Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Ryan – Akt 1, Szene 3 --------------------- 9 Jahre vor Team Shadows Gründung Das einzig Gute, was Ryan an seiner jetzigen Situation finden konnte, waren die Chips. Nachdem der Regen gegen Abend hin abflaute, suchte er sich einen halbwegs flachen Stein am Wegesrand und machte es sich darauf mit einer Tüte seines Lieblingssnacks bequem. Während er Hand um Hand des fettigen Zeugs in seinen Mund stopfte, beobachtete er die Wolkenformationen, die sich ungewöhnlich schnell auflösten. Keine Frage, seine Mutter war für den Platzregen verantwortlich. Wie hieß das Pokémon noch, dass sie im Klima-Institut untersuchten? Formeo oder so. Nachdenklich knüllte Ryan die Verpackung zusammen und ließ sie neben sich ins Gras fallen. Ein Mülleimer war weit und breit nicht zu sehen und wenn man ihn fragte, vertrug die Umwelt ein bisschen Aluminium ohne Probleme. „Du solltest deinen Müll nicht einfach liegenlassen“, erschallte plötzlich eine weibliche Stimme. Ryan fuhr herum. Ein Mädchen, vielleicht vierzehn oder fünfzehn, duckte sich unter einigen Tannenästen hindurch, während sie aus dem Waldstück hinter ihm stapfte. Ihr roter Kapuzenpullover hob sich grell gegen das tiefe Grün der Nadelbäume ab und ein dunkelbrauner Pagenschnitt klebte nass an ihrem Kinn. „Ich wüsste nicht, weshalb ich mir von dir sagen lassen sollte, was ich tun kann und was nicht“, sagte Ryan automatisch. Er wollte noch etwas hinzufügen, doch da leuchtete ein Paar blutroter Halbmonde aus dem dunklen Dickicht auf. Ein zottiges Magnayen trat lautlos aus den Schatten und kam leise knurrend neben seiner Trainerin zum Stehen. Ryan schluckte unauffällig und verkniff sich jedweden bissigen Kommentar. Das Mädchen bückte sich, hob Ryans Chipstüte auf und stopfte sie in ihre eigene Hosentasche. „Der Boden unter unseren Füßen ist der einzige Lebensraum, den wir haben“, fuhr sie fort und nahm mit verschränkten Armen vor ihm Aufstellung. „Wir dürfen unsere Existenz nicht auch noch selbst gefährden.“ „Die Bewohner von Floßbrunn kommen auch ohne Erdboden gut aus“, murmelte Ryan halblaut, ohne den Blick von dem Magnayen zu nehmen. So wie es ihn betrachtete, war es entweder sehr hungrig oder genauso tollwütig wie die Geradaks auf Route 119. Sein Argument ließ das Mädchen immerhin rot anlaufen, was ihm ein klein bisschen Genugtun verschaffte. „Ich fordere dich zu einem Kampf heraus“, fauchte sie. Ryan riss den Kopf hoch. „Was? Aber ich habe nicht mal ein Pokémon! Soll ich mir einen Boxkampf mit deiner Hyäne liefern oder wie hast du dir das vorgestellt?“ „Kein Pokémon?“ Ihre Züge entgleisten. Ungläubig umrundete sie Ryan und nahm ihn von allen Seiten in Augenschein. „Was machst du dann hier?“ „Es wird wohl noch erlaubt sein, als Normalsterblicher von Stadt zu Stadt zu ziehen“, erwiderte Ryan genervt und zog den Rucksack enger an sich. Wofür hielt sich diese Trainerin eigentlich? „Aber es laufen hier sehr starke wilde Pokémon durch das Gras, ganz zu schweigen von anderen Trainern“, fuhr das Mädchen unbeirrt fort. „So wie du, meinst du?“, fragte Ryan trocken. Ertappt machte sie einen Schritt zurück. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass du alleine und ohne Pokémon unterwegs ist“, murmelte sie und kraulte versöhnlich ihr Magnayen hinter den Ohren, bevor sie es zurückrief. „Und wohin reist du?“ „Nach Seegrasulb City“, sagte Ryan. „Selbst?“ „Oh, ich sammle Orden“, sagte sie ausweichend, während sie sich auf dem Stein neben Ryan niederließ. Er rutschte ein Stück in die andere Richtung. „Mein Name ist übrigens Corinna.“ „Ryan“, stellte er sich brüsk vor. „Wenn du Orden sammelst, müsstest du eigentlich durch Baumhausen City gekommen sein. Was hast du also im Wald gemacht?“ „Ich habe Unterschlupf vor dem Regen gesucht“, sagte Corinna und wuschelte mit einer Hand durch ihr Haar. Wasser spritzte in alle Richtungen und sie zog eine Grimasse. „Hat leider nicht so gut funktioniert.“ „Aber du warst nie in Baumhausen City“, fuhr Ryan unbeeindruckt fort. „Ich wohne dort seit zwei Wochen und habe dich kein einziges Mal gesehen. Wo hast du trainiert? Und da du nun nach Seegrasulb City unterwegs bist, solltest du Wibkes Federorden haben. Zeigst du ihn mir?“ „Argh, was ist nur los mit dir?“ Corinna sprang auf und sah ihn vorwurfsvoll an. „Du bist eine richtige Nervensäge. Ich hasse Vorwitztüten wie dich.“ Ryan plusterte sich auf. Vorwitztüte? Jetzt hörte der Spaß aber auf. Er war nicht von zu Hause geflohen, um sich von der nächstbesten Möchtegerntrainerin beschimpfen zu lassen. „Du warst seit mindestens zwei Wochen nicht in Baumhausen City“, sagte er und sah gierig dabei zu, wie ihre Miene sich mit jedem weiteren seiner Worte verfinsterte. „Du besitzt Wibkes Orden nicht, sonst hättest du ihn mir gezeigt und ich wette, dass du auch sonst keine Orden gewonnen hast. Nördlich von hier sind nur Wald und Meer, von dort kannst du also nicht gekommen sein. Südlich sind nur Route 120 und 121. Die einzige Stadt in der Nähe ist Seegrasulb City. Du kommst also entweder von dort und läufst aus mir unerfindlichen Gründen die Route erneut ab, oder du hast die Route nie verlassen. Was immer es ist, du willst es geheim halten, sonst hättest du mich nicht angelogen. Daraus wiederum folgere ich, dass du dich vor etwas oder jemandem versteckst oder sogar auf der Flucht bist.“ Er hielt kurz inne, um seine Gedanken zu sammeln. Inzwischen war es dunkel und er konnte im blassen Licht der Sterne nur den Umriss von Corinnas Gesicht ausmachen. Sie war seltsam still geworden. „Allerdings hast du mich ohne Umschweife zu einem Kampf herausgefordert, also fürchtest du dich wahrscheinlich nur vor einer bestimmten Gruppe Menschen. Möglich ist auch, dass du persönlich bislang unerkannt geblieben bist und nicht fürchtest, von anderen erkannt zu werden. Du besitzt ein Magnayen, du trägst rot und du bist —“ Eine schnelle Bewegung. Ein Klacken. Die gleißende Reflektion des Mondlichts. „Sprich weiter“, sagte Corinna und presste die Spitze ihres Taschenmessers fest gegen Ryans Kehle, dem augenblicklich kalter Schweiß ausbrach. „Na komm, du hast es fast erraten. Was bin ich?“ Ryan schluckte, seine Haut presste sich schmerzlich gegen die Klinge. Was war hier los? Er war noch keine drei Stunden von zu Hause fort und schwebte schon in Lebensgefahr? Das sollte nicht möglich sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass gerade ihm so etwas zustieß, war verschwindend gering. Genauso gut hätte er von einem Blitz getroffen oder von einer Herde Tauros über den Haufen getrampelt werden können. „Du bist umweltbewusst“, flüsterte er und lehnte sich ein Stück zurück, um den Druck auf seiner Kehle zu reduzieren, doch Corinna drückte nur fester zu. Mit zittriger Stimme fuhr er fort. „Daraus schließe ich, dass du … ein Mitglied von Team Magma bist. Aber das ist unmöglich.“ „Unmöglich?“ „Team Magma wurde vor nicht mal einem halben Jahr von Team Aqua ausgeschaltet und Gerüchten zufolge war Pokémonchampion Maike höchstpersönlich an ihrer Ausrottung beteiligt. Ganz Hoenn war von Groudons Dürre betroffen. Ihr solltet alle im Gefängnis stecken.“ Corinnas Miene verfinsterte sich und sie zeigte die Zähne. „Maike“, spuckte sie und ritzte dabei versehentlich die oberste Hautschicht von Ryans Kehle auf. Er hielt die Luft an. „Wenn sie nicht rumgeschnüffelt und alles ruiniert hätte, wäre Hoenn der Beginn einer neuen Welt geworden! Marc wollte nur die Landmassen vergrößern, damit die Menschheit sich weiter ausbreiten kann, was ist daran falsch?“ Ryan wollte antworten, doch da hörte er ein Rascheln im hohen Gras. Er kniff die Augen zusammen. Da war jemand. „Corinna?“ „Aber nein, sie musste sich einmischen und jetzt sind Freya und Arvid und die anderen im Gefängnis!“ „Corinna. Bitte.“ „Ich hasse Maike, ich hasse sie, hasse, hasse —“ „Ist ja gut, ich hab‘s verstanden“, zischte Ryan, packte Corinnas Handgelenk und zog ruckartig das Taschenmesser von seinem Hals, bevor das Magmamädchen ihn abstechen konnte. „Jetzt sei still und dreh dich um. Siehst du das?“ Corinna beobachtete ihn einige Sekunden lang argwöhnisch, dann drehte sie den Kopf und erstarrte. „Shit.“ Bevor Ryan irgendetwas sagen oder tun konnte, packte sie schon sein Handgelenk, riss ihn von dem Stein und schleifte ihn hinter sich her in den Schutz der Tannen. Sie waren kaum hinter den mächtigen Stämmen verschwunden, da verdichteten sich die Laute von zuvor zu Stimmen. Weiße Lichtkegel hüpften über den plattgetretenen Pfad der Route und leuchteten grell auf, wenn sie in ihre Richtung zeigten. Corinna presste Ryan eng gegen die Tanne, das Taschenmesser wieder an seinem Hals. „Keinen Mucks“, flüsterte sie so nah an seinem Ohr, dass ihr Atem über seine Haut streifte. Alle Härchen auf seinem Körper stellten sich auf. „Wer sind die?“ Corinna gab ein Geräusch von sich, das verdächtig nach einem Fauchen klang. „Aquas. Und wie du ganz richtig vermutet hast, sind sie meinetwegen hier.“ Ryan befand, dass er das Schicksal allmählich wirklich, wirklich hasste. 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