Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Chris – Akt 2, Szene 3 ---------------------- 8 Jahre vor Team Shadows Gründung   Glumanda entwickelte sich einige Stunden, nachdem sie die Höhle betreten hatten. Vielleicht war es auch der nächste Tag. Jayden kniete vor seinem Pokémon auf dem Boden und krallte die Finger in die Erde, so aufgeregt war er. Sein Starter glühte silbern auf, wuchs an, bis er gut einen Meter maß. Als das Licht erlosch, blieb ein golden geschupptes Glutexo zurück, das seinen hellen Bauch kratzte und geräuschvoll Rauchringe durch die Nasenlöcher blies.   Trainer und Pokémon sahen einander stumm an. Dann begann Jayden zu weinen und umarmte seinen Starter innig, der den Gefühlsausbruch geduldig über sich ergehen ließ. Chris verstand nicht ganz, weshalb Jayden weinte, denn er lachte gleichzeitig, aber sie vermutete, dass es so ähnlich sein musste, wie wenn sie Zwiebeln schnitt.   Nach diesem Ereignis verlor Chris jegliches Zeitgefühl. Die Tage flossen ineinander, ein Rausch aus Kämpfen und kurzen Ruhepausen, unterbrochen von dem Beben der Erde und dem Echo ihres Atems. Sie quetschten Essen und Trinken zwischen ihre Trainingsschichten und versuchten, hier und da einige Stunden Schlaf an die kühlen Wände gelehnt zu finden. Ihre Pokémon begannen, als Einheit zu kämpfen. Chris und Jayden taten das ebenfalls. Als sie zum ersten Mal einen Kampf dirigierten, ohne einander anschauen zu müssen, während sie ihre Befehle riefen, spürte Chris eine tiefe Verbindung, die sie und Jayden verband. Sie begann vorherzusagen, was er sagen würde, was er dachte, wie er sich bewegte. Gleichermaßen fing Jayden sie auf, bevor sie stolperte, wachte neben ihr auf, wenn ihre Atmung sich änderte und ein Blick zwischen ihnen reichte, um ihre Absichten zu kommunizieren. In diesen Tagen in der Digda-Höhle wurden sie eins. Und dann, ganz schleichend, waren sie stark genug, um sich zu langweilen.     Chris rieb sich die brennenden Augen. Sie wusste nicht, wann sie zuletzt geschlafen hatte, aber ihr Körper erinnerte sie daran, dass es lange her war. Ihre Knie waren weich und sie musste immerzu blinzeln. Jayden ging es nicht besser. Obwohl ihr Freund eingerollt mit Glutexo im Arm hinter einem leicht hervorstehenden Felsen lag, schlief er nicht gut. Seine Lider zuckten immerzu und er trat nach unsichtbaren Gegnern. Plötzlich riss er die Augen auf und sah sich um. Sein Blick fand ihren und er beruhigte sich sofort. Mit einem Ruck setzte er sich auf. Glutexo schnaubte entrüstet, als es von der Bewegung erwachte und rollte sich nur noch fester zusammen, aber Jayden schüttelte es an der Schulter. „Weiter geht’s, Kumpel“, verkündete er und gesellte sich zu Chris, die sich nun wieder Pikachus Training widmete. Ihr Pokémon wich geschickt einer Intensität aus, indem es so schnell von einer Stelle zur nächsten sprang, dass es Abbilder hinter sich zurückließ, und schleuderte seinen kleinen Körper mit ungeheurer Wucht dem Digda entgegen, das verdutzt nach dem echten Pikachu suchte. Der Slam traf und Digda fiel hintenüber in den Staub. Pikachu verschränkte keckernd die Arme. „Wie lange sind wir schon hier unten?“, fragte Jayden. Glutexo rieb sich verschlafen die Augen, stürzte sich dann aber mit Pikachu ins Gefecht. Das nächste Digda ließ nicht lange warten, und Glutexo schoss mit glühenden Zähnen auf seinen Gegner zu, Pikachu gleich dahinter. „Ein paar Tage“, schätzte Chris. Sie sah sehnsüchtig Richtung Leiter. Von oben fiel etwas Licht herein, aber da der Eingang der Digda-Höhle von Bäumen umstanden war, konnte sie nie entscheiden, ob die Sonne schien oder Vollmond war. Jayden nickte zustimmend. Gemeinsam beobachten sie ihre Pokémon, die bereits das dritte Digda attackierten. Dunkler Rauch verdeckte die Sicht, aber dahinter konnte Chris das Glühen von Glutexos Flammen entdecken, und Pikachus Doppelteam zerriss an einigen Stellen die grauschwarzen Schwaden. „Ich glaube, wir sind bereit“, sagte Jayden mit einem Grinsen. „Chloe wird nicht wissen, wir ihr geschieht.“ Chris sagte nichts. Sie wusste, dass Jayden Recht hatte, und Jayden wusste, dass sie es wusste. Chris hob ihren Pokéball und rief Pikachu zurück. Jayden tat das gleiche. Gemeinsam wandten sie den Digda den Rücken zu und kletterten die Leiter hinauf. Hinter ihnen ertönte erleichtertes Stöhnen aus allen Richtungen.     Sie verließen die Digda-Höhle an einem wolkenlosen Morgen, der einen weiteren unerträglich heißen Nachmittag versprach. Chris trug ihren Strohhut so tief ins Gesicht gezogen, dass ihr halbes Sichtfeld verdeckt war, aber sie folgte ohnehin Jayden, der voranging und nach Chloe und ihren Kumpanen Ausschau hielt. Sie schnüffelte unter ihren Achseln und verzog das Gesicht. Sie müffelte nach Schweiß und Erde. Obwohl es schon mehrere Tage her sein musste, hatte die Scham über ihre Niederlage gegen Chloe kein bisschen nachgelassen. Roberta mochte dem Mädchen eine Lektion erteilt haben, aber das war nur noch schlimmer. Kein Moment verging, in dem Chris sich nicht bewusst war, dass ohne Roberta ihre gesamten Habseligkeiten nun weg wären. Sie hasste das Gefühl, der alten Frau etwas schuldig oder gar auf sie angewiesen gewesen zu sein. Unwillkürlich klammerte sie sich fester an ihren Rucksack und ging mental ihre Besitztümer durch, um sich zu beruhigen. Ihre Schere, die zerkratzte Geldbörse, die zweifach gefaltete Karte, der reparierte Pokédex ihres Vaters. Einige Wasserflaschen und zerknautschte Energieriegel waren noch da, obwohl ihr gemeinsamer Vorrat sich stark reduziert hatte. „Vorsicht.“ Jaydens Hand packte ihren Oberarm und zog sie in den Schatten eines Hauses mit überdachter Veranda. Er nickte Richtung Himmel. Chris verstand sofort. Nicole und Blue mussten wieder auf Tauboss unterwegs sein und von oben nach ihnen Ausschau halten. Sie hatte gehofft, dass die beiden inzwischen nach Azuria City weitergezogen waren, aber vermutlich behielten sie Route 3 im Blick, um sie dort abzufangen. „Wo könnte Chloe um diese Zeit sein?“, dachte Jayden laut nach. Chris lehnte sich gegen die Hausfassade und kämpfte gegen ihre zufallenden Augen an. Sie hatten in der letzten Woche nur wenige Stunden pro Nacht geschlafen, und das zahlte sich jetzt heim. Gegessen und getrunken hatten sie auch kaum, gerade genug, um bei Kräften zu bleiben. Chris‘ Magen grummelte seit Tagen und ihre Kehle war furchtbar trocken. Sie waren so lange in der angenehmen Kühle des Digda-Tunnels gewesen, dass die angestaute Hitze an der Oberfläche sich jetzt umso unerträglicher anfühlte. Trotzdem, bevor sie Chloe nicht gefunden hatten, würde sie keine Pause machen! „Lass uns im Park nachsehen“, schlug sie vor. Jayden nickte gedankenverloren. „Einen Versuch ist es wert. Vielleicht haben wir ja Glück.“ Natürlich hatten sie kein Glück. Der Park war gut besucht, Trainer in ihrem Alter und einige ältere Jugendliche und Erwachsene lieferten sich freundschaftliche Duelle oder entspannten im Schatten der hochgewachsenen Eichen mit ihren Pokémon. Von Chloe und Gelage war jedoch keine Spur. Vermutlich war deshalb auch die Stimmung so ausgelassen. Jayden wurde unruhig, je näher sie den anderen Trainern kamen. Obwohl Glutexo in seinem Pokéball war und die Steckbriefe nie sein Gesicht gezeigt hatten, schielte er alle paar Sekunden über die Schulter und hielt den Kopf gesenkt. Chris hingegen genoss die frische Luft und den Anblick der Blumen. Eine Handvoll schwitzende Gärtner, mit Gießkannen und Wasserpokémon bewaffnet, streiften durch die ausgetrockneten Beete und taten ihr Bestes, um die Pflanzen wieder aufzupäppeln. „Keine Spur von Chloe“, sagte Jayden nach wenigen Minuten, die sie durch den Park spazierten. „Lass uns abhauen, bevor uns jemand erkennt. Nicole und Blue sind bestimmt auch bald wieder hier.“ Chris ignorierte ihn und schälte sich von ihm weg. Sie ging geradewegs auf eine Gruppe Trainerinnen zu, die zu dritt auf einer Picknickdecke saßen und Karten spielten. „Kennt ihr Chloe?“, fragte sie. „Habt ihr sie heute gesehen?“ Eins der Mädchen, mit pechschwarzem Haar und einem Rattfratz im Schoß, schüttelte den Kopf, ohne aufzusehen. „Nie von gehört“, verkündete sie. „Ich schon, das ist die Tochter von Joy, oder? Die immer Ärger macht?“, warf eins der anderen Mädchen ein. „Aber gesehen hab ich sie nicht. Ist auch besser so. Wenn sie hier im Park ist, kann man nie entspannen, weil sie jeden herausfordert.“ Hinter ihr tauchte plötzlich Jayden auf, der bei den Gesprächsfetzen seine Angst kurz vergessen zu haben schien. „Wo treibt sie sich denn rum, wenn sie nicht hier ist?“ „Keine Ahnung“, erwiderte die Schwarzhaarige genervt. „Sehen wir so aus, als hätten wir etwas mit dieser Chloe zu tun?“ „Nein, natürlich nicht, ich dachte nur …“ Jaydens verhaspelte Entschuldigung brach ab, als ein Junge im Vorbeigehen in Richtung Westen deutete. „Sie campt die Arena“, sagte er. „Heute gibt es einen Trainer, der sein Glück versucht, das hat sie Spitz gekriegt. Wenn sie nach dem Arenakampf geschwächt sind, fordert sie sie heraus und nimmt ihnen ihr Gewinngeld ab. Macht sie schon eine Weile so, es ist echt nervig.“ Chris nickte und machte auf dem Absatz kehrt. Auf zur Arena. „Danke für eure Hilfe!“, rief Jayden hinter ihr und fiel dann in ihren Schritt ein. Chris lief mehrere Minuten neben ihm her, in denen er kein Wort sagte, was sehr ungewöhnlich war. Normalerweise musste sie sein Geschwätz ausblenden. Sie sah zu ihm hinüber. Jaydens Gesicht war vor Wut angespannt, die Hände hatte er zu Fäusten geballt. Als er ihren Blick bemerkte, nickte er ihr knapp zu. „Ich dachte, sie hätte mich nur so fertig gemacht, weil Glutexo ihre Taschen verbrannt hat. Aber hilflose Trainer aufzugreifen scheint ihre Masche zu sein. So eine hinterhältige, feige …“ Er rang nach Worten und sah Chris schließlich mit wildem Blick an. Chris wusste nicht, was Stricken mit all dem zu tun hatte, aber dem Rest von Jayden Ansprache konnte sie nur zustimmen. Sie drückte seine Hand. „Machen wir sie fertig.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)