Urlaubsreif von flower_in_sunlight (Seto x ?) ================================================================================ Kapitel 10: 16.2. Montag ------------------------ „What shall we do with the drunken sailor? What shall we do with the drunken sailor?“ Augenblicklich zögerte er die Küche zu betreten. Doch sich still zurückziehen konnte er auch nicht mehr, viel zu offensichtlich war er bereits entdeckt worden. „Hurray!“ „And up she rises“, stimmte nun auch Yuki mit ein und ersparte somit ihren Kollegen den Versuch stimmlich in die Höhe zu kommen. Na toll, da wusste er wenigstens was für ein Empfang ihm blühte. Er versuchte möglichst unauffällig die Küche zu betreten und sich sofort mit seiner, auf der Anrichte stehenden Schüssel Cornflakes in sein Büro zu verziehen. Allerdings hatte er Pech. „Na, guten Morgen, Chef! So wie Sie aussehen, müssen wir für Sie gleich nochmal singen“, grüßte Hans ihn. „Oh ja, put me in the longboat 'til I'm sober“, antwortete er schlicht und nahm den ersten Löffel im Stehen zu sich. „Sie wollen mir nicht erzählen, Sie sind verkatert – von zwei Flaschen Rotwein! Eigentlich haben wir nämlich für Cian gesungen“, hakte Shin nach und schnitt die Karotten weiter klein. Ein weiterer Löffel. „Nein, mir geht es prima. Wir haben uns genug Zeit gelassen für den Wein und die Schokolade ist auch aufgegessen. Aber wieso musstet ihr für Cian singen?“ Wieder ein Löffel. Wenig begeistert blickte Cian zu ihm auf und grummelte: „Weil ich mir heute morgen den Kopf gestoßen habe und in die Küche runter getorkelt kam. Und anstatt bemitleidet zu werden, wurde ich mit einem Ständchen von meinen Lieben Kollegen bedacht... Apropos, wann kamen Sie gestern Abend eigentlich wieder?“ Zwei Löffel. „Zu spät. Aber der Abend war gut.“ Den nächsten Löffel konnte er nicht mehr vollständig schlucken, weil ihm jäh auffiel, dass er sich den letzten Satz besser verkniffen hätte. Denn prompt hoben sich Hans Augenbrauen, Shin hackte äußerst energisch auf den Brokkoli, zu dem er gewechselt hatte, ein, Yuki konnte ein Grinsen nicht unterdrücken und Cian nickte wissend. Seine Mitarbeiter verzichteten glücklicherweise auf einen ausgesprochenen Kommentar, doch ihre Blicke untereinander sprachen Bänden. „Ich bin in meinem Büro“, ergriff er möglichst erhaben die Flucht. Wenigstens konnte er in seinem Schreibtischstuhl in Ruhe weiter essen und sich überlegen, wie er den Nachmittag gestalten wollte. Zufrieden mit sich und dem Ergebnis seines zweiten Kochversuchs schaufelte Seto den Reis aus dem Kocher in eine kleine Schüssel. Hierfür hatte er extra Shin Bescheid gegeben, dass er kein Frühstück bräuchte. Es war eigentlich schon zu spät, um diese Mahlzeit mit „früh“ zu betiteln, aber wenigstens hatte er es aus den Federn geschafft, bevor es Mittag war. Den Wein hatte er bestens vertragen und so hatte er sich tatsächlich an einen erneuten Kochversuch gewagt. Schließlich wollte er vor Mokuba ein kleines bisschen angeben, wenn er wieder zu Hause war – aber dafür musste er es wirklich können, sonst würde er sich bis auf die Knochen blamieren. Aber für seinen zweiten Versuch war der Reis lecker, auch ohne irgendetwas dazu. Und er würde ihn auf jeden Fall lang genug satt machen, bis Yuki mit dem Mittagessen auftauchte. Während er aß überlegte er, was er den Tag über machen könnte. Das kleine Stimmchen in seinem Kopf, dass ihm bereits beim Aufwachen freudig entgegen geschrien hatte, er würde heute wieder Besuch vom Hotelmanager erhalten, hatte er bewusst seit der lauwarmen Dusche abgestellt. Nicht, dass es kein warmes Wasser gegeben hätte, doch irgendwie konnte er sich nicht entschieden, ob er nicht doch besser kalt duschte, als langsam die Erinnerung an den vergangenen Abend wieder kam. Zu unsicher war er sich einfach, ob der andere mit ihm ab und zu geflirtet hatte oder ob dies nur Einbildung war. Schließlich schien er Familie zu haben, da machte man sich doch nicht einfach so an einen männlichen (!) Gast ran. Zumindest hatte sich das noch keiner bisher bei ihm getraut und er gestand sich eine gewisse Unsicherheit bei diesem Thema ein. Das war aber auch der Moment gewesen, in dem er intuitiv die Dusche auf eiskalt gestellt hatte. Also würde er unter keinen Umständen einfach nur herum sitzen, die Zeit verstreichen lassen und darauf warten, dass vielleicht ein gewisser Jemand das Haus betrat. Gleichzeitig wollte er sich aber auch nicht zu weit vom Haus entfernen – dies dachte jedoch nur sein Unterbewusstsein, während er die Playlists durchsuchte, auf die er durch die Kontrolleinheit zugreifen konnte. Welche hatten sie gestern bitteschön angehört? Kein einziger Name enthielt den Hinweis darauf, dass es sich dabei um Klassik oder eine Playlist des Managers handelte. Schließlich hörte er sich den Beginn jeder einzelnen an und überflog nebenher die restlichen Titel. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte Yuki hilfsbereit hinter ihm, was Seto erst zusammenzucken und dann herum fahren ließ. „Nein, nein. Ich komm schon zu Recht“, erwiderte er schnell und fühlte sich seltsam ertappt. Natürlich könnte er einfach fragen, ob sie wisse, welche Playlist „Nessun dorma“ enthalte und gerne von ihrem Chef gehört wurde, doch dafür war es ihm zu peinlich Details über den Abend mit ihm preiszugeben. „Ich stöbere nur ein bisschen. Gibt es etwa schon Mittagessen. Was ist es diesmal?“ Die Kiste, die Yuki trug, wurde zu seinem neuen Verbündeten, obwohl er normalerweise auf einen solchen verzichtete. Sie folgte seinem Blick und zuckte entschuldigend mit den Schultern, während sie erklärte: „Gemüseauflauf. Shins Idee. Eigentlich macht er sonst auch Fleisch dazu, aber heute meinte er etwas von, er habe keine Lust auf Frikadellen. Wenn er meint. Allerdings muss er das auch noch Cian und Matt erklären, was wohl höchst interessant werden wird. Deshalb bin ich auch schon wieder weg. Ich stell nur kurz die Kiste in der Küche ab.“ Und weg war sie tatsächlich, wobei Seto genug Zeit blieb, um zu überlegen, seit wann sie so offen mit ihm über Hotelinterna sprach. Kopfschüttelnd nahm er sich einen Teller und kümmerte sich um das noch dampfende Stück Auflauf. Die Musik ließ er einfach weiterlaufen und genoss die eher ruhigen Klänge des Jazz. Nach dem Abwasch suchte er weiter, wurde aber nicht fündig, weswegen er sich lieber wieder ein Buch schnappte und las. Ab und zu blickte er auch einfach hinaus auf das Meer, dessen Wellen sich genau wie am Vortag kurz vor dem Flutsaum brachen. Beim sanften Klopfen an der Wohnzimmertür schreckte er hoch und blickte verwirrt in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Die Person in der Tür sagte nichts, sondern nickte ihm nur grüßend zu, während sie darauf zu warten schien, von ihm herein gebeten zu werden. Schnell blinzelte Seto, um die letzte Verwirrtheit des Schlafes abzuschütteln. Er war doch in der Tat eingenickt. „Kommen Sie ruhig herein“, sprach er seinen Gast an und deutete mit der Hand auf den Sessel, in dem er bereits das letzte Mal gesessen hatte. „Vielen Dank. Ich hoffe, Sie mussten nicht zu lange auf mich warten.“ Seto schüttelte vehement den Kopf und verneinte: „Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe die Zeit genutzt, um noch etwas zu lesen.“ Erklärend hob er das Buch vom Kissen der Couch hoch und bemerkte zu spät, dass es sich dabei, um das zweite handelte, dass er sich am Freitag gekauft hatte. Beschämt zu Boden blickend legte er es rasch wieder zurück und räusperte sich kurz. Ein abfälliger Kommentar blieb aus, so fuhr er schnell fort: „Sie meinten ja gestern, Sie könnten gut Karten spielen. Daher schlage ich eine Partie Duel Monsters vor.“ Er blickte dem anderen direkt in die Augen und versuchte gleichzeitig seine sonst so perfekte Haltung zurückzugewinnen, die ins Schwanken geraten war. „Tut mir Leid, aber ich weiß noch nicht einmal mehr wo mein Deck ist. Es könnte sogar sein, dass es in meinem Zimmer bei meinem Dad liegt.“ „Aber Sie können spielen. Dann ist doch alles klar. Ich habe auf meinem Laptop das Demo einer Online-Version.“ Er stand auf und wollte das Gerät holen. „Wir müssten dazu wahrscheinlich in ihr Büro, wegen des Internets, aber das sollte ja kein Problem...“ „Setzen Sie sich wieder“, forderte der andere von ihm, mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. So gehorchte er zähneknirschend. „Um Ihre Frage zu beantworten. Ja, ich kann spielen. Mein bester Freund, der total besessen davon war, hat mir gezeigt wie es geht, und auch wenn es jetzt schon eine Weile her ist, dass ich mit ihm gespielt habe, sollte ich es immer noch können. Aber von mir werden Sie keinen Internetzugang erhalten, nur weil Sie spielen möchten. Wer sagt mir, dass Sie nicht die Zeit nutzen werden, die ich kurz durch meine Mitarbeiter abgelenkt bin, um Ihre E-Mails zu lesen oder zumindest kurz zu arbeiten?“ Beim letzten Satz wollte Seto wütend aufbegehren, verstummte aber, als er erneut in diese dunklen Augen blickte. „Zuerst hatte ich überlegt mit Ihnen Schach zu spielen“, sprach der andere weiter, pausierte aber als warte er auf eine bestimmte Reaktion von Seiten seines Gegenübers. „Doch dann habe ich mich für ein Spiel entschieden, bei dem unsere Chancen ausgeglichen sein sollten.“ Innerlich verfluchte er sich, weil er sich von diesem unglaublichen Lächeln hatte einlullen lassen, mit dem der Hotelmanager sein Intro für das Spiel, dass er mit ihm hatte spielen wollen, beendet hatte. Er war Seto Kaiba! Und ein Kaiba, vor allem ein Seto Kaiba, verlor nicht! Nie! Das war ungeschriebenes Gesetz und bis jetzt hatte sich nur einer gewagt, daran zu rütteln. Ungläubig starrte er auf den Wohnzimmertisch, auf dem die Partie noch gut sichtbar dar lag. Er brauchte nicht erst die Gebiete auszuzählen, um zu wissen, dass er verloren hatte. Doch das Schlimmste war, dass sein Gegenüber dies auch wusste! Zweifelnd hatte er ihn kurz angeblickt, als Seto darauf bestanden hatte die weißen Steine zu nehmen und ihn somit beginnen ließ, und nun saß er entspannt im Sessel und betrachtete noch einmal die Partie Go, die vor fünf Minuten damit geendet hatte, dass nach ihm auch Seto gepasst hatte. Gedanklich wiederholte Seto jeden einzelnen Zug. Nein, er hatte nach bestem Wissen die Steine platziert und doch hatte er eindeutig verloren. Dabei beherrschte er Go doch! Sobald er gemerkt hatte, dass ihm Schach keine wirkliche Freude mehr bereitete, hatte er sich etwas zum Ausgleich gesucht. Natürlich war er kein Profi, doch hatte er sich vom Können immer mit diesem verglichen, und nun das! Es war kein Glück, dass den anderen gewinnen ließ, sondern die bessere Strategie und ein Überblick über das Spiel, der ihm offensichtlich gefehlt hatte. „Kann ich auszählen?“ Was fragte der Typ überhaupt noch? Der wusste doch schon längst, wie es ausgehen würde! „Ja, natürlich.“ Er wusste genau, dass er sich daran eigentlich hätte beteiligen müssen, doch hielt ihn sein verletzte Stolz davon ab. Stumm sah er zu, wie die Steine routiniert verschoben wurden. „Wo haben Sie eigentlich gelernt, so zu spielen?“, fragte er, als wieder alle Steine auf dem Brett lagen und selbst ein Anfänger sehen konnte, dass Schwarz eindeutig siegreich war. „Ab und zu kommen zwei Go-Profis hierher als Gäste und wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, sich über ihre letzte Partie zu streiten, sind sie durchaus bereit mich und Shin zu verbessern und zu erklären, was wir falsch machen. Allerdings spielen wir nur einmal im Monat, wenn es hochkommt.“ Er sortierte die Steine wieder in ihre Behälter, legte die Deckel darauf und klappte auch das Brett zusammen. „Erhalte ich keine Revanche?“ „Heute nicht. Aber ich lasse alles hier für eine weitere Partie. Ich würde Ihnen gerne noch etwas zeigen, wenn Sie möchten.“ Geschmeidig erhob er sich und ging in den Flur, um dort seine Schuhe wieder anzuziehen. Mürrisch tat Seto es ihm gleich, obwohl er lieber noch etwas über dem verlorenen Spiel brüten würde oder bestenfalls noch einmal gespielt hätte. Dann zog er den Wintermantel an, während der Hotelmanager einen dunkelgrauen Pulli überstreifte. Draußen fing er dann an zu erklären, während sie quer durch den Wald gingen: „Wir haben insgesamt sechs Häuser, die jeweils etwas anders eingerichtet sind. Meistens ist das ein Zusammenspiel aus meinen und Martines Vorlieben, doch es gibt jeweils ein Haus, in das sich der andere kaum eingemischt hat.“ Seto horchte auf. Da war dieser Name schon wieder. „Ist Martine ihre Lebensgefährtin?“, fragte er gerade heraus. Er ging nicht davon aus, dass sie verheiratet waren, denn dann hätte er doch vermutlich einen Ring getragen. Das herzhafte Lachen des Mannes neben ihm überraschte ihn, ebenso sein forschender Blick, bevor er antwortete: „Nein, ist sie definitiv nicht. Sie ist die jüngere Schwester meines Geschäftspartners und eindeutig die kreativere von den beiden. Deswegen hat sie mir auch sehr viel beim Hotel geholfen. Der Begriff, der unsere Beziehung am besten umschreibt ist zwar etwas altmodisch, aber am ehesten würde ich sie als meine engste Vertraute bezeichnen. Nicht, dass ich nicht auf Frauen stehen würde, aber Beziehungen mit ihnen sind mir einfach zu stressig – und leider gibt es nur wenige Männer, für die nicht das Gleiche gilt... Ah, da sind wir auch schon.“ Er ließ Seto nicht mal annähernd genug Zeit, um die soeben erhaltenen Informationen zu verarbeiten, denn sie standen jäh vor einem Ferienhaus, das noch größer war, als das, in dem er die zwei Wochen Urlaub verbrachte. Mit einem Schlüssel, den er aus der Hosentasche zog, schloss der Hotelmanager auf, winkte ihm zu folgen und begann im Flur seine Schuhe auszuziehen. „Ich würde Sie bitten, auch die Schuhe zu wechseln. Cian und Matt haben hier heute Vormittag erst sauber gemacht.“ So betrat Seto das weitläufige Wohnzimmer in Pantoffeln, die ihm gereicht worden waren. Der Panoramablick auf das Meer war fast wie bei ihm, doch wo bei ihm so etwas wie Eleganz herrschte, stand hier die Gemütlichkeit klar im Vordergrund. Zwei große Sofas, weiche Teppiche auf dem Holzboden, abgerundete Ecken, eine Menge Kissen und … eine offensichtliche Vorliebe für Drachen. „Das Elternschlafzimmer, die Küche und das Bad sind fast wie bei Ihnen“, fing der andere wieder an zu erklären. „Auch wenn wir natürlich beim Wohnzimmer darauf geachtet haben, dass bequem vier Leute Platz haben. Doch das wollte ich Ihnen nicht zeigen. Stellen Sie sich bitte vor diese Tür und machen Sie die Augen zu.“ Leicht verwirrt tat Seto wie ihm geheißen und bezog Stellung vor der Tür, hinter der sich bei ihm das Badezimmer befunden hätte, und schloss die Augen. Leise hörte er wie die Tür geöffnet wurde und dann eine Stimme direkt hinter ihm, die sagte: „Und jetzt gehen Sie drei Schritte gerade aus. Gut. Und jetzt drehen Sie sich bitte nach rechts.“ Er merkte, wie er nervös wurde, konnte jedoch nicht einordnen, ob dem so war, weil er nicht wusste was ihn erwartete oder wegen der Nähe des anderen. Doch all diese Gedanken waren verflogen, als er nun die Augen öffnete. Instinktiv wich er einen Schritt zurück als er sich dem weißen Drachen mit eiskaltem Blick direkt gegenüber sah. Fast lebensgroß blickten ihn die blauen Augen wachsam an. Es lag keinerlei Aggression darin, doch wirkten sie und das Wesen, zu dem sie gehörten, so echt, dass sie seine Holosysteme verblassen ließen. Staunend betrachtete er den Rest der Wand, den Hals und Körper so ausfüllten als käme der Drache direkt auf einen zu geflogen. Jede Einzelheit war perfekt dargestellt und wirkte plastisch, obwohl die Wand selbst flach war. Nach einigen Minuten stiller Bewunderung drehte er sich fragend zum Hotelmanager herum, der halb die Wand halb ihn zu beobachten schien. „Was...Wer...Wie...“, versuchte er einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen. „Martine. Sie hat ein Faible für Drachen, wie Sie bestimmt bemerkt haben – besonders für die in Duel Monsters. Die Wette von der ich Ihnen gestern Abend erzählt habe, die mein Kollege verlor bezog sich darauf, ob sie ihn besiegen könne. Er wurde in Grund und Boden gestampft von ihr.“ Ein sanftes „Ach, Hündchen“ entschlüpfte Setos Lippen, bevor er es verhindern konnte. „Wie bitte?“ „Nichts. Sprechen Sie weiter.“ „Üblicherweise, wenn sie im Hotel ist, bekommt sie dieses Haus. Den Drachen hier hat sie für ihre Kinder gemalt. Manche Eltern sind entsetzt, wenn sie ihn das erste Mal sehen, aber den Kindern gefällt es immer. Sie sagen dann, er würde sie vor bösen Träumen beschützen. Von einigen weiß ich sogar, dass mittlerweile ein Poster von ihm in ihrem Kinderzimmer hängt. Und...“ „Wieso zeigen Sie mir das eigentlich?“ Belustigt hoben sich die Mundwinkel noch etwas höher. „Ihr Bruder hat sich verplappert, bezüglich Ihres Namens.“ „Mokuba...“ „Und ich dachte mir, es könnte Ihnen gefallen das hier zu sehen, wenn ich mich schon weigere mich mit Ihnen zu duellieren. Außerdem ist das für mich einer der schönsten Räume in unseren Häusern – neben dem Wohnzimmer von Nummer 4.“ „Aha.“ Wirklich zufrieden stellend fand er die Antwort nicht, doch für eine Beschwerde genoss er gerade zu sehr den Anblick des Gemäldes. „Wie lange hat sie dafür gebraucht?“ „Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung. Sie war abends des Öfteren verschwunden, während ich die Kalkulation überprüft oder einfach das Gelände erkundet habe. Das war ein Zeitraum von über einem Monat, doch wie viel Zeit sie tatsächlich hierfür verwendet hat, weiß ich nicht, denn ein paar der anderen Häuser haben auch Wandmalereien. Allerdings sind die etwas weniger imposant, sondern eher schlicht, fast unauffällig. Bei der Einrichtung haben wir quasi das gesamte erste Jahr, das das Hotel in Betrieb war, noch nachgebessert, aber dieser Raum hier hat sich kaum verändert – bis auf die Betten. Anfangs war das hier“, er deutete auf ein riesiges Stockbett hinter ihnen, „nur auf Kindergröße ausgelegt, doch dann hatten die Zwillinge ihren ersten größeren Wachstumsschub und Martine stand entsetzt bei mir im Büro und bestand auf eine Vergrößerung. Jetzt haben wir oft Gruppen von vier Erwachsenen hier drin, die sich darum streiten, wer im „Drachenzimmer“ schlafen darf. Seto konnte sie nur zu gut verstehen. Er hatte inzwischen angefangen zu überschlagen, was es ihn kosten würde ein ähnliches Gemälde in seinem Schlafzimmer in Domino zu haben. Anfangs war er für das Arbeitszimmer gewesen, doch hätte das vielleicht seine Autorität untergraben können, wenn er sich zu kindlich gab. Die meisten seiner Geschäftspartner waren deutlich älter als er und zeigten auch so schon wenig Respekt gegenüber jenen Erwachsenen, die sich mit kindlicher Begeisterung mit Spielzeug beschäftigten, selbst wenn sie selbst in der Spielbranche tätig waren. Aber auch diesen Gedanken verwarf er schnell wieder. Sollte es ihm gelingen, jemals einen Mann zu finden, den er mit in sein Schlafzimmer nahm, würde der es wohl kaum prickelnd finden, wenn an der Wand ein Drache prangte, auch wenn es das Markenzeichen seines Liebsten war. Wobei, einen gäbe es bestimmt, der damit keine Probleme hätte, sondern es höchstens mit einem Kommentar wie „Größenwahn“ oder „zu viel Geld“ quittieren würde. Nur kannte er von ihm nicht einmal den aktuellen Aufenthaltsort. Nein. So wie es schien, waren es zwei, wenn er hinüber blickte zu demjenigen, der gerade in den Anblick der Flügel versunken schien. Blieb nur noch die Frage, ob er sich die Aufmerksamkeit wirklich mit einem zweidimensionalen Drachen teilen wollte. „Chef? Was machen Sie denn noch im Büro?“, wollte Matt von ihm wissen, der seine übliche Runde über die Außenanlagen beendet hatte und vermutlich von außen noch das Licht der Schreibtischlampe gesehen hatte. „Mir ist nur gerade noch etwas eingefallen, was ich erledigen wollte, bevor es mir wieder entfällt. Nichts Großes. Bin gleich fertig.“ Wie es seine Art war, behielt Matt seine Gedanken für sich und verabschiedete sich nur kurz nach oben: „Na, dann. Ich geh dann mal schauen, was Cian macht.“ Und schon war er auch wieder aus der Tür hinaus und zog vermutlich eins und eins zusammen. Denn der Chef saß nicht erst seit Kurzem an seinem Schreibtisch, sondern bereits den ganzen Abend, nur unterbrochen vom Abendbrot. Doch wollte er sein Vorhaben für den nächsten Tag durchführen, musste er so viel Arbeit wie möglich erledigt haben. Vielleicht machte er noch eine Stunde und ging dann zu Bett. Es würde ihm nämlich auch nichts nützen, wenn er vor Müdigkeit im Stehen einschlief. Die Vorfreude ließ ihn schneller arbeiten und als er schließlich den Computer herunterfuhr und die Lampe ausknipste, konnte er sich mit gutem Gewissen einen Tag frei geben – was aber nicht alle zu wissen brauchten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)