Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Jayden – Akt 2, Szene 5 ----------------------- 8 Jahre vor Team Shadows Gründung   Jayden war überfordert. Es waren zu viele Pokémon auf einmal, zu viele Befehle und Attacken, die durch die Luft flogen. Der Kamp dauerte keine dreißig Sekunden an und er hatte schon den Überblick verloren. Nicht so Chris. Mit jedem Moment schien sie über sich hinauszuwachsen, ihr Pikachu eine Katastrophe für ihre Gegner. Seine wiederholten Doppelteams machten es unmöglich, das flinke Elektropokémon zu erwischen. Menkis Fußkicks und Karateschläge gingen ins Leere, dafür traf Pikachus Elektroball das Tauboga in die Flanke, kurz nachdem dieses Glutexo kreischend mit einem Windstoß attackiert hatte. Tauboga stürzte flatternd aus der Luft und begrub Menki unter sich, das sich wild fuchtelnd befreien musste. Glutexo nutzte diesen Moment und fixierte Menki mit seiner Grimasse, bevor das Kampfpokémon ausweichen konnte. Die beiden Pokémon umkreisten sich. „Fußkick“, rief Chloe. „Weich aus und Feuerzahn!“, schrie Jayden über den Lärm der anderen Pokémon hinweg. Menki flog bereits durch die Luft, schmales Bein voran gestreckt, aber Glutexo wand sich zur Seite, sodass der Tritt seinen Starter nur streifte. Im selben Moment fuhr es herum und verbiss sich in Menkis Oberschenkel. Die Flammen leckten zwischen seinen Fangzähnen empor und Menki quiekte auf. Glutexo ruckte seinen Kopf hin und her und schleuderte den Gegner von sich. Jayden wartete darauf, dass das Affenpokémon sich wieder aufrappeln würde, aber es blieb reglos liegen. „Nochmal Feuerbiss!“, rief Jayden Glutexo zu, das voller Kampfeslust brüllte und nun auf Duflor zusprang. „Giftpuder, na los!“, konterte Chloe seinen Befehl. Der Giftpuder explodierte in Glutexos Gesicht, genau in dem Moment, als es seine flammenden Zähne in Duflors blauen Körper versenkte. Das Feuer loderte heiß auf und ließ das Unkraut-Pokémon vor Schmerzen aufheulen. „Beschütz Duflor!“, ertönte da Boyds verzweifelter Schrei. Glutexo wurde von einem Strahl Wasser zur Seite geschleudert und das restliche Feuer auf Duflors Bisswunde gelöscht. Amonitas kroch näher und holte zu einer weitere Aquaknarre aus, aber diesmal war Pikachu zur Stelle. Ein weiterer Elektroball sauste zwischen den Phantombildern hindurch und traf Amonitas auf den blauen, ungeschützten Körper unter dem Panzer. „Lass dich nicht besiegen, Anita, komm schon!“ Boyds Ruf erweckte Amonitas Lebenskräfte noch einmal, es bäumte sich auf und spie einen weiteren Schwall Wasser in Glutexos Richtung. „Pass auf!“, schrie Jayden, und wie durch ein Wunder taumelte Glutexo in genau diesem Moment zur Seite und entging der Attacke um Haaresbreite. Es sah nicht gut für seinen Starter aus. Jaydens Herz pochte so laut in seiner Brust, dass er die Kampfgeräusche kaum mehr wahrnahm. Glutexo war vergiftet und hatte mehrere Attacken einstecken müssen. Sie waren stärker als ihre Gegner, aber nicht so überlegen, dass der Schaden vernachlässigbar war. Doch als Duflor sich für seinen Megasauger näherte, schnappte Glutexo nach ihm und schoss eine blaue Drachenwut hinterher. Pikachu beendete den Kampf gegen Amonitas mit seinem Slam, der das Fossilpokémon in hohem Bogen durch die Luft warf und vor Boyds Füßen aufprallen ließ. Jayden brauchte einen Moment um zu begreifen, was geschehen war. „Wir … wir haben gewonnen!“ Er nahm Chris überschwänglich in die Arme und wirbelte sie einmal im Kreis. „Wir haben gewonnen! Zwei gegen SECHS!“ „Ich weiß, aber lass mich runter“, sagte Chris, und obwohl ihre Stimme ernst klang, lag so viel Feuer und Stolz in ihren Augen, dass Jayden wusste, wie sie wirklich fühlte. Sie teilte seine Euphorie. Auf der anderen Seite des Schlachtfelds sank Chloe matt auf die Knie und starrte ihre beiden besiegten Pokémon an. Boyd rief seine stumm zurück. In dem Moment hörte Jayden Rufe. Chris immer noch halb im Arm, drehten sie sich gemeinsam um und entdeckten Schwester Joy und Roberta, die auf sie zugerannt kamen, angeführt von dem jungen Trainer, der sich irgendwann während ihres Kampfes aus dem Staub und auf die Suche nach Hilfe gemacht haben musste. „CHLOE!“ Wenn Chloe vorher niedergeschlagen ausgesehen hatte, so empfand Jayden bei ihrem jetzigen Anblick echtes Mitleid. Sie sank noch mehr in sich zusammen und schien am liebsten im Erdboden versinken zu wollen. Teresia kam schweratmend mit Abstand vor ihrer Tochter zum Stehen. „Ist es wahr, was dieser Junge sagt?“, fragte sie. „Hast du ihm wirklich nach seinem Arenakampf aufgelauert und ihn überfallen?“ „Es stimmt, Schwester Joy!“, beteuerte der Junge, der hinter Roberta hervorlugte und sich augenscheinlich nicht näher an Chloe heranwagte. Jayden knirschte mit den Zähnen. Er wusste genau, wie viel Angst der junge Trainer empfunden haben musste. Ihm selbst ging Chloes Abreibung nicht aus dem Kopf. Wie man ihn festgehalten und verprügelt hatte, und er sich so wehrlos gefühlt hatte … Chloe hielt den Kopf gesenkt. Sie sagte kein Wort. Boyd war zurückgewichen und hielt sich so gut es ging aus dem Familiendrama heraus. Neben ihm zupfte Chris an seinem Ärmel, aber Jayden war zu sehr auf Teresias Tirade fokussiert, um sie zu beachten. „Warum, Chloe?“, fragte sie gerade flehend. „Wieso bist du so geworden? Hast du nie daran gedacht, welchen Schaden du anrichtest? Erst fügst du diesem Kind solche Verletzungen zu—Jayden sog empört die Luft ein, als er begriff, dass sie mit „diesem Kind“ ihn meinte—dann forderst du einen Trainer mitten in der Stadt nach seinem Arenakampf heraus? Du bist die Nachfahrin einer ungebrochenen Reihe von vier Generationen Schwester Joy, bedeutet dir das gar nichts? Die Pokémon dieses Jungen hätten in einem weiteren Kampf schweren Schaden nehmen können!“ Chloe stand ruckartig auf. „Genau das ist dein Problem, Mama!“, fauchte sie. „Seit ich denken kann höre ich immer dieselbe Laier, Joy dies, Joy das. Hast du mich jemals nach meinen Zielen im Leben gefragt? Nach meinen Interessen? Nein!“ Schockiert machte Teresia einen Schritt nach hinten. „Natürlich habe ich das! Als du mir gesagt hast, dass du keine Schwester Joy werden willst, habe ich nicht mit dir diskutiert, sondern dich ziehen lassen.“ „Ziehen lassen“, lachte Chloe humorlos. „So nennst du das also, wenn du deine Tochter mit einem bisschen Taschengeld und einem unkontrollierbaren Pokémon vor die Tür setzt!“ „Menki ist ein gutes Pokémon, Chloe.“ „Es wurde von seinem Trainer ausgesetzt, weil es zu störrisch und aggressiv war, und als ich es bekam, war es dazu noch misstrauisch und verängstigt“, entgegnete Chloe hitzig, die sich nun richtig in ihre Diskussion hineinsteigerte. „Es hatte solche Angst, wieder verlassen zu werden, da hab ich es nicht übers Herz gebracht, es zurückzugeben. Und wir sind ja gute Freunde geworden. Aber ich wollte diese Verantwortung nicht! Ich wollte überhaupt keine Pokémon.“ Bei diesen Worten zog Jayden scharf die Luft ein. Teresia rührte sich gar nicht mehr. Sie sah ihre Tochter an, als hätte sie sie noch nie gesehen. Chloe schien inzwischen den Tränen nahe, aber sie sprach tapfer weiter. „Ich wollte einfach nur ein normaler Teenager sein, zur Schule gehen, einen Beruf lernen, gutes Geld verdienen. Aber ich habe mich nie getraut, dir das zu sagen. Du hattest immer Pläne, und wenn ich schon keine Joy werde, dann würde ich doch sicher eine Trainerin werden. Ich habe Menki trainiert und Rocko besiegt und dachte, darauf kann ich es beruhen lassen, aber dann hast du mich auf mein Pokémonabenteuer geschickt, auf dass ich nie wollte.“ Sie zog schniefend die Nase hoch. „Ich hasse trainieren. Ich hasse kämpfen, wenn ich nicht sicher bin, dass ich gewinne. Ich habe die Arenaleiter nur mit Typvorteil besiegt und dann Trainer mit meinen Orden eingeschüchtert, um Geld zu verdienen, damit ich im Pokécenter übernachten kann. Und dann ist mir auch noch Roberta nachspioniert und hat mir andauernd Tipps gegeben, wie ich effektiver trainieren kann oder meine Pokémon weiterbringe. Also bin ich zurückgekommen. Aber ich habe mich nicht getraut, heimzukommen, weil sie dir bestimmt erzählt hat, was für eine schlechte Trainerin ich bin und …“ Chloes Zornestirade endete abrupt in einem Schluchzer. „Oh, Chloe …“ Ihre Mutter breitete die Arme aus und kam ganz zaghaft auf Chloe zu, die im ersten Moment bockig den Kopf schüttelte und sich dann doch in die Umarmung fallen ließ und haltlos zu heulen begann. Chris zupfte erneut an seinem Ärmel, diesmal heftiger. Jayden begriff, dass sie das wohl schon eine ganze Weile machte, als er ihren genervten Blick sah. Schnell wischte er sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Was denn?“, murrte er. „Willst du Glutexo nicht zurückrufen?“, fragte Chris gedehnt. Ein Gefühl wie Eiswasser lief Jaydens Rücken hinunter. Glutexo! Das hatte er im Eifer des Gefechts ganz vergessen. Er griff schon nach seinem Pokéball, aber da stand plötzlich Roberta direkt vor ihm und versperrte ihm die Sicht. Traurig lächelnd stützte sie sich auf ihren Stock. „All dieser Kummer wegen einem Missverständnis“, seufzte sie. „Auch ich bin wohl verantwortlich. Meine Präsenz muss das arme Mädchen in die Enge gedrängt haben. Aber da sieht man mal wieder: Auch wenn Menschen auf Abwege geraten, so können sie doch den Weg zurückfinden. Manchmal reicht dafür schon eine Geste, ein Gespräch, oder ein guter Pokémonkampf. Ich muss euch beiden danken. Wenn ihr Chloe nicht so gründlich besiegt hättet, wäre es vermutlich nie zu dieser Aussprache gekommen. Teresia wollte den Kampf unterbrechen, weil ihr in der Unterzahl wart, aber ich konnte spüren, dass ihr um keinen Preis verlieren würdet, deshalb habe ich sie zurückgehalten.“ „Danke“, sagte Chris aufrichtig. „Wir brauchten keine Hilfe und ich wäre sehr wütend geworden, wenn der Kampf unterbrochen worden wäre.“ Roberta lachte. „Das dachte ich mir schon. In dir ist viel Feuer, junge Dame. Eines Tages wirst du es sehr weit bringen. Die Verwandlung, die ihr mit euren Pokémon in so kurzer Zeit durchgemacht habt, ist beachtenswert. Ich ziehe meinen Hut.“ Chris schaute sehr verwirrt drein, daher übersetzte Jayden seufzend. „Mit Feuer meint sie Leidenschaft oder Kampfeswille, und den Hut ziehen bedeutet so viel wie: Ich habe Respekt vor dir und deiner Leistung.“ „Ah“, sagte Chris und lächelte tatsächlich. „Danke, Roberta. Das ist nett von dir.“ „Keine Ursache.“ „Wir müssen jetzt aber wirklich los“, sagte Jayden und schlängelte sich an Roberta vorbei, um Glutexo mit seinem Pokéball zu treffen. Leider war er eine Sekunde zu spät, denn Schwester Joy hatte sich bereits aus der Umarmung mit ihrer Tochter gelöst und sah geradewegs auf Pikachu und Glutexo, die erschöpft auf dem Boden saßen und sich langweilten. „Jetzt aber ab ins Pokécenter, eure Pokémon haben sich eine Erfrischung verdient …“, begann sie und brach dann mitten im Satz ab. Panik schnürte Jaydens Kehle zu, als er wie in Zeitlupe den Horror sah, der sich auf Schwester Joys Gesicht ausbreitete. Er sah sein Pokémon wie durch ihre Augen. Die Schuppen vom Kampf rußig und verstaubt, aber darunter eindeutig goldgelben und nicht, wie normalerweise, orangerot. „Ist das etwa …“ „RENN!“ Jayden packte Chris am Handgelenk, rief Glutexo zurück und preschte mit einem Satz an Roberta vorbei, die vor Schreck beinahe stürzte. „Tschuldigung!“, rief er noch über seine Schulter, dann waren er und Chris schon auf der Flucht. „Was ist denn los?“, hörten sie dumpf Robertas Stimme. „Das Glutexo“, erklärte Joy hektisch. „Es ist golden! Dieser Junge ist der Pokémondieb aus Alabastia! Ich muss sofort—“ Mehr hörten sie nicht mehr, denn da schlitterten sie schon um die Rückseite der Arena und in die Stadt. „Wohin jetzt?“, fragte er panisch Chris, die sich aus seinem Griff gelöst hatte und nun neben ihm herrannte. „Roberta hat damals die Top Vier herausgefordert, sie besitzt bestimmt ein Flugpokémon. Sie wird uns in Nullkommanichts aufspüren!“ Pikachu schoss an ihnen vorbei und sprang auf Chris‘ Schulter, wo es sich erschöpft festklammerte. „Zurück zur Höhle“, entschied Chris. „Wenn wir schnell genug sind, kommen wir vielleicht unbemerkt rein. Und dann schlagen wir uns nach Orania City durch!“ Gesagt, getan. Es war die anstrengendste Flucht, die Jayden seit Beginn seiner Reise durchmachen musste, und wenn man bedachte, dass er so ziemlich seit Tag Eins eine Zielscheibe auf dem Rücken hatte, sagte das etwas aus. Er war müde. Seine Beine fühlten sich an wie Steinbrocken. Seine Kehle brannte, seine Seiten stachen. Angstschweiß klebte ihm am ganzen Körper. Es war heiß. Sie konnten nicht viel länger als ein oder zwei Minuten gerannt sein, bevor Chris langsamer wurde und ihm eine kurze Verschnaufpause gönnte. Als sie sicher waren, dass die Luft rein war—im wahrsten Sinne des Wortes—liefen sie weiter, bis sie endlich den verkohlten Baum in der Hecke entdeckten. Sie schlüpften durch den Spalt hinein und erreichten endlich den Eingang der Digda-Höhle. In dem Moment hörten sie ein Krächzen. Ein Blick nach oben bestätigte Jaydens schlimmste Vermutung. Ein Tauboss mit zwei Personen auf seinem Rücken, und ein Golbat mit einer Person hoben sich gegen die grelle Sonne am Himmel ab. „Rein, rein, rein!“, schrie Jayden und sprang hinter Chris hinunter in die Dunkelheit. Er rief Glutexo, das ihn unzufrieden ansah, mit seinem Schweif aber immerhin den sonst stockdusteren Höhlengang erhellte. „Wir müssen fliehen“, informierte Jayden seinen Starter, damit der den Ernst der Lage verstand. „Wenn sie uns erwischen, nimmt man dich mir weg und du wirst wieder ins Labor gebracht. Willst du das?“ Glutexo spuckte eine Flamme zu Boden und trabte so schnell los, dass Jayden und Chris Probleme hatten, hinterherzukommen. Das ging einige Minuten so, bis Chris schließlich keuchte, „Wo sind all die Digda?“ Die Digda, wie Jayden wenige Momente später begriff, hatten ihre Lektion gelernt und wollten sich nicht mehr mit ihren unliebsamen Besuchern anlegen. Dafür hatten sie Verstärkung geholt. Sie waren schon tief in der Höhle, als der Boden, die Seitenwände und die Decke zu beben begannen. Geröll rieselte in Kaskaden zu Boden, Erdbrocken fielen auf sie herab. Und ein besonders großer Felsen lockerte sich genau über Glutexo. Jayden schrie, aber gleichzeitig war er schon in Bewegung. Mit einem gigantischen Satz warf er sich von hinten gegen Glutexo und riss sein Pokémon aus der Gefahrenzone. Ein heftiger Schmerz durchzuckte seinen linken Fuß. Er heulte auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)