr Geist war stark und lockte Schuldig zu ihr. „Ein blöder Spruch und ich breche dir die Nase.“, drohte sie und nippte an ihrem Drink. Schuldig lächelte diabolisch. „Wenn du das tust wirst du hier keinen mehr finden, der dir deine Grenzen zeigt.“, gab Schuldig von sich. Die Faust der Frau flog auf ihn zu und er fing sie ab. Ihr Blick war voller Unglauben. Seiner war überlegen. Sein Lächeln überheblich. Er brauchte keine Worte um sie von seiner Überlegenheit zu überzeugen. Mit wilden Küssen drängte er sie an eine Wand im hinteren Teil des Clubs. Die harten Worte, die aus den Boxen schrien und die Grobheit der Frau in seinen Armen trieben ihn an. Es hatte begonnen ihm Spaß zu machen, doch nun löste er sich knurrend von ihr. Ihre willigen Gedanken begannen ihn anzuekeln. Er wollte nichts williges unter sich. Er wollte jemandem seinen Willen aufdrängen. Frustriert wollte er den Club verlassen. Er sah nur aus dem Augenwinkel, wie die Frau einem Türsteher etwas zurief. Dieser kam auf Schuldig zu und holte zum Schlag aus. Der Deutsche wich aus und schlug zurück. Der Schlag hatte gesessen. Er schüttelte kurz seine Hand und verließ den Club. In seinen Taschen kramte er nach einer Zigarette, bis ihm einfiel, dass er keine mehr hatte. Er schnaubte. Nun war er wieder so wütend, wie er es bei seinem Abgang aus der Villa war. Er fluchte ungehalten und beschloss heim zu gehen. Eine heiße Dusche würde ihn vielleicht besänftigen. Mit dem ersten Sonnenstrahl legte er sich ins Bett. „Mit roher Gewalt kommst du nicht weit.“, meinte Ran und setzte sich neben mich unter den Baum und drückte mir einen kalten Lappen an die schmerzende Wange. Ich zischte und knurrte dann. „Das sagt der, der einen Oberschüler nass gemacht hat.“, murrte ich und sah bockig auf das Gras vor meinen Füßen. Nach einiger Zeit schielte ich zu Ran, der auf den kleinen See sah. „Du musst deine Kräfte kontrollieren und bewusst einsetzen. Nicht einfach drauf los gehen.So entscheidet man keinen Kampf für sich.“, erklärte er leise und ich konzentrierte sich auf den Jungen neben mir. Es kostete mich viel Kraft und doch konnte ich nicht in dessen Kopf um seine Aussage zu überprüfen. „Was machst du da?“, fragte Ran und sah mich ruhig an. „Ich versuche deine Gedanken zu lesen.“, gab Ich knapp zu verstehen und bemühte mich in Rans Geist zu dringen. Doch mehr als seine Ausstrahlung konnte ich nicht finden. „Warum fragst du mich nicht einfach, was du wissen willst?“, fragte Ran und ich sank an den Stamm zurück. Ich schnaufte geschafft und sah Ran mich neugierig an. „Stört es dich denn gar nicht, dass ich so etwas kann?“ Rann schüttelte den Kopf und sah wieder auf den See. „Nicht wirklich. Eher überrascht. Jeder Mensch kann irgendetwas gut. Du kannst eben das.“, sagte er ungerührt und zuckte mit einer Schulter. „Kann ich dann an dir üben? Ich muss besser werden.“, wollte ich wissen und setzte mich aufgeregt auf. Lange überlegte Ran und nickte dann. „Aber schleich dich bitte nicht heimlich in meinen Kopf.“, bat er und ich nickte erstaunt. Ich würde dieses Versprechen nicht brechen. Gerade jetzt war ich froh jemanden bei mir zu haben, der stark war und mich auch noch an sich üben lies. Ran war ein echter Glücksfall. Kapitel 5: Wissen ----------------- Als er in seinem Zimmer ankam zog er sich das zerfetzte Shirt aus und besah sich den Schnitt. Erst jetzt bemerkte er, dass seine Finger zitterten. Er warf das Shirt in den Müll. Mit beiden Händen fuhr er sich durch die Haare und atmete tief ein. Er hatte keine Angst. Hatte sie den ganzen Abend nicht gehabt. Warum zitterte er jetzt? War es die Wut über den Gedanken, dass er unvorsichtig war? Er hatte den Mann im weißen Anzug unterschätzt. Ein Fehler, den er nie wieder begehen würde. Er zog sich eine dünne Sporthose und ein neues Shirt an und ging in ihren Trainingsraum. Er hatte nicht die Ruhe sich mit seinem Bokken zu beschäftigen. Er holte sich die Schnurlosen Kopfhörer aus dem Schrank und ließ die Musik der Anlage über diese in seine Ohren drängen. Auf dem Laufband würde er sich etwas beruhigen. Mit weiten Joggingschritten begann er seinen Lauf, wurde jedoch zügig schneller. Die Musik schnitt ihn von seiner Umwelt ab. Er hörte seinen eigenen Atem in seinem Körper. Ayas Gedanken liefen zurück zu dem Vorfall auf dem Dach. Seine Augen wurden schmaler. Er war sich sicher mit dem was er gesagt hatte. Der Wahnsinn war diesem Verrücken aus den Augen gesprungen und doch … Er wusste einfach, dass dieser Mann, Schuldig war sein Name, es nicht bis zum Äußersten getrieben hätte. Er konnte es sich selbst nicht erklären, doch er hatte es einfach gewusst. Er wusste er war sicher. Zumindest einige Körperstellen. Auch wusste er einfach, dass er diesen Abend überleben würde. Kurz hatte er den Gedanken gehabt, diesen Mann zu kennen. Und auch in diesem Gedanken war er sich sehr sicher gewesen. Für einen Augenblick schien er zu wissen, wer dieser breit grinsende Kerl war, wer er wirklich war. Er schüttelte den Kopf über diesen Gedanken. Wie konnte man nur glauben etwas über einen Fremden zu wissen? War er so leichtsinnig geworden? Er wusste doch genau, wie gefährlich Leichtsinnigkeit in diesem Job sein konnte. Natürlich hätte dieser Abend sein Letzter sein können. Aya begann sich über sich selbst zu ärgern. Vielleicht hatte man ihn auf dem Dach manipuliert. Irgendwie. Ja, so musste es sein. Er war nie leichtsinnig. Gut. Vielleicht hin und wieder, wenn er Takatori vor sein Schwert bekommen konnte. Aber er würde niemals sein Leben an einen Handlanger Takatoris verschwenden. Er spürte, wie er zu schwitzen begann und kleine Tropfen an seiner Wirbelsäule entlang liefen. Eine Gänsehaut folgte ihnen nach und Aya beendete seinen Lauf. Gierig sog er die Luft in seine Lungen und setzte sich auf eine dünne Yogamatte. Seine Beine stellte er auf und legte seine Ellen auf die Knie. Er atmete noch einige male tief durch, ehe er sich die Flasche neben der Matte nahm und einen großen Schluck trank. In Gedanken schloss er die Flasche und drehte sie in seinen Händen. Die Ellen hatten ihren Platz wieder auf den Knien gefunden. Ein schmales Lächeln zog sich über seine Lippen. Dieses Sportgetränk hatte Ken ihm empfohlen. Wohl ein Geheimtipp unter Fußballern. Die Musik drängte sich ihm noch immer über die Kopfhörer in die Ohren. Aya selbst glaubte nicht an die Versprechen auf dem Etikett, die von mehr Vitalität und einem gesünderen Leben handelten, doch schmeckte ihm dieses Getränk. Wasser allein war auf die Dauer langweilig und Säfte klebten ihm zu sehr im Mund. Sein Atem hatte sich beruhigt und er erhob sich. Noch einen großen Schluck von dem farblosen Sportlergetränk und Aya verließ den Trainingsraum. Im Koneko war es bereits still geworden. Sein Blick suchte die Uhr und ein überraschtes Geräusch entfloh seiner Kehle. Es war bereits weit nach Mitternacht. Höchste Zeit um sich zu duschen und ins Bett zu fallen. Im Bad zog er sich die verschwitzte Kleidung vom Körper und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser entspannte ihn und gab ihm die nötige Bettschwere. Lieblos rieb er sich die Haare etwas trocken und ging in seiner Nachtwäsche ins Zimmer. Er sah auf das Shirt im Papierkorb und sah auf seine Hände. Das Zittern war vergangen. Den Grund für diese Unruhe in seinen Fingern hatte er jedoch nicht gefunden. Nun sollte es ihm auch gleichgültig sein. Bei ihrem nächsten Aufeinandertreffen würde er diesem Mann, der angeblich Gedanken lesen konnte, einfach den Garaus machen und all seine Probleme wären gelöst. Und das sie sich wiedersehen würden, dass wusste er ganz genau. Aya legte sich ins Bett und zog die Decke über seine Schulter. Er hatte Schuldig geglaubt,. Was er gesagt hatte. Das hieß er glaubte es ihm noch. Es hatte ihn nicht so sehr erstaunt zu hören, dass der Mann sich als Telepath bezeichnete, wie er es für normal hielt. Einmal mehr lief ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Er hätte sich doch über den geistigen Zustand dieses erwachsenen Menschen wundern müssen. Hatte er nicht. Er hatte es einfach hingenommen. Gleichwohl hätte Schuldig ihm sagen können, er könne Lesen und Schreiben. „Als wäre so eine Fähigkeit normal.“, murmelte er für sich und war schon halb im Schlaf versunken. Seine Zunge war schwer beim Sprechen und er unterband jeden weiteren Versuch sich zu artikulieren. Mit einem abschließenden Seufzen sank er in den Schlaf, der nach nur wenigen Stunden ruckartig beendet wurde. Aya fand sich in seinem Bett sitzend und wunderte sich. Er konnte sich nur schemenhaft an ein paar Bilder aus seinem Traum erinnern. Es war ganz sicher kein Alptraum. So etwas hatte er schon seit Jahren nicht mehr. Die Wirklichkeit war der größere Alptraum, fand er. Er hatte als kleines Kind unter einem Baum gesessen. Jemand saß neben ihm und er hatte das Gefühl, diesem Jungen vertrauen zu können. Ein seltenes Gefühl. Sie hatten geredet. Er schüttelte den Kopf und erhob sich. Er würde nicht mehr in den Schlaf finden. Zeit für einen schönen heißen Tee. Gute Idee. Er zog eine bequeme Stoffhose und ein Shirt an und trat leise aus seinem Zimmer. Er wollte den Rest seines Teams nicht mit seiner Schlaflosigkeit belästigen. Kurz zuckte er zusammen, als er Yoji wie einen müden Zombie an sich vorbei schlürfen sah. „Morgen“, flüsterte er in seinem Schreck, doch Yoji nahm ihn nicht wahr. Aya sah ihm nach, als er in seinem Zimmer verschwand und das Poltern, welches nur Sekunden später ertönte ließ ihn vermuten, dass Yoji sein Bett gefunden hatte und wohl den heutigen Tag verschlafen würde. Ihm sollte es recht sein. Der Laden blieb geschlossen und sie alle konnten sich etwas ausruhen. War bekanntlich auch wichtig. Aya lief barfuß in die die Küche und brühte sich seinen Tee auf. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er alle Zeit der Welt haben würde. Es war gerade kurz nach vier. Hatte er also sagenhafte drei Stunden geschlafen. Mit dem Tee begab er sich zu dem Küchentisch, stoppte jedoch davor. Er überlegte es sich anders. Er würde heute faulenzen. Mit dem Buch, dass er aktuell las und seinem Tee begab er sich in sein Zimmer zurück. Er stellte fest, dass es ihm gefiel barfuß in weiter Kleidung unterwegs zu sein und keine kühle Strenge zeigen zu müssen. In seinem Zimmer stellte er den Tee auf seinen Nachtschrank und schob sein Kissen an die Wand um sich daran anzulehnen. Er warf sich die Decke über die Beine, ehe er diese anstellte und sie als Buchstütze benutzte. Noch etwas tiefer ließ er sich rutschen und trank an seinem Tee. Er hatte eigentlich kein gesteigertes Interesse an ausländischer Literatur, doch dieses Buch von zwei deutsch Schriftstellern hatte es ihm angetan. Es war voller intelligentem Witz und einer packender Verschwörungstheorie. Nicht, dass er in seinem Leben nicht genug Geheimnisse und Verschwörungen hatte, aber mal als Unbeteiligter daneben stehen zu können war wirklich erfrischend. Man konnte entspannt mitfiebern und gemütlich einen Tee trinken, wenn das eigene Leben nicht durch diesem Tanz auf dem Drahtseil bedroht wurde. Aya lächelte. So fühlte sich also Normalität an. Er wusste es würde nicht lange dauern, bis ihn sein Leben eingeholt hatte, doch er würde heute einfach zur Seite treten und für ein paar Stunden Normalität leben. Nach nur dreißig Seiten hörte er Schritte auf dem Flur. Sie klangen weich gepolstert, in kurzer Abfolge. Omi also. Hatte er seine Straßenschuhe mit den dicken Sohlen wieder in der Wohnung angezogen. Aya schnaufte. Heute würde jedoch keine Belehrung folgen. Er wusste, Omi würde sich nicht daran halten. Er war offensichtlich in Eile und würde sich nicht um ein paar Steinchen auf dem Flur stören. Aya lauschte, wie Omi in der Küche etwas zu suchen schien und entschied, dass er für heute Morgen genug geschmökert hatte. Außerdem war sein Tee alle. Er lief mit Tasse und Buch barfuß in die Küche und beobachtete Omi, wer dieser angestrengt nach etwas im Hängeschrank suchte. „Morgen“, versuchte er es erneut einem Teammitglied einen Gruß zuzuwerfen. Diesmal sollte er größeren Erfolg haben, als es bei Yoji der Fall war. Aus irgendeinem Grund war er sich sicher, Yoji würde sich nicht mal an den Weg nach Hause erinnern. „Morgen“, kam es von Omi, er seine Suche unterbrach und angestrengt nachdachte. Aya blieb still. Er würde sich nicht die Mühe machen, auf den atmosphärischen Hilferuf zu reagieren. „Weißt du, wo die Muffins sind?“, hörte er und deutete auf den Hängeschrank in der Ecke. „In dem obersten Regal. Hinter den Haferflocken, da traut sich eh keiner ran“, erklärte er. Ihm klang noch das Flehen Omis in den Ohren, diese teuren Importmuffins zu kaufen und bitte, bitte, bitte gut zu verstecken, damit er sie heute zu seinen Freunden mitnehmen konnte. Ja Omi hatte seine Finger verschränkt und tatsächlich drei mal Bitte gesagt. Da konnte er nicht anders und war dem Wunsch nachgekommen. Er wusste, wie er seinen Teammitgliedern eine Freude machen konnte. Einmal im Jahr einen Wunsch erfüllen und er war auf der Sympathieleiter etliche Stufen hinaufgeklettert. Zumindest bei Omi. Er hörte, wie Omi die Muffins einpackte und mit einem knappen Gruß die Küche verließ. Mit einem neuen Tee lehnte er sich an die Arbeitsplatte. Ken betrat die Küche und Aya schob ihm den Wasserkocher etwas hin. Der Fußballer brauchte früh einen starken schwarzen Tee. Ken lächelte. Aya trank an seinem Tee und lächelte. Wissen war eben doch Macht. Kapitel 6: Träume ----------------- Murrend erhob sich Schuldig in seinem Bett. Gott. Er schlief beschissen in letzter Zeit. Er rieb sich mit dem Handballen fest über die Stirn und hoffte, die aufkommenden Kopfschmerzen so zurückdrängen zu können. Seine Laune war gefährlich gesunken in den letzten Tagen und Wochen. Er war müde und hatte Kopfschmerzen. Eine schlechte Kombination für sein Umfeld. Immer wieder träumte er von den drei Wochen in dieser „Privatschule“ mit diesem Jungen. Ran. Jahre hatte er in diesem Haus verbracht und träumte von keinem einzigen Tag. Nur diese verfluchten drei Wochen arbeiteten in seinem Kopf, als ob er ein Tagebuch las. Es ließ ihn einfach nicht in Ruhe. Mit einem leisen Fluch stand er schließlich auf und stieg in die Hose, die vor dem Bett am Boden lag. Sie hatte ihren Platz dort nach dem letzten Auftrag gefunden und roch noch immer nach dem Sprengstoff. Er rümpfte die Nase, befand jedoch, dass es zum Frühstück reichen musste. Nun hatte er sie einmal angezogen und er war zu faul sich noch mal umzuziehen. Er griff sich das Shirt, dass seit Tagen auf der Lehne des Stuhls hing und zog es über. Auch dies roch. Nach einer durchzechten Nacht und dem billigen Parfum einer Dame. Auch dies hob seine Laune nicht. Es erinnerte ihn nur an diese enttäuschende Nacht. Er schnaufte und betrat die Küche. „Kaffee! Schwarz, stark, heiß! Und bevor auch nur einer Luft holt. Schnauze!“, kündigte er seine miese Laune an und holte sich eine Tasse aus dem Schrank. Nur am Rande hatte er bemerkt, dass alle drei seiner Kollegen an dem Küchentisch saßen. Darunter also auch Farfarello. Kurz schielte Schuldig über seine Schulter um sich zu versichern, dass es keine Fata Morgana war. Es stimmte. Seelenruhig saßen alle drei Schwarz am Tisch und aßen zusammen. Er überlegte, ob er nach neuen Medikamenten für Farfarello fragen sollte, doch ihm stand nicht der Sinn danach ein Kommentar fallen zu lassen. Und noch weniger danach eins zu bekommen. Mit seinem heißen, schwarzen Kaffee schritt er auf die Tür zu. Im letzten Moment stahl er sich das Toast, dass auf Farfarellos Teller lag. Er besah sich seine Beute. Ein Spiegelei war darauf gebraten und ließ ihn sich über die Lippen lecken. Im Flur zischte er kurz und versuchte das Toast auf den Fingerspitzen zu tragen. Es war verdammt heiß. Er pustete hektisch eine Ecke an, um es dann zwischen die Zähne zu klemmen und seine Hand schütteln zu können. Mit dem Toast zwischen den Zähnen fluchte er in seiner Muttersprache und setzte sich ins Wohnzimmer auf die Couch. Mittlerweile war das Toast etwas abgekühlt und Schuldig konnte seine Beute genießen. Spiegeleitoast und Kaffee. Seine Laune begann langsam zu steigen. Später noch ein paar Kopfschmerztabletten und zurück ins Bett. Ja. Das klang nach einem guten Plan. Er aß das Toast und stierte gedankenverloren auf den schwarzen Flachbildfernseher an der Wand. Er hatte keinen Elan nach der Fernbedienung auf dem Couchtisch zu greifen. Also ließ er die Gedanken der Menschen in seiner Umgebung durch ihn durch waschen. Die letzten Schlucke seines Kaffees hatten nur noch Körpertemperatur und Schuldig erhob sich schwerfällig. Der Druck hinter seiner Stirn und den Schläfen war zurück gegangen, dafür war seine Müdigkeit von einem gefüllten Magen und der Wärme des Kaffees gefüttert worden. Er beschloss seinen anfänglichen Plan um zusetzten. Auf dem Flur kam ihm Crawford mit einigen Zetteln in der Hand entgegen. Noch bevor dieser einen Ton sagen konnte, hob Schuldig mit einem überheblichen Grinsen eine Hand zur gelangweilten Abwehr. „Keinen Bock!“, gab er lapidar zu verstehen und stieg die Treppe hinauf. Sollte die Welt untergehen. Heute würde er den Boden vor seinem Bett nur noch betreten, um duschen zu gehen. Heute Abend. Irgendwann. Vielleicht heute Nacht. Je nachdem wann er aufwachte. „Warum hockst du hier allein?“, fragte ich Ran, der mitten im Speisesaal saß. An seinem zugeteilten Platz. Kurz sah ich mich um. Ich mochte den Tisch nicht, an dem auch ich dreimal am Tag saß um zu essen. Über ihnen war die Klimaanlage, es zog also wie Hechtsuppe. Mein eigener Platz war nach Osten gerichtet. Also Morgensonne über das ganze Frühstück im Gesicht. Und jeder, wirklich jeder, der sein Essen bekam oder sein Geschirr abräumte, musste an diesem verdammten Tisch vorbei. Und doch saß Ran auf seinem Platz an diesem verhassten Tisch. „Alle Tische sind frei“, gab ich leise zu verstehen, als ich mich neben Ran setzte und kurz darauf erschauderte. Die Klimaanlage tat ihren Dienst. Sie war defekt. Seit Tagen. Es zog. „Das ist schweinekalt!“, murrte ich und knurrte. Ran sah auf und mich an. „Ich weiß sonst nicht wohin.“, war seine Antwort und ich blinzelte überrascht. Ich verstand es nicht. Draußen erstreckte sich ein großer Garten mit einem Teich. Die Räume von diesem komischen Kampfsport, den Ran so gern betrieb waren leer. Zudem war es mitten in der Nacht. Da sollte ein Kind doch im Bett liegen und schlafen. Warum saß er dann hier?Ich versuchte in Rans Gedanken zu kommen, scheiterte jedoch und zog mich zurück, als Ran seine Stirn rieb. „Was ist los?“, fragte ich wie nebenbei. „Weiß nicht. Ich dachte ich bekomme Kopfschmerzen, aber jetzt ist es wieder vorbei.“ Ich nickte. „Dann ist ja gut.“, gab ich zurück und spürte, wie der Ehrgeiz und die Neugier in mir stieg. Ich wollte in Rans Kopf. Schuldig streckte sich knurrend, als er wach wurde. Kurz schmatzte er, ob seines trockenen Mundes. Die Kopfschmerzen waren weg und er fühlte sich etwas erholter. Gelassen stand er auf und ging er ins Bad und fand einen Zettel, der in Augenhöhe mit einem Klebestreifen an die Tür der Duschkabine geklebt war. Er riss ihn herunter und las. „Geh schlafen! Du siehst scheiße aus. Morgen haben wir einen Auftrag. Also sammel' deine Konzentration ein!“ Schuldig schnaufte wütend und ließ den Zettel fallen. Er fühlte sich bevormundet. Mit wieder gefallener Laune stieg er in die Dusche und ließ das heiße Wasser unnötig lange auf sich herab regnen. Schuldig duschte fertig und trocknete sich die Haare, ehe er in neue Shorts stieg und sich wieder ins Bett sinken ließ. Er zog die Decke bis zum Kinn und knurrte wohlig. Er roch das Duschgel an sich und spürte, wie die Restwärme des Bettes und seine Eigene ihn wieder in den Schlaf sinken ließen. Ich saß unter dem Baum am See und genoss die Sonne. Als ich eine bekannte Präsenz spürte, setzte ich mich auf und sah auf Ran, der sich neben mich ließ. Er strahlte eine gewisse Kälte aus. „Was ist los?“, wollte ich wissen und rieb mir die Müdigkeit aus den Augen. „Ich habe Dimitri besiegt“, kam die Antwort und ich blinzelte erst, begann dann zu grinsen. Der Junge neben mir schmollte und versteckte es hinter distanzierter Kälte. Wie niedlich. „Der ist 18, oder?“, überlegte ich angestrengt und Ran nickte. Ich war beeindruckt und dem Jungen und runzelte die Stirn. „Warum bist du dann so schlecht gelaunt?“, wollte ich nun wissen und sah, wie sich Rans Kiefer anspannten. „Weil ich ihm gesagt habe, dass man nicht von anderen besiegt wird, wenn man sich nicht besiegen lässt.“, murrte er und zog die Schultern mit den verschränkten Armen hoch. Er schmollte nun offensichtlich und ich begann lauthals zu lachen. „Und darauf hin ist er ausgerastet?“, vermutete ich und Ran blies die Wangen auf. „Übers Knie gelegt hat er mich. Verstehst du? Mich! Übers Knie!“ Er wurde immer ungehaltener. Eine solche Reaktion schien er nicht zu verstehen. „Du hast ihn beleidigt.“, stellte ich klar und Ran schnappte nach Luft. Ich musste nicht in seinen Kopf um zu wissen, dass er entsetzt von meiner Reaktion war. „Ich dachte, wenigstens du wärst auf meiner Seite“, murmelte er und wollte sich erheben. Ich griff nach seinem Arm und hielt ihn auf. Dann zog ich ihn zu mir und legte einen Arm um seine Schultern. „Natürlich bin ich das.“, lachte ich und spürte für einen Augenblick seine Lippen auf meiner Wange. Es war nur der Bruchteil einer Sekunde, doch es reichte um mir das Lachen zu nehmen. „Ich habe doch sonst niemanden.“, hörte ich ihn wie durch Watte sagen. Ich konnte nicht reagieren. Mein Kopf war von der Überraschung ausgefüllt, wie warm seine Lippen waren. Wunderbar warm. Am nächsten Tag war Ran verschwunden. Adoptiert. Schuldig öffnete mürrisch seine Augen, als er an der Schulter geschüttelt wurde. Unwillig und drohend blickte er auf Nagi, der mit ausdruckslosem Gesicht vor ihm stand. „Los hoch mit dir. Wir müssen los.“, kam es ruhig von ihm und Schuldig knurrte. Er wurde allein gelassen und zog sich um. Über den Traum wollte er nicht nachdenken. Er konzentrierte sich. Mit seinen Kollegen fuhr er zu seinem Auftrag. Takatori auf seinem Bankett beschützen. So etwas Lächerliches. Lieber würde er sich mit diesem Weißleader beschäftigen um sich von seinen Träumen abzulenken. Er trat fester aufs Gas. Unter einem Murren begab er sich an seine Position. Über Stunden würde er hier stehen und die Umgebung sondieren. Doch nach nur einer Stunde bemerkte er eine Präsenz, die ihm die Laune hob. Der Weißleader war in der Nähe. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen und er zog sich zurück. Sollten doch die anderen drei auf einen einzigen Mann aufpassen. Das würden sie schon schaffen. Er wollte jetzt seinen Spaß haben. Kapitel 7: Verwirrung --------------------- Bedächtig schloss Aya seinen Mantel. Er musste seine Gedanken zusammennehmen. Erneut würde er die Gelegenheit bekommen Takatori den Garaus zu machen. Er musste sich nur konzentrieren. Mühsam schob er seine Wut von sich. Mit einer solch blinden Wut würde er nicht weit kommen. Er würde sich heute Nacht für seine Schwester rächen. Und gleich danach würde er diesen grinsenden Deutschen zur Strecke bringen. Das hatte er sich geschworen. Oh, er hatte viel über diese Gruppe, Schwarz, recherchiert, hatte alles gelesen, was er in die Finger bekam. Vor allem Schuldigs Akte. Er hatte sie regelrecht studiert. Sie war erschreckend dünn gewesen. Vier Seiten und ein verschwommenes Foto. Die Akten der drei anderen Schwarz waren nicht weniger deprimierend informationsarm. Dennoch. Er hatte sie alle gelesen, sich über ihre Fähigkeiten informiert. Er wollte auf alles vorbereitet sein. Doch war er kaum schlauer als zuvor. Dafür bot ihm Amazon jetzt regelmäßig Bücher über Parapsychologie zu Sonderpreisen an. Er schnaufte und umgriff sein Katana, als er sein Zimmer verließ. Er konzentrierte sich auf Takatoris nahendes Ende. Mit seinem Porsche fuhr er in die Nähe des Gebäudes, in dem heute eine Benefizgala stattfinden sollte. Takatori stand auf der Gästeliste ganz oben. Aya würgte trocken, als er sich vorstellte, dass ein solcher Mann auf einer Veranstaltung für einen sozialen Zweck eingeladen war. Die Wut über diese Dreistigkeit trieb ihm eisige Schauer über den Rücken. Er stieg aus und zog einige Male die kalte Nachtluft in seine Lungen um sich zu beruhigen. Beruhigen. Er musste sich beruhigen. Im Schutze der nächtlichen Schatten begab er sich an sein Position. Aus dem Headset vernahm er , dass auch seine Kollegen sich positionierten. „Der Drecksack entkommt mir nicht! Das verspreche ich dir!“, raunte ihm Yoji zu und Aya schnaufte. Er musste nicht beschützt werden. Schon gar nicht vor einem grinsenden Telepaten. „Ich mach das schon!“, murrt er zurück und sah um die Ecke in die angrenzende Gasse. Er wollte nicht zu früh entdeckt werden. „Was machst du schon?“, fragte eine Stimme in seinem Rücken und er schluckte hart. Diese Stimme. Auf sie hatte er gewartet. Er wollte diesem Mann gegenüberstehen, doch noch nicht jetzt. Mit kühler Miene drehte er sich um. „Dich von meiner Liste streichen, Schwarz“, gab er fast lapidar zurück, umgriff sein Katana fest um seine Absichten zu unterstreichen. Schuldig grinste breit, steckte seine Hände in die Hosentaschen und schien sich prächtig zu amüsieren. Aya kochte vor Wut, doch er mahnte sich zur Vorsicht. Er wusste, dass dieser Mann mit anderen Menschen und Gedanken wie ein Puppenspieler umging. Den Codenamen Mastermind, fand er daher sehr passend. „Ich werde dich töten, Schuldig!“, prophezeite er und beobachtete, wie Schuldig interessiert eine Braue hob. „Du hast dich über uns informiert. Ich fühle mich ja fast etwas geschmeichelt“ Schuldigs Ton war spielerisch. Nun zog sich auf Ayas Lippen ein seichtes, jedoch dunkles Lächeln. Er konnte solche Machtspiele auch. „Gib mir eine Minute, dann erlöse ich dich von diesem und allen anderen Gefühlen“, bot er an und zog sein Schwert. Schuldig schnalze ermahnend mit der Zunge. „Seit ihr etwa alle so....hilfsbereit?“, spottete er und wedelte mit einer Hand. „Musst du mich wirklich fragen?“, fragte er lauernd, hatte er doch davon gelesen, dass es möglich war, nicht ganz einem offenem Buch zu gleichen. Minimal zuckten Schuldigs Mundwinkel. „Hat da jemand Onkel Google nach Rat gefragt? So viel Interesse an meiner Person?“ Schuldig lachte, blieb eine Antwort jedoch schuldig. „Ihr Japaner seid schon ein lustiges Völkchen. Und dann steckt man gleich vier von euch in eine Gruppe um Killer zu spielen“ Aya rieb die Zähne aufeinander. Schuldigs Spott wollte nicht enden. „Immerhin müssen wir uns unsere Leute nicht aus aller Welt zusammen kratzen.“, konterte er und wunderte sich selbst über seine emotionale Reaktion. Schuldig steckte seine Hand zurück in die Tasche und lachte. „Tja. Herrscht eben Fachkräftemangel. Wenn man die Besten will muss man sie in der ganzen Welt suchen. Und nicht nehmen, was einem zuläuft wie streunende Katzen. Richtig, Weiß?“ Das reichte! Mit einem Knurren ging Aya auf Schuldig los. Hart hieb er auf Schuldig ein, doch dieser wich jedem Schlag geschickt aus. Seine extreme Geschwindigkeit erstaunte Aya. Er wusste noch von ihrer letzten Begegnung, dass Schuldig schnell war. Doch es direkt vor sich zu sehen, war noch mal etwas anderes. „Hau nicht nur ab, du Feigling!“, rief er und atmete durch. Es hatte ihn einiges an Kraft gekostet, mit schwingendem Schwert dem Deutschen nachzusetzen. Dieser lachte schallend. „Du bist einfach zu langsam. Komm gib einfach auf. Du kannst doch kaum noch stehen. Du bist quasi schon besiegt. Ergib dich doch einfach deinem Schicksal“ Schuldig spottete über ihn. Aya knurrte. „Man wird nicht besiegt, wenn man sich nicht besiegen lässt!“, meinte er und hob erneut sein Schwert. Schuldigs überraschter Blick irritierte ihn, doch er wollte es für sich nutzen. Er ging auf ihn los und erwischte den Ärmel von Schuldigs Mantel. Wütend blickte Schuldig erst auf ihn, dann auf das Gebäude in dem Aya Takatori vermutete. Ein widerwilliges Murren entfiel dem Deutschen und er richtete sich auf. „Üb noch ein bisschen. Vielleicht verpasst du mir beim nächsten Mal ja sogar einen Kratzer!“ Mit dieser Bemerkung verschwand er und Aya richtete sich auf. Er war irritiert. Schuldig hatte für einen Moment ausgesehen, als hätte er einen Geist gesehen. Kopfschüttelnd wandte er sich um und lief auf das Gebäude zu um seine Kollegen zu unterstützen, doch als er ankam, waren sowohl Takatori als auch Schwarz verschwunden. „Wo warst du, verdammt nochmal?“, knurrte Yoji, der den verletzten Omi stützte. Ken rieb sich die Schulter und warf ihm einen ähnlich vorwurfsvollen Blick zu. „Wurde aufgehalten“, war seine einzige Antwort. Mit seinen Kollegen fuhr er heim. Dieser Abend hatte ihn mitgenommen. Schuldigs Überraschung würde ihn die ganze Nacht nicht loslassen. Kapitel 8: Bemühungen --------------------- Die letzten Wochen waren hart. Arbeitsintensiv und hart. Schuldig ließ sich auf sein Bett sinken. Eine weitere, sehr kurze Nacht stand ihm bevor. Vier Stunden oder weniger hatte er nun um sich zu erholen. Nicht viel bei dem Arbeitspensum, dass er sich aufgeladen hatte. Und weiß Gott nicht genug bei den Träumen, die seinen Geist anstrengten. Am Abend ihrer letzten Begegnung hatte er es bemerkt. Dieser Mann, Aya. Er war der Junge aus dem Heim. Er war Ran. Sein Freund. Der, der ihn einfach hatte hängen lassen, als Schuldig bemerkte, dass … Schuldig schüttelte energisch den Kopf und rieb sich rüde mit beiden Händen über das Gesicht. Er wollte sich jetzt darüber keine Gedanken machen. Acht verflucht lange Wochen hatte er sich darüber Gedanken gemacht. Über Ran und seine Zeit mit diesem Jungen. Ach verdammte Wochen hatte er nun ein doppeltes oder gar dreifaches Spiel gespielt. Er hatte seine ganz eigenen Pläne geschmiedet und ins Rollen gebracht. Weit ab von Schwarz und ihren Auftraggebern. Er hatte auf einem Drahtseil getanzt, hatte viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen und das bei einem immer gut informierten Oracel im Haus. Die Medien kannten ihn nicht, doch sprachen sie immer häufiger das Thema Gedankenkontrolle und deren militärische Nutzbarkeit an. Eindeutige Zeichen, die auf ihn wie eine Leuchtreklame deuteten. Doch er hatte Glück. Brad schien nichts davon zu bemerken … Oder er ließ ihn machen. Wer wusste schon, was in diesem Workaholicgehirn alles passierte? Schuldig hatte es irgendwann gelassen, ihn lesen zu wollen. Er bekam ja schon Stress und Herzrasen, wenn er nur an der Oberfläche kratze. Die drohende Überarbeitung schrie ihm ja schon beim Versuch Brad verstehen zu wollen von Weitem ins Gesicht. Ohne ihn. Das hatte er sich irgendwann nicht mehr geben wollen. Doch nun war er definitiv überarbeitet und es war seine eigene Schuld. Er brauchte wirklich etwas Ruhe. Nur ein paar Stunden Schlaf und die Hoffnung, dass sein ganz eigener Plan bald aufging. Müde fiel er rückwärts in die Kissen und sank sofort in einen tiefen Schlaf. Hecktisch rannte ich durch die Gänge. Die Gedanken, die ich bei den Jungs im Kendoclub aufgeschnappt hatte, konnten nicht der Wahrheit entsprechen. Das würde Ran mir nicht antun. Meine Lunge brannte bereits, doch ich verbat mir das stehenbleiben. Ich musste mich eigenen Augen davon überzeugen. Er hatte mich am See auf die Wange geküsst. Damit hatte er etwas getan, von dem er selbst sagte, dass es in seinem Land auch bei verheirateten Paaren kaum vorkam. Ich musste ihm also etwas bedeuten, oder? Dann würde er mich nicht im Stich lassen! Außer Atem kam ich an dem Büro an und schielte durch das Schlüsselloch. Ran stand vor dieser furchtbar vornehmen Familie. Vater, Mutter und ein Baby. Eingewickelt in eine rosa Decke. Ein Mädchen. Wollten sie nun für ihr Ansehen noch einen Jungen?Ich verstand nicht, was sie sagten, sie waren zu leise, doch Ran blickte über seine Schulter in meine Richtung. Hatte er mich bemerkt? Ich wollte in das Zimmer stürmen, doch noch bevor ich die Klinke in der Hand hatte erstarrte ich.Mich durchdrang ein schneidendes Gefühl. Auch wenn ich Rans Gedanken nicht konkret lesen konnte, hatte ich gelernt seine Gedanken und Stimmungen zu spüren, darin zu lesen. Und was ich nun spürte, kam einem „Lebe wohl!“ gleich. Das konnte nicht sein. Die Tür ging auf und der Mann sah mich kühl an. Irritiert trat ich einen Schritt zur Seite und heftete meinen Blick auf Ran, der mit demütigem Blick auf den Boden an mir vorbei ging. Kein Wort, kein Blick. Tief atmete ich ein. Hatte ich die ganze Zeit die Luft angehalten? Ich war tatsächlich entsetzt. Er war gegangen. Hatte mich einfach zurück gelassen. Wie in Trance ging ich in mein Zimmer. Zum Einen fragte ich mich, warum mir diese drei Wochen nur so nahe gehen konnten. Zum Anderen was mich hier jetzt noch hielt. Meine Antwort: Nichts! Ich packte meine wenigen Habseligkeiten in einen Rucksack und kletterte aus dem Fenster. Die Nacht brach bereits über die Welt herein und ich stahl mich wie ein Dieb durch die Schatten. Ich wollte nur weg. Auch der beginnende Regen, änderte nichts daran. Mit etwas Anstrengung brachte ich einen Herren im Anzug dazu, mir Schirm und etwas Kleingeld zu überlassen. Von dem Geld kaufte ich mir einen Schokoriegel. Mein Gehirn brauchte schließlich Energie um zu funktionieren. Die nächsten Tage hatte ich einfach meinen Spaß mit den Menschen in meiner Umgebung. Ich lernte schnell, wie ich sie manipulieren konnte. Sie taten, was ich wollte. Fantastisch. Ich hatte dauerhaft ein Hochgefühl. Teure Hotelzimmer, gutes Essen, Spaß. Es konnte nicht besser laufen für mich. Eines Nachts spazierte ich durch die Straßen der Stadt. Nachts war dieser Sündenpfuhl noch spannender. Ein Mann versperrte mir den Weg. Ich schnaufte mürrisch. Ich versuchte in seinen Geist zu dringen, damit er mir aus dem Weg ging. Mittlerweile meine leichteste Übung. Doch ich scheiterte. Skeptisch nahm ich den Lolli aus dem Mund und musterte den Mann. „Geh weg!“, untermalte ich mein Drängen und legte mehr Kraft in meine Fähigkeit. Fehlanzeige. Vorsichtig trat ich einen Schritt zurück. Sicherheitsabstand, war jetzt sicher angebracht. Sein beginnendes Lächeln trieb mir eine Gänsehaut über den Rücken. Ich bekam das ungute Gefühl, dass ich jetzt wohl die falschen Leute auf mich aufmerksam gemacht haben könnten. Er bat mich ihm zu folgen. Mit schnellen Blicken über meine Schulter stellte ich fest, dass ich eingekreist war. Ich schluckte trocken und folgte. Meine Telepathie half mir im Moment nichts und ich war zu klein und zu schwach um gegen diese Typen anzukommen. Mit einem flauen Gefühl im Magen stieg ich in den Minivan ein. Das Kind neben mir musterte mich kurz und lächelte kurz dunkel. „Schnall dich lieber an!“, befahl er und ich schnaufte. Der Knirps war locker einen halben Kopf kleiner als ich und musste seine blöde, zu große Brille immer wieder auf der Nase hochschieben. Wir fuhren über eine schlechte Straße und ich wurde hin und her gebeutelt. Dabei schlug ich mir den Kopf an der Scheibe. „Scheiße!“, fluchte ich auf deutsch und hörte das leise Lachen neben mir. „Habs dir gesagt“, meinte der Knirps und schob seine Brille hoch. „Bis du ein Hellseher, oder was?“, schnauzte ich ihn an und rieb mir die Schläfe. Das tat wirklich weh! „Ja und wenn du dich nicht anschnallst, tut dir gleich noch ein Gesicht weh“ Er war so ruhig dabei, dass es mich aufregte. „Du hast mir gar nichts zu sagen, du …“ Noch auf der Suche nach einer Beleidigung bremste der Wagen abrupt ab und ich schlug mit dem Gesicht gegen die Kopfstütze des Beifahrers. „Du mieser, kleiner, …“, murrte ich und schnallte mich an. „Brad Crawford“, stellte er sich vor. Mit gehobener Augenbraue und hoffentlich deutlicher Verachtung in meiner Miene musterte ich ihn. Seine dargebotene Hand würde ich sicher nicht annehmen. „Wir haben viel Zeit uns kennen zu lernen. Die Schweiz ist ein gutes Stück entfernt.“ Schweiz? Was wollte ich denn da? „Ich will dich nicht kennenlernen“, machte ich klar und verschränkte bockig die Arme. Wo war ich hier nur hingeraten. „Doch wirst du. Heute Abend wirst du zu mir gekrochen kommen“ Vorsichtig schielte ich zu ihm hinüber. Sein Geist und sein Gesicht hatten etwas Bitteres angenommen. Hatte er Angst? Sollte ich Angst haben? Ich grub in seinen Gedanken nach und japste erschrocken. Und ob ich Angst haben sollte! Schuldig schreckte auf. Hecktisch atmend sah er sich um. Sein Zimmer, sein Bett, alles gut. Nur ein Traum. Er griff sich auf die Brust, hoffte so sein rasendes Herz zu beruhigen. „Das reicht jetzt!“, beschloss er und stand schnell auf. Eilig zog er sich aus und ging duschen. Diese Erinnerungen musste er von sich spülen. Ein Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. „Brad sagt, wir sollen uns fertig machen“, kam es monoton von Nagi. Schuldig straffte sich. Er hoffte, dass dieser Auftrag die Früchte seiner Bemühungen waren. Nur Minuten später saß er im Wagen und fuhr zu dem spontanen Auftrag. Er lächelte dunkel. „Ausnahmsweise mal gut gelaunt? Muss ich mir darüber Sorgen machen?“, wollte Brad wissen und schob seine Brille auf der Nase hoch. „Mach was du willst, ich weiß, dass ich heute meinen Spaß haben werde“, gab er von sich und ignorierte den mahnenden Blick seines Leaders. Schuldig begab sich in die kleine Gasse und dränge sich in Dunkelheit der Schatten. Er hatte alles eingefädelt, damit Aya, nein Ran, hier durch musste. Der kleine Drogendealer lief panisch an ihm vorbei und Schuldig grinste. Seit er hier angekommen war, hatte er ihn unter Kontrolle und hier hergelockt. Er hörte, wie geschliffener Stahl zu singen begann und bekam eine Gänsehaut. Er würde Ran beim töten beobachten. Mit einer gewissen Freude sah er zu, wie der Mann sein Leben durch den Weiß verlor. Seine Technik war noch immer so elegant. „Nett“, begann er und trat aus dem Schatten heraus. Aya drehte sich zu ihm, umgriff sein Schwert mit beiden Händen. „Nicht doch. Ich habe mir solche Mühe gemacht, dich hier her zu bekommen“, meinte er weiter und sah, wie Ran skeptischer wurde. „Warum wolltest du mich hier haben?“, fragte er lauernd und Schuldig lächelte dunkel. „Ich will nur reden, Ran“ Er betonte den Namen des Weiß und dieser schluckte kaum merklich. „Schön. Du hast also meinen Namen aus meinem Kopf gezogen. Soll mich das beeindrucken?“ Seine Stimme sollte sicher gleichgültig klingen, doch Schuldig hatte zu viel Erfahrung, alsdass er darauf hereinfiel. „Ein bißchen, wäre schön“, spottete er. „Ich weiß noch ganz andere Dinge über dich. Als Kind warst du auf einer sogenannten Privatschule. Du warst ein Waisenkind. Drei Wochen warst du da. Dann erst hat dich der liebe Herr Fujimiya adoptiert.“ Schuldig gab sich ruhig. Natürlich wusste er, dass er auch den falschen Ran vor sich haben konnte, doch er wollte an etwas anderes glauben. „Was soll der Mist? Das habe ich als Kind mal geträumt. Ich bin nicht adoptiert worden.“, platzte es aus Ran heraus. Schuldig lachte herzhaft. „Hat man dir das ernsthaft eingeredet? Was denkst du wohl, warum deine angebliche Schwester dir kaum ähnlich sieht?“ „Halt meine Schwester da raus!“, rief Ran ungehalten und ging mit dem Schwert auf ihn los. Schuldig stutzte. In seiner Emotionalität war sein Geist leicht zu erreichen. Während er dem Schwert auswich, drang er in Rans Geist ein. //Die Fujimiya-Tochter. So ein sanfter, unschuldiger Geist. So wunderschön komatös. Es wäre ein Heidenspaß sie zu brechen// Ran stockte und griff sich an die Schläfe. Er musste Kopfschmerzen haben. „Woher …“ Ran biss sich auf die Zunge, dass konnte Schuldig sehen. //Kleine Besuche stärken bekanntlich die Freundschaft.// Schuldig log. Doch Ran schien ihm das Gesprochene abzukaufen. //Ich bin so tief in ihrem Kopf gewesen. Ich kenne jedes schmutzige kleine Detail. Nun bin ich auch in deinem Geist eingedrungen und wenn ich erst einmal alles von dir weiß…// Schuldig ließ eine Pause. Als er weiter sprechen wollte, pfiff etwas an seinem Ohr vorbei. Augenblicklich schrie Ran auf. Sein Bein haltend sank er auf den Boden. Schuldig drehte sich um. Die eisige Gänsehaut verriet ihm seinen Fehler. Er hatte ein mal mehr die falschen Leute auf sich aufmerksam gemacht. Ein harter Schlag auf den Nacken ließ ihn stöhnend auf die Knie fallen. In seinem verschwommenen Blick tauchten deute schwarz weiße Schuhe auf. Er kannte nur einen Mann, der solche Mafiosishuhe trug. Mit einem Tritt überkam ihn die Ohnmacht. Kapitel 9: Schmerz I und II --------------------------- Schmerz I Träge schlug Schuldig die Augen auf und sah sich um. Neben ihm erkannte er Ran, der auch gerade zu Bewusstsein kam. Sie beide waren an Stühle gefesselt, kaum eine Armlänge von einander entfernt. Das war der pure Hohn. Nahe genug, dass man sich erreichen konnte, wären die Arme nicht sorgfältig gefesselt. Schuldig beobachtete Ran genau. Der Schmerz in seinem Bein schien ihm die Kraft zu rauben. Er war blass, sein Hosenbein mit Blut vollgesogen und seine Kiefer angespannt. Schuldig konnte ihm ansehen, dass er mit einer erneuten Ohnmacht kämpfte. Die Tür ging und Schuldig erkannte mit einem einzigen Blick, dass sie beide tief in der Klemme steckten. Ran wurde munterer und hob den Kopf. „Sieh ihm nicht in die Augen. Egal was passiert!“, raunte Schuldig ihm zu. „Du kennst ihn?“, fragte Ran schwächer, folgte aber der Anweisung. „Natürlich kennt er mich. Wir zwei waren, wie soll ich sagen, Schulfreunde. Dachtest du vielleicht, er wäre der einzige Telepath auf der Welt? Einer der Besten, für wahr. Doch nicht der Einzige.“, erklang die arrogante Stimme dieses Mannes, der nun auf sie zuschritt. //Sieh auf den Boden und sieh in nichts, was spiegelt sonst überrennt er dich!//, gab Schuldig energisch zu verstehen, als er den verstohlenen Blick Rans sah. Erneut folgte er und sah starr auf den Boden vor seinen Füßen. Der Mann lachte. Schuldig knurrte ungehalten. „Ach mein lieber Schuldig … Warum willst du ihm denn unnötig Angst machen? Du weißt doch was echte Angst ist. Nicht wahr?“ Er kniete sich vor Schuldig., sah ihm mit einem diabolischen Grinsen an. Schuldig hob überlegen sein Kinn. Er durfte dieses Spiel nicht verlieren. „Angst ist, wenn du mit fünf Jahren vor deinen Eltern steht, deine Mutter zittert und dich anschreit von ihr fern zu bleiben. Angst ist, wenn der Vater dich als Missgeburt bezeichnet, als Freak und als Dämon. Wenn er versucht dich mit dem Schürhaken des Kamins zu erschlagen und nur sich und seine Frau beschützen will. Wenn du keinen guten Platz mehr in ihren Gedanken für dich, ihr eigenes Kind findest. Angst ist, wenn du wegläufst und nicht weißt, ob du hoffen sollst, dass er dich erwischt oder, dass du ihm entkommst. Das trifft es ganz gut, was meinst du?“, seine Stimme war leise und kalt. Nun begann er zu lächeln und erhob sich. Er schien beschwingter. Schuldigs Blick hatte sich verdunkelt. Er war ernst. „Außerdem habe ich dazu gelernt. Ich brauche keinen Blickkontakt mehr.“ Er fasste Schuldig grob an die Schulter. Dieser schrie auf. Schmerz II Schuldig schrie. Noch nie hatte er ein solches Geräusch von dem Deutschen gehört. So voller Schmerz. Schuldig stöhnte gequält auf, als der Fremde seinen Griff lockerte. Er ließ den Kopf hängen, schnaufte und hob seinen Blick wieder. Der Fremde beugte sich zu ihm. „Du kannst ihn nicht beschützen, deinen Ran.“, raunte er mit einem Lächeln, dass Ran eisige Schauer durch den Körper trieb. Oder war es das „deinen“, dass ihn erschaudern ließ? Der Fremde wandte sich an ihn und vertrieb jeden anderen Gedanken aus Rans Kopf. Er musste jetzt konzentriert sein. „Schöner Name übrigens.“, gab er im Plauderton von sich. Sein Griff in Schuldigs Schulter wurde wieder fester. Schuldig verbiss sich einen neuen Schrei. Schweiß begann ihm an der Schläfe entlang zu laufen. Blut floss von der auf gebissenen Lippe. Sein Atem ging stoßweise. „Weißt du, Ran … Der Kontakt mit einem anderen Telepaten kann äußerst schmerzhaft sein. Und je stärker ihre Fähigkeiten sind, desto fataler kann dieser Kontakt sein, wenn einer mental auf den anderen einprügelt … So wie ich gerade.“, erklärte dieser fremde Mann amüsiert. Ran wurde schlecht bei dem Gedanken daran, dass dieses Amüsement echt sein könnte. „Im schlimmsten Fall, geht es bis zum Tode. Stimmt, oder?“, fragte er bei Schuldig nach, als wolle er für seine Ausführungen noch Bestätigung. Schuldig atmete schnaufend. Es ging ihm offensichtlich immer schlechter. Der Fremde wandte sich an Ran, der ihn kämpferisch ansah. Insgeheim wiederholte er immer wieder die Worte seines Vaters. Er würde sich nicht besiegen lassen. „Es müsste sich jetzt in etwa so anfühlen, als ob man mit einem Stahlrohr auf den Kopf einschlägt“, führte er für Ran aus und wandte sich wieder Schuldig zu. „Deine Abwehr ist wirklich gut. Aber du wirst dieses Level nicht lange halten können.“ Er ließ Schuldig los, der erleichtert aufatmete. Dann hockte er sich vor Ran, sah ihn neugierig an, ehe er seine beachtlich langen Fingernägel in Schuldigs Bein grub, so einen neuen Kontakt herstellte und mit seiner Folter fortfuhr. „Jede emotionale Ablenkung verstärkt übrigens diesen Effekt.“, erklärte der Fremde und drückte mit dem Daumen auf Rans Schusswunde in seinem Oberschenkel. Er biss sich auf die Zunge um nicht zu schreien, wimmerte jedoch leidvoll auf. Er sah, wie Schuldig die Augen schloss. Seine Konzentration schien zu schwinden. Litt er etwa mit ihm mit? Ran war verwirrt. „Hmm... Vielleicht sollte ich mich mehr um deinen Ran kümmern. Es ist schließlich unhöflich, Gäste warten zu lassen.“ Da war es wieder. Schauer liefen durch Rans Körper. „Du warst noch nie höflich. Warum damit jetzt anfangen? Außerdem ist es unprofessionell, angefangene Arbeit liegen zu lassen.“, keuchte Schuldig schwer und erntete ein schallendes Lachen von dem Fremden. „Seit wann bist du bitte professionell?“ Er löste sich sowohl von Ran, als auch von Schuldig und dieser atmete erleichtert durch. Ran beobachtete Schuldig und den Fremden genau. Schuldig sah ihn finster an und atmete konzentriert. Dieser widmete sich wieder Ran. „Folter ist ein Grund, warum unser lieber Schuldig so ein sadistischer Schweinehund geworden ist.“ Er hob Rans Kinn an, dass dieser ihm in die Augen blicken musste. „Aber keine Sorge. Ich stehe ihm da in nichts nach! Ich möchte dich in deinen letzten Minuten doch nicht enttäuschen“ Er drückte erneut in die blutende Wunde und lacht. Ran verbiss sich einen Aufschrei. „Was für schöne Augen du hast. So ein starker, kämpferischer Blick. Es lässt deine Augen richtig funkeln. Ich kann Schuldig schon etwas verstehen. Du lässt dich nicht einfach knacken. Aber mehr interessiert mich, wie lange es wohl dauern wird, bis ich dein Hirn in Brei verwandelt habe.“ In Rans Kopf stieg der Druck und wurde schnell unerträglich. Ihm wurde schlecht. Er schrie auf, ehe alles um ihn herum dunkel wurde. Kapitel 10: Flucht ------------------ Rans Schrei ging ihm durch Mark und Bein. Er hatte viele Menschen schreien hören, meist wegen ihm. Es hatte ihm nichts ausgemacht. Nein. Meist hatte er es sogar genossen. Doch dieser Schrei war für ihn kaum auszuhalten. Mit großer Anstrengung sah er auf Ran und seinen Foltermeister. Es quälte ihn nicht, weil der Schrei entsetzlich laut und voller Schmerz war. Nicht, weil es der Schrei eines gequälten Geistes war. Der Grund dafür war Ran. Oh, Schuldig hatte es längst begriffen. Er wusste ganz genau, was in ihm passiert war. Und er wusste genauso gut, dass er keine Chance haben würde. Nicht in ihrer Konstellation zueinander. Nicht bei Ran. Niemals. Schuldig spürte, wie Ran immer tiefer in die Ohnmacht glitt und wusste, dass dies seinen Tod bedeuten würde. Er hatte jetzt nur noch die Möglichkeit seinen Kopf zu riskieren um Rans zu retten oder sie würden beide hier sterben. Leise schnaufte er. Es verwunderte ihn nicht mal, wie schnell er seine Entscheidung getroffen hatte. Wohl ein weiterer Beweis für den Wahnsinn, der sich seit Wochen in seinen Kopf eingenistet hatte. Mit aller Kraft und Konzentration hieb er mental auf den Mann ein, der vor Ran hockte. Sein sadistisches Lächeln erstarb unter einem schmerzhaften Keuchen und er sah zu Schuldig, ging körperlich auf ihn los und schlug ihm mit den Fäusten ins Gesicht. "So ganz verstehe ich es noch nicht", begann er, als er von Schuldig abließ und seinen Kragen richtete. "Erst lockst du ihn in diese Todesfalle hier und nun versuchst du ihn zu retten?", wollte der Mann wissen. Schuldig spuckte das Blut vor seine Füße. "Komm schon, Ivan. Ich sitze hier vor dir. Noch dazu gefesselt. Du brauchst ihn gar nicht. Wenn du dich rächen willst, wie ein kleines, bockiges Mädchen, mach nur! Vor dir würde ich nicht Mal weglaufen, wenn ich könnte.", gab er fast gelangweilt von sich. "Außerdem gehört sein Kopf mir. Wers findet, darfs auch behalten" Ivan kicherte, stemmte seine Hände in die Hüfte und musterte Ran ausgiebig Mit einem mitleidigen Blick. "Fast hätte ich geglaubt, du wärst noch irgendwo ein Mensch, Schuldig. Mit Gefühlen und dem ganzen Müll... So viel Lärm wie du um dich gemacht hast, nur um die Aufmerksamkeit des Rotschopfes zu bekommen. Ich dachte wirklich, er wäre dir wichtig. Sag mir, mit wem spielst du gerade? Mit mir oder mit ihm?" Ivan deutete abfällig auf Ran und Schuldig setzte sein dunkelstes Lächeln auf. "Mit jedem in diesem verdammten Raum!", war seine Antwort und Ivan lachte schallend. Diesen Moment musste er nutzen. Mit allem, was er noch an Kraft aufbringen konnte, schlug Schuldig auf Ivans Geist ein. Er sollte Erfolg haben. Ivan sackte, unter Stöhnen, ohnmächtig zusammen. Schuldig atmete einige Male tief durch um die höllischen Kopfschmerzen nicht gewinnen zu lassen. Er durfte jetzt nicht auch noch das Bewusstsein verlieren. Dann wäre alles um sonst gewesen. Ein letztes Mal atmete er ganz bewusst in den Bauch, ehe er mit dem Stuhl zu Ran rückte. "Los! Wach auf, verdammt!", herrschte er ihn an. Langsam öffnete Ran die Augen und hob den Kopf ein wenig. Dabei begann ihm das Blut aus der Nase zu tropfen. Er schien Mühe zu haben, wach zu bleiben. Sein Blick war getrübt und er wirkte orientierungslos. Wütend kurrend trat Schuldig ihm an das verwundete Bein. Ran schrie auf. Bekanntlich schüttete der Körper bei Schmerzen Adrenalin aus. Das brauchte er jetzt. Sie mussten hier weg. Schnell und weit. Kapitel 11: Sicherheit ---------------------- „Los wach auf, verdammt!“ Er hörte die Stimme wie durch Watte. Sein Bewusstsein wollte ihm entgleiten und sein Kopf dröhnte entsetzlich. Er würde es nie offen zugeben, doch er hatte Schmerzen. Sein Bein, Sein Kopf. Alles flehte ihn schmerzhaft an, sich auszuruhen. Vorsichtig sah er sich um, um seinen Blick zu fokussieren. Ohne Erfolg. Er kniff die Augen zusammen schnaufte leise. Er wollte nur etwas Ruhe. Jemand trat ihm hart an das verwundete Bein. Ran stöhnte und blickte Schuldig böse an. Seine Sicht wurde klarer. „Adrenalin schärft die Sinne.“, beantwortete er die Frage, ehe Ran sie stellen konnte. Er blickte auf den ohnmächtigen Fremden am Boden. Aus seinem Ohr lief Blut und er erschreckend blass. Einzig der sich bewegende Brustkorb ließ vermuten, dass er noch lebte. Erneut sah Ran sich um. Was war in den letzten Minuten passiert? „Er wird nicht lange weg sein. Also mach mich los.“, hörte er das Drängen. Aus seinen Gedanken gerissen sah er misstrauisch zu dem Schuldig. „Warum sollte ich dir vertrauen?“ Schuldig verdrehte die Augen, als hätte Ran etwas wesentliches übersehen und schüttelte den Kopf. Ran musste feststellen, dass er wirklich mitgenommen aussah. Die verschwitzten Haare, das blasse Gesicht, die unterlaufenen Augen. Ein wenig begann er ihm leid zu tun. „Weil du nur so überlebst!“ Schuldigs Stimme war zu ernst um ihm nicht zu glauben. Mürrisch drehte sich Ran schwerfällig mit seinem Stuhl. Er hörte, wie auch Schuldigs Stuhl sich bewegte und er kurz darauf kalte, feuchte Finger an seinen spürte. Ran stutzte. Hatte er gerade gespürt, dass Schuldig Finger bei dieser kurzen Berührung gezuckt hatten? War es ihm unangenehm? Ran schüttelte den Kopf. Er hatte jetzt keine Zeit um sich über das seltsame Verhalten Schuldigs Gedanken zu machen. Er schloss seine Augen. So konnte er sich besser konzentrieren. Er ertastete den Knoten an Schuldigs Fessel. „Verarsch mich nicht!“, drohte er, als er den Knoten löste und hörte, wie Schuldig sich befreite. Noch immer hatte er seine Augen geschlossen und konnte nur noch hofften, dass Schuldig ihn hier nicht zurückließ und nur seine eigene Haut rettete . Nur Augenblicke später wurde der Druck um seine Handgelenke weniger und er holte seine Arme nach vorn um sich die Handgelenke zu reiben. Seine Schultern begannen zu schmerzen. „Also ich haue jetzt hier ab. Komm mit oder stirb!“ Ran sah über seine Schulter. Schuldig war bereits auf dem Weg zur Tür. Er musste nicht überlegen. Er stand wacklig auf. Sein Bein schmerzte fürchterlich. Taumelnd und humpelnd lief er Schuldig hinterher. Er wusste, würde er Schuldig jetzt nicht folgen, würde er hier sterben. Seine Sicht wurde zunehmend unklar und er spürte, dass seine Beine nachgeben wollten. Er ahnte schon den Fall, doch kam es nicht so weit. Jemand umfing seinen Oberkörper, zerrte ihn rüde auf die Beine und zog sich seinen Arm um die breiten Schultern. Ein einziger Blick bestätigte ihm Schuldigs Nähe. Ran belächelte sich innerlich. Wer sonst sollte ihn stützen? Schuldig schleifte ihn mehr mit sich, als dass Ran lief. Vorsichtig sah er in das angestrengte Gesicht neben seinem. Es zeigte mehr Emotionalität, als Ran es dem Deutschen je zugetraut hätte. Sollte dieser Fremde mit „deinen Ran“ etwa die Wahrheit gesagt haben? In Gedanken über die Bedeutung dieser zwei Worte versunken, trat Ran mit dem verwundeten Bein auf und stöhnte schmerzhaft. Kurz wurde er von Schuldig gemustert. Nur kurz erwiderte er den Blick und schluckte hart. Schuldig musste ein fantastischer Schauspieler sein, oder aber die Sorge in seinem Blick war echt. Ran richtete seinen Blick auf den Weg vor ihnen. Das Gebäude hatten sie offensichtlich schon hinter sich gelassen. „Weiter!“, schnaubte er und drängte seinen Körper vor. So schnell ihre geschundenen Körper es zu ließen liefen sie in das angrenzende Waldstück. In der Sicherheit der Bäume angekommen, löste sich Ran von Schuldig, taumelte an einen Baum und übergab sich geräuschvoll. Er verzog das Gesicht, als er sich abwandte und an der anderen Seite des Stammes auf den feuchten Waldboden sank. Sein ganzer Körper schmerzte, sein Kopf fühlte sich an, als hätte man ihn mehrmals gegen einen Stein geschlagen und seine Nase lief. Vorsichtig fasste er an seine Nase und besah sich den Bluttropfen auf seinem Finger. Er rieb sich das Blut unter der Nase weg. „Der Schwindel vergeht und das Nasenbluten hört auch bald auf. Wir müssen dir jetzt erst mal Schokolade besorgen.“, begann Schuldig gehetzt und sah sich um. Verwirrt sah Ran zu ihm auf. Er fragte sich, ob Schuldigs Kopf doch mehr Schaden genommen hatte, als er vermutete. „Schokolade?“, fragte er nach „Ja. Hast du in Bio nicht aufgepasst? Schokolade ist Zucker. Zucker ist Energie und dein Hirn braucht grade viel Energie um sich zu regenerieren.“ Ran schnaufte. Schuldigs belehrender Unterton nervte ihn. „Tote Nervenzellen können sich nicht regenerieren.“, gab er von sich. Nun war es an Schuldig zu schnauften. Ran beobachtete ihn genau, wie er einen langen Art nahm, nur um ihn wieder von sich zu werfen und einen weiteren Ast zu begutachten. Langsam wanderte eine seiner Brauen nach oben. Das Schuldig nicht ganz normal im Kopf war, war ihm ja bewusst, doch nun schien der Deutsche seinen letzten Rest Verstand verloren zu haben. Was wollte er verdammt noch mal mit einem Ast? „Er zerstört keine Nervenzellen, nur deren Verbindungen zueinander. Die können wieder hergestellt werden. Du wirst wohl die nächste Zeit etwas vergesslich sein, doch du wirst es überleben …“, erklärte Schuldig beiläufig und richte ihm einen dicken, langen Ast. Skeptisch blickte Ran zu ihm. „Als Gehilfe, Trottel!“, hörte er ihn spotten und kam knurrend auf die Beine. Er nahm den Ast und klemmte sich den gegabelten Teil unter die Achsel. Er war erstaunt, wie gut es passte. „Nun sollten wir aber ganz schnell hier weg. Wenn Iva …“ Schuldig schüttelte den Kopf. „Wenn er aufwacht wird er richtig sauer sein.“, erklärte er und ging los. Ran hatte Mühe mit ihm schritt zu halten. Ihm war noch immer schwindlig und sein Bein schmerzte höllisch. Er musste sich ablenken. „Warum hast du ihn dann nicht getötet?“, fragte er. Schuldig blieb stehen und sah ihn mit hartem Blick über die Schulter an. „Meine Beweggründe gehen dich einen Scheiß an.“, blaffte er ungehalten und blickte vor sich. Offensichtlich musste er sich beruhigen. „Da vorne ist eine Tankstelle“ Ran hörte die unterdrückte Wut und beschloss zu schweigen und zu folgen. Fürs Erste wäre das wohl klüger. Zusammen betraten sie die Tankstelle. Er fand das Bild grotesk, dass sie zusammen abgaben. Zwei Männer, die Blut und Dreck an ihrer zerrissenen Kleidung kleben hatten, mehr stolperten als liefen und auf ein Regal mit Schokolade starrten. Dieses Bild wurde durch die Fahrstuhlmusik im Hintergrund und den jungen Mann an der Kasse abgerundet, der gelangweilt in einer Zeitschrift blätterte, Kaugummi kaute und damit Blasen schlug. „Du solltest dich langsam entscheiden. Wir müssen weiter.“, drang es an sein Ohr. Ran blickte auf eine Schokolade, deren rot weiße Packung offensichtlich mit einem Glas Milch warb. Lesen konnte er es nicht. „Weißt du,“, begann er leise. „Eigentlich mag ich nichts Süßes.“ Schuldig drehte seinen Kopf etwas zu ihm und begann zu grinsen. Das konnte er aus dem Augenwinkel erkennen. „Das ist witzig. Ich stehe total auf Süßes!“ Nun drehte Ran seinen Kopf und blickte Schuldig an. Er nickte nur verstehend. Lange sah Ran ihn an, bis Schuldig den starren Blickkontakt abbrach, amüsiert schnaufte und seine Hände in die Hosentaschen steckte. Das Neonlicht der Tankstelle verstärkte Rans Eindruck, dass auch Schuldig mit seinen Kräften am Ende war. Mit seinen seltsamen Reaktionen wirkte er fast menschlich. Ran sah auf das Regal vor sich um das Schmunzeln zu verstecken, das ihm bei diesem Gedanken über die Lippen huschte. „Lass uns hier abhauen!“, meinte Schuldig plötzlich und schnappte sich ungesehen eine dieser rot, weißen Packungen mit dem Milchglas drauf. Sie verließen die Tankstelle. In einem angrenzenden Park reichte Schuldig ihm ein Sandwich. Rans Kopf arbeitete noch immer nicht richtig. Er hatte keine Ahnung, welcher Weg sie hier her geführt hatte. Er setzte sich auf eine Parkbank und war erleichtert und dankbar für diese Pause. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Schuldig sich auf die Lehne setzte, seine Füße ruhten auf der Sitzfläche. Er packte sich einen dieser seltsam geformten Riegel aus und biss genüsslich hinein. Ran beobachtete ihn genau. Irgendetwas stimmte nicht mit Schuldig. Er konnte es nicht genau benennen was, doch es ließ ihn sympathischer wirken. Schweigend aß er sein Sandwich auf und sah sich dann in dem Park um. „Wo sind wir hier?“, wollte er wissen. „In Deutschland. Genauer gesagt irgendwo in der Nähe von Frankfurt.“, gab Schuldig mit vollem Mund Auskunft. „Woher weißt du das?“ Ran lauerte. Hatte Schuldig etwa seine Finger in dieser Entführung? „In der Tankstelle lag die Frankfurter Allgemeine aus.“ Ran sah ihn fragend an, doch Schuldig reagierte nicht, schien sich in dem Park orientieren zu wollen, ehe er in eine Richtung deutete.. „Ich habe hier in der Nähe ein Versteck. Da werden wir untertauchen und uns um unsere Wunden kümmern. Morgen sehen wir dann weiter.“, bestimmte er und sprang von der Bank. Ran nickte. Er hatte wohl keine andere Wahl, als dem Telepaten zu vertrauen. Kapitel 12: ... und deren Gefahren ---------------------------------- Schuldig lief langsam voran. Er wollte nicht, dass Ran ihn aus den Augen verlor. Doch dieses langsame Tempo nervte ihn. Er wollte sie beide schnell in Sicherheit bringen. Er wollte ihn in Sicherheit bringen. Vorsichtig sah er über seine Schulter. Ran verlor immer mehr Farbe aus seinem Gesicht. Lange würde er diese Anstrengung nicht mehr aushalten. Schuldig war froh, dass sie das Industriegebiet bereits erreicht hatten. In einem Nebengebäude hatte er sich sein Versteck eingerichtet. Er schloss die Tür auf trat ein. Hohe Sicherheitsmaßnahmen fand er zu auffällig. Eben so, wie ein zu teures Interieur. Schnell sah er sich in dem 20 qm großen Zimmer um, das dieses Nebengebäude darstellte. Sein Blick fiel auf das, aus Brettern und Gasbetonsteinen selbstgebaute, Regal neben den bodentiefen Fenstern. Zielstrebig ging er darauf zu und zog die schützende, durchsichtige Plane herunter. Voller Vorfreude steckte er die Stecker der Kaffeemaschine und des Wasserkochers ein und begann für sich einen Kaffee und für Ran einen Tee zu kochen. Tee wäre wohl besser für ihn als Kaffee, doch er brauchte dieses Gebräu jetzt einfach. Er hörte, wie Ran an einer weiteren Plane zog und sah zu dem breiten Bett an der einzig glatten Wand. Ran sah unsicher aus und hielt die Folie noch immer an einer Ecke in der Hand. „Nur zu. Wir sollten dann bald schlafen gehen“, bestätigte er und Ran zog weiter an der Plane, bis das Bett freigelegt war. Achtlos ließ er den Staubschutz auf den Boden fallen und sah an sich herunter. „Das Bad ist da“, gab Schuldig von sich und deutete auf die Tür gegenüber des Bettes. „Aber erst sehe ich mir dein Bein an. Also Hose runter!“, bestimmte er und drehte sich mit seiner Tasse Kaffee in der Hand um, ehe er sich erwartungsvoll an das Regal lehnte. Misstrauen schlug ihm aus Rans Blick entgegen. Oh ja. Er würde ihm dabei zusehen. Wenigstens ein wenig wollte er von ihm bekommen. Wenigstens seinen Anblick genießen, wenn schon nicht seinen Körper oder gar … Schuldig schüttelte den Kopf und nickte Ran auffordernd zu. Dieser knurrte, fügte sich jedoch. Widerwillig zog er seinen Mantel unter Schuldigs Blicken aus. Alles in seiner Haltung und seiner Gestik schrie nach Rebellion. Schuldig verkniff sich nur schwer ein Schmunzeln über so viel Widerspenstigkeit. „Du sollst nicht für mich strippen. Du sollst nur deine Hose ausziehen, damit ich mir dein Bein ansehen kann. Also hab dich nicht so.“, gab er betont gutmütig von sich. „Warum siehst du mich dann an, als erwartest du von mir einen Lapdance?“ Schuldig lachte. Der kindlich bockige Unterton war zu amüsant. „Weil du eine lahme Ente bist und ich nicht ewig Zeit habe!“, spottete er und stelle seine Tasse weg. Mit langen Schritten kam er auf Ran zu, sah ihm dunkel grinsend ins Gesicht und packte seinen Hosenbund um ihn an sich zu ziehen. Ran japste erschrocken, knurrte dann bedrohlich. „Das ist weder mein Bein, noch die Wunde!“, grollte er. Schuldig hielt seinem Blick stand, veränderte nichts an seiner Miene und öffnete die Hose. Einen Moment lang fragte er sich, warum Ran sich nicht wehrte, doch im nächsten Augenblick war es ihm egal. Er grinste noch ein wenig dunkler, ehe er sich vor Ran auf ein Knie ließ und ihm die vom Blut klebrige Hose an den Beinen herunter strich. Kurz sah er auf. Sah, wie Ran seine Kiefer aufeinander presse, angespannt auf ihn heruntersah und nur ganz flach atmete. Zu gern wäre er in seinen Kopf gedrungen um den Grund dafür zu finden, doch er kam nicht weit genug. Eine aufregende Situation für ihn. Ran war eindeutig angespannt und Schuldig fühlte sich regelrecht genötigt seine Grenzen auszutesten. Vorsichtig sah er auf die Wunde, strich über das getrocknete Blut, dass sich schon vor Stunden seinen Weg gesucht und die helle Haut verfärbt hatte. „Schuldig!“, grollte Ran, schien ihn drängen zu wollen. Doch er lächelte nur in sich hinein. „Ja, ja. Setz dich hin! Das muss ich erst mal sauber machen!“, maulte er gespielt und schob Ran auf das Bett. Dann holte er eine Schüssel aus dem Regal und ging ins Bad um warmes Wasser und einen Lappen zu holen. Wieder im Zimmer betrachtete er, wie Ran auf seinem Bett saß und sich einen Überblick über die Wunde verschaffte. Ein durchaus reizvoller Anblick. Nun fielen ihm auch die Grenzen ein, die es auszutesten galt. Er grinste und ließ sich erneut vor Ran auf die Knie sinken. Dieser musterte ihn kritisch und erneut hätte Schuldig zu gern gewusst, was in seinem Kopf vorging. Mit Argusaugen wurde er beobachtet, wie er den Lappen ins Wasser tauche, ihn ausfrang und vorsichtig über Rans Bein strich, es von Blut und etwas Schmutz reinigte. Er besah sich die Wunde. Sie war zu tief im Fleisch um als Streifschuss durch zugehen, aber zu flach um eine Fleischwunde zu sein. Auch hatte es aufgehört zu bluten. Ein Projektil war nicht in der Wunde. Es würde wohl in einer kleinen Narbe abheilen. Vorsichtig strich Schuldig mit dem Lappen an den Wundrändern entlang und spürte Rans Blick auf sich. Sein Misstrauen amüsierte ihn. Er ließ seine Finger zart über Rans Oberschenkel und dessen Innenseite streichen, senkte seinen Kopf ein wenig und blies heißen Atem über die feuchten Stellen der Haut. All dies ließ er wie zufällig aussehen. Er genoss die feine Gänsehaut, die sich auf Rans Bein bildete und lauschte seinem gleichmäßigen Atem. Zu gleichmäßig. Diese Gleichmäßigkeit kannte Schuldig nur zu gut. Unterdrückte Lust. Es gefiel ihm also. Zeit einen Schritt weiter zu gehen. „Spürst du das?“, fragte Schuldig und tat, als wolle er die Hautnerven überprüfen. Fasziniert beobachtete er die neue Gänsehaut, die unter seinen Fingern entstand. „Ja“, war alles, was er als knappe, tonlose Antwort bekam. Als wäre es ein Versehen ließ Schuldig seine Hand an Rans Schenkel weiter hoch wandern, erntete einen scharfen Zischen. Ein kurzer Blick aus dem Augenwinkel reichte ihm und zu erkennen, dass Ran mit seiner Erregung kämpfte. Heiße und kalte Schauer jagten über Schuldigs Rücken. Er hatte eine solche Situation nur in seiner Fantasie für möglich gehalten und würde es nun ausgiebig genießen. Sanft küsste er die Haut knapp unter dem Beinausschnitt der Shorts. Erneut war da dieses zu regelmäßige Atmen.Kurz blickte Schuldig zu ihm. Er hatte seine Augen geschlossen und schien sich nur auf seinen Atmen zu konzentrieren. Schuldig grinste. Ihn aus den Augen zu lassen, sollte Rans größter Fehler in diesem Moment sein. Schuldig zog am Bund der Shorts und senkte seine Lippen auf die über dem Hüftknochen gespannte Haut. Ran japste. Schuldig sah grinsend zu ihm auf und erhaschte den ungläubigen und doch neugierigen Blick. Fragte Ran sich, wie weit Schuldig gehen würde? Er würde es ihm zeigen. Seine eine Hand strich zärtlich über Rans Knie. Die Andere zog weiter am Bund der Shorts. Ohne seinen Blick von Rans Augen zu nehmen senkte er seine Lippen. Erschrocken keuchte dieser und starrte ihn ungläubig an. Sein Atem hatte seine Regelmäßigkeit verloren. Eine seltsame Spannung legte sich zwischen sie. Schuldig schluckte schwer, sah Ran fest an und legte seine Lippen auf die beginnende Erregung. Er hörte Ran keuchen und spürte nur Augenblicke später seine Hand in den Haaren. Wollte er ihn aufhalten? Er spürte keinen Zug und ließ Rans Erregung weitere Liebkosungen zukommen. Schuldig war von seiner eigenen Zärtlichkeit überrascht. Nahm er sich sonst, was er wollte, hatte er hier das Bedürfnis zu geben. Ergeben schnaufte er. Er hatte Ran gewollt. Die ganze Zeit schon. Erst nur seinen widerspenstigen Geist, dann auch seinen Körper. Nun wollte er ihn ganz. Ein wenig öffnet er seine Augen, blickte zu Ran, dessen Lieder in einer Mischung aus Scham und Erregung zusammen gepresst waren. Leise keuchte er seine Lust heraus. Tief nahm er ihn auf, ließ seine Zunge über die empfindliche Haut gleiten, entlockte Ran ein tiefes Stöhnen. Heiße Schauer rannen über Schuldigs Rücken. Er wollte mehr! „Was wird das?“, kam es keuchend von Ran und Schuldig löste sich ein wenig, sah ihn mit einem breiten Grinsen an. „Hmm... Ich denke das weißt du. Außerdem scheint es dir ja äußerst gut zu gefallen.“, meinte er amüsiert, ließ seine Finger provozierend sanft über Rans Leiste wandern. „Halts Maul, du Irrer!“, herrschte ihn Ran an. Mahnend schnalzte er mit der Zunge und schob sich an Ran nach oben. „Solch rüde Worte aus einem so schönen Hals“, flüsterte er an die feine Haut unter Rans Ohr, ehe er seine Nasenspitze zärtlich darüber gleiten ließ. Er spürte den Schauer in der Haut und legte seine Lippen über die Halsschlagader. Der schnelle Puls an seinen Lippen, reizte Schuldig. Er wollte sich in Ran verlieren. Er spürte das harte Schlucken in Rans Kehle und wurde aufmerksam. „Mach weiter! Sonst hörst du noch mehr davon!“, drohte Ran ihm mit kühler Stimme, die wohl fester klingen sollte, als sie es tat. Schuldig musste lachen und sah Ran ins Gesicht. „Eigentlich solltest du dich vor lauter Dankbarkeit je eher um mich kümmern“, warf er ein. Ran verzog seine Lippen zu einem überheblichen Lächeln. Schuldig war sofort eingenommen davon. Es stand ihm fantastisch! „Wenn du dich gut anstellst, tu ich das vielleicht auch“, gab er fast gönnerhaft von sich und stützte sich auf seine Arme ein wenig nach hinten. Sein arroganter, erwartender Blick, das spielerische Lächeln. Er wollte ihn wirklich reizen. Verzückt grinste Schuldig breit. Er nahm sich vor, Ran von seinem hohen Ross zu stürzen und senkte seinen Kopf um mit seiner Arbeit fort zu fahren. Kapitel 13: Feuer und Asche --------------------------- Ran japste erschrocken. Schuldig legte doch tatsächlich noch eine Schippe drauf. Sein überhebliche Fassade war binnen weniger Sekunden davon gefegt worden. Seine Arme wollte ihm den Halt versagen und er musste sich aufsetzen. Ein wenig schockiert sah er an sich herab. Schuldigs Hingabe und sein genießender Gesichtsausdruck machten es nur noch intensiver und verwirrender. Warme Fingerspitzen strichen über sein kaltes Bein, wanderten unter sein Shirt zärtlich über seinen Bauch. Fast hätte er genießend den Kopf in den Nacken gelegt. Er ballte eine Hand zu einer Faust und biss hinein um nicht laut zu stöhnen. Ran war sicher kein Kind von Traurigkeit. Er hatte sich öfter des Nachts aus dem Haus gestohlen um sich mit einem anderen Mann durch die Laken zu wälzen, doch so intensiv wie diese Minuten hatten sich ganze Nächte nicht angefühlt. Innig hoffte er, das es nicht schon bald zu ende war, denn Schuldig wusste offensichtlich sehr genau, was er tat. Niemals würde er es offen zugeben,doch es gefiel ihm. Es überrollte ihn regelrecht und er kam in einem kehligen Aufschrei. Es war zu gut um die Geräusche zu unterdrücken und wer sollte sie hier schon hören? Ran brauchte etwas um zu Atem zu kommen und blickte aus halb geöffneten Augen auf Schuldig, der selbstgefällig grinste. „Na? Gut genug?“, hörte er ihn neckend fragen. Überlegend zog er die Unterlippe zwischen seinen Lippen entlang, hielt seinen Blick auf Schuldig gerichtet, dem seine Gesichtszüge von überheblich in staunend glitten. War er dabei, sich in Rans Anblick zu verlieren? Ein Lächeln zuckte über Rans Mundwinkel, als er sich überlegte, dass Schuldig ihn vielleicht wirklich als „seinen Ran“ ansah. Erneut zog er seine Lippe zwischen seine Zähne und griff mit beiden Händen in die Mähne des Deutschen. Nun war es auch egal. Er wollte mehr von diesen intensiven Minuten. Bestimmt zog er ihn zu sich, ließ sich gleichzeitig auf die Matratze sinken. Fasziniert beobachtete er, wie Schuldig sich raubkatzengleich über ihm abstützte, seinen Kopf senkte, hielt erst knapp vor Rans Nasenspitze inne. Sein Grinsen kehrte auf sein Gesicht zurück. „Eine schnelle Nummer ist für gewöhnlich nicht mein Stil“, flüsterte Ran mit aller Stärke, die er noch aufbringen konnte und bekam ein spielerisches Lächeln als Antwort. „Dann machen wirs eben ganz langsam“, raunte Schuldig und presste ihm seine Lippen gierig auf. Ran war erst überrascht. Doch dieses Spiel der Dominanz konnte er auch spielen. Er schloss die Augen, griff fester in die langen Haare und erwiderte den Kuss ebenso gierig. Schuldig schmeckte süß. Fast glaubte er eine Spur Schokolade zu schmecken, als eine flinke Zunge seine zu streicheln begann. Kämpferisch erwiderte er den Kuss, erlangte schnell die Oberhand und drängte Schuldig zurück. Ein überlegenes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, doch wurde es von der plötzlich zurückkehrenden Dominanz Schuldigs weggewischt. Er hatte den Deutschen tatsächlich unterschätzt. Schuldig löste den Kuss, gab ihm keine Chance auf eine Revanche und strich mit seinen Lippen über seinen Hals. Ran widerstand dem Drang nicht, seinen Kopf in den Nacken zu legen, mehr seiner Haut anzubieten und genießend die Augen zu schließen. Er wusste, er machte sich angreifbar. Würde Schuldig nur mit ihm spielen, er hätte bereits verloren. Innig hoffte er, dass dies hier echt war. Selbst, wenn es nur ein Onenightstand war. Selbst, wenn er nach dieser Nacht, immer hungrig nach etwas Vergleichbarem, durch das Nachtleben Tokios streifen würde. Alles wäre akzeptabel, wenn diese Nacht nur echt wäre. „Ran“, hörte er Schuldig gegen seine Brust raunen. Sein so zärtlich ausgesprochener Name, trieb ihm heiße Schauer durch den Körper. Fester griff er in die weichen Haare zwischen seinen Fingern, zog Schuldig zu sich hinauf und küsste ihn. Nein. Das hier musste echt sein. Schuldigs gierige Erwiderung, seine flinken Finger auf seiner erhitzen Haut, sein leises Stöhnen,als Ran seine Hüfte an ihm rieb. Nicht einmal Schuldig konnte so ein guter Schauspieler sein, oder? Mit einem mal löste Schuldig sich von ihm und stand auf. Hatte er sich geirrt? Unfähig seine Irritation zu verbergen starrte er Schuldig an, der ihn mit einem seltsam ernsten Blick musterte. Ran schluckte hart. Das er nun halbnackt und erregt vor dem Deutschen lag trieb ihm die Scham und Wut in die Wangen. Er wollte Schuldig verwünschen und beleidigen. Dieser Mistkerl hatte wirklich mit ihm gespielt. Fast sanft begann Schuldig zu lächeln. Er griff sich mit beiden Händen in den Nacken und zog das Hemd über seinen Kopf und von seinem Körper. Achtlos lies er es fallen. Es schien, als gönnte er Ran den Anblick auf seinen trainierten Oberkörper. Skeptisch ließ er seinem Blick über die straffe Haut huschen. Von Schuldig keine weitere Reaktion. Nun sah er genauer hin. Er musste zugeben, ihm gefiel der Anblick. Langsam zog er seine Unterlippe erneut durch die Zähne. „Ich stehe drauf, wenn du das machst“, erklang es und er sah fragend auf. Schuldig hatte etwas lauerndes in seinem Blick. Langsam ließ er sich wieder auf das Bett, griff nach Rans schwarzem Shirt und zog es über seinen Kopf. Prüfend sah Ran in die blauen Augen. Erkannte er darin etwas Sehnendes? Schuldig schloss seine Augen und küsste ihn erneut. Nun war es ihm auch egal. Er würde eine fantastische Nacht verleben. Alles andere konnte er morgen überdenken. Willig griff er nach Schuldigs Nacken, zog ihn mit sich, als er sich in die Kissen zurückließ. Ran was begeistert, von dieser rüden Zärtlichkeit, mit der Schuldig mit seinem Körper umging. Seien es die Fingernägel die mit bestimmten Druck über seine Seiten fuhren, die scharfen Zähne, die seine Haut reizten oder das drängende Reiben. Er wollte ihn. Jetzt. Schuldig erfüllte ihm den unausgesprochenen Wunsch und drang in ihn ein. Ran konnte den Schrei nicht mehr zurückhalte, der aus Lust und Schmerz entstand. Ganz ohne Vorbereitung schmerzte es mehr als er dachte, doch er hätte es nicht anders gewollt. Er hatte nicht länger warten wollen. Schmerz hin oder her. Vorsichtig lösten sich seine verkrampften Finger aus Schuldigs Schulterblättern. „Jetzt sind wir quitt.“, gurrte dieser und Ran musste schmunzeln. Seine Spuren würden wohl länger nachwirken, als Schuldigs. Spielerisch schnappte er mit seinen Zähnen nach Schuldigs Ohrläppchen und zog daran. Langsam begann Schuldig sich zu bewegen und Ran stöhnte seine Lust leise heraus. Immer wieder spürte er die Schauer auf Schuldigs Haut, wenn sein heißer Atem das feuchte Ohrläppchen streifte. Das hier musste echt sein. Sehnsüchtig küsste Schuldig ihn und er erwiderte es genauso. Sie gaben sich einander ganz hin, wurden schneller, wilder, gieriger. Ihre Lust gipfelte in einem Orgasmus, der Ran fast das Bewusstsein raubte. Er war am Ende seiner Kräfte. Seine Wunde brannte, wegen des feinen Schweißfilms auf seiner Haut. Seine Lunge brannte. Doch er war zufrieden. Mehr als das. Vorsichtig sah er auf den zerwühlten Schopf auf seiner Brust und schluckt. Sein Verstand kam langsam zu ihm zurück. Er wusste ganz genau, was das hier für ihn war, doch wusste das auch Schuldig? Dieser erhob sich, zog sich seine Shorts an und durchsuchte die Taschen seiner Hose. Ran zog sich eine Decke über den Schoß. Auf einmal war es ihm unangenehm nackt zu sein. Unter einem seufzen zog Schuldig eine zerknüllte Zigarettenschachtel hervor und ging zu den Bodenlangen Fenstern, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Ein schaler Geschmack legte sich in Rans Mund. Träge erhob er ich und verschwand im Bad. Er wollte die Schande von sich waschen. Er wollte es nicht bereuen, doch als das warme Wasser die Spuren und den Duft von ihm wuschen, tat er es. Er bereute. Die Lust, das wohlige Gefühl einen anderen Menschen so nahe bei sich zu spüren, den Schmerz, der sich nun durch seine Brust zog. Er kniff die Augen zusammen. Er bereute, dass er bereuen musste und hoffte, dass dieser Alptraum bald vorbei war. Kapitel 14: Feuer und Asche - zensiert -------------------------------------- Ran japste erschrocken. Schuldig legte doch tatsächlich noch eine Schippe drauf. Sein überhebliche Fassade war binnen weniger Sekunden davon gefegt worden. Seine Arme wollte ihm den Halt versagen und er musste sich aufsetzen. Ein wenig schockiert sah er an sich herab. Schuldigs Hingabe und sein genießender Gesichtsausdruck machten es nur noch intensiver und verwirrender. Warme Fingerspitzen strichen über sein kaltes Bein, wanderten unter sein Shirt zärtlich über seinen Bauch. Fast hätte er genießend den Kopf in den Nacken gelegt. Er ballte eine Hand zu einer Faust und biss hinein um nicht laut zu stöhnen. Ran war sicher kein Kind von Traurigkeit. Er hatte sich öfter des Nachts aus dem Haus gestohlen um sich mit einem anderen Mann durch die Laken zu wälzen, doch so intensiv wie diese Minuten hatten sich ganze Nächte nicht angefühlt. Innig hoffte er, das es nicht schon bald zu ende war, denn Schuldig wusste offensichtlich sehr genau, was er tat. Niemals würde er es offen zugeben,doch es gefiel ihm. Es überrollte ihn regelrecht und er kam in einem kehligen Aufschrei. Es war zu gut um die Geräusche zu unterdrücken und wer sollte sie hier schon hören? Ran brauchte etwas um zu Atem zu kommen und blickte aus halb geöffneten Augen auf Schuldig, der selbstgefällig grinste. „Na? Gut genug?“, hörte er ihn neckend fragen. Überlegend zog er die Unterlippe zwischen seinen Lippen entlang, hielt seinen Blick auf Schuldig gerichtet, dem seine Gesichtszüge von überheblich in staunend glitten. War er dabei, sich in Rans Anblick zu verlieren? Ein Lächeln zuckte über Rans Mundwinkel, als er sich überlegte, dass Schuldig ihn vielleicht wirklich als „seinen Ran“ ansah. Erneut zog er seine Lippe zwischen seine Zähne und griff mit beiden Händen in die Mähne des Deutschen. Nun war es auch egal. Er wollte mehr von diesen intensiven Minuten. Bestimmt zog er ihn zu sich, ließ sich gleichzeitig auf die Matratze sinken. Fasziniert beobachtete er, wie Schuldig sich raubkatzengleich über ihm abstützte, seinen Kopf senkte, hielt erst knapp vor Rans Nasenspitze inne. Sein Grinsen kehrte auf sein Gesicht zurück. „Eine schnelle Nummer ist für gewöhnlich nicht mein Stil“, flüsterte Ran mit aller Stärke, die er noch aufbringen konnte und bekam ein spielerisches Lächeln als Antwort. „Dann machen wirs eben ganz langsam“, raunte Schuldig und presste ihm seine Lippen gierig auf. Ran war erst überrascht. Doch dieses Spiel der Dominanz konnte er auch spielen. Er schloss die Augen, griff fester in die langen Haare und erwiderte den Kuss ebenso gierig. Schuldig schmeckte süß. Fast glaubte er eine Spur Schokolade zu schmecken, als eine flinke Zunge seine zu streicheln begann. Kämpferisch erwiderte er den Kuss, erlangte schnell die Oberhand und drängte Schuldig zurück. Ein überlegenes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, doch wurde es von der plötzlich zurückkehrenden Dominanz Schuldigs weggewischt. Er hatte den Deutschen tatsächlich unterschätzt. Schuldig löste den Kuss, gab ihm keine Chance auf eine Revanche und strich mit seinen Lippen über seinen Hals. Ran widerstand dem Drang nicht, seinen Kopf in den Nacken zu legen, mehr seiner Haut anzubieten und genießend die Augen zu schließen. Er wusste, er machte sich angreifbar. Würde Schuldig nur mit ihm spielen, er hätte bereits verloren. Innig hoffte er, dass dies hier echt war. Selbst, wenn es nur ein Onenightstand war. Selbst, wenn er nach dieser Nacht, immer hungrig nach etwas Vergleichbarem, durch das Nachtleben Tokios streifen würde. Alles wäre akzeptabel, wenn diese Nacht nur echt wäre. „Ran“, hörte er Schuldig gegen seine Brust raunen. Sein so zärtlich ausgesprochener Name, trieb ihm heiße Schauer durch den Körper. Fester griff er in die weichen Haare zwischen seinen Fingern, zog Schuldig zu sich hinauf und küsste ihn. Nein. Das hier musste echt sein. Schuldigs gierige Erwiderung, seine flinken Finger auf seiner erhitzen Haut, sein leises Stöhnen,als Ran seine Hüfte an ihm rieb. Nicht einmal Schuldig konnte so ein guter Schauspieler sein, oder? Mit einem mal löste Schuldig sich von ihm und stand auf. Hatte er sich geirrt? Unfähig seine Irritation zu verbergen starrte er Schuldig an, der ihn mit einem seltsam ernsten Blick musterte. Ran schluckte hart. Das er nun halbnackt und erregt vor dem Deutschen lag trieb ihm die Scham und Wut in die Wangen. Er wollte Schuldig verwünschen und beleidigen. Dieser Mistkerl hatte wirklich mit ihm gespielt. Fast sanft begann Schuldig zu lächeln. Er griff sich mit beiden Händen in den Nacken und zog das Hemd über seinen Kopf und von seinem Körper. Achtlos lies er es fallen. Es schien, als gönnte er Ran den Anblick auf seinen trainierten Oberkörper. Skeptisch ließ er seinem Blick über die straffe Haut huschen. Von Schuldig keine weitere Reaktion. Nun sah er genauer hin. Er musste zugeben, ihm gefiel der Anblick. Langsam zog er seine Unterlippe erneut durch die Zähne. „Ich stehe drauf, wenn du das machst“, erklang es und er sah fragend auf. Schuldig hatte etwas lauerndes in seinem Blick. Langsam ließ er sich wieder auf das Bett, griff nach Rans schwarzem Shirt und zog es über seinen Kopf. Prüfend sah Ran in die blauen Augen. Erkannte er darin etwas Sehnendes? Schuldig schloss seine Augen und küsste ihn erneut. Nun war es ihm auch egal. Er würde eine fantastische Nacht verleben. Alles andere konnte er morgen überdenken. Willig griff er nach Schuldigs Nacken, zog ihn mit sich, als er sich in die Kissen zurückließ. Ran was begeistert, von dieser rüden Zärtlichkeit, mit der Schuldig mit seinem Körper umging. Seien es die Fingernägel die mit bestimmten Druck über seine Seiten fuhren, die scharfen Zähne, die seine Haut reizten oder das drängende Reiben. Er wollte ihn. Jetzt. Er war am Ende seiner Kräfte. Seine Wunde brannte, wegen des feinen Schweißfilms auf seiner Haut. Seine Lunge brannte. Doch er war zufrieden. Mehr als das. Vorsichtig sah er auf den zerwühlten Schopf auf seiner Brust und schluckt. Sein Verstand kam langsam zu ihm zurück. Er wusste ganz genau, was das hier für ihn war, doch wusste das auch Schuldig? Dieser erhob sich, zog sich seine Shorts an und durchsuchte die Taschen seiner Hose. Ran zog sich eine Decke über den Schoß. Auf einmal war es ihm unangenehm nackt zu sein. Unter einem seufzen zog Schuldig eine zerknüllte Zigarettenschachtel hervor und ging zu den Bodenlangen Fenstern, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Ein schaler Geschmack legte sich in Rans Mund. Träge erhob er ich und verschwand im Bad. Er wollte die Schande von sich waschen. Er wollte es nicht bereuen, doch als das warme Wasser die Spuren und den Duft von ihm wuschen, tat er es. Er bereute. Die Lust, das wohlige Gefühl einen anderen Menschen so nahe bei sich zu spüren, den Schmerz, der sich nun durch seine Brust zog. Er kniff die Augen zusammen. Er bereute, dass er bereuen musste und hoffte, dass dieser Alptraum bald vorbei war. Kapitel 15: Gedanken -------------------- Kraftlos lehnte Schuldig sich an die Ziegelsteinwand hinter sich und zündete sich eine Zigarette an. Tief inhalierte er den Rauch und bließ ihn in den kalten Nachthimmel. Was hatte er sich dabei nur gedacht? Sicher. Dies war mit Abstand der beste Sex seines Lebens. Doch war es erträglicher für ihn nur davon zu fantasieren. Zu wissen, wie es mit dem Mann war, den er... Er stoppte. Diesen Gedanken wollte er nicht einmal denken. Es würde ihn zu sehr schmerzen. Das durfte nicht passieren. Er durfte in diese eine Nacht nicht zu viel hinein interpretieren. Genervt über sich selbst schüttelte er den Kopf. Er hätte diesem Verlangen nicht nachgeben dürfen. Nun war es zuspät und das Verlangen in ihm war größer als je zuvor. Er wollte Ran. Mit Haut und Haar. Mit Allem, was er war. Und das immer wieder. Lustlos schnippte er den Filter von sich und entzündete eine zweite Zigarette. Wen kümmerte es? Wut kochte in ihm hoch. Wem wollte er etwas vor machen. Es kotzte ihn an. Diese ganze Situation, dass er es so sehr genossen hatte, dass es ihm noch immer heiße Schauer durch den Körper trieb und er Ran am liebsten ein weiteres Mal zum Schreien bringen wollte. Er griff nach dem alten Aschenbecher auf der Kiste neben sich und warf ihn wütend in die Nacht. Mit Genugtuung vernahm er das splitternde Geräusch, als das Glas am Boden zerschellte. Er hasste diesen Moment. Hasste Ran in diesem Moment. Und doch wusste er, dass die Wahrheit anders aussah. Schwer atmend drehte er sich um und sah in das beleuchtete Zimmer. Ran lag im Bett und schien zu schlafen. Dieses Bild schmerzte ihn. Er ertrug es nicht. Leise trat er ein, holte eine alte Jeans und ein Shirt aus dem Regal und zog sich an, ehe er das Zimmer verließ. Tief steckte er die Hände in die Tasche und drehte eine Runde auf dem Gelände. Nachts war hier niemand, also konnte er ganz in seinen Gedanken untertauchen. Er wusste, er musste sein Team informieren, glaubte er doch nicht daran, dass Brad das hatte kommen sehen. Doch was sollte er mit Ran machen? Er konnte ihn ja schlecht mit von Schwarz abholen lassen. Und Weiß würde er ganz sicher nicht zu seinem Versteck bestellen. Mürrisch blieb er stehen und sah durch die langen Fenster in den Raum. Er schnaufte. Sein Kopf schmerzte und sein Körper zitterte vor Kälte und Wut. Er musste sich und seinem Körper jetzt etwas Ruhe gönnen. Schuldig trat In das Zimmer ein, zog sich bis auf die Shorts aus und legte sich auf die freie Seite des Bettes. Ein Teil wollte den verführerischen Körper neben sich einfach ignorieren. Doch wie konnte er das? Er wusste nun, wie die Muskeln unter Rans Haut gespannt waren, wusste wie er schmecke und wie er klang, wenn er sich gehen ließ. Schauer liefen durch seine Haut und er spürte diese Anspannung aufsteigen. Vorsicht rückte er näher zu Ran. "Komm mir mit deinem kalten Pfoten ja nicht zu nahe!", murmelte es müde von der Seite und er musste lächeln. So müde, wie Ran klang wirkte er fast wie ein kleiner zahmer Haustieger und nicht wie ein tödlicher Killer, der mit seinem Schwert auch für ihn mehr als gefährlich werden konnte. SchuldiG konnte dennoch nicht anders. "Was, wenn doch?", wollte er wissen und rückte noch näher. Ran zog scharf die Luft ein, als Schuldig seine kalten Finger über seine Seite streichen ließ. Er spürte die Gänsehaut über die straffe Hüfte laufen. Seine Nase ließ er in Rans Nacken sinken und atmete den Duft tief in seine Lungen. "Lass das! Dafür will ich keine Kraft mehr aufwenden!", kam es ganz leise an sein Ohr und er grinste. Rans Worte klangen wenig überzeugent. Das beruhigte Schuldig. Ran lehnte ihn auch nach seinem unschönen Abgang nicht vollständig ab. Mit der Ruhe kam die Müdigkeit mit einem Schlag. Rans warmer Rücken an seinem Bauch tat sein Übrigens dazu. "Musst du nicht. Ich stehle dir nur etwas Wärme", raunte er im beginnenden Halbschlaf. Kapitel 16: So etwas wie Alltag ------------------------------- Für erhöte Rechtschreibfehler entschuldige ich mich schon einmal. Ich habe eine neue Tastatur und bin nich nicht ganz drauf eingestellt. Ich bitte um Nachsicht XD ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Langsam lief ich durch die Gänge des Gebäudes. Ich hatte ihm nichts von diesem Termin gesagt, wollte nicht, in sein enttäuschtes Gesicht sehen, wenn es an den Abschied ging. Und ich wusste, dass er enttäuscht sein würde. Die letzten drei Wochen hatten mich verändert. Ich dachte, nach dem Tod meines Vaters müsse ich allein zurecht kommen. Stark sein, hatte mein Vater mich gelehrt. Und nun war dieser grinsende Junge in mein Leben getreten und hatte alles verändert. Schon bei unserem ersten Treffen hatte ich es gespürt. Er war etwas besonderes. Er war so anders.Vielleicht hatte mich deine Fähigkeit auch deswegen nicht erschreckt. Es passte zu ihm. Er war sympathisch und sehr klug für sein Alter. Meine beste Fähigkeit war wohl der Umgang mit dem Schwert. Ich weiß nicht mehr, wann der Zeitpunkt war an dem ich in ihm mehr sah, als dieses immer lächelnde Kind.Irgendwann war dieser Punkt einfach gekommen und ich sah ihn als einen Vertrauten an. Etwas musste ich lächeln. Wir ergänzten uns. Was ich schwieg, redete er. So mancher in diesem Institut dachte tatsächlich ich wäre stumm. Doch er wusste es besser. Er wusste, was in mir vorging, obwohl er mich nicht lesen konnte. Ich blieb vor der großen Tür stehen und schluckte. Nun war ich doch nervös. Zu gern hätte ich diese liebenswerte Frohnatur jetzt bei mir gehabt. Ich hätte gern seinen Hand versichernd in meiner gewusste. Hatte ich ihn deswegen gestern geküsst? Mit zitternden Fingern strich ich über meine Lippen. Es war schön gewesen. Daran hielt ich mich fest, als ich eintrat und meine neuen Eltern mit ihrer Tochter auf dem Arm ansah. Ich verbeugte mich, wie es sich gehörte. Dabei schloss ich die Augen und dachte fest an ihn. Ich wollte ihn spüren lassen, dass er etwas Besondere für mich war. „Wenn wir zu Hause sind, wird dieses Haus nur noch ein verblasster Alptraum sein“, hörte ich den Mann streng sagen und ich nickte. „Ja Vater.“ Ich würde mich fügen. Langsam öffnete Ran seine Augen. Er fühlte sich wohl, wie lange nicht mehr. Um ihn herum war es angenehm warm und er war vollkommen entspannt. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schloss er die Augen wieder, um sie Sekunden später wieder erschrocken aufzureißen und ganz starr zu sein. Laute Musik dröhnte durch den Raum. Ran kannte die Band, hörte er sie doch selbst beim Training. Der Arm um seine Hüfte und der warme Körper in seinem Rücken entfernten sich und stellten den Wecker ab. 'Going out of my fucking mind', fand er dann doch ganz passend. Langsam richtete er sich auf und sah Schuldig an, der sich müde durch die Haare fuhr. „Tee?“, wurde er gefragt und nickte. Er war erstaunt. Noch vor 36 Stunden hatte er den Deutschen töte wollen. Nun lag er in seinem Bett, hatte mit ihm geschlafen und bekam einen Tee bereitet. Mit einer gewissen Skepsis ließ er seinen Blick über Schuldig gleiten. Die feinen Muskeln glitten unter der straffen Haut entlang und warfen zarte Schatten. Ran musste zugeben, dass Schuldig sehr ansehnlich war. „Wir sollten dann etwas einkaufen“, wurde er aus seinen Gedanke gerissen und starrte im nächsten Moment in eine Tasse mit Tee. „Wir brauchen Essen und trinken und eine Zahnbüste wäre, denke ich, auch nicht schlecht“, meinte er und fuhr mit der Zunge über seine Zähne. Ran nickte nur und trank einen Schluck Tee. Er beobachtete Schuldig, wie dieser seinen Kaffee, am Regal angelehnt, trank und sich dann eine alte Jeans anzog. Dieses ausgewaschene Stück Stoff stand ihm wirklich gut. Dazu zog er einen weißen, dünnen Pulli mit einer Reihe kleiner Knöpfen am Kragen an. Als er sich dann noch einen Zopf band blieb Ran endgültig der Mund offen stehen. Schuldig sah so gar nicht mehr aus, wie er. „Denkst du wirklich, ich laufe immer im Anzug herum?“, spottete es. Ran knurrte und trank seinen Tee aus. Dabei wurde ihm eine weitere Jeans und ein schwarzer Pulli aufs Bett geworfen. Widerwillig zog er die geliehene Kleidung an. Der Pulli saß gut, doch die Hose saß gefährlich tief auf seiner Hüfte. Ihm wurde grinsend ein Gürtel gereicht. „Heute Nacht ist mir gar nicht aufgefallen, wie schmal deine Hüften sind“, murmelte Schuldig und Ran spürte die Scham in seine Wangen steigen. Er musste kontern. „Da warst du ja auch mit anderen Dingen beschäftigt …“, schnaubte er und erntete ein Lachen. Zusammen verließen sie das Versteck und liefen in die Innenstadt. Schuldig spazierte ganz gelassen durch die Fußgängerzone. Ran zog nachdenklich die Unterlippe zwischen den Zähnen entlang. Dieser entspannte Schuldig erinnerte ihn an seinen Traum. Vielleicht hatte er ja recht. Vielleicht kannten sie sich wirklich aus ihrer frühstens Kindheit. Warme Lippen legten sich auf seine und er kam nicht umher seine Augen zu schießen. Er erkannte Schuldig sofort. Er schmeckte nach Kaffee und Kaugummi. Der Kuss war kurz aber intensiv. „Ich sagte doch, ich stehe drauf, wenn du das machst“, schnurrte er an seine Lippen. Kurz zuckte Rans Mundwinkel, ehe ihm erschreckend bewusste wurde, dass sie umringt von Menschen waren. Schnell sah er sich um und blickte dann zu einem breit grinsenden Schuldig, der lässig die Hände in den Taschen hatte. „Hier kümmert sich kaum einer um ein küssendes Paar“, erklärte er. Sein Lächeln wurde dunkler und er beugte sich zu Ran. Dessen Herz machte den Eindruck zu stolpern. Warum machte ihn das so nervös? „Wir könnten einfach weiter machen und keiner würde uns groß beachten“ Dieses Angebot kam Ran einer tödlichen Drohung gleich. Doch ein Teil in ihm, wollte diese angepriesene Toleranz austesten. Kurz nickte er, ehe er energisch den Kopf schüttelte und Schuldig die Hand auf die Brust legte um ihn von sich zu schieben. Ehe er es sich versah lagen zwei große Hände in seinem Nacken und gierige Lippen pressten sich auf seine. Ohne darüber nachzudenken erwiderte Ran den Kuss, strich mit seiner Zungenspitze verlangend über Schuldigs Lippen. Fast glaubte er, das Herz unter seiner Hand würde ebenso stolpern, wie sein eigenes. Langsam verflog die Gier ihres Kusses. Er spürte, wie Schuldig näher an ihn heran trat, seine Hände zärtlich tiefer in seinen Nacken glitten. Auch Ran wurde sanfter. Seine Hand strich über den Stoff hinunter zu seiner Taille und umfing sie mit beiden Armen, zog ihn noch einen Schritt näher an sich, bis ihre Körper sich berührten. Schuldigs Finger begannen seinen Haaransatz zu kraulen und Ran seufzte angetan. Mit einem Ruck löste sich Schuldig von ihm. Ran sah, wie er tief durchatmete und dann wie gewohnt grinste. „Siehst du?“, waren die knappen Worte, ehe der Deutsche sich abwandte und weiter lief. Eng zog Ran die Brauen zusammen. Er war sich sicher, dass Schuldig es auch genossen hatte. Warum hatte er sie dann getrennt, als hätte er einen Stromschlag bekommen? Kopfschüttelnd lief Ran ihm nach. Er beschloss, dass er Schuldig nicht verstehen musste, gestand sich jedoch ein, dass er es gern würde. Er wollte die Wahrheit, die hinter Schuldigs seltsamen Verhalten stand. Zusammen betraten sie einen Supermarkt. Ran hielt sich an Schuldig, konnte er doch kein einziges Wort hier lesen. „Möchtest du etwas bestimmtes?“, fragte Schuldig ihn, während er einige Bananen abwog. Ran blieb eine Antwort schuldig. Dieses Bild, dass sich ihm hier bot, wirkte absolut surreal. Natürlich ging er auch einkaufen. Logisch. Doch Schuldig dabei zu zusehen, wie er Obst, Gemüse und Jogurt in einem Einkaufswagen sammelte wirkte einfach unecht. Viel zu normal. Schuldig lehnte sich lächelnd auf den Griff des Einkaufswagens und blickte in an. Er war sich sicher, dass er völlig überfordert aussah. Denn genau das war er. Wen wunderte es? Er war angeschossen worden, in ein fremdes Land entführt und stand nun mit dem Feind in legerer Kleidung mitten zwischen Butter und Käse. So sehr er sich auch zusammenreißen wollte, so sehr er der Situation gewachsen sein wollte. Er konnte es nicht. Schuldigs Lächeln wurde weicher und er ergriff Rans Hand. Tatsächlich gab ihm diese Berührung Halt. Diesen Halt, den er aus seinem Traum kannte. Nein. Den er aus seiner Kindheit kannte und bei seinem Vater gesucht, aber nie gefunden hatte. Er stutzte. „Es war echt. Wir waren wirklich … du warst der Junge … mein Freund in dem Heim?“, stellte er eine Vermutung an. Schuldig richtete sich überlegen etwas auf. „The one und only“, grinste er und machte mit dem freien Arm eine einladende Geste. Ran schnaubte und löste seine Hand von Schuldig, drehte sich und ging weiter. Ungesehen von Schuldig legte er sich eine Hand auf die Brust, um sein schnell schlagendes Herz zu beruhigen. Er musste seine Gedanken, vor allem aber seine Gefühle ordnen und das würde er nicht schaffen, wenn er Schuldig berührte oder ansah. Energisch straffte er seine Schultern und vertagte diese Dilemma auf einen späteren Zeitpunkt. Sie kamen an die Kasse und Schuldig zog eine Karte aus der Hosentasche. Neugierig sah Ran dabei zu, wie die Unterschrift auf dem Kassenbeleg mit der auf der Karte verglichen wurde. Die Frau sprach mit Schuldig. Ran verstand kein Wort. Sie schien mit ihm flirten zu wollen, doch Schuldig griff recht demonstrativ nach Rans Hand, zog ihn mit sich von der Kasse weg. „Einfältige Kuh“, murrte er gereizt und sah dann etwas sanfter zu Ran. „Lass uns einpacken und dann verschwinden“ Ran packte die Lebensmittel in Tüten und sie verließen das Geschäft. Schuldig wirkte eindeutig angespannt. „Lass uns da was essen“, meinte er und deutete auf einen kleinen Imbiss hin. „Wenn ich genervt bin brauche ich was zu essen“, erklärte er und änderte die Richtung. Ran folgte ihm. Auch sein Magen hielt Essen für eine gute Idee. Schnell übersetzte Schuldig ihm die Speisekarte, als hätte er es schon hunderte Male so gemacht. Dann bestellte er und fischte aus einer anderen Tasche Kleingeld. Entspannt saßen sie sich an dem Tisch gegenüber und aßen. Ran trank an seinem Wasser und sah aus dem Fenster auf die breite Fußgängerzone. Die Menschen liefen wie Armeisen durch einander. Schnell und geschäftig. Seine Gedanken glitten ab. Er dachte an den Traum, an Schuldigs Bestätigung und den Kuss auf der Straße. Fühlte sich so ein normaler Alltag an? Der Tag war herrlich ereignissarm verlaufen. Fast könnte er sich einreden auf Urlaub zu sein. Aus dem Augenwinkel blickte er auf Schuldig. Urlaub mit ihm? „Sei froh, dass ich esse! Also lass die Zähne von deiner Lippe!“, drohte er mit der Gabel, auf der ein Stück Fleisch steckte. Sein Blick hatte etwas Dunkles. Nach Außen unbeeindruckt trank er sein Wasser weiter. Ja so stellte er sich ein normales Leben vor. Kurz zuckte sein Mundwinkel. Nach dem Essen wirkte Schuldig wesentlich entspannter. Zu gern hätte Ran gefragt, was ihn an der Kassiererin so geärgert hatte, doch er ließ dieses Thema ruhen und ging mit ihm zu dessen Versteck zurück, wo er die Lebensmittel in einem kleinen, versteckt stehenden Kühlschrank verstaute. „Ich muss noch mal weg. Ich hab die Zigaretten vergessen!“, bestimmte Schuldig unter unverständlichen Flüchen. Ran verschränkte die Arme vor der Brust. Irgendetwas lockte seine spielerische Seite heraus. „Na klar. Zigaretten holen! Am Ende bist du verschwunden und lässt mich hier versauern“, gab er von sich. Schon im nächsten Moment hatte er eine Hand an seinem Hinterkopf und bekam einen Kuss. „Ich bin schneller wieder da, als du mich vermissen kannst“ Die Art, wie Schuldig diese Worte an seine Lippen raunte trieben ihm heiße Schauer durch den Körper. Noch bevor er es realisieren konnte, hatte er seine Arme um Schuldigs Hals gelegt und küsste ihn gierig. Die ganzen kleinen Berührungen über den Tag verteilt hatten ihn angestachelt. Er wollte Schuldig. Wann hatte er das letzte Mal einen Mann so sehr gewollt? Nie. Nie hatte er es so unbedingt gewollte, wie mit Schuldig. Die Erkenntnis ließ ihn schaudern. Schuldig drängte ihn zum Bett, ließ sich mit ihm darauf und begann zu kichern. Er hatte in diesem Moment etwas von einem niedlichen Kind. Mit Schwung warf er das weiße Lacken über sie, schaffte eine Art Grenze zwischen ihnen und ihrer Umwelt. Leidenschaft erfasste sie. Rann zog an Schuldigs Kleidung. Er wollte seine Haut spüren und Schuldig schien es nicht anders zu gehen. Seine Finger strichen über den straffen Rücken, spürten die Schauer. Er zog ihn fester auf sich, genoss die heiße Haut auf seiner, kostete jede Liebkosung aus. Dieses Mal würde er nicht zulassen, dass Schuldig danach ging. Dieses Mal würde er nicht bereuen. Lustvoll keuchte er in den Kuss. Flinke Finger taten heute, was sie gestern nicht konnten. „Noch einmal nicht.“, flüsterte Schuldig heiser in sein Ohr und entlockte ihm ein Stöhnen. Die Erregung zog seinen Körper lang. Leise verlangte er mehr und Schuldig folgte seiner Order. Wie schon in der letzten Nacht trieb Schuldig ihn mit großen Schritten zum Höhepunkt, der ihn schwindeln ließ. Langsam kehrte Ruhe in sie ein. Schuldig legte sich neben ihn. Noch immer war dieses Lacken wie ein Schutz über ihnen. Ran sah ihn prüfend an, wollte den Moment nicht verpassen, an dem Schuldig sich erheben wollte. Doch dieser Moment kam nicht. Aufmerksam ließ er seinen Blick über Schuldig gleiten. Seine zerwühlte Mähne ließ Ran lächeln. Aus irgendeinem Grund war er stolz auf seine geleistete Arbeit. Sanft strich Schuldig mit den Fingerspitzen über seine Wange und er schloss die Augen. Warum sollte er die Zärtlichkeiten nicht genießen? Wer wusste schon, wann er das nächste Mal so berührt wurde. Er hörte, wie Schuldig sich bewegte, spürte den Kuss und erwiderte ihn eben so sanft. Dieser Moment war voller Ruhe, Zärtlichkeit. Es sollte nicht enden. Das Klingeln eines Handys riss sie auseinander. Schuldig sprang auf und nahm das Gespräch hektisch entgegen. Ran setzte sich lautlos auf. Schuldig telefonierte offensichtlich mit Crawford. In ihm machte sich ein flaues Gefühl breit. Dies verstärkte sich, als Schuldig mit einem Ausdruck über die Schulter sah, den er am ehesten als leidend definieren würde. „Verstehe. Dann sollte ich morgen den Nachmittagsflug nehmen.“ Damit legte Schuldig auf. Eine unangenehme Ruhe legte sich zwischen sie und Ran wurde bewusst, dass das hier, was auch immer es war, morgen Enden würde. Rüde zog er sich an. So sehr er sich auch bemühte. Das wohlige Gefühl, dass er noch vor Minuten gespürt hatte, wandelte sich zu einem kalten, schweren Stein, der sich in seinen Magen legte. Auch wenn er es sich verboten hatte. Er begann erneut zu bereuen und er hasste sich dafür. Kapitel 17: Ambivalenz ---------------------- Er wünschte sich, er wäre unter der der schützenden Decke geblieben. Er wünschte, er hätte dieses Telefonat nicht angenommen. Lautlos schnaufte Schuldig. Was hätte es geändert? Nichts. Einzig Brad hätte ihm die Hölle noch ein ein wenige heißer gemacht, als er es schon getan hatte. „Und nun?“, gab er seinen Gedanken leise eine Stimme und beobachtete, wie Ran sich anzog. Er wirkte wütend. “Was wohl? Du wirst morgen nach hause fliegen und ich sehe zu, dass ich mein Team kontaktieren kann. Irgendwo wird es ja eine Botschaft in diesem Land geben, oder?“ Schuldig nickte. „In Berlin. Quasi am anderen Ende Deutschlands.“, erklärte er, deutete mit einem Finger nach oben, den Norden an und begann zu lächeln. Ran würde sicher ewig brauchen, bis er sich nach Berlin durch gefragt und den Botschaftern seine Situation glaubhaft erklärt hatte. Innerlich schüttelte er den Kopf über so viel Torheit und schnaufte. „Warum kommst du nicht einfach mit mir mit? Unsere Wege können sich auch auf dem Flughafen in Tokyo trennen“ Ran gab einen abwertenden Laut von sich, zog sich rüde den Gürtel fest. Schuldig spürte, dass er aufgewühlt war. Zu gerne hatte er in seinen Kopf gesehen, um zu erfahren, warum er sich so verhielt. Diese Situation ärgerte Schuldig mächtig. „Ich bin dann mal weg!“, meinte er nebenbei und griff nach seinen Kleidern, zog sich an und verließ den Raum. Als die Tür zuschlug atmete er durch. Mit einem Mal war ihm der Raum zu eng geworden. Er verstand Rans Verhalten nicht. Er wusste, was das hier für ihn war. Schuldig stockte. Wusste er das wirklich? Nein. Er wusste nicht mehr, was er hier tat. Es hatte als Gelegenheit begonnen. Doch nach dieser Wiederholung konnte er wohl kaum von einer Gelegenheit sprechen. Oder doch? Wollte er sich jetzt wirklich einreden, dass es nicht mehr war, als eine Gelegenheit? Schnaufend trat er in das kleine Geschäft ein und trat an die Kasse durch, drängte sich an einer alten Frau mit Rollator vorbei und packte dem Kassierer seine Zigaretten vor die Nase. Dieser sah voller Verwirrung und Unverständnis zwischen ihm und der alten Frau hin und her. „Ich bin nicht in Stimmung!“, knurrte Schuldig, legte Geld auf das Band und ging mit seiner Ware. Das alles nervte ihn nur noch. Vielleicht sollte er wirklich einfach verschwinden und den Weiß zurück lassen. Dann hätten sie vermutlich bald ihr altes Verhältnis wieder und er konnte diese lästigen Gefühle in sich einfach abtöten. Mit einem Blick auf die Uhr zündete er sich eine Zigarette an. Kurz vor Mitternacht. Er hatte sich ordentlich Zeit für den Rückweg genommen. Vielleicht war auch Ran schon auf dem Weg zur Botschaft in Berlin. „Das wäre doch mal was. Würde mich interessieren,wie weit er kommen würde“, murmelte er für sich und trat ein. Er erstarrte in der Bewegung. Der Raum war tatsächlich leer. Fast wäre ihm die Zigarette aus den Lippen gefallen. Schuldig besann sich und sah ins Bad. Leer. Auf dem Rückweg sah er einen Schatten. Misstrauisch trat er aus dem Fenster heraus und grinste, als er Ran auf der Kiste sitzen sah. „Kleine Kitten sollten um diese Zeit aber schon schlafen!“, mahnte er und lehnte sich lässig neben ihn. „Kleine Telepaten auch!“, kam der Konter und er lachte leise. „Ernsthaft. Du solltest nicht hier draußen herum laufen“ Ein schneidender Blick traf ihn. „Aber du darfst etwas frische Luft für dich allein beanspruchen?“, fragte Ran lauernd und Schuldig nickte. „Ich kenne mich hier ja auch aus“, bestätigte er und schnippte den Filter von sich. Eine unangenehme Stille legte sich zwischen sie. Doch sie wehrte nicht lange. „Ich muss mein Team informieren“, murmelte Ran und sah ihn auffordernd an. „Denkst du, sie kommen her um dich zu retten, Prinzessin?“, spottete Schuldig „Sie werden sich etwas einfallen lassen“, verteidigte Ran seine Leute kryptisch. Vorsichtig hob Schuldig eine Augenbraue. Glaubte Ran den Mist, den er da von sich gab? Sicher wusste Weiß schon längst, dass sie von den Schweizern entführt worden waren. Wenn sie ihn nicht bereits für tot erklärt hatten würden sie ihm wohl nach seiner Rückkehr nicht einen Zentimeter über den Weg trauen. Schuldigs Informationen über Kritiker waren sehr dürftig. Doch er wusste, Kritiker war weder dumm noch so leichtsinnig eine vermeintliche Schwachstelle mit offenen Armen zu empfangen. Ok. Die Jungs von Weiß würden das vielleicht. Die glaubten aber auch noch an das Gute im Menschen. Schuldig schnaufte. Dieses viele Nachdenken kotzte ihn an. Außerdem stand ihm eine nachdenkliche Art nicht zu Gesicht. „Außerdem würdest du mich doch so oder so an deine Leute ausliefern“, knurrte Ran und erhob sich. „Bist du blöd?“, fauchte Schuldig und nahm Ran mit einer Hand an seinem Hals an der Zeigelwand gefangen. Was erlaubte der sich? Wütend griff er etwas fester zu. Das atemlose Keuchen gab ihm Genugtuung. Schmerzhaft gruben sich Rans Nägel in seinen Arm und seine Schulter. „Was willst du von mir?“, kam es gepresst von Ran. Schuldigs Zähne rieben aufeinander, ehe er sich entspannte und ihn mit einem kalten Blick losließ. „Nichts. Ich will gar nichts von dir!“, zischte er und betrat das Zimmer. Im Bad schlug er sich kaltes Wasser ins Gesicht. Was war gerade passiert? Noch ein paar mal atmete er tief durch um sich zu beruhigen. Dann verließ er das Bad. Sein Blick heftete sich auf den ruhigen Körper in seinem Bett. Eine Mischung aus Wut und einer Spur Verzückung stiegen in ihm auf. Für einen Moment überlegte er, ob er sich wirklich neben Ran legen sollte, doch er schüttelte den Gedanken sofort ab. Wer war er denn, dass er sein eigenes Bett aufgab? Er zog sich bis auf die Shorts aus und legte sich hin. Sein angespannter Körper dankte ihm die weiche Matratze gekauft zu haben. Er atmete einmal tief ein und spürte, wie seine Sehnen und Bänder an ihren angestammten Platz sprangen. Morgen würde er sicher seinen Rücken ganz deutlich spüren. Über Minuten blickte er an die Decke, ehe er seinen Blick auf Rans nackten Rücken lenkte. Die gleichmäßigen Bewegungen verrieten ihm, dass der Mann neben ihm schlief. Er beschloss auch etwas zu schlafen. Sein Geist und sein Körper brauchten Ruhe. Der Morgen kam zu früh für ihn. Murrend tastete er nach seinem Handy um den Wecker ab zu stellen. Das warme Gesicht auf seiner Brust war viel zu angenehm um sich durch einen Wecker in diesem Genuss stören zu lassen. Wie in Trance strich er über den Schopf, der auf ihm lag. Mit geschlossenen Augen ertastete er das weiche Haar, die zarte Haut. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Selten war er neben einer Affäre aufgewacht. Meist war er oder die fremde Person in der Nacht verschwunden. Er brauchte dieses kitschige nebeneinander wach werden nicht. Dachte er. Doch das hier fühlte sich gut an. Zu gut um darauf zu verzichten. Er hielt die Augen geschlossen, legte seine Arme um den, durch den Schlaf butterweich gewordenen, Körper und gab sich dem Schlaf noch ein mal hin. Die noch schlaftrunkenen Bewegungen an seiner Brust und das leise Murren holten ihn aus seinem Schlaf und er öffnete träge die Augen. Er sah, wie Ran sich über ihn stützte und sich ein Auge rieb. Dann sah er sich um, um seinen Blick zu schärfen. Schuldig war ehrlich fasziniert. Dieser gut definierte Körper, der den Tod auf eine unglaublich präzise Art bringen konnte wirkte in diesem Moment ganz zart und weich. Erst das Geräusch einer ankommenden Sms konnte seien Blick ablenken. Unter Ran rollte er sich auf die Seite und sah auf sein Handy. Mit einem Anflug von Entsetzen las er die Uhrzeit ab. Das die Sms von Brad kam, wandelte den Schreck in einen Schauer, der über seine Arme ging. Er ahnte schon, was in der Mitteilung stand und öffnete sie. Die degradierenden Bemerkungen überlesend suchte er sich die Informationen heraus, die er brauchte. „Scheiße“, fluchte er auf deutsch und setzte sich auf. „Unser Flug ist weg und die nächste Chance unbemerkt von hier zu verschwinden ist in drei Tagen.“, gab er nüchtern von sich und hob den Blick. Rand ging ins Bad, als hätte er ihn nicht einmal gehört. Nur Sekunden später erklang das Geräusch einer Zahnbürste. Schuldig murrte. Wollte Ran ihn jetzt mit Ignoranz strafen? Kapitel 18: schmerzhafte Wahrheit --------------------------------- Leise schloss er die Tür zum Bad und lehnte sich dagegen. Tief atmete er durch. Würde er also weitere Tage in dieser surrealen Seifenblase hängen. Schauer durchliefen ihn. Jetzt musste er doch tatsächlich noch drei weitere Tage mit diesem … diesem … Ihm fiel nichts mehr ein. Er hatte das Gefühl, ihm wären die Beleidigungen für Schuldig ausgegangen. Mit Schwung warf er sich etwas Wasser ins Gesicht und putzte seine Zähne. Der zerbrochene Spiegel über den Metallwaschbecken schien ihm seltsam passend für seine Situation. Wenn er ehrlich zu sich war, war er froh noch nicht heim zu müssen. Er hatte keinen Schimmer, wie er auf sein Team reagieren sollte. Was wäre, wenn Schwarz ihn tatsächlich am Flughafen abfangen würden? Zu zutrauen war es ihnen. Durch den Spiegel sah er auf die Tür. Noch immer wusste er nicht, was er von Schuldig halten sollte. Dieses ganze Spiel hier ging ihm langsam gehörig auf die Nerven. Ok. Der Sex war der Wahnsinn. Er schnaubte und senkte seinen Blick. Seit wann war er so triebfixiert? Er spuckte die Zahnpasta aus und spülte den Mund aus. Sehr bewusst schob er seine Gedanken von dieser Bahn und überlegte, wie er seinem Team gegenüber reagieren sollte. Er war sich bewusst, dass er, sollte jemand heraus finden, dass er hier die Tage mit Schuldig verbracht hatte, ein Sicherheitsrisiko für Weiß war. Gerade wegen dieses Telepaten hinter der Tür. Wer würde ihm schon glauben, dass dieser ihn nicht lesen konnte? Keiner. Und wie sollte er Schuldig im nächsten Kampf gegenüber treten? Sollte er ihn für die Schwäche, die er sich geleistet hatte, töten? Das wäre falsch. Er hätte sich selbst besser im Zaum halten müssen. Er hätte Schuldig von Anfang an ablehnen müssen. Nun saß er richtig tief in der … Das Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. „Mach hin, Prinzessin. Du bist nicht der einzige, der Zähne putzen will“, kam es mürrisch durch das dünne Holz. Noch einmal sah Ran in den Spiegel und hoffte, dass der müde aussehende Mann, der ihn anstarrte, ihm sagte, was zu tun war. Ran trat aus dem Bad, würdigte Schuldig weder eines Blickes noch eines Tons. Er hatte sich vorgenommen ihn einfach den ganzen Tag zu ignorieren. Sollte sich der Deutsche doch auf den Kopf stellen und mit den Armen fuchteln. Er brauchte einfach Zeit. Für sich allein. Ohne Schuldig, der ihn durch so viele Emotionen hin und her warf. Als er aufsah stockte er. Auf dem Regal stand ein frischer Tee. Das konnte er riechen. Vorsichtig sah er nun doch über seine Schulter, doch sein Blick traf nur die geschlossene Badtür. Seine Kiefer spannten sich an, als er die Tasse in die Hand nahm und sich auf die Kiste außerhalb des Gebäudes setzte. Misstrauisch roch er an den Gebräu und nippte nur kurz daran. Auf den ersten Blick schien es nicht vergiftet zu sein. Er trank einen größeren Schluck. Gut. Der Tee war nicht perfekt, doch er war gut. Er schnaufte ergeben. Erneut wurde er hin und her gebeutelt. Warum machte Schuldig das? Diese Zärtlichkeiten, der Kuss auf offener Straße, dass er ihn in dem Supermarkt beruhigen wollte, dieser verdammte Tee. Das konnte doch nicht alles nur Taktik sein, oder? Seine Zähne knirschten. Er war ein manipulativer Mistkerl! Es konnte alles Taktik sein. Ran stutzte. Es fielen ihm doch noch Beschimpfungen ein. Ein gutes Zeichen, wie er fand. Und doch schmerzte ihn die Überlegung, dass mit ihm nur gespielt wurde. Er schloss die Augen. Er wollte kein Spielzeug für diesen grinsenden Telepaten sein. Ran zog die Brauen zusammen. In den letzten Tagen hatte Schuldig kaum so ekelhaft überheblich gegrinst. War es ein Zeichen, dass das hier doch etwas Echtes war? Bestimmt straffte er seinen Körper. „Gib dich nicht solchen Kindereien hin!“, mahnte er sich selbst. „Welchen Kindereien?“, erklang es neugierig an seinem Ohr und er sah mit einem Todesblick zu Schuldig hoch. „Das geht dich nichts an!“, zischte er dunkel doch schien es Schuldig nichts aus zu machen. Er wischte sich übertrieben erleichtert über die Stirn. „Du bist also nicht über Nacht blind, taub und stumm zugleich geworden. Ein Glück.“ Ran zog die Brauen weiter zusammen. „Glück?“, fragte er lauernd. „Ja. Hätte ja dann auch mir passieren können. Und das wäre echt schade drum.“, spottete er und verschränkte überlegen die Arme vor der Brust. „Dann hättest du der Welt wenigstens einen Gefallen getan“, murmelte Ran und erhob sich. Er drängte sich demonstrativ an Schuldig vorbei in das Zimmer und stellte die Tasse geräuschvoll auf dem Regal ab. „Was veranstaltest du hier grade?“, drängte es sich ihm auf und er sah mit einem abweisenden Blick über seine Schulter. „Ließ doch meine Gedanken. Ach nein, das hast du ja nicht drauf.“, flüsterte er, doch er sah, wie die Wut in Schuldig hochkochte. Nun einen Moment fragte Ran sich, warum er diesen gefährlichen Mann in seinem eigenen Territorium und noch dazu unbewaffnet reizte. „Vielleicht ist bei dir doch mehr kaputt gegangen. So leichtsinnig reizt man keinen Löwen“, gab Schuldig von sich, löste seine Arme, baute sich auf und hob sein Kinn. „Löwe? Seit wann? Du folgst deinem Herrchen wie ein kleiner, devoter Hund“ Ran hatte den Satz kaum beendet, da traf ihn ein Schlag in den Magen. Er keuchte, taumelte zurück und holte selbst zum Schlag aus. Einmal mehr hatte er die Schnelligkeit des Deutschen nicht bedacht. Hart wurde er an die nächste Wand gepresst. Eine Hand Schuldigs hielt seine Handgelenke über seinem Kopf, der andere Unterarm stemmte sich schmerzhaft zwischen seine Schultern. Nur mit Mühe konnte er Schuldig über seine Schulter ansehen. Er war ihm verdammt nahe und Ran spürte die diffuse Angst in sich aufsteigen, dass er einen Fehler gemacht hatte, der ihn nun teuer zu stehen kam. „Jetzt hör mir mal zu, du kleine Zicke! Und ich rate dir mir gut zuzuhören“, drohte Schuldig presste Rans Handgelenke fester an die Wand und seine Elle tiefer in seinen Rücken. Ran biss sich auf die Wange. Schmerzhaft schoss das Adrenalin durch seine Venen. „Ich habe mir diese Situation nicht ausgesucht. Ich habe mir das alles ganz anders vorgestellt und ehrlich gesagt habe ich auch nicht sonderlich viel Spaß dran, mich hier verstecken zu müssen. Doch es ist wie es ist. Wir stecken da jetzt beide bis zum Hals drin und müssen auch beide zusehen, dass wir das hier irgendwie einigermaßen überstehen. Also krieg dich ein und lass deinen … was auch immer das ist, nicht an mir aus.“ Schuldig war immer leiser, drohender geworden. Seine Stimme war immer kälter geworden. Eisige Schauer liefen über Rans Rücken. Er stutzte. „Anders vorgestellt? Das hier irgendwie einigermaßen überstehen?“, wiederholte er und sah fragend zu Schuldig. Dieser zuckte für einen kurzen Moment zusammen, löste sich knurrend von ihm und wandte sich ab. Eine Antwort blieb er schuldig. Ran lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und rieb sich ein Handgelenk. Seltsame Schauer trieben durch seine Haut, als er sich der möglichen Bedeutungen dieser Worte bewusst wurde. Hart schluckte er. Ein siedend heißer Schmerz sickerte erst durch seinen Kopf und dann durch seine Brust. „Das ist echt“ Es war nicht mehr als ein atemloses Japsen, kaum zu verstehen und doch hatte Ran das Gefühl diese angebliche Seifenblase unendlich laut platzen zu hören. Er war sich nicht sicher, ob Schuldig seine Worte verstanden hatte. „Was genau ist das hier?“, fragte er lauter. Er wollte sicherer klingen, doch seine Stimme folgte seiner Order nicht. Sie zitterte. „Ließ doch meine Gedanken.“, höhnte es, Ran wurde sauer und er wusste noch nicht einmal warum. „Feigling!“, schimpfte er haltlos. Im nächsten Moment presste Schuldigs Körper ihn erneut an die Wand. Dieses Mal war der Druck jedoch nicht so unangenehm. Gierige Lippen presste sich auf seine. „Versuch gar nicht erst solche Spiele mit mir zu spielen. Du verlierst dabei“, schnarrte Schuldig ihm ins Ohr und schnappte mit seinen Zähnen danach. Ran seufzte angetan. Er hatte sich Schuldig schon zwei mal hingegeben. Was machte da ein drittes Mal noch aus? Nichts. Warum sollten sie die Wartezeit auf den passenden Flug nicht damit verbringen? Ergeben schloss Ran seine Augen. Kapitel 19: Brücken bauen und einreißen --------------------------------------- Langsam erhob er sich. Er wollte Ran nicht wecken, obwohl ein Teil in ihm überlegte, ob dies in seinem Zustand überhaupt möglich war. Schuldig unterdrückte das aufsteigende Kichern nur schwer und schlich sich aus dem Raum. Das er dabei nackt war, störte ihn nicht. Tief zog er das erste Mal an seiner Zigarette. Er ließ den Rauch lange in seiner Lunge und bließ ihn langsam aus. Er hatte das Gefühl noch nie in seinem Leben so tiefenentspannt gewesen zu sein. Ran hatte ihn gehörig durch die Laken gescheucht und er hatte es genossen. Nun drang das Kichern doch leise aus seiner Kehle und er räusperte sich. Oh ja, seine Kehle war rau und der Rauch der Zigarette brannte in seinem Hals. Er grinste. Sie waren laut gewesen. Alle beide. Sie waren leidenschaftlich und ein wenig grob gewesen. Schuldig schauderte. Gott, es war perfekt gewesen. Genau so hatte er es sich in seiner Fantasie ausgedacht. Und Ran war ohne zu zögern mit gegangen. Neue Schauer liefen über seine Haut. Den ganzen Tag hatten sie auf weniger als drei Quadratmetern verbracht und diese nur für wenige Minuten im Bad verlassen. Mit dem Blick in den dunkler werdenden Nachthimmel schnippte er den Filter seiner Zigarette von sich. Er spürte, wie sein Lächeln etwas bitteres bekam. Nur noch wenige Stunden blieben ihm mit Ran. Selbst wenn er ihn nun wecken und dort weiter machen würde, wo sie fast komatös in den erholsamen Schlaf gesunken waren... Es würde ihm nicht reichen. Er wollte ihn ganz. Jede verdammte Faser von Rans Körper und seinem faszinierenden Geist sollte ihm gehören. Schuldig schnaufte. So eifersüchtig kannte er sich gar nicht. Sein Blick wanderte von den ersten Sternen durch das Fenster zu Ran. Wie ein Kunstwerk lag der nackte Körper völlig unverhüllt auf dem zerwühlten weißen Laken. Die Decke hatte schon vor Stunden Ihnen Platz auf dem Boden gefunden. Schuldig schmatzte angewidert und nahm sich vor sich einfach zu erschießen, sollte er noch einmal so etwas eklig kitschiges denken. Rans Murren riss ihn aus seinen säuberlich geplanten Gedanken über sein Ableben und er richtete alle Aufmerksamkeit auf den Japaner. Erneut unterdrückte er nur schwerlich das Kichern. Für einen traditionsbewussten Japaner war Ran in den letzten Stunden sehr... europäisch gewesen. Leise trat Schuldig in das Zimmer und zog sich die Shorts über die Beine. "Jetzt kommst du auf den Gedanken dich anzuziehen?", fragte Ran müde und mit belegter Stimme. Er klang fast etwas heiser. "Wieso? Hates schon seine Wirkung hinterlassen? ", wollte Schuldig mit einem betont breitem Grinsen wissen. Träge schob Ran sich auf seine Hände und drückte sich in eine fast sitzende Position. Sein leises Schnaufen verriet Schuldig, dass er ebenso am Ende seiner Kräfte angekommen war. "Ich habe keine Ahnung, ob du als Kind zu oft vom Wickeltisch gefallen bist... Aber die letzte Runde hätte wirklich warten können", hörte er ihn meckern und grinste noch ein wenig breiter. "Warten also?", schnurrte er und ergötzte sich an Rans ertapptem Zucken. Überlegen hob er sein Kinn. Gott fühlte sich das gut an. Das er Rans Gedanken nicht lesen konnte, ließ sie beide auf Augenhöhe agieren. Etwas, dass er nicht mehr gewagt hatte zu erhoffen. Sobald ein Mensch mit seinem Handeln von seinen Gedanken abwich packte Schuldig erst die Abscheu und dann die Langeweile. Wenn Menschen sich untreu wurden, begann er sie zu verachten. Und es war jedes mal das Gleiche gewesen. Kurz schüttelte er den Kopf und drückte das aufsteigende, saure Gefühl herunter. Er war hier mit Ran und er glaubte nicht... Nein, er hoffte zu wissen, dass Ran sich treu war. Schuldig hatte seine Erkenntnis gehört, die als erste Worte kurz nach ihrer kleinen Prügelei gefallen waren. Ja verdammt! Das hier war echt. Und wie echt es war. So eine Hals-über-Kopf Nummer, die man nur ein mal im Leben bekommt. Es traff ihn wie ein Schlag. Schuldigs Grinsen verstarb. Diese einmalige Chance würde in knapp zwei Tagen ihr Ende finden und zum ersten Mal in seinem Leben war ihm zum heulen Zu mute. Gerne hätte er seinen immer schwerer werdenden Kopf an eine kühle Wand gelehnt. Stattdessen rieb er sich resignierend über Augen und Nasenwurzel. Die freie Hand stemmte er in seine Hüfte. Auch nach den kommenden zwei Tagen würde er das machen, was er immer machte. Arbeiten, schlafen. Zumindest redete er sich genau das ein. Vor allem Aber würde er danach einfach weiter atmen. Denn das fiel ihm gerade besonders schwer. Unter dem Deckmantel eines genervten Schnaufens holte er tief Luft. "Wenn du dann damit fertig bis, dir deine Fingerabdrücke in die Haut zu reiben, können wir vielleicht mal darüber reden, was genau hier gerade passiert" Rans Stimme vibriert ein wenig, duldete jedoch keine weiteren Ausflüchte. Schuldig wurde schlecht. Aus der Nummer kam er nicht mehr heraus, so gerne er es auch wollte. Sollte er Ran nun alles vor die Füße werfen und hoffen, dass dieser dem Gebäude nichts fand um ihn zu töten? Er schnaubte über sich selbst amüsiert. Ran war ein professioneller Killer. Natürlich würde er etwas finden, dass ihm als Waffe dienlich war. Also doch Tor zwei, hinter dem sich weitere Halbwahrheiten und als letztes Mittel eisernes Schweigen verbergen? Das war der klassische Zonk. Vielleicht sollte er auch einfach in Rans Geist vorpreschen und hoffen, die benötigten Informationen zu erhalten, bevor Ran ihn entweder tötete oder ins Koma fiel. Langsam nahm er die Finger von der Nase und sah auf Ran. Dieser saß gerade, im Schneidersitz, hatte sich das Laken über die Hüfte und die Beine gezogen und stützte sich ein wenig auf den Knien ab. Obwohl er so aufrecht saß hatte diese Haltung etwas entspanntes. Doch der Blick war der des Weißleaders. Schuldig erkannte die Fassade, hinter der Ran sich versteckte. "Was will der große Abyssinian von mir hören?", fragte er übertrieben gelangweilt. Ging Ran auf Abwehr, würde er es auch tun. Eigentlich hasste er dieses Spiel. Aber er würde sich sicher nicht verletzbar machen. Nicht vor diesem speziellen Weiß. Kapitel 20: Was ich sehe ------------------------ Er schnaufte erschöpft. Mussten sie dieses Spiel jetzt schon wieder spielen? Er wusste doch genau, wie das endete. Entweder an einer Wand oder, schlimmer noch, unter Schuldig. Mürrisch rieb er mit den Zähnen aufeinander. Er wollte das jetzt geklärt haben. Er musste. Zur Not auch als der „Feind“ Schuldigs. Er hatte sowieso schon zu viel von sich selbst gezeigt. Abyssinian war nur eine Fassade. Ein Schutz und die stimmlose Erlaubnis für das Gerechte zu töten. Etwas, das er jetzt nicht für passend befand. Ran entschloss sich Schuldigs Worte einfach zu ignorieren. „Du machst mir nichts vor. Ich weiß, wie du tickst“, begann er und wurde von einem amüsierten Schnaufen unterbrochen. „Das werden wir ja sehen, Abyssinian“, kam es höhnisch und herausfordernd zu ihm und er hatte alle Mühe nicht aufzuspringen und auf Schuldig loszugehen. Sicher wollte er ihn dazu provozieren, denn im Zweikampf hatte Ran ganz sicher keine Chance gegen ihn. Er mahnte sich zur Ruhe. Würde er dieses komische Spiel eben mitspielen. „Abyssinian konntest du vielleicht etwas vor machen. Aber mir nicht mehr. Ich sehe, dass dich etwas quält“, bemerkte er noch halb in Gedanken. „Weißt du eigentlich, wie schizophren das klingt?“ Schuldigs Kichern nagte an seinen Nerven. „Vielleicht bin ich das, aber mein Gott! Kannst du mich nicht einfach aussprechen lassen?“, fuhr er ihn laut an und erhaschte die ehrliche Überraschung in Schuldigs Blick. „Sei doch ein einziges Mal das sadistische Arschloch, dass ich kenne und lass mich einfach reden!“, verlangte er nur wenige leiser. Schuldig grinste. Gott, wie er dieses wissende Grinsen in diesem Moment hasste. Dazu noch die gönnerhaft darbietende Handbewegung. Warum regte ihn dieser Kerl nur so auf? „Avec plaisir“, sagte Schuldig so melodisch ruhig, dass er glaubte, sein Blut beginne zu kochen. „Blöder Angeber!“, gab er sich noch ein letztes Ventil, ehe er sich endgültig zu seiner gewohnten kühlen Maske zwang. Fast entspannt lehnte er sich an die Wand hinter dem Bett. „Ich kann mich nur noch an Bruchstücke aus meiner frühen Kindheit erinnern. Ich habe die Bruchstück immer für seltsame Träume gehalten. Mein Vater hat mir immer wieder klar gemacht, dass es nur Träume wären und nichts bedeutete. Meine Mutter hatte mich nur seltsam angelächelt. Wahrscheinlich wusste sie sich nicht anders zu helfen.“, begann er leise und sah auf, als Schuldig näher zum Bett kam. „Eltern, was?“, meinte er achselzuckend und lächelte. „Reiß dich zusammen!“, zischte Ran und Schuldig ließ sich auf das Bett fallen, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Ja, ja. Erzähl weiter“, murmelte er. Ran knurrte. „Irgendwann habe ich nichts mehr davon erzählt und irgendwann hatte ich es vergessen. Ich kam nie auf den Gedanken, dass ich adoptiert sein könnte. Sie behandelten mich nicht anders als Aya und die Freunde meines Vaters sagten mir als ich älter wurde immer öfter, ich wäre meinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Und dann kommst du an stolziert und sagst mir, diese komischen Träume aus meiner Kindheit wären die Wahrheit.“ Schuldig schnappte empört nach Luft und Ran richtete einen Blick auf den Mann, der doch tatsächlich wie ein kleines Kind die Luft anhielt. Vorsichtig zog er eine Braue hoch. „Was soll das denn werden, du Kleinkind?“, wollte er wissen. Schuldig blies die Luft aus den Wangen und setzte sich energisch auf. „Also erstens: Ich stolziere nicht. Ich bin so großartig! Und zweitens: Hast du vielleicht schon einmal darüber nachgedacht, dass Menschen vielleicht nur das sehen, was sie sehen wollen?“ „Eine solch philosophische Aussage, Mastermind?“, fragte Ran und spürte das spielerische Lächeln auf seinen Lippen wachsen. Er spürte, wie die Lust Schuldig erneut durch die Kissen zu hetzen in ihm aufstieg. Er hatte die letzten Stunden genossen, hatte sich fallen lassen können. Vorsichtig rieb er sich über die Stirn. Er musste fokussiert bleiben. Stille legte sich zwischen sie und Ran sah auf das Laken über seinen Beinen. Wenn er ehrlich mit sich war, wusste er schon lange, was diese ganze Sache für ihn war. Sie war gefährlich ernst für ihn. Doch was Schuldig dachte, konnte er beim besten Willen nicht einschätzen. Dass er ihn manipulierte oder ihn nur benutzte glaubte er nicht mehr. Er musste sich langsam und vorsichtig vortasten. „Menschen sehen, was sie wollen. Gut und schön. Aber wie sollte man das erkennen? Wie erkennt man, ob das was man wahrnimmt der Realität entspricht?“, fragte er, hielt seinen Blick auf das Laken. Ok, noch subtiler konnte er sich nicht ausdrücken. Jetzt war Schuldig im Zugzwang. Ran wurde mit jedem Augenblick neugieriger, was als Antwort kommen würde. „Man testet es“ Schuldigs ruhige Tonlage ließ ihn aufsehen. Kurz fragte er sich, ob Schuldig begriffen hatte, was er von ihm wollte. „Wie?“, ging er darauf ein. Er beobachtete, wie Schuldig sich langsam aufsetzte und sich etwas zu ihm drehte. „Sieh mich an!“, bestimmte er und Ran folgte skeptisch. Der offene Blick jagte ihm Schauer durch den Körper. Das reine Blau faszinierte ihn auf eine seltsame Art. „Sag mir was du siehst! Dann sag ich dir, was ich sehe und dann werden wir sehen, wie nahe wir der Realität kommen.“ Schuldigs Stimme war noch immer so ruhig. Fast, als erkläre er ihm den Aufbau eines Apfels. „Was ich sehe?“, fragte er, doch erwartete er keine Antwort. Das schlucken fiel ihm schwer. Er hatte sich von Schuldig in diese Ecke drängen lassen und musste nun den ersten Schritt wagen. Er zögerte. Schuldig schien ihm alle Zeit geben zu wollen. Er ließ sich diese Zeit. Lange sah er ihm in die Augen, war zum Teil erleichtert, dass auch Schuldig den Blick nicht löste. Je länger er in dieses Blau sah, desto schmerzhafter wurde ihm bewusst, was er sagen würde. Was er sagen musste. Sanft, fast verzeihend strich er dem Deutschen über die Wange. Er nahm all seinen Mut zusammen. „Ich sehe etwas, das nicht funktionieren wird. Nicht funktionieren kann, sobald wir in dieses Flugzeug steigen“, seine Stimme hatte kaum Kraft und es schien ihm mehr als passend. Er pfiff gerade auf all seine kühlen Schalen. Sicher sah er so verzweifelt aus, wie Schuldig es tat. Er stockte. Schuldig hatte ein hilfloses Lächeln auf den Lippen. „Ich weiß“, war die ebenso leise Antwort und er schluckte noch härter. Das hier zwischen ihnen war nicht nur irgendwas. Es war Realität. „Ich sehe einen Tanz auf einem Drahtseil, der mir verdammt viel Spaß machen wird und mir endlich mal alles abverlangt“ Trocken schluckte Ran und unterbrach nun ihren Blickkontakt. Er ertrug dieses Gefühl nicht mehr. Es zerschnitt ihm die Brust. Schuldigs Hand in seinem Nacken half dieses Mal leider gar nichts. Im Gegenteil. Es verschlimmerte das Gefühl und ein schaler Geschmack legte sich in seinen Mund. So durfte das nicht sein. Es musste jetzt enden, oder würde ihn zerfressen. „Nein“, flüsterte er. Kapitel 21: Leb wohl! --------------------- „Nein!“, hörte er etwas lauter von Ran und stockte. Hatte Ran ihn gerade abgelehnt? Jetzt waren sie so weit gekommen und nun lehnte er ihn ab? Vorsichtig zog er den Kopf zurück. Das konnte er jetzt nicht glauben. „Es wird nicht gehen. Nicht so lange wir … wir sind“ Ran murmelte vor sich hin und Schuldig hatte alle Mühe ihn zu verstehen. „Das mit uns … das kann erst funktionieren, wenn unsere Gruppen … wenn wir tot sind“ Ok, dass hatte er sehr wohl verstanden. Aber rief ihn Ran jetzt wirklich an Sabotage zu betreiben? Friendly fire war nicht wirklich sein Stil. „Ich sollte jetzt einfach gehen. Das mit dem gemeinsamen Flug war eine blöde Idee. Viel zu gefährlich!“ Ehe er antworten konnte, hatte sich Ran von ihm befreit und begann sich anzuziehen. Meinte er das ernst? Er wollte ganz allein, ohne Sprachkenntnisse und von einem Wahnsinnigen verfolgt einfach allein durch Deutschland spazieren? Gehetzt sprang Schuldig auf und setzte Ran nach. Dieser zog seinen Mantel über die Schultern und sah ihn kurz an. Schuldig stockte. Dieser Blick. Er kannte ihn ganz genau, obwohl es fast zwanzig Jahre her war. Rans ganz spezielles „Lebe wohl“. Ran hatte die Klinke schon in der Hand. Das konnte er nicht zulassen. Härter als es nötig war schlug er mit der einen Hand die Tür zu, legte seine andere Hand auf die von Ran. Zärtlich senkte er seine Lippen auf den freien Nacken. „Glaub nicht, dass ich dich einfach so gehen lasse. Denk nicht, dass ich noch einmal untätig zusehe wenn du mich zurücklässt. Glaub ja nicht, dass ich es so enden lasse!“ Er sprach ganz leise, war sich nicht einmal sicher, ob Ran ihn überhaupt verstand. Nun lehnte er seine Stirn an Rans Kopf und spürte, wie dieser seinen Kopf erschöpft an die Tür lehnte. „Sein nicht dumm. Du kennst unsere Situation“, hörte er Ran. Seine Stimme klang so müde und Schuldig schluckte trocken. Er würde ihn nicht aufhalten können. Ran würde jetzt gehen. Er konnte ihn dabei nur unterstützen. Zögerlich löste er sich. „Warte bitte“, raunte er ihm zu und lenkte seine Aufmerksamkeit auf das Regal. Es fühlte sich an, als würde er seinen schwersten Gang antreten. Vielleicht war es das auch. Aus einer hinteren Ecke zog er einen Briefumschlag heraus. Seine eiserne Reserve. Fast ehrfürchtig strich er über den Umschlag und drehte sich zu Ran. Schuldig spürte, dass er angesehen wurde und hob den Blick, versuchte sich an einem Grinsen. Mit langsamen Schritten ging er auf Ran und und hob den Umschlag. „Das wirst du brauchen. Frag am Flughafen nach John. Er wird dir mit den Papieren helfen“, war alles, was er sagen konnte. Er reichte Ran den Umschlag. Verwirrt sah Ran ihn an, griff nur zögerlich nach dem Umschlag und sah hinein. Sein Gesicht zeigte seine Unsicherheit, seine stärker werdende Verwirrung. Normalerweise würde er jetzt einen spottenden Kommentar abgeben, doch was war in diesem Moment schon normal. Ihr Schweigen legte sich schwer auf ihn und er ging noch einmal zum Bett, holte sein Handy. Auch dieses reichte er Ran. „Ignoriere die SMS von Brad einfach und gehen nicht ran, wenn er anruft. Es ist gut verschlüsselt. Damit solltest du dein Team erreichen ohne aufgespürt zu werden. Wirf es dann einfach weg. Sind eh keine Nummern drauf“, nun schnaufte er doch amüsiert. Ran blieb stumm. Schuldig rieb die Zähne aufeinander. Rans Arme legten sich um seinen Nacken und warme Lippen pressten sich auf seine. Er hasste diesen Kuss, hasste den einnehmenden Geschmack. In diesem Moment hasste er sein Leben. So schnell wie Rans Lippen kamen, waren sie auch schon verschwunden. Als Schuldig die Augen öffnete, sah er, wie die Tür ins Schloss fiel. Ran war weg. Endgültig. Wie betäubt trat er an die Tür heran und lehnte seine Stirn an das Holz. Vorsichtig stürzte er seine Lippen. So lange wie irgend möglich wollte er diesen ganz besonderen Geschmack wahrnehmen. Wer wusste schon, ob er ihn je wieder schmecken würde. Er wusste nicht, wie lange er so da gestanden hatte, doch sein Nacken rief ihn zu einem Haltungswechsel. Langsam löste er sich, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und drehte sich um. Der Raum erschien ihm kalt und viel zu groß. Er ging zu seinen Kleidern und fischte seine Zigaretten heraus. Insgeheim schwor er sich auf zu hören, wenn er Ran wieder gegenüber stand. Schuldig hatte seinen missbilligen Blick sehr wohl gemerkt. Ein träges Lächeln zog sich auf seine Lippen, als er sich auf die Holzkiste niederließ. Genüsslich zündete er sich eine Zigarette an, hoffte, dass es die Letzte sein möge, hoffte auf ein Wiedersehen mit Ran. Sollte er von den Schweizern gefunden werden, wäre das sein Ende. Mürrisch schüttelte Schuldig den Kopf. Er durfte sich nicht solche Gedanken machen. Er musste auf seinen eigenen Flug warten. Warten. Dies schien ihm eine unmögliche Aufgabe zu werden. Sein Blick wanderte hinter ihn in den Raum. Das leere Bett lud so gar nicht zum ausruhen ein, doch er wusste, er musste sich ausruhen. Der Weg nach Hause würde anstrengend genug werden. Er nahm sich vor John ganz vorsichtig nach Ran zu fragen. Dann wusste er wenigstens, dass Ran es bis zu ihm geschafft hatte. Noch einen letzten tief Zug an der Zigarette, dann schnippte er den Filter weg, sah ihm eine Weile nach und erhob sich dann. Er legte sich in sein Bett und schloss die Augen. Sein Körper und sein Geist waren erschöpft. Er hatte seine Grenzen erreicht. Ein seltenes Gefühl. Völlige Erschöpfung. Schuldig schloss die Augen und schlief sofort ein. Als er sie das nächste Mal öffnete schien die Sonne in das Zimmer. An den Schatten erkannte Schuldig, dass es gegen Mittag sein musste. In weniger als 24 Stunden ging sein Flug, doch er tat sich schwer, sich zu erheben. Sein Körper war noch immer in der Faulheit des Schlafes gefangen. Er zwang sich aufzustehen und machte sich einen Kaffee. Nach dem Zähneputzen setzte er sich mit der Tasse draußen auf die Kiste. Er überlegte, ob es gut wäre sich ein neues Handy zu besorgen, doch er verwarf den Gedanken. Zu gefährlich. Zu unsicher. Schuldig ließ sich Zeit mit dem Kaffee und begann danach seine Sachen zu packen. Er hatte noch einen Extraweg bevor er fliegen konnte. Leise schlug die Tür hinter ihm zu und er verließ das Industriegebiet. In der Stadt würde er sich ein Taxi nehmen. Noch einmal sah er sich um. Ein größer werdender Teil in ihm war froh, Deutschland verlassen zu können. Auch wenn es seine Heimat war. In seiner jetzigen Situation konnte er nicht einfach hier bleiben. Er schulterte die Tasche noch einmal neu und beschritt seinen Weg. Er musste sich beeilen, wenn er nicht noch einen Flug verpassen wollte. Er wollte nach Hause! Kapitel 22: Coming home I ------------------------- Tief atmete er die Luft des Flughafens in Tokyo ein. Die Gespräche, die an sein Ohr drängten machten ihm bewusst: Er war zu Hause. Endlich. Die letzten Stunden hatte er in einem unbequemen Flugzeugsitz verbracht, der dem Wort „Holzklasse“ alle Ehre machte. Fünf mal hatte er umsteigen müssen. John meinte, dies wäre der beste Weg seine Spuren zu verwischen. Dieser dubiose Mann hatte ihm insgesamt drei Reisepässe mit unterschiedlichen Namen gegeben und Flugtickets besorgt. Ran war schleierhaft, wie er das in so kurzer Zeit hatte schaffen können, doch echtes Interesse konnte er gerade jetzt nicht aufbringen. Vorsichtig zog er das Handy aus seiner Tasche. Er hatte nicht gewagt es auszuschalten. Er kannte ja keinen Pin. Ein kleiner, romantischer Teil hatte auf eine Nachricht Schuldigs gewartet, doch der rationale Teil mahnte ihn dazu, das Handy auszuschalten und zu entsorgen, wie Schuldig es ihm gesagt hatte. Er strich über das Display um die Bildschirmsperre zu lösen. Sein erster Blick galt dem Akkustand. Zum Glück hatte er im vorletzten Flugzeug ein Ladekabel ausleihen können und mit Hilfe der Stuardess die Menüsprache von Deutsch auf Japanisch geändert. Jetzt lag der Reststom des Telefons bei 87%. Mehr als genug um nach Hause zu gehen. Dort würde er sich ein Ladekabel von Omi leihen. Ok. Vielleicht nicht gleich heute. Besser wäre morgen. Im schlimmsten Fall würde er einfach eins kaufen. Er schnaufte. „Ich sollte es wirklich entsorgen. Es mit nach Hause zu nehmen wäre zu leichtsinnig“, redete er auf sich ein, doch der kleine, romantische Teil in ihm konnte das nicht zulassen. Ein kurzer Druck auf den seitlichen Knopf und das Display wurde dunkel. Ran ließ es in seine Hosentasche gleiten und begab sich auf den Weg zum Koneko. Er lief. Die Nacht war jung und er brauchte diese Zeit für sich allein. Der Wind zog an seiner Kleidung und er zog den Mantel fester um seinen Körper. Er brauchte mehr als drei Stunden um sein Ziel zu erreichen. Nun stand er vor dem Laden, sah in der oberen Etage noch Licht brennen. Ran griff in seine Manteltaschen, suchte seinen Schlüssel. Seine Suche blieb ohne Erfolg. Müde schnaufte er und klopfte beherzt an das Rolltor. Es dauerte einige Zeit, bis die Geräusche hinter dem Tor verrieten, dass ihm Einlass gewehrt werden würde. In Yojis Gesicht konnte er die Überraschung überdeutlich erkennen. Überschwänglich griff er nach Ran, zog ihn in eine feste Umarmung und ließ ihn so schnell los, wie er ihn eingefangen hatte. Ran zeigte keine Regung. Er war zwar überrascht, doch viel mehr noch plagte ihn die Müdigkeit und dieser schwere, kalte Stein in seinem Magen. „Aya! Wo warst du denn, verdammt noch mal?“, hörte er Yojis hektische Stimme. Ein kurzes Zucken seines Mundwinkels verdeutlichte Ran, dass er ehrlich geschmeichelt war über diese Fürsorge. „Ich bin müde“, war seine Antwort und er ging an Yoji vorbei, direkt in die Wohnung. Dort lief ihm Ken über den Weg. Dieser musterte ihn schnell, aber genau. „Du siehst fertig aus“, war sein Urteil und Ran nickte. Ken hatte recht. Er war fertig. Er brauchte unbedingt Schlaf. „Was ist passiert?“, wollte Ken wissen, doch Ran schüttelte den Kopf. „Morgen“, begann er und rieb sich über den verspannten Nacken. „Besser noch übermorgen“, beendete er seine Überlegung und ging in sein Zimmer. Er zog den Mantel aus und warf ihn über die Lehne seines Sofas. Mit frischen Sachen für die Nacht ging er ins Bad, duschte ausgiebig und putzte Zähne. Vielleicht war das mit Schuldig doch nur eine Sache für den Moment gewesen? Nein. Als Ran sich ins Bett legte spürte er es. Diesen Schmerz, der seine Brust zuzog. Fest presste er seine Hände an die Stirn. Er atmete konzentriert dagegen an, doch die einzelne Träne konnte er nicht unterdrücken. Rüde rieb er über den Augenwinkel und drehte sich auf die Seite, schloss die Augen. Er musste jetzt erst einmal schlafen. Morgen würde alles schon ganz anders aussehen. Er hoffte es. Hoffte, dass er in sein eigenes Leben zurück finden konnte. Der Schlaf umfing ihn schnell und brachte ihm eine traumlose Ruhe. Kapitel 23: Coming home II -------------------------- Murrend steckte er sich den zweiten Kopfhörer ins Ohr. Der Mann neben ihm rieb mit seinem Schnarchen an seinen Nerven. Brad hatte sich wie immer, um die Tickets gekümmert und Schuldig war sich sicher, dass dies hier Brads Strafe für ihn war. Flog er sonst nur first class oder im Schlimmsten Fall für kurze Flüge auch mal business class. Hier in der economy war es entsetzlich eng und voll. Der Kopf des Mannes neben ihm rutschte auf seine Schulter. Hart rieb Schuldig die Zähne auf einander. Für einen Moment glaubte er sein Augenlid zucken zu spüren. Das war doch nicht wahr. Wäre er doch nur in Deutschland geblieben. Von verrückten Schweizern verfolgt zu werden schien ihm mit einem mal so viel verlockender, als dies hier. Schnell und kräftig zuckte er mit der Schulter, weckte so den Mann und dieser lehnte sich an das Fenster. Er sehnte sich nach seinem Versteck. Nach seinem Versteck und Ran. Müde schnaufte er. Er musste von diesen Bildern, diesen Erinnerungen von Rans warmen Körper an seinem wegkommen. Es nervte ihn, dass er jetzt hier allein war. Als der Speisewagen an ihm vorbeifuhr und ihn am Arm streifte nahm er sich vor Brad zu töten, wenn er zu Hause war. Das hier war Folter! Eindeutig. Der kleine Bildschirm ganz vorne im Flugzeug zeigte ihre momentane Flugposition, Höhe, Außentemperatur und Geschwindigkeit an. Unter dem kleinen Grafikflugzeug sah er nur grün. Er vermutete, dass sie nun über Russland waren. Nicht mehr lange. Dann hatte er wieder japanischen Boden unter den Füßen. Ein seltsames Gefühl legte sich in seinen Magen. Er hatte in Johns Kopf gelesen, dass Ran bei ihm gewesen war. Das gab Schuldig Hoffnung, ihn doch wieder sehen zu können. Nur kurz dachte er an Rans Bein. Dieses war in der letzten Woche doch recht stiefmütterlich behandelt wurden. Er selbst hatte nach ihrer ersten Nacht keinen Blick mehr an die Wunde verschwendet und nun hoffte er doch, dass wenigstens Ran sich darum gekümmert hatte. Obwohl. Wenn es Komplikationen gegeben hätte, hätte er das mit Sicherheit bemerkt. Dennoch dachte er gern an die schlanken Beine und grinste ein wenig dreckig, als er daran dachte, was diese schlanken Beine zu fordern vermochten. Ein Schauer lief durch seinen Körper. Er schüttelte den Kopf. Er musste sich konzentrieren. Und was gab es abturnenderes als Arbeit? Ein kleiner Teil in Schuldig fragte sich, wie es wohl sein würde, wenn ihr erstes Treffen ein gemeinsamer Auftrag wäre. Würde Ran nur einen Auftrag vor Augen haben und ihn wieder als den Feind sehen? Oder würden sie sich gemeinsam heimlich vom Acker machen? Schuldig schnaufte amüsiert. Diese Version ihres Wiedersehens gefiel ihm eindeutig besser. Er würde Ran in eine kleine Gasse ziehen und dann … Schuldig zog die Luft ein. Dies hier war sicher nicht der richtige Ort für noch mehr solcher Gedanken. Er setzte sich in seinem Sitz auf und konzentrierte sich auf den Spielfilm, der vorgeführt wurde, wollte er doch nicht noch wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses angezeigt werden. Stunden später setzte er den Fuß in die Flughafenhalle und sah sich nach seinem Gepäck um. Am Gepäckband erwartete ihn bereits Brad Crawford. Er sah wütend aus und schob sich die Brille auf der Nase hoch. Noch einmal atmete Schuldig durch. Breit begann er zu grinsen und hob das Kinn. Er breitete seine Arme weit aus. „Da bin ich wieder, Darling! Hast du mich vermisst?“, höhnte er laut. Brad sah ihn nur kühl an und wandte sich zum Gehen. „Nimm dein Zeug und komm“, zischte er seine Anweisung und Schuldig grinste noch etwas breiter. Brad zu Ärgern war ein guter Anfang. Er nahm seine zwei Taschen und folgte betont langsam dem Amerikaner. Seine Fassade saß hervorragend. „Während du so dumm warst dich von den Schweizern aufspüren zu lassen und in Deutschland rumgehurt hast, hatten wir hier alle Hände voll zu tun um unsere Hintern zu retten“, erklärte Brad in ruhigem Ton, doch Schuldig kannte den Mann zu lange und zu gut. Dies hier war ein echter Gefühlsausbruch. Er schluckte trocken. Wenn Brad sich dazu hinreißen ließ, war er wirklich sauer. Er beschloss still zu bleiben und aus dem Fenster zu sehen. Die Gebäude zogen an ihm vorbei. Er schloss die Augen, breitete seinen Geist langsam aus. Ja, so fühlte er sich wohler. Die ganze Zeit hatte er seine Fähigkeit nicht benutzen können, war eingeschränkt gewesen. Nun wollte er von fremden Gedanken durchwaschen werden. Sie sollten ihn zu seiner alten Form zurückbringen. „Was genau ist passiert?“, wurde er nun doch ein wenig sanfter gefragt. Sah man ihm seine Erschöpfung etwa so deutlich an? Ein wenig öffnete er seine Augen, bewegte sich sonst nicht. Brad hatte also nichts gesehen. Weder ihr schmerzhaftes Intermezzo mit den Schweizern, noch die wenigen aber intensiven Tage mit Ran. Oder zumindest hatte er Ran nicht gesehen. „Was in Deutschland passiert, bleibt in Deutschland“, bemühte er einen alten Spruch für seine Zwecke. Er wollte nicht darüber reden. Wollte das alles wirklich in Deutschland lassen und hoffte, auch dieses Gefühlschaos in sich verstecken zu können. Noch einmal schloss er die Augen. Doch es half nichts. Zu Hause angekommen schulterte er seine beiden Taschen und trat in das Haus ein. Er würdigte Brad keiner Aufmerksamkeit mehr. Das hier war ihm jetzt wichtiger. In seinem Zimmer warf er die kleinere Tasche vor seinen Kleiderschrank. Die Andere legte er bedächtig auf sein Bett. Dieser Weg war nicht leicht gewesen. Er hatte ihn Kraft gekostet, doch er hatte das Gefühl, dass er ihn gehen musste. Langsam zog er den Reißverschluss auf und holte das Schwert hervor. Einige Zeit hielt er es in beiden Händen und besah sich die matt schwarze Scheide, den Griff, wog das Gewicht. Er hatte es einfach nicht zurück lassen können. Erneut mahlten seine Zähne aufeinander. Schon wieder war Ran in seinen Gedanken. Er legte es in die Tasche zurück und verstaute sie sicher unter seinem Bett. Schuldig spürte, wie dieses taube, kalte Gefühl sich über seinen Rücken in seinem Körper ausbreitete. Es machte ihn wütend. Was, wenn er zu viel investiert hatte? Er zog seine Jacke aus und griff in die Schublade seines Schreibtisches. Bedächtig wickelte er die Bandagen um seine Hände, ehe er unter dem Bett einen Sandsack hervorholte. Er hängte ihn an den Hacken in der Decke und begann hart und schnell auf ihn einzuschlagen. Er war kein guter Boxer. Aber er brauchte es um seinen Frust los zu werden. Den Frust über die Erkenntnis, dass er sich verloren hatte. Das Klopfen an der Tür, riss ihn aus seinen Gedanken und er fing den Sandsack ab, beendete sein Schwingen. Brad trat in das Zimmer und musterte Schuldig ausgiebig. „Wir haben einen Auftrag. Schaffst du das?“ Schuldig nickte sofort. Was gab es für eine bessere Ablenkung als Arbeit?. Was konnte ihm jetzt besser helfen, als in seine alte Rolle einzutauchen? „Weiß?“, fragte er fast uninteressiert. „Höchst wahrscheinlich“, war die Antwort, die er ersehnt hatte. Erneut nickte er. „Gib mir eine halbe Stunde“ Brad ging. Schuldig ließ den Sandsack los und befreite seine Hände von den Bandagen. Er ging duschen und zog sich um. Langsam schloss er seinen Mantel und sah auf sein Bett. Ohne groß zu überlegen griff er die Tasche und ging mit ihr zu dem Rest des Teams. Allein durch seine Ausstrahlung machte er klar, dass er nicht auf diese Tasche angesprochen werden wollte. Am Ziel angekommen ging er auf seine Position in einer kleinen Gasse. Er sollte aufpassen, dass sein Team nicht bei ihrer Arbeit gestört wurden. Leise schnaufte er, aber es sollte ihm recht sein. Schmiere stehen, konnte er gut. Ein wenig lächelte er und steckte seine Hände in die Taschen. „Hast du es also doch bin hier her zurück geschafft“ Er ruckte mit dem Kopf hoch. Da war er. Der Moment, den er erseht und auch ein wenig gefürchtet hatte. „So spät noch unterwegs, Kitty?“, lockte er, stellte sich aufrecht in und hob grinsend das Kinn. Er war in seinem Element. Rans dunkles Lächeln ließ sein Herz rasen. Schnell besann er sich und hob den Zeigefinger um Rans Aufmerksamkeit vollkommen auf sein nächstes Handeln zu lenken. „Ich habe dir ein Sovenier mit gebracht“, erklärte er und griff in die Tasche auf dem Boden. Er hörte, wie Ran sein Schwert zog und grinste breiter. Geschickt warf er ihm das Katana zu. Ran fing es und sah überrascht zwischen seinem alten Schwert und Schuldig hin und her. Dieser steckte beide Hände wieder in die Hosentaschen. „Ich konnte das gute Stück doch nicht zurücklassen“, gab er sich übertrieben hilfsbereit. Er sah, wie Rans Mundwinkel zuckte und war hoch erfreut über diese Reaktion. Hatte sich der Extraweg also gelohnt. „Das Bein?“, wollte er knapp wissen und bekam ein ebenso knappes „Wird“. Schuldig hörte Schritte hinter sich und sah kurz über seine Schulter. Siberian tauchte in seinem Blickwinkel auf, fuhr seine scharfen Krallen aus. Schuldig grinste dunkel, richtete seine Aufmerksamkeit jedoch wieder auf Ran, der nun in jeder Hand eine blanke Klinge hielt. //Wenn unsere Gruppen tot sind … brennst du dann mit mir durch?//, wollte er mit einem lockenden Unterton wissen. Er sah, dass diese Art des Gespräches unangenehm für Ran war, doch er musste es jetzt wissen. Ein entschlossenes Nicken war ihm Antwort genug. Sein Lächeln wurde weicher. So lange konnte das ja nicht dauern. //Lern schon mal deutsch!//, kicherte er in Rans Kopf und lief los. Kapitel 24: Was es braucht -------------------------- Mit langsamen Schritten lief er durch die Fußgängerzone. Bunte Blätter lagen auf seinem Weg und entlocken ihm ein kleines Lächeln. Gott. Er liebte Deutschland im Herbst. Die stürmischen Winde, die durch die Straßen wehten und an seinen Haaren zogen. Dazu war es noch warm genug um nur in Jeans und Shirt gehen zu können. Es war fantastisch. Die schwere Tasche mit seinen Einkäufen schulterte er neu und vertiefte sich in das Meer aus Gedanken und Gesprächen, die ihn umspülten. Seit fast fünf Monaten war er nun hier. Zurück in Deutschland, zurück in Frankfurt. Er war ausgestiegen, abgehaun, untergetaucht. Ganz auf sich gestellt zu sein war wohl die beste Entschiedung gewesen, die er damals hatte treffen können. Wenn die Jungs von Schwarz noch lebten, würde vermutlich nur Brad wissen, dass er selbst noch lebte, dass er nun hier war. Er hatte sich nicht verabschiedet Und hatte nichts mitgenommen. Er war nach dem Untergang der Kadetrale aus dem Wasser gekrochen und verschwunden, sobald er wieder genug Kraft hatte. So hatte er es sich vor genommen. So hatten sie es geplant. Erneut schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Noch immer kam ihm der Plan völlig verrückt vor, den sie damals geschmiedet hatten. Er und Ran. Als sie sich nach ihrer Rückkehr das erste Mal begegnet waren, war alles klar gewesen. Sie hatten sich verloren. Alle beide. In ihre Zeit in Deutschland, in einander. Kurz schnaufte er, als er den Kiosk betrat, seine Zigaretten aus dem Regal zog und zur Kasse schritt. Er hatte sich erst daran gewöhnen müssen, seine Fähigkeiten nicht mehr so unbedacht einzusetzen. Auf den Schutz einer Organisation konnte er ja nun nicht mehr hoffen. Überhaupt hatte er die letzten Jahre nur auf Ran vertrauen können. Alles zwischen ihnen war heimlich gewesen und doch so unglaublich kitschig und romantisch. Gut die Aufträge waren eine logistische Meisterleistung Rans gewesen. Alle. Er hatte immer dafür gesorgt, dass sie sich nicht ernsthaft Schaden mussten Und einmal hatte Schuldig doch dazu gelockt mit ihm in deiner dunklen Gasse zu verschwinden. Alle Aufträge waren wunderbar glaubhaft inziniert. Bis auf den Letzten. Warum hatten sie auch Rans Schwester mit reinziehen müssen? Ihm wurde immernoch flau im Magen, wenn er daran zurück dachte. Schuldig bezahlte und ging weiter. Seine Erinnerungen drängten sich ihm auf. Ran hatte ihn in diesem Moment garantiert gehasst. Er zog die Brauen zusammen. Ob es der Fujimiya-Tochter jetzt gut ging? Unweigerlich gingen seine Gedanken zu diesem Tag zurück. Er hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Er hatte alles verändert. Sein ganzes bisheriges Leben, seine Pläne mit Ran. Schuldig hatte sich so viel Mühe gegeben, dass es dem Mädchen gut ging. Er war immer ganz nahe bei ihr gewesen und hatte es als seine psychopatische Ader getarnt. Es hatte ihm alles abverlangt. Doch Rans ehrliche Wut in seinen Augen hatte ihn noch mehr gekostet. Schuldig lief ein kalter Schauer über den Rücken. Er hatte tatsächlich Angst gehabt. Keine Angst vor dem Tod. Nein. Angst, dass das mit Ran zu Ende war. Mürrisch blieb er auf dem Gelände des Industriegebietes stehen, legte den Kopf in den Nacken und rollte seinen Kopf hin und her um die sauer gewordenen Muskeln zu entspannen. Die ersten Tage hier in seinem Versteck waren die Hölle gewesen, hatte er doch die letzten Jahre fast nie allein geschlafen. Meist Hatte er bei Ran geschlafen. Das schmales Bett und sein warmer Körper war alles, was es gebraucht hatte. Es war aufregend gewesen nicht gehört zu werden, wenn sie sich durch die Laken gescheucht hatten. Diese 1,8 Quadratmeter waren sein ganz persönliches Paradies gewesen. Doch dieses große, leere Bett in seinem Versteck ... Er konnte kaum schlafen. Er wusste nicht, ob Ran noch lebte, oder ob er tot war, mit der Kadetrale untergegangen. Und wenn er lebte, ob es noch ein "Wir" gab. Es wollte ihn zerfressen. Doch dann kam es anders. "Starr keine Löcher in die Luft. Dadurch wird sie nicht besser", hörte er in brüchigem Deutsch und ein breites Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Er senkte seinen Kopf und sah auf den Mann, der auf der Holzkiste vor seinem Versteck saß und mit dem Klebestreifen ihres Fliegengitters kämpfte. Die abgewetzte Jeans und Schuldigs liebstes Shirt waren zu groß, standen ihm aber unglaublich gut. "Krieg dich ein, Prinzessin. Du wolltest, dass ich mich unauffällig verhalte. Da dauert einkaufen eben", erklärte er und zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Warum legst du dich überhaupt mit dem Fliegengitter an? Das hat beim letzten Mal schon gewonnen", spottete er. Offensichtlich war das der letzte Tropfen Und die Bombe platzte. Ran erhob sich ruckartig und begann farbenfroh auf japanisch zu fluchen. Schuldig beobachtete ihn dabei, wie er auf ihn zukam, seine Wange mehr Farbe annahmen und er drohend gegen seine Brust tippte. Die Worte vernahm er nur am Rande. Die üblichen Beschimpfungen die fielen, wenn Rans Grenzen überschritten waren. Angriff war eben seine beste Verteidigung. Schuldig besah sich den Mann vor sich. Seine Haare waren zerwühlt, feine Strähnen hingen ihm in den Augen und er sah abgekämpft aus. So wie damals, als er nach vier Tagen ohne Lebenszeichen plötzlich hier in der Tür stand. Damals waren ihm mit einem Blick zwei Dinge klar geworden: Sie hatten es geschafft. Beide. Und sie würden nie wieder in ihr altes Leben zurück kehren. Fest griff Schuldig in Rans Nacken, zog ihn zu sich und küsste ihn stürmisch. Er musste ihn jetzt schmecken. Ran erwiderte es sofort. Er zog ihn fest an sich. Das hier, dieser Moment war alles, was es brauchte. Epilog: Die Notwendigkeit des Unnötigen --------------------------------------- Mit angestrengtem Blick blieb er stehen und sah sich um. Laut der Wegbeschreibung, die Schuldig ihm gegeben hatte war er auf dem richtigen Weg. Sicher hätte Ran auch nach dem Weg fragen können, doch in seinem Aufzug kam er sich schon albern genug vor. Aber Schuldig fand es nötig. Ihm zu liebe hatte er sich dazu überreden lassen einen schwarzen Anzug zu tragen. Zu dieser ganzen Aktion hatte er sich überreden lassen. Leise schnaufte er und nahm sich vor keine solch wichtigen Entscheidungen mehr zu treffen, wenn sie mit einander schliefen. Dabei war er einfach nicht mehr Herr seiner Sinne. So hatte er auch zugestimmt Schuldigs Versteck auszubauen zu lassen. Nun lebten sie auf drei Etagen und hatten eine große Terrasse, auf der ihre alte Holzkiste stand. Ran schüttelte resignierend den Kopf, als er daran dachte. An den ganzen Baulährm und Schuldigs breites Grinsen. Der Deutsche hatte ihn in den letzten sieben Jahren einiges an Kraft und Nerven gekostet. Dafür hatte er ihm aber auch beim Einbürgerungstest geholfen. Das wog es wieder etwas auf. "Verdammter Kerl", fluchte er auf deutsch. Er hatte sehr schnell deutsch gelernt. Als Schuldig es nicht mehr für nötig hielt in seinem Heimatland japanischen zu sprechen, war es für Ran eine Notwendigkeit gewesen diese Fremdsprache zu beherrschen. Schon bald war seine Bandbreite an deutschen Flüchen ebenso beeindruckend wie die Schuldigs. Ein kurzes Lächeln zuckte über seine Lippen. Ihre Streitigkeiten waren dadurch jedoch nicht wortreicher geworden. Es hatte sich nur in eine andere Sprache verlagert, endete aber dennoch jedes mal damit, dass die die Laken zerwühlten. Entschlossenen Schrittes lief er weiter. Er wollte nicht zu spät kommen, wenn er schon zugestimmt hatte. Endophinrausch hin oder er. Er hatte seine Ehre und stand zu seinem Wort und wenn er ehrlich zu sich war, schmeichelte es ihm auch ein wenig. Etwas nervös trat er in das große Gebäude. Mit kühlen Fingern öffnete er die Tür und schluckte trocken. Schuldig stand mit einer jungen Dame zusammen und unterhielt sich angeregt. Sie trug ein helles Kostüm und Schuldig einen ebenso hellen Anzug. Neidvoll musste Ran zugeben, dass Schuldig dieser Aufzug besser stand, als ihm. Mit dem zweiten Blick fand er, dass Schuldig und diese Frau gut zusammen aussahen. Zu einer anderen Zeit wären sie wohl ein schönes Paar gewesen. Schuldig sah zu ihm und legte sich bestes Lächeln auf. Ran knurrte ganz leise um seine Verlegenheit zu verbergen und tat auf ihn zu. "Wollen wir? ", fragte die Frau und Ran atmete einmal tief durch. Nun gab es kein Zurück mehr. Er sah heimlich zu Schuldig hinüber, der mit vor Stolz geschwollener Brust neben ihm stand und breit lächelte. Ein mal mehr wurde Ran bewusst, wie nötig das hier geworden war. Nicht nur für Schuldig. Auch er begann das hier immer dringender zu wollen. Der fragende Blick der Frau riss ihn aus seinen Gedanken. So oft hatte er es heimlich geübt. Er wusste, was sie, was Schuldig jetzt von ihm hören wollte. "Ja", war alles, was nötig war und er hörte Schuldig erst erleichtert durchatmen, dann kichern. "Für einen Moment hatte ich geglaubt, du überlegst es dir doch noch anders" Ran hörte die ehrliche Sorge deutlich heraus. Aber nein. Er hätte es nicht anders gewollt. Versichernd griff er nach Schuldigs Hand. Sie war kalt und feucht. Ein wenig musste Ran schmunzeln über die offensichtliche Nervosität des Deutschen. Nun sah die Dame Schuldig an und er brachte eine brüchige Bestätigung heraus, ehe er sich räusperte und es nur wenig fester wiederholte. Schuldig griff in seine Tasche und nach Rans Hand. Das kühle Titan schmiegte sich in einem schlichten Band um seinen Finger. Ein ungewohntes Gefühl. Ungewohnt, aber nicht unangenehm. Im Gegenteil. Mit leicht zittrigen Fingern griff Ran nun in die Tasche seines Anzuges, holte das Gegenstück hervor und schob es Schuldig über den Finger. Alles hier war so schlicht, wie diese zwei Ringe. Keine Zeugen, keine Musik, keine langen Reden. Nichts, dass die Wichtigkeit dieses Moments hätte störten können. Er hatte genug Bedeutung. Auf den Tag genau vor sieben Jahren hatten sie sich in diesem Land vor einem Haufen Verrückter versteckt, hatten in ihrer ersten Nacht zu einander gefunden. Dieses Datum war ihnen immer wichtig gewesen. Sie hatten diese Entführung fast unbeschadet überlebt. Einzig eine winzige, unscheinbare Narbe an Rans Bein war geblieben. Diese Narbe und ihre Liebe. Sie hatten dieses Wort all die Jahre nicht in den Mund genommen und würden es vermutlich auch nicht. Es war nicht nötig. Sie wussten, welche starke Kraft sie zusammen hielt. Es musste nicht benannt werden. Schuldigs erleichterter Kuss auf seinen Mundwinkel riss Ran ins hier und jetzt zurück. Drei Unterschriften spät war es dann offiziell. Ran war nicht mehr nur ein Mann mit doppelter Staatsbürgerschaft. Ab diesem Moment war er verheiratet. Mit Doppelnamen. Ran Fujimiya-Schuldig. So unscheinbar, wie sie das Gebäude betreten hatten verließen sie es wieder. Ran wollte nach Hause. Er fühlte sich im Anzug einfach nicht wohl. Zu sehr hatte er sich schon an Jeans und Shirt gewöhnt. Selbst bei der Arbeit in dem kleinen Blumenladen in der Altstadt trug er höchstens bequeme Stoffhosen. Maria, seine Chefin, hatte über Minuten nichts sagen können, als er ihr von diesem albernen Detail erzählt hatte. Schnaufend lehnte Ran sich mit einer Tasse Tee an die Wand hinter dem Bett. Sein Blick heftete sich auf das schlichte Titan, dass er Mit dem Daumen der selben Hand um seinen Ringfinger schob, während er An seinem Tee nippte. Er spürte, wie Schuldig sich neben ihn sinken ließ. Mit kurzen Blicken versicherte er sich, dass beide Anzüge ordentlich geglättet an den Griffen des Kleiderschrankes hingen. Schuldig lag in Jogginghose und Shirt neben ihm. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt und selig grinsend. Während Ran seinen Tee trank blieben sie beide ruhig. Erst, als er die leere Tasse neben das Bett auf den Boden stellte, drehte Schuldig sich auf die Seite zu ihm und grinste unheilvoll dunkel. Eisige Schauer liefen durch Rans Rücken und er schluckt hart. Er kannte dieses Grinsen zu gut und wusste, was passieren würde, als der Deutsche allmählich zu ihm kroch. Schuldigs Lippen auf seinem mit Stoff bedeckten Knie ließ ihn schaudern und er fragte sich, ob er jemals weniger empfindlich auf ihn reagieren würde. Doch im nächsten Moment war es ihm egal. Er schloss genießend die Augen, wollte nur fühlen. Seine Hochzeitsnacht wollte er ganz besonders auskosten. Die geschickte Finger auf seiner Haut, diee warmen Lippen und denn erhitzen Körper seines Mannes. Ein wenig öffnete er die Augen, sah auf Schuldig herab, der voller Hingabe die Haut um seinen Nabel liebkoste. Heiße und kalte Schauer jagten über seine Haut. Dieser Mann war seiner. Ganz allein seiner. Ganz offiziell. Die letzten Jahre waren nötig um sie beide hier her zu bringen. Ran fand, dass es all das wert war. Jeder Streit, jedes heimliche Treffen, jede Wunde, jede kraftezehrende Nacht. Gierig zog er an Schuldigs Shirt. Er wollte nicht länger warten. Er hatte eine Woche auf Schuldig verzichten müssen. Dieser war ohne große Erklärung losgefahren. Angeblich ein spontaner Junggesellenabschied. Als Ran nur zwei Tage später von einem gehäuften Auftreten von Schlaganfällen in der Schweiz hörte, hatte er eine Ahnung gehabt. Dennoch. Er hatte nicht gefragt, wollte es nicht wissen. Wichtig war nur, dass er wieder hier war. Zuhause. Bei Ran und, dass Er ihn so dicht bei sich spüren konnte. Er wollte ihn jetzt. Und er wusste, dass es immer so bleiben würde. -Ende- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)