Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Jayden – Akt 1, Szene 3 ----------------------- 8 Jahre vor Team Shadows Gründung   Jayden erwachte gähnend und mit eklig schmeckender Zunge. Angewidert schälte er sich aus seinem Schlafsack, spülte seinen Mund mit einigen Schlucken Wasser und rieb sich den Sand aus den Augen. Er hätte eine Zahnbürste mitnehmen sollen. Sein Blick glitt über das herunter gebrannte Lagerfeuer und zu dem Häufchen dahinter. Es war Chris. Sie lag auf der anderen Seite des Lagers auf dem nackten Waldboden und schlief tief und fest. Ihr Strohhut lag neben ihr, beschwert mit einem Stein. Jayden starrte sie an. Seit er sie gestern mit seinem Kommentar verjagt hatte, war er stundenlang durch den Wald gerannt, um sie zu finden. Sein Gehirn hatte ein Horrorszenario nach dem anderen ausgespuckt. Chris, die einen Hang herabstürzte, Chris, die von einer Horde wilder Pokémon attackiert wurde, Chris, die tot war, weil er etwas Falsches zu ihr gesagt hatte. Schon wieder. Während Jayden dabei zusah, wie sie friedlich schlief, schwor er sich, in ihrer Anwesenheit nie wieder die Unwahrheit zu sagen. Er wusste nicht, was genau ihr Problem damit war, Ironie und Redewendungen zu verstehen, aber es schien schlimmer zu sein, als er gedacht hatte. Er wollte nicht, dass sie wegen ihm noch einmal so heftig reagierte. Eigentlich hatte er vorgehabt, gleich nach dem Aufstehen weiterzuwandern, aber Chris alleine zurücklassen, noch dazu schlafend, wenn wer weiß was für Gefahren hinter dem Dickicht der Bäume lauerten? Castor wäre entsetzt. Stattdessen setzte Jayden sich etwas abseits im Schneidersitz auf einen umgefallenen Baumstamm und zog seinen Pokéball heraus. Die meisten Trainer riefen ihr Pokémon gleich am ersten Tag, vielleicht sogar sofort, nachdem sie es erhielten, aber zwischen der überstürzten Flucht aus Alabastia und seiner Unterhaltung mit Chris hatte er keine ruhige Minute gehabt, um den Moment wirklich auszukosten. Die nervige Stimme in seinem Hinterkopf erinnerte ihn daran, dass es genügend Gelegenheiten gegeben hatte, wenn er wirklich gewollt hätte, aber die Stimme war doof und Jayden tat sein Bestes, sie zu ignorieren. Und wenn schon, dann war er eben nervös. Konnte man ihm das verübeln? Es war sein erstes Pokémon! Er unterdrückte seine restlichen Zweifel und betätigte mit zittrigen Fingern den Öffnungsmechanismus. Rotes Licht flutete sein Sichtfeld und als er die Augen wieder schmerzlos öffnen konnte, saß vor ihm ein gelbgoldenes Glumanda, das ihn aus halbgeschlossenen Augen musterte. Jayden lehnte sich vorsichtig vor, um seinen neuen Partner genauer zu betrachten. Die Krallen an seinen kleinen Pranken waren gestutzt und stumpf und um die Schnauze hatte ihm jemand—Thomas vermutlich—einen stabilen Maulkorb angelegt, der nur zwei kleine Öffnungen für die Nasenlöcher besaß. Das Glumanda beobachtete Jayden aus schwarzen Knopfaugen, drehte den Kopf nach links, drehte den Kopf nach rechts und ließ sich schließlich seufzend auf den Po sinken. Jayden wartete. Glumanda rührte sich nicht. Jayden streckte eine Hand aus. Glumanda sah ihn ausdruckslos an. Jayden berührte zaghaft die Stirn seines neuen Partners. Nichts geschah. „Hi“, sagte er leise. Glumanda blinzelte ihn an. Es machte keine Anzeichen, ihn gehört zu haben, oder sich über seinen neuen Trainer zu wundern. „Hi“, wiederholte Jayden. Keine Reaktion. Frustriert biss sich Jayden auf die Lippen. Er wollte den Maulkorb entfernen, aber der vordere Teil bestand aus Metall und der zweiteilige Riemen, der den Korb am Hinterkopf des Glumandas befestigte, war aus dickem Leder. Er versuchte, die Lederriemen abzuziehen, aber als Glumanda ein leises Winseln von sich gab und den Kopf zurückzog, ließ er von dem Pokémon ab. Was sollte er machen? Er hatte nichts zum Schneiden dabei. Vielleicht konnte er einen scharfkantigen Stein suchen und damit versuchen, das Leder zu durchtrennen, aber das würde ewig dauern. Das Rascheln von Klamotten lenkte seine Aufmerksamkeit auf Chris, die sich langsam neben ihrem zerknautschten Rucksack aufsetzte und die Augen rieb. Jayden hatte sie in seiner Aufregung völlig vergessen. „Guten Morgen“, begrüßte er sie, unsicher, wie sie auf seine Stimme reagieren würde. Chris  warf ihm einen kurzen Blick zu, erhob sich und zog ihren Rucksack an. „Warte …“ Jayden brach ab. Er hatte kein Recht, sie zurückzubeordern. Trotzdem drehte Chris sich zu ihm um. Jayden dachte fieberhaft nach. Ein Grund, weshalb er sie zurückrufen konnte. Irgendetwas Wahres. Sein Blick fiel auf den Maulkorb. „Hast du etwas Scharfes dabei?“, fragte er. „Deine Schere oder so?“ „Woher weißt du von meiner Schere?“ „Ich kann dich durch dein Fenster sehen, wenn du dir die Haare schneidest.“ Jayden wollte sich ohrfeigen, als ihm dieser Teil herausrutschte. Sicher glaubte sie jetzt, er wäre ein Stalker, aber Chris akzeptierte die Antwort ohne mit der Wimper zu zucken und kramte besagtes Utensil aus ihrem Rucksack. Sie streckte es ihm zögerlich entgegen. „Wofür brauchst du sie?“ Jayden rutschte zur Seite und gab den Blick auf Glumanda frei, das wieder seine undurchschaubare Miene aufgesetzt hatte. Es erinnerte ihn an Chris, irgendwie. Sie kam näher, Schere in der Hand. „Ist das dein Pokémon?“, fragte sie. Er nickte. „Warum trägt es einen Maulkorb?“ „Ich weiß nicht.“ Jayden runzelte die Stirn. „Es kommt aus dem Labor. Vielleicht hatte Thomas Angst, dass es ihn beißt?“ „Wer ist Thomas?“ „Der Wissenschaftler dem es … der es mir gegeben hat.“ Dem es gehört hat. Jayden schüttelte den unliebsamen Gedanken ab. Es war sein Glumanda, er hatte sich ein Pokémon aussuchen dürfen und es war dieses geworden. Es gab keinen Grund, sich deswegen schlecht zu fühlen. Chris neigte den Kopf und ging vor dem Pokémon in die Hocke. Jayden glaubte, sie erfolgreich von dem Thema abgewimmelt zu haben, aber sie ließ sich nicht so leicht täuschen, wie er dachte. „Du hast es gestohlen“, stellte sie fest. „Stehlen ist ein sehr starkes Wort.“ „Wie kann ein Wort stark sein?“ Jayden seufzte und atmete tief durch. „Ich meine damit: Ich habe es nicht gestohlen. Nicht so richtig, zumindest.“ Nun sah Chris doch zu ihm, Stirn gerunzelt. „Entweder du hast es gestohlen oder nicht“, sagte sie. „Nur eins davon kann stimmen.“ Jayden verschränkte die Arme. „Kann ich einfach deine Schere haben?“ Chris sah auf die Schere, dann zu dem Glumanda. Sie reichte sie ihm und er nahm sie erleichtert an. Mit Chris zu reden, fühlte sich ein bisschen so an, als würde seine Mutter ihn in die Mangel nehmen, nachdem er etwas Böses gemacht hatte. Immerhin schrie Chris ihn nicht an. Vorsichtig griff Jayden nach dem Lederriemen des Maulkorbs und setzte die Schere an. Glumanda, das bis dahin völlig unbeteiligt dagesessen hatte, sprang mit einem Mal auf und fauchte ihn an. Das Geräusch klang gedämpft durch das Metall vor seinem Maul. Jayden erschrak so sehr, dass er die Schere fallen ließ und zurückrutschte. „Es hat Angst“, sagte Chris. „Ja“, stimmte Jayden mit pochendem Herz zu. „Sieht ganz so aus.“ „Hat dein vorheriger Besitzer dir wehgetan?“, fragte Chris. Jayden erstarrte. Auf den Gedanken war er noch gar nicht gekommen. Thomas war ruppig und unhöflich, aber er hatte ihn nicht für jemanden gehalten, der Pokémon schlecht behandelte. Glumanda besah ihn und Chris mit wachen, aber gelangweilten Augen und machte keine Anstalten, auf die Frage zu antworten. „Wir wollen nur den Maulkorb entfernen“, sagte Jayden. „Du willst das Ding doch sicher nicht anbehalten, oder?“ Glumanda gab ein leises Schnauben von sich. Rauch quoll aus den Nasenlöchern des Metallstücks. „Ich lasse auch deine Krallen nachwachsen“, fuhr Jayden fort. „Ich will ein starker Trainer werden und mit dir gegen andere Pokémon kämpfen. Aber dafür muss ich den Maulkorb entfernen. Also halt still, ja?“ Die schwarzen Augen des Feuerpokémons blitzten für einen kurzen Moment auf und sein Kopf neigte sich fast unmerklich in Jaydens Richtung. Er grinste und setzte erneut mit der Schere an. Der Riemen lag eng an den Schuppen auf und es fiel ihm schwer, durch das dicke Leder zu schneiden, aber nach einigen Versuchen fiel der Maulkorb mit einem Klackern zu Boden. Glumanda kräuselte die Nase und nieste. Lächelnd ließ Jayden sich auf den Hosenboden sinken und sah seinem neuen Pokémon dabei zu, wie es an ihm vorbeitapste und zu der Feuerstelle lief. Sein Partner fürs Leben. Sein neuer bester Freund und treuster Gefährte. Es war in diesem Moment, da Glumanda entschied, Jaydens Schlafsack in Brand zu setzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)