La Vie de Fayette von Sky- (Beloved Enemies) ================================================================================ Kapitel 10: Confusing Thoughts and Feelings ------------------------------------------- Nie im Leben hätte ich gedacht, dass das Fotoshooting so lange dauert und es mir dennoch vorkam, als wären nur eine halbe Stunde vergangen. Doch wie sich herausstellte, war ich tatsächlich dreieinhalb Stunden bei ihm gewesen und fühlte mich danach auch ein wenig gerädert. Dabei hatte ich mich nicht mal viel bewegt, sondern hauptsächlich still da gesessen oder gelegen. Und obwohl ausgerechnet Rion das Fotoshooting gemacht hatte, so hatte es mir tatsächlich gefallen. Er hatte seinen Job als Fotograf ziemlich gut gemacht und auch wenn ich es nur ungern zugab, aber ich war schon sehr gespannt auf das nächste Fotoshooting. Als ich wieder nach Hause kam, wollte meine Mutter natürlich sofort wissen, wie es gelaufen war, nur Emily ging mir aus dem Weg und sprach auch kein Wort mit mir. Sie war wahrscheinlich immer noch eifersüchtig auf mich, weil ich als Fotomodel für Rion arbeiten durfte, den sie ihrerseits so sehr vergötterte. Ich ließ sie schmollen, da ich auch keine Lust hatte, mit mir zu streiten. Außerdem würde sie sich sowieso schon irgendwann wieder beruhigen. Am Abend traf ich mich mit Seth und erzählte ihm alles. Und als es mir versehentlich mit meinem erotischen Traum herausrutschte, verschluckte er sich an seiner Cola und musste erst mal einen Hustanfall hinter sich lassen, bevor er überhaupt in der Lage war zu sprechen. „Du… du hast geträumt, du hättest mit Rion geschlafen?“ „Sag es noch lauter und selbst Mum und Emily wissen es“, gab ich verärgert zurück und seufzte laut. „Ich glaub, es ist nur wegen diesem dummen One-Night-Stand mit ihm und ich hoffe echt, dass das nur dabei bleibt. Oder kann es sein, dass ich irgendwie doch zum anderen Ufer wechsle?“ Seth schüttelte entschieden den Kopf und konnte mich in der Hinsicht beruhigen. „Nur wegen einem Sextraum wirst du nicht gleich schwul. Manchmal passiert so etwas einfach. Als ich 17 Jahre alt war, hatte ich einen solchen Traum mit unserem Sportlehrer.“ Entgeistert starrte ich meinen besten Freund an und hatte direkt Kopfkino und das, was ich sah, war nicht sonderlich schön und heftig schüttelte ich den Kopf. Einfach nur, um diesen Gedanken schleunigst wieder loszuwerden. „Oh Gott nein! Verschone mich bitte mit Details. Sag bloß, du warst in Mr. Duncan verknallt…“ „Nein“, entgegnete Seth und winkte schnell ab, wobei er aber ein klein wenig entrüstet wirkte, dass ich ihm so etwas tatsächlich zutraute. „Der Kerl war unser Lehrer. Aber was ich damit sagen will ist, dass ein Traum nichts zu bedeuten hat. Oder hast du unbedingt den Wunsch, mit Rion zu schlafen?“ Allein die Tatsache, dass Seth das so direkt aussprach, ließ mich rot im Gesicht werden und ich bekam kaum ein Wort hervor. „Überhaupt nicht“, sagte ich sofort. „Ich kann ihn immer noch nicht ausstehen. Wobei ich aber zugeben muss, dass ich nicht gedacht hätte, dass er auch eine ganz andere Seite hat. Beim Fotoshooting war er wie ausgewechselt und hat sich kein einziges Mal über mich lustig gemacht, oder einen dummen Spruch gerissen. Stattdessen hat er mich sogar gelobt, wenn ich alles richtig gemacht habe. Das Verrückteste aber war, als das Shooting vorbei war. Da hat er mir auf die Schulter geklopft und gesagt, ich hätte meine Sache sehr gut und sehr professionell für einen Anfänger gemacht.“ Auch Seth war verwundert darüber, denn er wusste, was für ein arroganter Arsch Rion sein konnte und dass dieser während des Shootings so freundlich gewesen war, klang für ihn natürlich erst mal merkwürdig. Etwas ratlos zuckte er mit den Schultern und vermutete „Vielleicht ist er ja doch nicht so ein schlechter Kerl.“ „Ach was“, entgegnete ich und trank meine Cola. „Er meint, dass er Berufliches und Privates trennt.“ Wieder dachte Seth nach, schien aber dennoch nicht ganz durchzublicken. Wie denn auch, wenn ich es nicht mal selber schaffte? „Na da hast du doch deine Antwort, Fay. Wenn er so gestrickt ist, dann würde das ja erklären, warum er sich so verhält.“ Aber so ganz zufrieden war ich mit der Antwort auch nicht, auch wenn ich nicht wusste wieso. Wenigstens wusste ich jetzt, dass ein einziger erotischer Traum mich nicht gleich schwul machen würde. Wenigstens eine Erleichterung. Als hätte Seth meine Gedanken gelesen, lächelte er milde und klopfte mir auf die Schulter. „Mach dir mal nicht so viele Gedanken, Fay. Es ist unmöglich, dass du komplett schwul wirst, immerhin liebst du doch Frauen, oder? Das Schlimmste, was dir also passieren kann ist, dass du allerhöchstens bisexuell bist. Aber so schlimm ist das doch nicht. Immerhin hast du doch auch nichts dagegen, mit einem Schwulen wie mir befreundet zu sein, oder? Du warst ja sogar dazu bereit, mit mir in die Schwulenbar zu gehen.“ Als er das erwähnte, konnte ich nicht anders und versetzte ihm einen leichten Schlag gegen den Oberarm. „Hör mir bloß damit auf. Dieser Besuch hat mir auf deprimierende Art und Weise mehr als deutlich gezeigt, dass mehr Männer als Frauen auf mich stehen…“ Für Seth war das natürlich wiederum lustig und er konnte darüber lachen, im Gegensatz zu mir. „Ach jetzt mach dir keinen Kopf deswegen und versuch es so zu sehen: Das Fotoshooting ist nicht ganz so schlimm geworden und du bist Rion bald wieder los. Dann hat er seine Fotos und hat keinen Grund mehr, dich zu belästigen.“ Stimmt, das wäre wiederum ein Grund zum Feiern für mich und Rion würde auch Stillschweigen über die Sache mit dem One-Night-Stand bewahren. „Hast auch wieder Recht. Morgen ist direkt das nächste Fotoshooting und ich frag mich echt, was er da vorhat.“ „Lass ihn doch mal ein paar Fotos von dir ausdrucken. Mich würde ja echt interessieren, ob er wirklich so ein guter Fotograf ist, wie alle sagen.“ Nun, da konnte ich ja wohl schlecht nein sagen. Aber ich würde garantiert keine Fotos herumzeigen, wo ich nackt zu sehen war. Das stand schon mal fest. Am nächsten Morgen wurde ich überraschenderweise von Rion empfangen, der wie immer lässig und doch zugleich stilvoll gekleidet war und mich mit demselben arroganten Lächeln begrüßte, was ich von ihm kannte. Doch ich merkte sofort, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Seine Augen wirkten irgendwie traurig und unglücklich und ich sah sofort, dass das Lächeln nur eine Maske war und er sich schwer tat, diese aufrecht zu erhalten. Es passte mir gar nicht, ihn so zu sehen. Denn ich kannte ihn als stets beherrschten und unantastbaren Menschen, der sich durch nichts verunsichern ließ. Doch heute wirkte er auch sonst etwas angeschlagen. Er war blass und zuerst glaubte ich, dass er vielleicht krank wäre. „Gut, dass du da bist, Fayette. Dann können wir gleich schon mal ins Atelier gehen.“ Ich schloss die Tür hinter mir und folgte ihm, wobei ich verwundert fragte „Ist Clarissa gar nicht da?“ „Ihre Tochter ist krank und sie muss sich um sie kümmern. Deshalb bin ich heute alleine. Aber da ich heute sowieso keine anderen Termine habe, geht das schon in Ordnung.“ Wir gingen dieses Mal nicht die Treppe hoch, sondern den Flur links entlang, bis wir einen großen hellen Raum erreichten, der eine einzige große Kulisse hatte und ich sah, dass die Wände mit Planen abgedeckt waren. Auch Teile des Bodens. Ich war ein wenig verwundert über diesen Anblick und sah auch, dass der Hintergrund der Kulisse in Farbe war. Es war ein sehr heller Hintergrund in Gelb- und Grüntönen und ich war schon gespannt, was Rion wohl dieses Mal vorhatte. Als könnte er meine Gedanken lesen, fragte er mich „Hast du schon mal vom indischen Holi-Fest gehört?“ Da ich den Begriff schon mal irgendwo gehört hatte, aber sonst nichts weiter damit anzufangen wusste, verneinte ich sicherheitshalber die Frage und erfuhr, dass das so genannte Holi-Fest eine Veranstaltung war, in welcher Farbpulver innerhalb der Menge verstreut wurde, als Symbol für die Gleichheit aller Menschen, trotz des Kastensystems. Auch sollten die Farben das Leben und den Beginn des Frühlings symbolisieren. „Das Holi-Fest ist auch international immer beliebter geworden und dieses farbenfrohe Spiel gibt auch wunderbare Motive. Aus diesem Grund werden wir heute auch mit Farbpulver arbeiten. Ich werde schon mal etwas Farbe auftragen, damit es ungefähr den Vorstellungen entspricht, danach werden um dich herum solche Pulverbomben platzen, um das Bild abzurunden.“ Das klang eigentlich ganz witzig, nur stellte sich mir eine Frage, die ich auch sogleich an Rion stellte. „Und danach soll ich so wieder auf die Straße, oder wie stellst du dir das vor?“ „Mein Atelier verfügt über Duschräume. Immerhin arbeite ich auch mit Bodypainting und ich kann meiner Kundschaft doch nicht allen Ernstes abverlangen, bemalt nach Hause zu fahren. Kleidung liegt für dich auch bereit. Du kannst dich dort umziehen.“ Er verwies damit auf einen Wandschirm in einer Ecke. Da ich nach den gestrigen Erlebnissen nicht mehr allzu viele Vorbehalte hatte, ging ich mich umziehen, wunderte mich dann aber doch, als ich die Tunika sah. „Das ist… eine Frauentunika“, rief ich und ließ das Kleidungsstück wieder sinken. „Ist das dein Ernst?“ Ich hörte ein entnervtes Seufzen und wie Rion daraufhin in einem ebenso entnervten Ton erwiderte: „Die Diskussion hatten wir doch gestern schon, Fayette. Du kannst ja wohl schlecht ein Tanktop anziehen. Das passt nicht zu dir, außerdem soll es doch authentisch wirken. Da müsste übrigens auch Schmuck liegen.“ Tatsächlich fand ich Schmuck mit Türkisen. Wenn ich mir so die Sandalen und die Klamotten so ansah, wurde mir langsam klar, dass ich mich wohl im Hippie-Look fotografieren lassen musste. Naja… zumindest war es besser, als sich nackt fotografieren zu lassen. Nachdem ich mich umgezogen und den Schmuck angelegt hatte, kam ich hinter den Wandschirm hervor und Rion musterte mich aufmerksam. So prüfend von ihm angestarrt zu werden, gab mir wieder das Gefühl, vollkommen nackt zu sein, selbst mit der Kleidung. Mein Herz schlug wie verrückt und ich merkte wieder, dass ich nervös wurde. Ich konnte mir selbst nicht erklären, wieso es mich jedes Mal so nervös machte, wenn er mich auf diese Weise ansah und ich wandte etwas beschämt den Blick ab. „Sieht soweit ganz gut aus. Dann wollen wir mal damit beginnen, dir etwas Farbe zu verpassen.“ Rion führte mich zu einem Stuhl hin, auf dem ich Platz nahm. Er selbst holte nun verschiedene kleine Schalen hervor, in denen sich Farbpulver befand. „Mach besser die Augen zu.“ Ich folgte seinen Anweisungen und spürte, wie er nun damit begann, das Farbpulver auf meine Haut aufzutragen. Auf meine Wangen, meine Stirn, meine Augenlider. Meist benutzte er einen Pinsel, manchmal strich er aber auch vorsichtig mit den Fingern nach. Nichts zu sehen und dann noch zu wissen, dass er es war, der mich so berührte, ließ mich wieder an meinen Sextraum denken, den ich gehabt hatte. Wie Rion und ich uns leidenschaftlich geküsst und einander im Arm gehalten hatten, als er tief in mir drin war. Vor meinen Augen begann sich alles wieder abzuspielen und mir war so, als würde es wieder passieren. Ich spürte seine Hand an meinem Hals und meiner Brust und vernahm ein leichtes Kribbeln. Es waren nur kurze Berührungen, doch sie fühlten sich dennoch so zärtlich an. Mir war, als würde ich plötzlich all das wiedererleben, was ich geträumt hatte und es am eigenen Leib spüren. Und das war nicht gut. Ich musste versuchen, diese Gedanken verdrängen und mich konzentrieren. Doch als ich wieder die Augen öffnete und in Rions Augen sah, da schien es mir fast gänzlich unmöglich zu sein. Verlegen wandte ich den Blick ab und sagte nichts. „Okay, ich präpariere noch ein wenig deine Haare, dann können wir anfangen.“ Damit streute Rion mir noch etwas Farbpulver in die Haare und begann es dann zu verteilen. Zu spüren, wie er mir durchs Haar strich, ließ mein Herz nur noch schneller schlagen und es fiel mir schwer, nicht an diesen Traum zu denken, wo er genau dasselbe getan hatte. Schließlich aber wagte ich eine Frage. „Kannst du mir vielleicht ein paar der Fotos von mir mal mitgeben? Ich würde schon gerne sehen, wie sie aussehen.“ „Das dürfte etwas schwierig werden“, murmelte er und strich mir nun ein wenig Farbe von der Stirn weg. „Ich bearbeite die Bilder abends bei mir zuhause am Computer. Du kannst gerne heute Abend vorbeischauen und ich kann dir schon mal zwei oder drei Bilder mitgeben. Mehr werde ich aber heute wohl nicht mehr schaffen, da ich noch private Termine habe.“ Schließlich erhob er sich und führte mich zu dem Platz hin, wo ich mich hinstellen sollte. Zuvor aber schaltete er wieder Musik an und dieses Mal war es nichts Klassisches, sondern richtige Partymusik, wie man sie auch tatsächlich auf solchen Festivals hörte. Passende Musik schien wohl ein regelrechtes Ritual von ihm zu sein. „Da das Thema Sommer und leuchtende Farben im Raum steht, solltest du dementsprechend auch ein möglichst strahlendes Gesicht haben. Denk dir einfach, dass dies dein perfekter Tag ist und es der schönste in deinem Leben ist. Am besten wäre es sogar, wenn du ein wenig zur Musik tanzt. Schließ dabei am besten die Augen, denn es kann gleich sein, dass du noch etwas von dem Pulver ins Gesicht bekommst.“ Ich atmete tief durch und versuchte mich zu konzentrieren. Zugegeben, mir half es tatsächlich, dass die Musik gespielt wurde. Sie war regelrecht ansteckend und als ich die Augen schloss, stellte ich mir vor, ich wäre auf einem Festival zusammen mit Seth und den anderen von der Uni und würde feiern. So begann ich tatsächlich zum Rhythmus der Musik zu tanzen und bekam richtig gute Laune dabei. Aber das war eben auch ein Stück weit meine Persönlichkeit. Ich konnte mich selbst richtig schnell in Stimmung bringen und war auch sonst eigentlich ein recht fröhlicher Mensch, wenn da nicht diese ganzen anderen Sachen gewesen wären. In dem Moment fiel mir auch das Lächeln überhaupt nicht schwer. So vergaß ich alles um mich herum und geriet immer mehr in Partystimmung und als Rion mir zurief, den Kopf zurückzulegen und die Arme auszubreiten, da kam noch mal eine ordentliche Farbwolke von vorne und ich musste aufpassen, dass ich diese nicht noch einatmete. Schließlich wurde die Musik leiser gestellt und als ich die Augen vorsichtig öffnete, sah ich erst, wie viel Farbe ich abgekriegt hatte. Rion kam mit einem Spiegel herbei und zeigte mir, wie bunt ich eigentlich war. „Und? Wie gefällst du dir?“ Ich sah mich selbst, mein Gesicht in allen möglichen Farben leuchten und sogar meine Haare waren von einem hübschen blauviolett durchzogen. Da konnte ich einfach nicht anders, als breit zu grinsen und zu lachen. „Das sieht ja stark aus. Da ist ja mehr Farbe an mir dran, als in meinem Malkasten.“ Auch Rion lächelte und wirkte zufrieden mit dem Ergebnis. Auch das Traurige in seinem Blick war gewichen und dieses Lächeln war so anders als das, was ich sonst immer bei ihm sah. Es wirkte so ehrlich, so menschlich. Irgendwie wirkte er schon fast sympathisch auf mich. „Das war sehr gut, Fayette. Du besitzt etwas sehr Natürliches und es wirkte auch nichts gespielt. Du besitzt wirklich Talent.“ Seine lobenden Worte klangen so seltsam und ungewohnt und ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Immerhin sah es ihm eigentlich überhaupt nicht ähnlich, mich zu loben. Für gewöhnlich fing ich mir ja eine Stichelei nach der anderen ein. „So, wir machen noch ein paar Nahaufnahmen.“ Damit holte Rion einen Hocker und begann die Beleuchtung noch mal neu einzustellen, was ein paar Minuten in Anspruch nahm, da er wohl zu den Perfektionisten gehörte. Aber daran konnte man auch erkennen, wie sehr ihm seine Arbeit am Herzen lag. Aus Neugier fragte ich: „Woher hattest du die Idee?“ „Ich war im Frühling auf einem solchen Festival, weil ich auch große Gruppen fotografieren wollte und da hatte ich auch den Entschluss gefasst, auch Einzelaufnahmen zu machen und dazu gehörst auch du. Bei der Ausstellung wird es immer eine Massenaufnahme, eine kleine Gruppenaufnahme und einige Einzelaufnahmen geben. Und du wirst die Einzelaufnahmen darstellen.“ Das klang nach ziemlich viel Arbeit und ich stellte mir bildlich vor, wie aufwendig das Ganze war. „Und seit wann arbeitest du schon dran?“ „Seit Anfang des Jahres. Im Grunde bin ich schon in der Endphase.“ Schließlich führte mich Rion zum Bad, gab mir ein paar Handtücher mit und so konnte ich mir bei einer heißen Dusche die ganze Farbe abwaschen. Doch ich konnte selbst da nicht aufhören, an sein Lächeln zu denken, welches ich vorhin bei ihm gesehen hatte. Nach der Farbaktion war das Fotoshooting vorbei und Rion sagte mir zum Abschied noch, ich könne um 20 Uhr bei ihm in der Lancesterstreet vorbeikommen. Dann hätte er bis dahin wenigstens schon mal zwei oder drei Fotos fertig. Ich war einverstanden damit und fuhr am Abend, da es noch angenehm warm draußen war, mit dem Fahrrad zu der Adresse. Rions Haus wieder zu sehen, war irgendwie komisch für mich und weckte Erinnerungen an den Morgen, als ich mit einem Blackout in seinem Bett aufgewacht war. Und in dem Moment stellte sich mir wieder die Frage, wieso sich Rion seinerseits auf diesen One-Night-Stand eingelassen hatte, wenn er doch keine Gefühle für mich hegte. Ich stellte mein Fahrrad neben der Garage ab, schloss es ab und ging zum Hauseingang. Es dauerte eine Weile, bis Rion auf mein Klingeln hin öffnete. Er trug selbst jetzt noch ein Hemd, nur hatte er jetzt keine Krawatte mehr an und trug jetzt statt der Kontaktlinsen eine Brille. Das irritierte mich ein bisschen, als ich ihn so sah und fragte „Wieso trägst du jetzt die Brille?“ „Meine Augen werden trocken, wenn ich die Kontaktlinsen zu lange trage. Ich brauche sie auch nur für die Arbeit. Komm rein.“ Rion führte mich direkt nach oben und wieder kamen diese Bilder zurück. Von dem bösen Erwachen, aber auch von meinem Sextraum. Ich kam mir irgendwie so vor, als wäre ich nicht wegen der Fotos hier und ich verstand selbst nicht mehr, was mit mir los war. Vor einigen Tagen hatte ich Rion noch regelrecht gehasst und auch jetzt konnte ich ihn nicht ausstehen. Zumindest war ich mir dessen sicher. Dieser Kerl hatte mich abgefüllt und war daraufhin über mich hergefallen, ohne dass ich es wollte. Er machte sich über mich lustig und war ein arroganter Dreckskerl. Und dennoch hatte ich davon geträumt, mit ihm zu schlafen und wenn ich an diesen Traum zurückdachte, fühlte ich mich seltsamerweise nicht mal so unbedingt schlecht deswegen. Zwar schämte ich mich und konnte nicht fassen, dass ich als Hetero tatsächlich so etwas träumte, aber es war nicht so, dass sich alles in mir sträubte und als würde ich es unangenehm finden. Nein, stattdessen suchte mich dieser Traum immer aufs Neue heim und ich spürte dann wieder diese wachsende Erregung. Ach ich verstand meinen eigenen Körper nicht mehr, was der eigentlich noch wollte. Mein Kopf hasste Rion und würde ihn am liebsten in Stücke reißen. Aber ganz offensichtlich wollte mein Körper allen Ernstes Sex mit ihm. Noch einen Grund mehr, meinen Körper zu hassen… Wir waren wieder in diesem großen Raum, der gleichzeitig Arbeitszimmer und Schlafzimmer zu sein schien. Sofort fiel mein Blick auf das Bett mit der Satinbettwäsche. Offenbar hatte Rion eine gewisse Schwäche für Satin. Er ging zu seinem Schreibtisch hin und ich sah dort eine Schneidemaschine, womit er die Fotos zurechtgeschnitten hatte. Er hatte einen Umschlag vorbereitet, auf dem mein Name stand. „Deine Fotos sind soweit fertig. Die restlichen werde ich noch am Wochenende bearbeiten und du kriegst natürlich Abzüge.“ „Danke“, murmelte ich und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, was gerade in mir vorging. Ich streckte schon meine Hand nach dem Umschlag aus, doch da ergriff Rion mein Handgelenk und ehe ich mich versah, wurde ich gegen die Wand gedrückt. Für einen Moment war ich viel zu erschrocken und überrascht, als dass ich hätte reagieren können und ich sah wieder in Rions eisblaue Augen, die von dieser schwarzen Brille eingerahmt wurden. Wieder war da dieses überlegene und arrogante Lächeln zurück, welches fast schon beängstigend auf mich wirkte. „Rion… was soll das? Lass mich los!“ Obwohl ich eigentlich entschlossen sprechen wollte, brachte ich nur ein erschrockenes Gestammel hervor. Und als er meinem Gesicht immer näher kam, da begann mein Herz fast schon zu rasen und mein Gesicht glühte regelrecht. Oh Gott, ich wurde ganz rot im Gesicht! „Na so was… wirst du etwa rot, weil ich dir so nahe komme, Fayette?“ fragte er mich mit dieser Stimme, die mich schon so viele Male verhöhnt und provoziert hatte. Und das ließ mich wieder wütend werden. „Rück mir gefälligst nicht so auf die Pelle“, rief ich und versuchte ihn wegzudrängen, aber das schaffte ich nicht. Mein Körper schien mir einfach nicht mehr gehorchen zu wollen und ich verlor jegliche Kraft, um vernünftig Widerstand leisten zu können. Rion schmunzelte amüsiert über meine hilflosen Versuche und wirkte in diesem Moment wie ein Hüne auf mich, während ich immer mehr zusammenschrumpfte. „Was denn? Ist da jemand etwa nervös, weil ich schlimmstenfalls erfahren könnte, wonach du dich sehnst?“ Wonach ich mich… Ich brachte kein einziges Wort hervor und hatte wieder dieses vermaledeite Kopfkino und mein ganzer Körper schien verrückt zu spielen. Warum war ich nur so aufgeregt, wenn Rion mich so ansah und mir dermaßen nahe kam? Was war nur mit mir los? Ich wich seinem Blick aus und versuchte immer noch, ihm wenigstens verbal die Stirn zu bieten. „Das einzige, was ich mir wünsche ist, dass du Hämorriden kriegst, damit dir auch mal der Arsch brennt!“ „Jetzt wirst du aber unverschämt, Fayette. Und vielleicht solltest du mal etwas ehrlicher zu dir selbst sein, denn es ist doch ganz offensichtlich, wonach sich dein Körper sehnt.“ Und damit beugte er sich zu mir herunter. Da ich unbedingt vermeiden wollte, dass er mich direkt küsste und ich dadurch wieder ohnmächtig wurde, wandte ich mich von ihm ab, woraufhin er meinen Hals küsste. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können und mir wurde auf einmal so heiß. Und als Rion auch noch sagte „Wenn du es nicht willst, musst du es schon klar und deutlich sagen“, fühlte ich mich völlig hilflos in dem Moment. Verdammt noch mal ich wollte ja sagen, dass er damit aufhören sollte und ich wollte ihn auch von mir stoßen und abhauen, aber ich schaffte es einfach nicht. Stattdessen ließ ich einfach zu, dass Rion wieder meinen Hals küsste und eine Hand unter mein T-Shirt schob und meinen Oberkörper streichelte. Seine Hand an meiner Haut zu spüren, ließ mich wieder an diesen Traum denken und wie es sich angefühlt hatte. Doch das hier passierte gerade wirklich. Rion drückte mich gegen die Wand und war dabei, über mich herzufallen. Jeder Funken Vernunft riet mir, das Ganze sofort abzubrechen und sofort abzuhauen. Das hier war nicht richtig. Ich stand nicht auf Männer und Rion war immerhin derjenige, der mir die Schulzeit seit der Middle School zur Hölle gemacht hatte. Das hier durfte nicht noch weiter gehen als ohnehin schon. Allein schon der One-Night-Stand war zu viel des Guten gewesen und nicht mit meinem reinen Gewissen vereinbar, weil ich nun mal nicht schwul war und mich noch nie zu Männern hingezogen gefühlt hatte. Auch nicht zu Rion. Zumindest dachte ich so… Denn mein Körper sagte mir etwas ganz anderes. Ein Schauer überkam mich, als ich seine warme und feuchte Zunge an meinem Ohr spürte und wie seine Hand sich von meinem Oberkörper entfernte und nun stattdessen meinen Schritt zu kneten begann. Verdammt noch mal, ich sollte irgendetwas dagegen tun und zwar möglichst schnell. „Hö-hör auf…“, brachte ich hervor und versuchte mich zu befreien, aber es war zwecklos. Gegen diesen Kerl, der gut und gerne 15 bis 20cm größer war als ich, konnte ich einfach nicht ankommen. Mir war so, als würde meinem Körper jegliche Widerstandskraft und auch jede Kontrolle entzogen werden. Ich verstand es einfach nicht. Ich verstand mich selbst nicht mehr und ich war so durcheinander, dass es mir zusätzlich jede Chance nahm, mich Rions Liebkosungen zu entziehen. Außer ihm hatte mich noch nie jemand so angefasst. Stattdessen war ich es immer gewesen, der aktiv war. Immerhin waren meine Beziehungen und Bettgeschichten allesamt Mädchen gewesen und die verlangten natürlich, dass man als Kerl ranging. Doch nun schien es so, als hätte ich jetzt den Platz dieser Mädchen eingenommen und nun war es ein Mann, der mich so küsste und berührte. Normalerweise hätte ich mich sofort zur Wehr gesetzt und wenn ich mich wie ein durchgedrehter Irrer aufgeführt hätte. Aber jetzt? Ich ließ es einfach zu, dass ein Mann so etwas mit mir machte… und dann auch noch Rion. Und rein körperlich fühlte es sich dabei so gut an. Schließlich suchte ich doch seinen Blickkontakt und fühlte mich in diesem Moment irgendwie fiebrig. Mir wurde so heiß und ich spürte, wie sich meine Erregung steigerte, während er unaufhörlich meinen Schritt massierte. Ich versuchte ihn an den Schultern zu packen und wegzudrücken, doch letztendlich klammerte ich mich mehr oder weniger an ihn und hielt mich an ihm fest. „Wa-warum tust du das?“ fragte ich ihn mit leisem Keuchen in der Stimme. Hierauf spielte sich ein verschlagenes und überlegenes Lächeln auf seine Lippen und seine Augen ruhten auf den meinen. Sie wirkten in diesem Moment gefährlich und tiefgründig und eine unbeschreibliche Faszination ging von ihnen aus. „Ich hab es mir anders überlegt, Fayette“, erklärte er mit dieser tiefen und ruhigen Stimme, die fast schon hypnotisch auf mich wirkte. „Ich will nicht bloß ein Fotoshooting mit dir. Ich will dich.“ „Was?“ Hierauf begann er wieder meinen Hals zu küssen. Er saugte sich regelrecht fest und hinterließ einen Knutschfleck. Er war kaum noch zu bremsen und ein intensiver Schauer durchfuhr meinen Körper. „Du hast schon richtig verstanden“, flüsterte er in mein Ohr. „Ich will, dass du mir verfällst…“ Ich ihm verfallen? Wieso ausgerechnet ich und seit wann… seit wann plante er das alles bitteschön? Waren das Fotoshooting und der One-Night-Stand etwa nur ein Trick gewesen, um mir den Kopf zu verdrehen? Und wieso wollte Rion denn bitteschön, dass mich in ihn verliebte, wenn er doch nichts anderes tat, als sich über mich lustig zu machen und mich zu provozieren? Ich verstand ihn nicht… nicht mal sich selbst. Rein gar nichts verstand ich mehr in diesem Moment und in mir herrschte ein unvorstellbares Chaos. Es gelang mir nicht, weder meine Gedanken, noch meine Gefühle in Ordnung bringen. Stattdessen war mein Verstand wie gelähmt und versetzte mich in einen Zustand vollkommener Hilflosigkeit und Starre. Warum nur? Warum war es ausgerechnet Rion, der mich so dermaßen durcheinander brachte? Es gelang mir dann aber doch, halbwegs Worte zu formulieren. „Du spinnst wohl“, rief ich und drückte ihn weg, oder zumindest versuchte ich es, denn meine Arme waren inzwischen nur noch wie aus Gummi. „Als ob ich mich jemals in dich verlieben würde.“ „Das wird sich schon noch zeigen. Jedenfalls scheint dir das hier doch nicht so unangenehm zu sein, wie du mir weismachen willst. Und was du da sagst, stimmt nicht so ganz mit dem überein, was dein Körper sagt. Und dieser erscheint mir wesentlich ehrlicher als dein Mund, Fayette. Also ist es wohl besser, ich schließe ihn dir, damit du mir keine halbherzigen Widerworte mehr geben kannst, die sowieso nicht ehrlich sind.“ Ich ahnte, was das bedeutete und geriet in Panik. Wenn es zwischen uns zu einem richtigen Kuss kam, dann war meine nächste Ohnmacht vorprogrammiert. Dann war ich für ein oder zwei Minuten komplett außer Gefecht gesetzt und würde vollkommen wehrlos sein. „Nein, ich will nicht…“, rief ich und versuchte ihm so gut es ging auszuweichen, doch da hielt er meinen Kopf fest und küsste mich. Für einen Moment war ich wie in eine Schockstarre verfallen und mir war, als würde mein Herz einen Schlag aussetzen. Ich spürte seine Lippen auf den meinen und wie seine Zunge sich langsam Einlass in meinen Mund suchte. Selbst sein Kuss war so fordernd, dass ich es nicht schaffte, diesen zu beenden. Stattdessen wurde mir schwindelig, mit einem Mal verließ mich jede Kraft in meinem Körper und vor meinen Augen wurde alles schwarz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)