Mogelpackung von Aislynn (Sasuke/Sakura) ================================================================================ Kapitel 13: Erschütterung ------------------------- [Dienstag, 14 Juli, 19:53 Uhr] Es dauerte nicht lange, bis abgehoben wurde. °Kakashi-san. Gibt es sonst noch etwas?° Sasukes Augen weiteten sich schlagartig und er presste sich die Hand vor den Mund. Unmöglich. °Hallo? Kakashi, bist du dran?° "Unmöglich...", flüsterte er erstickt gegen seine Handfläche, mehr zu sich selbst und nicht mal beabsichtigt laut heraus. Ein Moment Stille, unterbrochen nur durch seinen rasselnden Atem. Dann... °Sasuke...?° Sein Name, gesprochen von jener Stimme, die er aus tausenden und abertausenden anderen erkennen würde. Seine Kehle war mit einem Male so trocken, er konnte kaum schlucken. Unmöglich. Atmen... Er konnte nicht atmen. Mit einem Herzschlag wie Donner in seinen Ohren legte er abrupt auf und ließ das Handy fallen. Die Luft fand in einem scharfen, verzweifelten Zug in seine Lungen, der Druck der chaotisch vermischten Emotionen in seiner Brust fast schmerzhaft und es lag nicht an den angeschlagenen Rippen. Unmöglich. Unmöglich. Unmöglich... Kaum einige Sekunden nach dem getätigten Anruf riss Sasuke die Badezimmertür auf und funkelte Kakashi mit loderndem Jähzorn an. "Wie lange schon...?" Die Worte klangen erstickt, doch ob das der Schock oder die Wut war, konnte er nicht sagen. "Sasuke-" "Wie lange schon?!" Seine Stimme brach mit einem Schlag so laut aus ihm heraus, Sakura fuhr auf dem Bett im Schlafzimmer zusammen. Sie krabbelte von dem Möbelstück runter und stürmte in den Flur. Was war denn auf einmal los?! "Knapp ein Jahr." Kakashi sprach ruhig, gleichzeitig hatte die geschmeidige, dunkle Klangfarbe aber auch etwas Resigniertes an sich. Es hätte ja so kommen müssen... Er wappnete sich mental gegen einen Temperamentausbruch, welcher nicht auf sich warten ließ. "Ein gottverdammtes Jahr?!" Unmöglich. Unmöglich. Sasukes Hände zitterten, weil alles in ihm drin gefährlich zu beben anfing, wie Vesuvius kurz vor dem Ausbruch und Kakashi war das Pompei, das er mit Lava und Asche eindecken wollte. "Wo genau?!" "Du solltest-" Die Faust seitlich ausgeworfen, traf diese mit Wucht in die Wand: "Sag mir, wo!", donnerte der junge Uchiha, das Feuer in dem stechend-drohenden Blick wuchs prompt zu einem gefährlichen Inferno an. Sakura war mit einem milden Aufschrei erneut zusammengezuckt, Kakashi seinerseits fuhr sich gestresst durch das kobaltgraue Haar. "Konoha." Stoppen würde er den Jungen eh nicht können, und irgendwo wollte er es auch nicht. Konnte es nicht, hatte nicht das Recht dazu. "Konoha?! Die verdammte Hauptstadt?!" Sasuke starrte seinen Sensei einen Moment lang entgeistert an. So verarscht hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. "Adresse." Verlangte er dann schneidend, mit Mühe einen Fetzen Fassung haltend. Sakura indes, verstand gar nichts mehr. Sie hatte Sasuke nie derart außer sich gesehen... hätte nicht gedacht, dass irgendetwas auf der Welt je dermaßen seine fast unmenschlich eiserne Ruhe erschüttern könnte. Was ging hier vor sich? Von wem sprachen die beiden? Die genannte Adresse sagte ihr nichts, sie selbst war auch noch nie in der Hauptstadt gewesen, doch Sasuke riss sich eilends von der Stelle, nachdem er erwähnte Anschrift vernommen hatte. Er schien sie gar nicht mehr zu bemerken, als er an ihr vorbei in sein Zimmer rauschte und ein schwarzes Hemd aus dem Schrank griff, welches er sich hastig überzog und salopp auf jeden zweiten Knopf zuknöpfte, hier und dort schien die weiße Bandage durch. Genauso rasant war er wieder im Eingangsbereich, griff seine Lederjacke von Haken und schob die Arme durch die Ärmel. Das war der Moment, in dem Sakura aus ihrer momentanen Starre erwachte. "Sasuke! Wo willst du hin?! In deinem Zustand?!" Er schien sie nicht zu hören, steckte sein Portemonnaie in die Tasche der besagten Jacke und fegte die Motorradschlüssel von der Kommode in seine Hand. Sie sprintete zu ihm und packte seinen Ellenbogen, bevor er sich zu Wohnungstür umdrehen konnte. "So warte doch! Was ist denn los?!" Wo wollte er dermaßen Hals über Kopf hinstürzen? Er zuckte schroff den Arm aus ihrem Griff. "Aus dem Weg." Ein schneller Schritt zur Tür doch sie kam ihm zuvor und stellte sich mit Einhalt gebietend ausgebreiteten Armen genau zwischen ihm und dem Ausgang. "Nein! Ich kann dich nicht einfach so gehen lassen!" Seine Augen verengten sich verstimmt und gefährlich zugleich. "Nenn mir einen guten Grund, warum dem so ist." Sie stockte. War es denn nicht offensichtlich? Sie- "Ich... Wir sind zusammen! Du bist mein Freund, natürlich will ich wissen, was auf einmal los ist! Ich- Du bedeutest mir was! Sehr viel sogar! Ich mach mir Sorgen, ich will dir helfen! Was auch immer es ist... wenn du schon unbedingt gehen musst und das auch noch sofort, lass mich wenigstens mitkommen!" Sie verstand nichts von dem, was gerade passierte, aber sie wusste eins mit absoluter Sicherheit. Sie konnte ihn nicht einfach so ziehen lassen. Wenn sie das jetzt tat... etwas sagte ihr, sie würde ihn nicht mehr wiedersehen. Wenn sie ihn jetzt nicht festhielt... würde er aus ihrem Leben fliegen, wie ein Vogel einem unbekannten Süden entgegen. "Nein," negierte er den bloßen Gedanken daran, sie mitkommen zu lassen. Es war zu gefährlich... und sie hatte nichts damit zu tun. Was hatte er nur getan? Wieso hatte er es überhaupt erlaubt, dass sie- Er war ein Idiot gewesen. Er hätte sie nie- Doch er konnte es noch retten. "Und jetzt aus dem Weg." "Sasuke-" Sakura zog scharf die Luft ein, ihr schmaler Rücken traf gegen die Wand neben der Tür, die sie blockierte, auf. Sein Unterarm drückte fast schmerzhaft gegen ihr Schlüsselbein, sie konnte sich nicht rühren ob des eisigen Blicks, der gnadenlos in sie schnitt, nicht ungleich seiner harten, mit dunkler Ruhe gesprochenen Worte. "Ich bin nicht dein Freund, weder sind wir zusammen, verstanden? Ich hab gesagt wir gehen miteinander aus, aber das war's schon. Ich habe dir nichts versprochen, und letzte Nacht hatte in der Hinsicht auch überhaupt nichts zu bedeuten, nicht für mich. Du bedeutest mir nichts, und mich solltest du jetzt ebenfalls aus dem Kopf schmeißen. Kapiert?" Es war besser so... wenn sie ihn aus dem Sinn und den Gedanken warf. Kakashi würde zusehen, dass die Sachen von heute geregelt werden würden, und nach ebenjenen Sachen sollte sie auch in der Schule niemand mehr zu belästigen wagen. Und wenn doch... konnte sie wechseln. Oder ihren Stolz ablegen und ihren Stiefvater um Hilfe bitten, er und Seiichiros Erzeuger würden bestimmt eine Übereinkunft finden. Sasuke konnte nicht mehr hier bleiben - hier, mit ihr, bei ihr - nicht, nachdem er nun erfahren hatte, was er eben erfahren hatte. Mit einem Schlag hatte sich alles radikal verändert und genau deswegen hätte er sie überhaupt nie so weit in sein Leben lassen sollen. Er hätte es nie erlauben sollen, dass sie Gefühle für ihn entwickelte. Besonders von der Intensität, mit der sie diese gerade ausgesprochen hatte, mit der diese gerade so unmissverständlich in ihrem Gesicht geschrieben standen. Er wollte ihr nicht weh tun... aber dieser einmalige Trennungsschmerz würde um einiges besser sein als der, der ihr blühte, wenn sie wirklich mit ihm zusammenblieb, besonders jetzt. Wenn sie sich an ihm aufhing... Er war nicht gut für sie. Ihr Leben und sein Leben... sie durften sich nicht vermischen, insbesondere jetzt. Die Tränen, die ihre Augen füllten und über die Ränder sickerten, übertrugen den Schmerz in ihre erstickte Stimme. "Lüge... Lüge. Du lügst... Du lügst mich an..." Sie sah es doch... Die kleinen Fünkchen Reue und Unwille, die er unter dem Zornessturm seiner verletzenden Worte zu verstecken versuchte. "Warum?" Warum wollte er eher ihr Herz brechen und sie von sich stoßen, als es zu akzeptieren und an seins heranlassen... Warum sagte er all das... Warum wollte er dabei unbedingt so überzeugend klingen? Warum plötzlich eine 180 Grad Wendung? Es war unvereinbar mit allem, was er bisher für sie getan und ihr vermittelt hatte... oder nicht...? War sie wirklich allein in dieser Vorstellung, diesem Empfinden, dass es zwischen ihnen Etwas gab, das unerklärlich und dennoch so, so richtig war...? Wollte er es wirklich einfach so kaputt machen, ohne ihnen auch nur eine Chance zu geben? Aber warum? "Warum... Sasuke, warum?!" Sie verstand es nicht. Sie verstand ihn nicht. Doch sie wollte ihn nicht verlieren. Nicht hier, nicht jetzt, nicht so. Dafür... dafür war es bereits zu spät. Dafür... dafür liebte sie ihn bereits zu aufrichtig und je heftiger er sie von sich stieß, umso schmerzhaft bewusster wurde es ihr. "Denk', was du willst. Ich hatte meinen Spaß, ich bin fertig mit dir." Er trat zurück und sobald sein Arm sie nicht mehr gegen die Wand gedrückt hielt, sackte sie haltlos zu Boden. Ihre Schultern zuckten mit stummen Schluchzern, die verschwommene Sicht vor ihren Augen zeigte ihr das verwischte Bild des Fußbodens vor ihnen, auf dem sich glitzernde Fleckchen aus ihren Tränen bildeten. Dieser Tag, der so schön angefangen hatte... er mutierte immer mehr zu einem einzigen Alptraum. "Ich muss jetzt gehen, und wenn du weißt, was gut für dich ist, solltest du zu deinem eigenen Leben zurückkehren und mich vergessen." Sakura schüttelte störrisch und hilflos den Kopf, unfähig, etwas zu erwidern oder selbigen zu heben, um ihn anzuschauen. Es waren die längsten Sekunden ihres ganzen Lebens, die nach seinem letzten Satz von dem Uhrzeiger abgezählt wurden und sie fuhr heftig zusammen, als die Tür hinter ihm letztendlich mit einem lauten Knall ins Schloss fiel. Seine rapiden Schritte dröhnten im Treppenhaus und wenig später knurrte das Motorradgetriebe draußen strebsam auf, bis es zu einem Echo verhallte und dann gänzlich verstummte. Weg... er war weg. Jemand hockte sich neben sie und berührte sie sachte an der zuckenden Schulter. "Komm... Ich bringe dich nach Hause." Kakashi half dem Mädchen auf die Füße und nahm sie beim zitternden Unterarm, um sie zu stützen, als er sie aus der Wohnung und die Treppen runter führte, zu seinem vor dem Haus geparkten Auto, in welches er sie vorsichtig reinsetzte. Die Kleine tat ihm Leid... genauso wie Sasuke. Er wollte sich nicht ausmalen, was in beiden gerade vorgehen musste... Doch, ein Problem nach dem anderen. Während der Autofahrt verblieb die junge Schönheit stumm und reglos, starrte nur unbeteiligt aus dem Fenster auf die Szenerie, die dahinter vorbeiflog und die sie kaum bewusst registrierte. Ihr Kopf schmerzte höllisch nach den ganzen Tränen und Torturen des heutigen Tages, jedoch waren ihre Gedanken ein einziger, reger Ameisenhaufen, die alle durcheinander krabbelten und nichtsdestotrotz folgte jeder irgendeinem bestimmten Pfad. Wer auch immer diese Person war, welche Sasuke angerufen hatte... Diese war der Dreh- und Angelpunkt hier. Alles hatte sich so wunderbar entwickelt zwischen ihnen, seit jener Nacht in der Roten Rose. Je mehr sie darüber nachdachte, ganz egal, wie sehr es weh tat, sich an jene Worte zu erinnern, glaubte sie Sasuke immer weniger. Fein, vielleicht hatte sie es von ihrer Seite her überstürzt und sich zu schnell herein gesteigert, er hatte ihr wirklich nichts versprochen, er hatte nur bejaht, dass sie mehr oder minder miteinander ausgingen. Sie sah es als Zusammensein an, sie sah ihn als ihren festen Freund an, ob er das Gleiche auf sie bezogen tat, vermochte sie nicht zu beeinflussen. Aber auch wenn er diese Beziehung noch nicht als solche wahrnahm, all seine Worte und Taten wiesen unmissverständlich drauf hin, dass er es in die Richtung einer Beziehung hatte führen wollen. Und ihre Nacht zusammen... dass es ihm nichts bedeutet hatte, war ebenfalls eine Lüge. Dass Sakura ihm nichts bedeutete, war eine Lüge. Er wollte, dass dem so war, er wollte verzweifelt die Zeit zurückdrehen und all das, was sich unwiderruflich zwischen ihnen aufgebaut hatte, ausradieren, aber er konnte es nicht mehr, weil es da war. Ob er wollte oder nicht, es war da und eigentlich, tief drin, hegte er den Wunsch danach, es zuzulassen. Er hatte es auch beinahe getan, Stück für Stück... Bis Etwas all seine vorsichtigen Fortschritte zunichte gemacht hatte. Dieser verdammte Anruf... diese Person, die anscheinend in Konoha war, der er jetzt ohne Rücksicht auf Verluste entgegen raste... Wer war es? Jemand aus der Familie, aus der Verwandtschaft? Oder... eine alte Liebe? Bei dem Gedanken wurde Sakura schlagartig schlecht. Wäre nicht so abwegig... Vielleicht hatte er sie gar einfach nur als Ersatz benutzt, um über jemand anderen hinweg zu kommen... Doch nein, nein... Seine Absichten waren rein und ehrlich gewesen, das flüsterte ihr Herz ihr zu. Warum also, hatte er jetzt alles über Bord geworfen? Was war jetzt mit der Schule? Mit seinem Leben hier? Mit Sakura? War das, was ihn in Konoha erwartete, wirklich all diese Opfer wert? Dass er sein gesamtes Leben in Nullkommanichts einfach so wegschmiss und hinter sich ließ? Wieso war sie sich überhaupt so sicher, dass er nicht zurückkommen würde? Er hatte nichts gepackt... Vielleicht war es weniger eine Vorahnung als eine Angst. Denn wenn er nicht zurückkommen würde... war diese zerstörerisch tragische Szene in seinem Apartment das Letzte, was sie von ihm behalten würde. Sie konnte das nicht akzeptieren. So einfach... so einfach würde er nicht von ihr loskommen. Der Schmerz und die Trauer wichen langsam einer forschen Entschlossenheit, sie konnte ihn nicht einfach so gehen lassen. Sie wollte ihn noch einmal zu Rede stellen... sie wollte noch einmal mit ihm reden. Sie wollte wissen, sie musste wissen, ob er es wirklich Ernst meinte... Ob er wirklich das zarte und doch bereits so spürbare Band zwischen ihnen einfach durchtrennen wollte. Ein Band, welches Sakura selbst nicht einfach kampflos aufgeben wollte. Sie konnte, wollte Sasuke nicht einfach so verlieren. Das war nicht fair... Wieso tat er ihr das an? Wieso tat er sich selbst das an? Weil sie jetzt noch an einem Punkt waren, wo eine Trennung schmerzloser wäre, als sie es sein würde, wenn er Sakura ernsthaft an sich heranließ? Wollte er sich selbst beschützen? Hatte er Angst? Wovor...? Vor Sakura? Vor einer emotionalen Bindung? Warum...? Seine Persönlichkeit... seine Narben... seine Fähigkeiten im Kampf eins gegen eine Meute... der Ausdruck in jenen nachtschwarzen Augen, als er Seiichiro unter sich gepinnt gehalten hatte... Mit einem Male verflog alle Wut, die sie je hätte auf Sasuke verspüren können ob der peinigenden Worte, die er ihr entgegen geschmissen hatte. Sie konnte nicht böse auf ihn sein, sie konnte ihm nicht mal einen Vorwurf machen... Mit einem Male war das einzige, was sie empfand, Empathie und Mitgefühl. Du musst mich nicht bemitleiden... Das tat sie nicht, aber es änderte nichts daran, dass es ihr Leid tat... Welche Hölle es auch immer gewesen war, durch die er gegangen haben musste, um sich dermaßen von allem und jedem abschotten zu wollen... Es tat ihr Leid. Und es machte sie umso entschlossener, ihn nicht einfach alleine zu lassen. Auch wenn er sie wegstieß, auch wenn er sie verbissen verjagen und alle Bände zu ihr kappen wollte... Sie würde ihn nicht alleine lassen. Sie würde ihm folgen, egal wohin, sie würde ihn wissen lassen, dass sie für ihn da war. Ganz egal, ob er sie wollte oder nicht, ob er es brauchte oder nicht... sie war da. Sie war da und sie wollte ihn, ungeachtet allem, was er getan oder was ihm wiederfahren haben könnte. Sie würde ihn immer wollen, genauso wie er war. Als den Menschen, der er war. Sie musste es ihm beweisen, dass er ihr wirklich so viel bedeutete. Mehr, als ihr je etwas anderes im Leben bedeutet hatte, seit dem Tod ihres Vaters und ihrer Schwester. Und ihm es beweisen, das wollte sie. Das würde sie. Sie würde ihn nicht aufgeben. Die digitale Anzeige im Auto zeigte 21:43 an, als Kakashis Auto vor der Einfahrt des Nagasawa Anwesens hielt. Es brannten keine Lichter, ihre Mutter schlief wahrscheinlich schon - oder noch. Sakura drehte sich im Beifahrersitz, zum silberhaarigen Mann neben ihr. "Kakashi-san... Sie werden Sasuke folgen, oder? Nach Konoha?" Er nickte. "Ja. Keine Sorge, die Leute, mit denen ich gesprochen habe, werden sich um alles kümmern, was mit dem Vorfall von heute-" "Ich möchte mit," unterbrach sie ihn leise aber bestimmt. Er verstummte und schaute sie für einen langen Moment aus einem wachsamen Auge heraus an. "Du möchtest mit...?" Das lebhafte Peridot entflammte mit einer Art Unbeugsamkeit, die verriet, dass ihre Entscheidung eine endgültige war. "Ja. Ich kann ihn jetzt nicht alleine lassen. Was auch immer ihn dort erwartet, ich will ihn unterstützen." Eine zierliche Hand erhoben, presste sie sich diese gegen die füllige Brust, dort, wo es so sehr weh tat. Doch nicht ob der Sasukes Worten von eben... sondern ob der Zwickmühle, in der sowohl er als auch sie steckte. Sie kannte den Ausmaß seiniger überhaupt nicht, aber es änderte nichts daran, dass sie die Qualen nachempfinden konnte. "Alles, was er zu mir gesagt hat... ich glaube einfach nicht, dass es stimmt. Er will sich selbst und mich so sehr davon überzeugen... ich verstehe nicht wirklich warum, aber das ist auch egal. Ich will dennoch für ihn da sein. Ich will ihm helfen... Ich will ihn beschützen... Ich will ihn. Alles andere tut's für mich nicht mehr." Ihre Gefühle waren echt und sie waren stark. Das dünne Bändchen, das sie zu ihm gesponnen hatte, die Feinheit davon spielte keine Rolle, denn es war aus Titanium. Es würde nicht abreißen, ganz egal, wie viele Tonnen an Gewicht es aushalten musste. Eine glasklare Tatsache, die Kakashi für einen Moment sowohl sprachlos als auch glücklich machte. Dieses Mädchen... wenn jemand Sasukes eingemauertes Herz erreichen und berühren konnte... dann sie. Wenn es jemand heilen konnte... dann sie. Wenn er in der Hinsicht je auf jemanden setzten wollen würde... konnte es nur dieses zerbrechliche und dennoch so willensstarke und unbeirrbare, zierliche Wesen vor ihm sein. "Ich verstehe, was du sagst, Sakura. Doch es ist nicht ganz so einfach." Sie war siebzehn. Sie hatte Familie und Pflichten hier. "Nach Konoha sind es über acht Stunden Fahrt und du weißt nicht, was dich dort erwartet. Wenn du mir nichts dir nichts für ein paar Tage einfach nur verschwindest, wird es eine Aufruhr geben." Sie lächelte fest und resolut. "So ein großes Problem wird es nicht werden... Es gibt hier kaum Menschen, die sich an meinem Verschwinden stören würden, glauben Sie mir." Das war eine unverhohlene wenn nicht etwas traurige Wahrheit. "Mein Stiefvater ist für die ganze Woche weg, und ich bin mir sicher weder Seiichiro noch irgendjemand sonst in der Schule werden mich wirklich missen." Sie löste ihren Gurt und das schwarze Band schlüpfte mit einem Zischen ins Innerste des Wagens. "Ich werde meiner Mutter eine Notiz hinterlassen, damit sie sich keine Sorgen macht. Warten Sie einen Augenblick hier?" Sie bangte seiner Antwort entgegen, und anscheinend war Sasukes Sensei genauso unkompliziert, wie dessen Lehrling. Sie konnte sehen, woher der schweigsame Junge seine Lockerheit hatte. "Wie du meinst. Beeil dich." Sie nickte eifrig und stieg aus dem Wagen, flatterte durch die großen Eingangstore und öffnete schon bald auch die Eingangstür. Im Haus war es still und dunkel, ihre Mutter schien in der Tat noch zu schlafen und aus ihren Schuhen geschlüpft schlich Sakura auf Zehnspitzen nach oben und in ihr eigenes Zimmer. Sie schnappte sich ihre kleine Sporttasche und packte ein paar Klamotten zum Wechseln herein, zusammen mit einer Menge Kleinkram und Krimskrams, die Frau immer zu brauchen meinte. Handy, Geldbörse und ein paar andere Kleinigkeiten fanden in ihre Handtasche und sie riss ein Blatt aus dem Notizblock aus, um in ordentlicher, kalligrafisch perfekter Schrift die versprochene Nachricht zu hinterlassen. "Mama, ich brauche noch ein wenig Zeit, um meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. Ich rufe dich morgen Abend unbedingt an und erkläre dir alles, aber für heute übernachte ich nochmal außerhalb von Zuhause. Keine Sorge, es geht mir gut und ich bin in sehr netter, sicherer Gesellschaft, du kannst mir vertrauen. Mache dir also bitte keine Sorgen, und wir sprechen uns schon sehr bald, okay? Ich hab dich lieb. Sakura." Dann ging sie mucksmäuschenstill den Flur entlang zum Schlafzimmer ihrer Mutter und Stiefvaters, stieß ganz vorsichtig die Tür auf und lugte hinein. Die Nachttischlampe brannte, ihre Mutter lag auf der Seite im Bett und schlief fest, eine kleine, offene Dose Beruhigungstabletten neben der Lichtquelle. Einige lautlose Schritte brachten Sakura ans Bett, sie legte die Notiz auf dem Nachttisch ab und streckte dann die Hand aus, um liebevoll eine lose Haarsträhne aus dem bildhübschen Gesicht ihrer Mutter zu streichen. Das junge Mädchen beugte sich herunter und streifte sanft die Stirn ihres Elternteils mit ihren Lippen. "Verzeih mir für all den Kummer, Kaa-chan... Und ich verzeihe dir auch," ein weiches Wispern, und damit verließ sie wenig später ihr Nicht-Zuhause. Wenn alles gut ging, würde sie in ein paar Tagen zurück sein... oder sollte sie sagen, wenn alles gut ging, würde sie nie wieder hierher zurückkehren...? Spielte keine Rolle, das Einzige, was für Sakura gerade zählte, war Sasuke. Ihre beiden Taschen bald auf der Rückbank verstaut, nahm sie wieder Platz im Beifahrersitz und das schwarze Honda Civic fuhr von der Stelle, um sie aus ihrer alten Umgebung einer neuen entgegen davonzutragen. "Waren Sie schon mal in Konoha, Kakashi-san?", fragte sie neugierig, während seine handschuhbedeckte Hand fließend die Gänge hochschaltete. "Das war ich in der Tat. Ich habe viele Jahre dort gelebt und gearbeitet." Ab und zu lebte und arbeitete er immer noch dort, wann auch immer seine Missionen ihn dahin verschlugen, was mittlerweile ziemlich oft vorkam, doch sie musste das nicht unbedingt erfahren. "Was ist mit dir, Sakura-chan?" Sie lehnte sich in den Sitz zurück und schaute durch die Frontscheibe nachdenklich auf die abendliche, endlos erscheinende Autobahn vor sich. "Nein, ich war noch nie da. Bevor meine Mutter wieder geheiratet hatte, lebten wir in Gatou, einer Kleinstadt nahe der Grenze. Nach Ikibukoro sind wir erst vor einigen Jahren gezogen. Aber ich war schon mal in Suna - als Papa noch am Leben war, hatten wir dort mal Urlaub gemacht." Suna war die Hauptstadt von Kazenokuni, einer der fünf Großmächte auf der Landkarte des riesigen Nordkontinent, der durch das Arashimeer vom Südkontinent getrennt war. Zusammen mit weiteren vier Großmächten, Mizunokuni, Kaminarinokuni, Tsuchinokuni und Hinokuni hielten die Fünf sich stets die Waage, während die zahlreichen kleineren Länder, von dem Frieden zwischen dem Quintett abhängig, harmonisch vor sich hin lebten. Glücklicherweise gedieh jener Frieden mittlerweile schon über ein Jahrhundert, der letzte große Weltkrieg war nur noch eine Nacherzählung in den Geschichtsbüchern der jüngeren Generation. Ikibukoro, die Stadt, die sie gerade hinter sich ließen, befand sich in Hinokuni und knapp 900 Kilometer von der Hauptstadt Konoha, ihrem gegenwärtigen Ziel, entfernt. Dort war auch der Sitz des momentanen Regierungspräsidenten Sarutobi Hiruzen, auch Hokage - Feuerschatten - genannt, denn Hinokunis Staatsflagge trug einen stolzes Feuersymbol als Wappen. Sakura verfolgte die Nachrichten um die Länderpolitik immer gewissenhaft, und momentan genoss der Nordkontinent eine sehr harmonische Koexistenz der fünf Großmächte und all der kleineren Länder um diese herum. In den einzelnen Großmächten an sich sahen die innenpolitischen Zustände zumal sehr anders aus, das gravierendste Beispiel war Kaminarinokuni, das sich ob ihrer unterschiedlichen Gesellschaftssysteme schon seit knapp drei Jahrzehnten in Süd und Nord geteilt fand. Die beiden Landeshälften befanden sich seit knapp 15 Jahren in einem anhaltenden Bürgerkrieg und die News darüber sahen stets sehr unerfreulich und brutal aus. Südkaminari und ihre Hauptstadt Kumo waren Verfechter des demokratischen Staatsregimes, in Nordkaminari mit der Hauptstadt Ame herrschte eine eiserne Diktatur. Die Menschenopfer stiegen, der Militäreinsatz auf beiden Seiten war gewaltig, doch solange der Krieg nicht zu ihren Staatgrenzen schwappte, enthielten sich die restlichen vier Großmächte einer Einmischung, um die Gefahr eines weiteren, möglichen Weltkriegs zu vermeiden. Insofern war Sakura ganz glücklich, dass Hinokuni ein sehr friedvoller, liberaler Staat war, sie konnte es sich nicht vorstellen, wie es sein musste, im Krieg aufzuwachsen oder das Leben als stetig davon beeinflusst zu erfahren. "Wissen Sie auch, wo Sasuke herkommt?" Sie hoffte inständig, dass Mizunokuni nicht die Antwort sein würde. "Nun, er war tatsächlich sogar in einem Vorort von Konoha geboren. Er und seine Familie haben den Großteils ihres Lebens dort verbracht." Ihre Brust wölbte sich mit einem tiefen, erleichterten Atemzug. Sasuke war also ihr Landsmann, und was auch immer in seiner Vergangenheit passiert war, es hatte höchstwahrscheinlich wenig mit Bürgerkriegstrauma zu tun. "Sie kennen Sasuke schon lange, oder?" So wie die beiden miteinander umgingen und Anbetracht der Tatsache, dass Kakashi Sasukes erste Anlaufstelle für Hilfe und Unterstützung war, lag die Vermutung nahe. Erwähnter lachte leise auf. "Seit er ein Knirps von kaum drei Jahren war, ja." Sakura drehte sich zu dem Mann und schaute ihn aus großen Augen aus an. Wirklich, schon so lange? Sie war seltsam erfreut darüber, dass Sasuke so jemanden in seinem Leben hatte. "Seid ihr verwandt?" Ein Kopfschütteln, eine starke Hand drehte das Lenkrad, um eine Ausfahrt zu nehmen. Er fuhr ohne eine Navigationshilfe, fiel ihr nebenbei auf. Hatte er den Weg schon öfters zurückgelegt, oder war Sasukes exzellenter Orientierungssinn ebenfalls etwas, was von seinem Sensei abgefärbt hatte? "Nicht genetisch, nein, aber ich kannte seinen Vater. Fugaku und ich haben seit meinem 20ten Lebensjahr als Partner zusammengearbeitet, er war ein sehr guter, enger Freund. Ich habe Sasuke praktisch aufwachsen sehen. Ihn und seinen Bruder." Die pinkhaarige Schönheit sog die Informationen wie ein trockener Schwamm das Wasser auf, endlich konnte sie ein wenig mehr über Sasuke erfahren. Sie war sowohl nervös als auch aufgeregt, ihr Herz trommelte einen aufgewühlt-erfreuten Rhythmus in ihrer Brust. "Er hat einen Bruder?" Die Pause, die entstand, führte sie dazu, sich Sorgen darum zu machen, ob sie vielleicht die falsche Frage gestellt hatte. "Hatte," korrigierte Kakashi letztendlich geruhsam. "Itachi war fünf Jahre älter gewesen." Ihre Augen verengten sich leicht und ihre Kehle fühlte sich schlagartig etwas trockener an. "War...?", wiederholte sie leise. "Sasuke sagte mal, er hatte jemanden verloren... Sprach er von Itachi?" Ein aufmerksames Auge auf die im Scheinwerferlicht erhellte Straße gerichtet, waren die halbmaskierten Konturen in einem Ausdruck beschaulicher Melancholie. "Nicht nur von Itachi. Sasuke... er hatte in seinen jungen Jahren so einige Menschen verloren." Der Verlust einiger davon war auch Kakashi selbst sehr nah gegangen, ein Schatten jener schwermütigen, vergangenen doch nie wirklich verblassenden Emotionen reflektierte auch in seiner ruhevollen Tonlage. Sakura schluckte merklich, doch sie wagte es dennoch, ein Gesuch zu verbalisieren. "Können Sie... können Sie mir vielleicht davon erzählen? Bitte. Ich... ich will ihn einfach nur besser verstehen. Und ich habe das Gefühl, er selbst wird nie darüber reden wollen, oder können. Mit niemanden." Eine lange Geschichte... dieser Standartfloskel war wie ein unverwüstliches Schloss vor jedem wichtigen Ereignis, das in Sasukes Leben passiert sein mag. Doch lange Geschichten waren, woraus das Leben jedes Einzelnen bestand und ohne jene Puzzleteile ergab das ganze Bild nur wenig Sinn. Kakashi schmunzelte vage, auch wenn es hinter seiner Maske fast vollkommen verschollen blieb. "Da hast du nicht Unrecht. Er hatte nicht mal mit mir je wirklich darüber geredet, ich hatte das Meiste einfach nur miterlebt." Sasuke war mal anders gewesen. Fröhlich und aufgeschlossen, mit einem gesunden Vertrauen in und Glauben an das Gute und Schöne in dieser Welt. Etwas, zu dem er wahrscheinlich nie mehr zurückkehren können würde, aber vielleicht... vielleicht konnte Sakura ihm ein kleines Stück jener verlorenen Werte einmal mehr näher bringen. "Insofern schätze ich, wird er mir nicht böse sein können, wenn ich dir einfach meinen Teil von seiner Geschichte erzähle." Das, was Kakashi selbst miterlebt hatte, mit Sasuke zusammen und für sich allein in Verbindung zu ihm. Schließlich gab es nichts dagegen einzuwenden, wenn er ihr etwas von seinen Lebenspfaden erzählte, welche sich einfach nur mit denen seines Schützlings gekreuzt hatten. "Vielen Dank...", flüsterte Sakura ergriffen aufrichtig, und spitzte ihre Ohren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)