Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Ronya − Akt 1, Szene 6 ---------------------- 7 Jahre vor Team Shadows Gründung   Die Wochen bis zu Ronyas vierzehntem Geburtstag verstrichen schleichend. Die Angst, Thea könnte in ihr privates Reich im gesicherten Teil der Bibliothek eindringen, lähmte Ronya. Sie konnte sich kaum auf ihre Bücher konzentrieren, auch wenn einige vielversprechende Funde dabei waren, unter anderem eine Sammlung veralteter Vorurteile über Geistpokémon und deren Herkunft von Hedwig Dillery. Zaghafte Schritte, das Rascheln von Papier und das sanfte Murmeln der anderen Bibliothekbesucher waren früher Teil der natürlichen Geräuschkulisse gewesen. Sie hatte sich geborgen gefühlt. Jetzt zuckte sie zusammen, wann immer jemand versehentlich auf eine knarzende Bodendiele trat oder sein Buch etwas zu laut in den Plastikkorb fallen ließ, mit dem Besucher ihre Ausleihen bequem in einer Hand tragen konnten. Jedes noch so kleine Geräusch riss Ronya aus ihrer Lektüre und ließ sie erschrocken nach Thea Ausschau halten. Drei Wochen ging das schon so, und obwohl Thea nicht aufgetaucht war, lagen Ronyas Nerven blank. Frustriert kratzte sie über ihre langsam nachwachsenden Haarstoppel und klappte Geister und ihre Mythen zum fünften Mal an diesem Nachmittag zu. Mrs. Harving hatte ihre Bitte um Hilfe nicht verstanden—wenn es nach ihr ging, war es egal, warum jemand las, solange er nur ein Buch in die Hand nahm. Ronyas Wunsch, ihre Schwester nicht in der Bibliothek anzutreffen, war ihr völlig unbegreiflich. Ein Blick auf die Uhr an der Wand bestätigte Ronyas Verdacht. Es war Sonntag, ein Tag vor ihrem Geburtstag, und sie würde frühzeitig nach Hause müssen, weil die Bibliothek um 16:00 Uhr schloss. Der Tag konnte nicht viel schlimmer werden. Ronya erhob sich, prägte sich die Seitenzahl ihres Buches ein und verließ die Bibliothek. Im öffentlichen Foyer schlich sie um einige Regale und Säulen und kundschaftete voraus, um nicht versehentlich in Theas Arme zu laufen. Nachdem es ihrem Zwilling nicht gelungen war, ihre Eltern zu einem Ausweis zu überreden, hatte sie es sich in der letzten Woche zur Gewohnheit gemacht, mit Tommy im Eingangsbereich auf Ronya zu warten. Beim ersten Mal war Ronya ahnungslos in ihre Falle getappt und hatte einen Schwall Beleidigungen und Anschuldigungen über sich ergehen lassen müssen, bis sie die beiden an einer Straßenecke abhängte, indem sie sich in einem Müllcontainer versteckte. Es war nicht ihr glorreichster Moment gewesen, aber der Gestank war nicht halb so schlimm wie der Anblick ihrer Schwester. Heute schien die Luft rein zu sein. Ronya kniff die Augen zusammen und überprüfte jede Ecke der Bibliothek doppelt, konnte aber weder Tommy noch Thea entdecken. Der Vorabend vor ihrem Geburtstag war Thea wohl zu wertvoll, um ihn an ihre rebellische Schwester zu verschwunden. Die Party, die sie morgen geplant hatte, war ohnehin schlimmer als jeder Überraschungsbesuch. Allein der Gedanke an die Feier ließ Ronya Galle schmecken. Auf dem Weg zurück nach Hause dachte sie mit spärlich unterdrückter Wut an die Unterhaltung, die sie mit ihrer Mutter geführt hatte. Trotz allen Telefonaten mit Marge und ihrer Versicherung, sich in Dukatia City um etwas zu kümmern, war nichts passiert. Ronya hatte sich absichtlich geweigert, dem Gespräch der beiden Frauen beizuwohnen, aber ein kleiner, verräterischer Hoffnungsfunke hatte sich allen Widrigkeiten zum Trotz in ihrer Brust eingegraben und pulsierte nun schmerzvoll, wann immer Ronya daran dachte, dass sich nichts an ihrer Situation geändert hatte. Im Gegenteil. Ihre Mutter bestand darauf, dass sie morgen zu Hause blieb und der Feier bewohnte. Auch sonst hatte sie viel mehr Zeit mit Thea verbracht als mit Ronya. Unterbewusst wusste Ronya, dass es an ihren eigenen außerhäuslichen Aktivitäten lag, aber das änderte nichts an dem unzufriedenen Gefühl in ihrer Magengrube. Ihre Angst vor der Party überschattete jedoch alle anderen Gefühle. Der Albtraum hatte begonnen und es gab kein Halten mehr.     Als Ronya am Morgen ihres vierzehnten Geburtstags die Augen aufschlug, fühlte sie sich kein bisschen anders. Ihre Schläfen pochten von der schlaflosen Nacht und auch ohne Spiegel war sie sicher, dunkle Ringe unter ihren Augen vorzufinden. Die ersten zaghaften Sonnenstrahlen warfen ein Lichtfeld auf die Dielen und einige Vogelpokémon zwitscherten lautstark durch das offene Fenster. Ronya wünschte, sie könnte einfach liegen bleiben. Stattdessen stand sie auf, zog ihre altbewerte Latzhose an und verließ das Gästezimmer. Sie presste ein Ohr an die Tür zu ihrem ehemaligen Zimmer und war nicht überrascht, das laute Schnarchen ihrer Schwester zu hören. Zufrieden, zumindest den frühen Morgen ohne Thea verbringen zu können, machte Ronya sich kurz im Bad frisch und schlich die Treppe hinunter. In der Küche traf sie ihren Vater an, der als einziger schon wach war und sich gerade einen Kaffee mit der reparierten Ute aufbrühte. Als er Ronyas Schritte hörte, hob er den Kopf. Ein breites Lächeln formte sich auf seinem Gesicht. Er stellte die Tasse ab, breitete die Arme aus und hob sie in einer festen Umarmung von den Füßen. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Ronya“, sagte er und wirbelte Ronya einmal im Kreis, bevor er sie wieder absetzte. Er wirkte eindeutig emotionaler, als Ronya es von ihren früheren Geburtstagen kannte. „Ich bin froh, dich vor der Party noch gesehen zu haben“, fügte er hinzu. Ronya runzelte die Stirn. „Es wird unangenehm, aber ich werde den Tag überleben“, sagte sie. Ihr Vater lachte laut los, verstummte erschrocken und griff nach seiner Kaffeetasse, so als wäre nichts geschehen. „Wann kommen die Gäste nochmal?“, fragte Ronya und lehnte sich neben ihrem Vater an die Küchenanrichte. Er schüttelte den Kopf. „Nicht zu früh, sonst wäre Darleen längst wach. Am späten Mittag, würde ich denken, aber was weiß ich schon.“ Er schielte zu ihr. „Versuch, ein bisschen Spaß zu haben“, sagte er. „Es ist auch dein Geburtstag. Lass ihn dir nicht von Thea vermiesen.“ Ronya zwang sich zu einem Grinsen. „Ich werd’s versuchen.“ Er nickte nachdenklich. Schweigend standen sie nebeneinander. Als ihr Vater ausgetrunken hatte, stellte er die Kaffeetasse in die Spüle und wandte sich wieder Ronya zu. Er sah sie lange an, dann nahm er sie in eine zweite, festere Umarmung. Seine muskulösen Arme umschlangen sie mit aller Kraft. Als er sich wieder von ihr löste, lächelte er ihr zu und verließ ohne zurückzublicken das Haus. Verwirrt sah Ronya ihm hinterher. Wenn ihr Vater sie so behandelte, musste sie sich wundern, ob die Party sich nicht vielleicht doch als ihre Beerdigung entpuppen würde.     Der Schock ihrer Mutter, als sie Ronya eine halbe Stunde später alleine in der Küche beim Tischdecken vorfand, war beinahe komisch. Ronya grinste frech, als Darleen mit offenem Mund in der Tür stehen blieb, sie ins Wohnzimmer scheuchte, ihr ein Glas Limonade in die Hand drückte und verspätet zum Geburtstag gratulierte. „Du solltest noch gar nicht wach sein“, schimpfte sie und machte sich nun selbst an das Frühstück. „Du kannst nicht deinen eigenen Geburtstagstisch decken, das gehört sich nicht.“ „Ich konnte nicht schlafen“, entgegnete Ronya schlicht. Es war keine direkte Kritik an Darleens Wunsch, sie möge heute an der Feier teilnehmen, aber ihre Mutter war nicht dumm. Sie seufzte und drehte sich um. „Du weißt, dass ich dir nichts Böses will“, sagte sie. „Thea ist immer noch deine Schwester, auch wenn du das gerne vergessen möchtest, und wir deine Familie. Diesen einen Tag würde ich gerne mit dir zusammen verbringen.“ „Auch wenn ich keinerlei Spaß haben werde?“, fragte Ronya leise. Darleen schürzte die Lippen. „Vertraust du mir nicht?“, fragte sie. „Denkst du, ich würde dich zwingen, hier zu bleiben, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass du Spaß haben wirst?“ Ronya zögerte. Sie vertraute ihrer Mutter, das Beste für sie zu wollen, aber sie war nicht sicher, ob Darleen wirklich wusste, was das Beste für sie war. Sie ließ Darleen ihr Schweigen interpretieren, wie sie wollte.     Thea hielt sich an das ungeschriebene Geburtstagsprotokoll der Familie Olith. Sie stand spät auf, duschte, zog ihr bestes Kleid an und wartete geduldig an der Treppe, bis sie von ihrer Mutter das Signal bekam, nach unten zu kommen. Ihr breites Grinsen verflüchtigte sich schlagartig, als sie Ronya in ihrer ausgewaschenen Latzhose am Küchentisch antraf, wo sie sich hinter dem Rücken ihrer Mutter bereits einen Pfannkuchen in den Mund gestopft hatte. Ihr Protest ging in Darleens Umarmung und Glückwünschen unter. Ronya war ziemlich sicher, dass ihre Mutter diesen Moment zeitlich abgestimmt hatte, denn sie ließ Thea kaum zu Wort kommen, bis Ronya den Pfannkuchen runtergeschluckt hatte und ebenfalls aufstand. Sie und Thea hatten sich nie etwas geschenkt, daher war es ein fast normaler Geburtsmorgen. Wenn sie davon absah, dass Thea ihr früher schon im Bett gratuliert hätte. „Alles Gute“, sagte sie und zwang sich zu einem Lächeln. Wenn sie den Tag hier verbringen musste, wollte sie zumindest nicht für den ersten Streit verantwortlich sein. „Alles Gute“, erwiderte Thea mit derselben neutralen Tonlage. Sie setzten sich und das Frühstück des Grauens begann. Die Gäste kamen um 14:00 Uhr. Es war höchste Zeit, denn Darleen hatte vorgeschlagen, die Geschenke erst während der Party zu öffnen. Sie hatten die restlichen Stunden mit Theas Lieblingsbrettspielen und einem Film verbracht, aber die Blicke ihrer Schwester waren nie lange von dem kleinen Geschenkstapel ferngeblieben, der auf dem Esstisch darauf wartete, ausgepackt zu werden. Auch Ronya hatte der Versuchung nicht völlig widerstehen können. Sie war nicht sicher, was heute auf sie wartete. Ihr Paket stand als einziges neben dem kleinen Häufchen von Thea, aber das musste nichts bedeuten. Es war in blauem Papier eingewickelt und, was Geschenke betraf, recht gewöhnlich. Von der Größe erinnerte es sie an einen Schuhkarton, aber sie bezweifelte, dass ihre Mutter ihr neue Sneakers gekauft hatte, auch wenn ihre eigenen schon bessere Zeiten gesehen hatten. Tommy war der erste, der klingelte. Ronya wartete auf dem Sofa, während ihre Schwester zur Eingangstür hüpfte und ihn hereinließ. Seine Umarmung war etwas länger als nötig, aber das störte keinen der beiden. Er überreichte Thea eine kleine pinke Schachtel mit weißer Schleife, die Thea hochzufrieden entgegennahm und auf dem Esstisch abstellte. Tommy begrüßte ihre Mutter, warf Ronya einen undefinierbaren Blick zu und setzte sich abseits mit Thea auf das zweite Sofa. Ronya starrte stur an die Wand. Einer nach dem anderen tauchten Theas Freunde auf, denn das waren die einzigen Gäste. Nicht einer von ihnen begrüßte Ronya mit mehr als einem Nicken oder Winken, von Glückwünschen ganz zu schweigen. Selbst ihre Mutter wurde nervös, denn Theas Geschenkstapel wuchs mit jedem neuen Gesicht, während Ronyas bis zuletzt aus dem einzelnen, blauen Karton bestand. „Wie unhöflich“, murmelte Darleen, als sie neben Ronya stand und das Treiben im Esszimmer beobachtete, wo Thea nun doch begonnen hatte, sich über die Geschenke herzumachen. Papier in schillernden Farben bedeckte den Fußboden wie Konfetti. „Du hast auch Geburtstag“, fuhr sie leise fort, während Thea quietschend einen Haarreif mit Schleife aus einem der etwas unförmigen Pakete förderte und sofort anzog. „Was hast du erwartet?“, fragte Ronya gedämpft zurück. „Das sind Theas Freunde, nicht meine. Die meisten hielten mich für einen Freak, noch bevor Thea sie die letzten Wochen gegen mich aufgestachelt hat.“ „Ich habe ein sehr schlechtes Gewissen“, gestand Darleen. „Eigentlich hatte ich erwartet, dass du deine Zeit hier zumindest ein bisschen genießen würdest.“ „Noch ist der Tag ja nicht vorbei“, sagte Ronya ohne große Überzeugung. Erst, als ihre Mutter nicht antwortete, hob sie den Kopf und erschrak fast zu Tode, als sie die Tränen in ihren Augen sah. „Was ist denn?“, fragte sie und sprang halb auf. Darleen schüttelte den Kopf und rieb sich über die Augen. „Tut mir leid.“ Sie holte tief Luft. „Ich … bin einfach nicht sicher, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe, das ist alles.“ „Wovon redest du?“, fragte Ronya, nun wütend. „Ich werde ein paar Stunden schiefe Blicke überleben, das weißt du. Dann bekomme ich halt weniger Geschenke, ist mir doch egal. So ein Haarreif sähe bei mir ohnehin ziemlich kacke aus.“ „Ronya!“, rief ihre Mutter, halb entsetzt, halb belustigt. „Ist doch wahr …“, murmelte Ronya grinsend, froh, die Stimmung aufgeheitert zu haben. Darleen schüttelte fassungslos den Kopf und kehrte in die Küche zurück. Ronyas Blick fiel zurück auf die Gäste, die sich um Thea geschart hatten und ihr kichernd beim Auspacken zusahen. Sie stützte ihr Kinn in ihre Hand und ließ ihre Gedanken zu Hedwig Dillery und ihren Geistermythen schweifen. Ihre Tagträume wurden jedoch unterbrochen, als Tommy sich unauffällig aus der Gruppe löste und in ihre Richtung schlenderte. Als er direkt vor ihr stand, blieb er stehen. „Ich mag deine Schwester“, sagte er und ließ Ronya dabei nicht aus den Augen. Die Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf. Sie mochte seinen Blick nicht. „Freut mich“, sagte Ronya und setzte sich aufrechter hin. „Sie ist gleich dort drüben.“ Er kniff die Augen zusammen. „Du siehst ihr wirklich ähnlich. Wenn du dich nicht so entstellt hättest, wer weiß?“ Ronya öffnete den Mund, aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Ihr Kopf war wie leergefegt. Bevor sie sich wieder fassen konnte, hatte Tommy sich schon umgedreht und wieder zu dem gackernden Grüppchen gesellt. War er nur zu ihr gekommen, um ihr das zu sagen? Dass sie entstellt war? Dass er Thea nur wegen ihres Aussehens wertschätzte? Ihr Mund war trocken geworden. Sie stand hastig auf und lief in die Küche, um ihrer Mutter mit irgendetwas zu helfen. Sie wollte sich ablenken. Die Begegnung hatte sie tief erschüttert, obwohl sie nicht sicher war, weshalb. Tommy war ihr von Anfang an unsympathisch gewesen. Aber ihn so voller Gleichgültigkeit zu erleben, ließ ihr Herz schneller schlagen. Darleen warf ihr einen besorgten Blick zu, als Ronya wortlos auf einen Hocker stieg, um die Kuchenteller aus dem obersten Regalfach zu holen, sagte aber nichts. Stattdessen ging sie ins Esszimmer, wo sie Thea darum bat, die Geschenke ins Wohnzimmer zu befördern, damit sie den Kuchen auftischen konnte. Ronya scheuchte sie aus der Küche, sobald der Tisch gedeckt war. Schon bald fand Ronya sich umringt von Diskussionen über Kleider und Make-Up und Jungs. Selbst Tommy schien letzteres Gesprächsthema unangenehm, aber er lachte, wenn ein Witz gemacht wurde, auch wenn Ronya sicher war, dass sein Verhalten mindestens so gekünstelt war wie Theas. In diesem Sinne passten sie gut zusammen, aber wann immer Ronya Tommys Blick auffing, kam die Erinnerung an seine Worte zurück und schnürte ihr die Kehle zu. Als niemand hinsah, griff sie nach ihrem eigenen Geschenk und verschwand damit zu ihrer Mutter in die Küche. „Darf ich das aufmachen?“, fragte sie. Darleen sah sie lange an. „Vielleicht solltest du in dein Zimmer gehen, bevor du es öffnest“, sagte sie und nickte in Richtung Thea. „Nur zur Sicherheit.“ Ronya zog eine Augenbraue hoch, nickte aber. Ihre Mutter umarmte sie ein letztes Mal und drückte sie fest an sich, dann scheuchte sie Ronya die Treppen hinauf. Im oberen Flur angekommen atmete Ronya zuerst einmal tief durch. Das hysterische Lachen ihrer Schwester war von unten zu hören, dicht gefolgt von einem Lied, das wohl ihre Mutter angestimmt hatte. Sie wurde plötzlich unsicher und starrte auf das Paket in ihren Händen. Warum benahm ihre ganze Familie sich heute so komisch? Sie verschwand in dem Gästezimmer, das seit ihrem Streit mit Thea wie ihr eigenes Zimmer gewesen war, ließ sich auf das Bett fallen und zerriss das Geschenkpapier. Zu Tage förderte sie einen unspektakulär aussehenden Pappkarton. Vorsichtig hob sie den Deckel an. Im Inneren fand sie eine kleine, schwarze Schachtel mit einer weißen Zwei auf dem Deckel und zwei Briefe mit der Aufschrift 3) Anweisungen und 1) Liebe Ronya. Mit zittrigen Fingern öffnete Ronya den ersten Brief. Das Papier raschelte, während sie es auffaltete und glattstrich. Auf der weißen Oberfläche war ein kurzer Paragraph in der feingliedrigen Schrift ihrer Mutter verfasst. Ronya überflog den Anfang, in dem sie und ihr Vater ihr alles Gute zum vierzehnten Geburtstag wünschten und hofften, sie würde das Geschenk mögen, ihr aber gleichzeitig versicherten, sie sei zu nichts gezwungen. Ronyas Verwirrung wuchs, bis sie endlich über den Satz stolperte, der all ihre Fragen verpuffen ließ.   Dank deiner Tante Margret ist es uns gelungen, dir deinen größten Traum zu erfüllen. Du kannst jetzt die kleine Schachtel öffnen, danach erwarten dich weitere Anweisungen in Umschlag 3, solltest du sie wollen. Wir lieben dich. —Papa, Mama und Marge   Ronyas Atem ging stoßweise, während sie den Brief anstarrte und die Worte wieder und wieder las. Es konnte nicht sein. Es war unmöglich. Sie hatte abgeschlossen, ihr Traum war vorbei, bevor er begonnen hatte, ihre Eltern und ihre Tante konnten unmöglich einen … Sie ließ den Brief auf die Bettdecke fallen und griff nach der schwarzen Schachtel. Die Muskeln in ihren Armen zuckten, als sie den Deckel berührte. Sollte sie ihn anheben? Konnte sie mit der Enttäuschung leben, wenn es nicht das war, was sie erwartete? Ronya war sich nicht sicher. Aber sie wusste eines: Wenn sie jetzt nicht nachsah, gab es keine Möglichkeit, richtig zu liegen. Sie schloss die Augen und öffnete die Schachtel. Lange saß sie einfach nur da, wagte nicht hinzusehen, wagte nicht einmal, zu blinzeln. Doch so geduldig Ronya war, in diesem Moment hielt sie es nicht mehr aus. Sie öffnete vorsichtig ein Auge und starrte in die Schachtel. In ihr lag, eingebettet zwischen grauem Papier und dicht gepackter Watte, ein Pokéball. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)