Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Ronya – Akt 2, Szene 4 ---------------------- 7 Jahre vor Team Shadows Gründung   Ronya war vorbereitet. Max nicht. Beim Klang der ihm bekannten Attacke schaute Max verwirrt auf, und wurde sofort von Sheinux umgerissen, das durch die Luft gesegelt kam. Die beiden kugelten als zankendes Fellknäuel durchs Gras. Ronya knirschte mit den Zähnen. Sie hatte sofort einen Fehler begangen! Da spürte sie Amys Händedruck. „Ruhig bleiben, du musst es nicht besiegen, nur schwächen. Der Kampf ist nicht verloren!“ Ronya nickte entschlossen. „Max, befrei dich mit Rutenschlag!“ Sie konnte nur grob erkennen, was geschah, aber tatsächlich wurde Sheinux weggeschleudert und landete auf allen Vieren, knurrend und bereit zum Angriff. Sein Blick durchbohrte Max regelrecht, der zurückzuckte, sich dann jedoch zusammenriss und zu einem Tackle ansetzte. Mit jeder Sekunde, die verstrich, jeder Attacke, die zwischen den beiden kleinen Pokémon ausgetauscht wurde, gewann Ronya an Ruhe und Selbstvertrauen. Sie erinnerte sich wieder an die Lektionen in ihren Büchern, daran wie wichtig ihre eigene Mentalität während eines Kampfes war. Ihr Pokémon musste sich auf ihre Befehle verlassen, und sie konnte nur eine gute Strategie entwickeln, wenn sie rational blieb und sich von der Aufregung nicht mitreißen ließ. Sie atmete tief durch und widmete sich dem Kampfgeschehen. Es war wahrlich kein strategisches Meisterwerk; Max und Sheinux griffen sich solange mit ihren Tackles an, bis sie hechelnd und mit zitternden Beinen im Gras standen und sich angifteten. Ronya warf den Pokéball und sah mit Herzrasen dabei zu, wie er auf Sheinux traf und das kleine Pokémon in einem Strahl roten Lichts einsaugte. Der Pokéball zuckte einige Male, dann blieb er still liegen. Sie sackte vor Erleichterung auf die Knie, während Amy einen Freudentanz um sie herum veranstaltete. „Du hast es geschafft! Und beim ersten Versuch, Wahnsinn! Wirklich großes Kino! Herzlichen Glückwunsch, Ronya.“ Max sah ziemlich mitgenommen aus, aber er begann sofort, den Pokéball mit seiner Stupsnase auf Ronya zuzurollen. Sie ging in die Hocke, und als er sie erreichte, nahm sie Max in den Arm und drückte ihn fest an sich. „Toll durchgehalten“, flüsterte sie. „Ich verspreche dir, dass ich eine bessere Trainerin werde.“ Max grummelte wohlig und leckte ihr über die Wange. „Jetzt ruf es schon“, quengelte Amy aufgeregt neben ihr. Ronya setzte Max ab, der aufgeregt mit dem buschigen Hinterteil wackelte. Der neue Pokéball war warm unter ihren Fingern, wie etwas Lebendiges. Fühlten sich frisch benutzte Bälle immer so an oder versuchte Sheinux, sich zu befreien? Was, wenn es sie nicht mochte? Wenn alle ihre Bücher ihr im echten Leben nichts nutzten? „Ronyaaaa“, drohte Amy. „Okay, okay!“ Ronya betätigte den Knopf und herausgeschossen kam Sheinux. Es sah sich kurz desorientiert um, da wurde es schon von Max umgeworfen, der es freudig abschleckte. Sheinux blinzelte Ronya leidend an. „Runter von ihr“, befahl Ronya. Zu ihrer Erleichterung hörte Max sofort und ließ von seinem neuen Teammitglied ab. „Hallo, Sheinux“, begrüßte Ronya ihr Pokémon. Sie streckte ihm ihre Hand hin, damit es ihren Geruch aufnehmen konnte. Das war für Pokémon mit ausgeprägten Jagdinstinkt und Riechorganen essentiell. Sheinux schnupperte an ihren Fingern. Sein elektrisch aufgeladenes Fell knisterte sanft über ihre Haut. Sofort musste Ronya an Fortgeschrittene Trainingsmethoden für Elektrotypen denken, eins der Bücher, das sie in den letzten Wochen verschlungen hatte. „Ich würde dich gerne Sybill taufen“, erklärte sie Sheinux. „Ist das in Ordnung für dich?“ Ihr neues Pokémon gab ein Grummeln von sich, das Ronya mit viel Fantasie als Zustimmung deutete. Erleichtert grinste sie Amy an, die ihr zwei Daumen hoch zeigte. „War das dein erster Pokémonfang?“, fragte sie und hockte sich neben Ronya ins Gras. „Und mein erster Kampf“, fügte Ronya hinzu. Ihr war ihr Schnitzer immer noch peinlich. „Hat man gemerkt, oder?“ „Klar, aber das ist normal.“ Amys Gesichtsausdruck verdüsterte sich. „Ich kann mich an meinen ersten Kampf nicht mal mehr erinnern.“ Nicht erinnern? Stirnrunzelnd nahm Ronya ihre neue Freundin in Augenschein, aber sie glaubte nicht, dass sie sich im Alter verschätzt hatte. Wie konnte sie so ein Ereignis mit dreizehn Jahren schon vergessen haben? Ronya war davon überzeugt, dass sich ihr Kampf gegen Sheinux für immer in ihr Gedächtnis brennen würde. Bevor Ronya die Worte finden konnte, um nachzuhaken, verschwand Amys finstere Miene. Sie stand auf. „Na komm, lass uns an den See und mit unseren Pokémon spielen!“ „Meinst du?“ Ronya sah sehnsüchtig zum See. „Sollten wir nicht trainieren, wo wir schon hier sind?“ „Dafür ist später noch genug Gelegenheit, aber bei so schönem Wetter muss man einfach ans Wasser.“ Bevor sie protestieren konnte, schnappte Amy sich schon ihren Arm und zog sie mit.     Die Sonne ging gerade unter, als ihre Idylle schlagartig unterbrochen wurde. „So, so, die junge Dame vergnügt sich also am See, während ihre Mutter krank vor Sorge die ganze Stadt durchforstet.“ Amy und Ronya schreckten aus ihrem Nickerchen auf und stießen sich dabei heftig die Köpfe. Ronya stöhnte auf und blinzelte gegen die schrägstehende Sonne, um auszumachen, wer sie angesprochen hatte, doch Amy stand bereits. „Es tut mir so leid, Mama!“, rief sie und warf sich der Frau aus der Pokémonschule in die Arme. „Ich hatte hier mit diesem Mädchen trainiert, aber dann müssen wir eingeschlafen sein. Habe ich etwa die Unterrichtsstunde verpasst?“ Frau Heartoline strich ihrer Tochter nachdenklich über das Haar, während Ronya völlig benommen das Schauspiel betrachtete. „I-ist sie das?“, fragte eine zweite Stimme. Erst jetzt bemerkte Ronya den jungen Polizisten, der direkt hinter Amys Mutter stand und sich nervös den Kopf kratzte. Er war hochgewachsen und schlaksig, mit kurzem dunklen Haar, besaß aber die eingezogenen Schultern von jemandem, der gerade von einer herrischen Frau zum Schneckmag gemacht worden war. Sein Blick huschte von Amy zu Ronya und blieb einige Sekunden an ihr kleben, bevor er schuldbewusst wegsah. Ronya hatte sich inzwischen an solche Blicke gewöhnt. Die wenigsten Leute hatten je eine junge Frau mit kahlgeschorenem Kopf gesehen, deswegen starrten sie automatisch, bis sie sich dabei ertappten. Einmal war sie von einer alten Frau mit Beileidsbekundungen zu ihrer Krankheit überhäuft worden, bis Ronya ihr genervt klar gemacht hatte, dass es sich lediglich um eine alternative Frisur handelte. „Ja, Lukas, das ist meine vermisste Tochter“, erklärte Frau Heartoline dem Polizisten, den sie wie selbstverständlich mit Vornamen ansprach. „Glücklicherweise hatte mein Sohn mit seiner Vermutung Recht, wo sie sein könnte. Jetzt komm, Amy, euer Privatunterricht fängt gleich an und bis zum Hotel ist es weit. Wir müssen wohl ein Taxi nehmen …“ Ohne Ronya eines weiteren Blickes zu würdigen, zog sie Amy mit sich, die Ronya über die Schulter entschuldigend die Zunge rausstreckte. Ronya starrte den beiden hinterher, genau wie der Polizist, der erleichtert ausatmete, kaum dass die Heartolines hinter einer Weggabelung verschwunden waren. „Uff“, sagte er und wischte sich Schweiß von der Stirn. „Diese Frau möchte ich nicht zur Feindin haben.“ Ronya nickte abwesend. Sie musste immer noch an Amys plötzlichen Verhaltensumschwung denken, und daran, wie falsch sie das Mädchen deshalb zuerst eingeschätzt hatte. Und sie dachte an all die Momente, wenn Amy traurig wirkte, und dann sofort wieder lächelte und das Thema wechselte, so als wäre nichts gewesen. Wie eine Maske, hinter der sie sich jederzeit verstecken konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)