Game of Thrones - Fire and Gold von RinaUchiha ================================================================================ Kapitel 1: Winterfell --------------------- Sera "Ist das dein Ernst, Seraphina?", Cerseis Stimme konnte Stahl schneiden, wenn ihr etwas missfiel. Und besonders schien es ihr zu missfallen, dass ich mich entschieden hatte, auf die Bequemlichkeit einer Kutsche zu pfeifen und die letzten Stunden nach Winterfell von Castle Cerwyn auf meinem Pferd zurückzulegen. "Warum regst du dich auf, süße Schwester? Es ist doch ganz passend, wenn ihr Verlobter gleich sieht, was für einen Wildfang er sich da angelacht hat.", kommentierte Tyrion aus seiner Kutsche trocken, schenkte mir jedoch ein Augenzwinkern. Schon wieder dieses Thema! Der Verlobung mit diesem Stark war ich zwar durch meine Reise damals entkommen, aber nun schien unser Hoher Vater diese Pläne doch in die Tat umsetzen zu wollen. "Du bist die erste Lannister, die einen Stark heiratet. Es wird ein mächtiges Bündnis sein, wenn wir den Westen und Norden so verbinden. Außerdem hattest du deine Jahre in närrischem Egoismus. Jetzt liegt es an dir, deinen Teil zur Familie beizutragen." Seine Worte. Pah, als hätte ich nicht elendig viel Gold und Schätze von meiner Reise durch Essos mitgebracht. Und dem Namen Lannister in der Söldnerkompanie einen ganz neuen Ruf eingebracht. Aber nein, das zählte natürlich nicht. Ich war ja eine Frau und Frauen aus Westeros mussten brav heiraten und Kinder gebären. Verächtlich schnaubend schwang ich mich auf den Rücken meiner Stute und hatte so das seltene Glück, auf Cersei hinabsehen zu können. Entschuldigend lächelte ich sie an und schloss dann zu Jaime auf, der bereits auf seinem Pferd saß und die ganze Szene schweigend betrachtete. Niemals würde er seiner geliebten Cersei widersprechen, obwohl ich wusste, dass er bei jedem anderen mir den Rücken gestärkt hätte. Als Robert sich endlich auf sein Pferd gehievt hatte, konnte es endlich losgehen. Meine Stute tänzelte schon unruhig von links nach rechts, denn langes Warten lag ihr genauso wenig wie mir. Auf nach Winterfell, um dieses Kind zu heiraten! Noria Zum wahrscheinlich hunderten Mal verfluchte ich jene, die mich dazu gebracht hatten Essos zu verlassen. In King's Landing war es vielleicht warm und angenehm, doch der Norden war eine reinste Qual. Eisiger Regen, peitschender Wind, alles Sachen, mit denen ich weder klar kam, noch klar kommen wollte. Zumindest hatte sich der Himmel gerade aufgeklärt und ließ die Sonne durch die Wolken hindurch scheinen. Trotzdem zitterte ich und war froh, wieder in die Kutsche zu steigen, um die Reise fort zu führen. Ich wollte nach Hause. Einfach nur weg von hier. Weg von diesen Leuten, die ich auf den Tod nicht ausstehen konnte. Weg von Robert Baratheon, dem ich ein Schwert durch die Brust rammen würde, hätte ich nur die Möglichkeit. Weg von Seraphina, welcher ich augenscheinlich treu diente und nicht durchblicken ließ, dass ich ihr am liebsten Gift in ihr Wasser mischen würde. Vor allem aber weg von Jaime Lannister, den ich in meinen Träumen so oft die Kehle durchtrennt hatte, dass ich es nicht einmal mehr zählen konnte. Ich schluckte schwer und versuchte krampfhaft alle Gedanken zu verdrängen. Versuchte nicht an meine Geschwister zu denken, nicht an Pentos, nicht an Braavos,  nicht daran, dass ich Bedienstete haben sollte, anstelle selbst eine Kammerzofe zu sein. Versuchte nicht daran zu denken, wer ich wirklich war. Ich musste meine Fassade aufrecht erhalten. Hier war ich Noria, eine Sklavin aus Lys. Den Lannisters treu untergeben. "Ich werde dich stolz machen." Meine Lippen formten die Worte, doch kein Laut verließ sie. Er hätte mich sowieso nicht hören können. Sera Nachdem die Vorreiter verkündet hatten, dass es nur noch eine halbe Stunde nach Winterfell war, begann sich auch in meinem Magen etwas zu regen. Mein Verlobter und seine Heimat. Seit meinem 10. Lebensjahr war ich Robb Stark versprochen... Und hatte ihn nie kennengelernt. Mein Hoher Vater hielt nichts von romantischen Beweggründen, zumindest nicht mehr, seit seine geliebte Joanna gestorben war. Und das dürfte ich jetzt ausbaden. Cersei hatte er an Robert verschachert und damit den besten Fang für unser Haus seit Menschengedenken gemacht. Jaime war diesem Streben nach Macht durch seinen Schwur entkommen und Tyrion... Vater konnte sich glücklich schätzen, wenn er eine Partie von annehmbarer Geburt finden würde. Also blieb nur noch ich, um unseren Einfluss weiterzubilden. Und landete schließlich bei Robb Stark, nachdem Theon Graufreud nach der Rebellion und Oberyn Martell aus persönlichen Gründen ausgeschieden waren. Nun, Oberyn wäre wenigstens älter als ich gewesen, kein Kind wie Robb Stark. Als Winterfell in Sicht kam, lichtete sich auch endlich der graue Schneeregen des Tages und enthüllte eine angenehme Sonne, ein gutes Zeichen, wenn ich meinem damaligen Lehrer Maester Kylian glauben durfte. Obwohl der mir auch versucht hatte, zu vermitteln, dass Sex vor der Ehe Sünde war... Was sich als absoluter Unsinn rausgestellt hatte. Noria Ehrfürchtig blickte ich auf, als Winterfell in der Ferne auszumachen war. Ich hatte viele Burgen gesehen, viele Festungen und prächtige Gebäude. Ich meine... Ich lebte zur Zeit in King's Landing, da war es schon schwierig, mich zu beeindrucken. Doch Winterfell hatte etwas an sich. Etwas altes, kraftvolles und vor allem mächtiges. Still lag die Burg vor uns, in all ihrer Größe und Stärke. Und doch musste ich gestehen, dass ich mich am meisten auf die Wärme freute, die sie versprach. Allein der Gedanke an ein prasselndes Feuer hob meine Laune an. Ich konnte von Glück sprechen, dass ich Seraphinas Zofe war, so erhielt ich wenigstens gute Kleidung und annehmbares Essen. Als simpler Stallbursche hatte man definitiv weniger Annehmlichkeiten. Doch trotz allem musste ich die Zähne zusammen beißen und die eisige Klaue in meiner Magengegend ignorieren, die sich immer in meine Gedärme zu krallen schien, wenn ich daran dachte, nicht mehr als eine Bedienstete zu sein. Ich sollte in teure Gewänder gekleidet in der Kutsche der Königin sitzen, dem rechtmäßigen König von Westeros folgend. Und nicht diesem lächerlichen Möchtegernkönig Baratheon. Sera Jetzt hieß es, die Reihenfolge einzunehmen, die erwartet wurde. Hatten wir während der Reise lockere Reihen nach Stand gebildet, jedoch innerhalb nach Laune gewechselt, war dies nun nicht mehr angebracht. Robert trieb seinen Hengst also an und nahm hinter den Fahnenträgern mit seiner Garde Stellung auf, Cerseis Kutsche platzierte sich mit ihren Wachen dahinter, gefolgt von Joffrey und seinem Bluthund. Und genau dahinter war mein Platz als Schwester der Königin, weniger wert als der Prinz, aber mehr wert als der Großteil der Reisegesellschaft. Sogar Tyrion reiste nun hinter mir... "Na, schon aufgeregt?", überrascht sah ich auf, als ich Jaime neben mir bemerkte. Locker, wie nur er es konnte, ließ er sein Pferd an lockeren Zügeln von alleine dem Zug folgen und musterte mich eingehend mit diesen grünen Augen. Waren Cerseis Augen Seefeuer, dann waren seine der Wald. Tief, voller Leben und irgendwie auch düster, wenn man sich in den falschen Winkel verirrte. Mein Jaime... "Aufgeregt, dieses Kind eines Hinterwäldlerhauses kennen zulernen? Ich glaube nicht.", gab der Teil von mir zurück, der sich nicht in Jaimes Anblick verlor. Manchmal gab es Momente, in denen ich realisiert, wie perfekt dieser Mann eigentlich war. Tja, und immer kamen diese Momente herzlich unpassend wie jetzt. "Dieses Kind ist bereits 18 Jahre alt und der Erbe von Winterfell", erinnerte er mich "und außerdem dein zukünftiger Ehemann." "Habt ihr euch denn alle verschworen, mich ständig daran zu erinnern?!", brauste ich nun ungewollt auf, denn dieses Thema hing mir zu den Ohren raus. "Jeden Abend heißt es 'Dein Verlobter hier', 'Dein Verlobter da'. Ich weiß schon, dass ich um diese Hochzeit nicht rumkomme. Tut nicht ständig so, als würde ich nach Weißwasserhafen fliehen und nach Essos zurück!" Ich wusste, dass ich mich in Rage geredet hatte, aber es war einfach eine Sache, von Cersei, Tyrion und Robert an meine Hochzeit erinnert zu werden, oder von Jaime. Ich wollte von Jaime andere Dinge hören, so albern das auch war. "Ruhig, Wölkchen! Winterfell ist nahe und wir wollen doch nicht, dass die Späher Stark von deinem Wutanfall berichten." Er übertrieb. Selbst wenn die Späher auf den Zinnen, die wir erreicht hatten, mich beobachten würden, würden sie nichts verdächtiges wahrnehmen. Außerdem hatte ich den ganzen Weg hierher schon meine Meinung zu der Hochzeit klar und laut deutlich gemacht, sodass das tratschende Fußvolk diese Nachricht sowieso in Winterfell verbreiten würde. Jedoch hatte Jaime auch irgendwie Recht. Wir passierten nun das Tor in die Innenfestung. Ich musste ja nicht unser Haus in den Dreck ziehen, indem ich mich so unhöflich benahm vor den Starks. Und genau diese erwarteten uns gerade auf dem Innenhof der Festung... Noria Ich konnte beinahe nichts durch die gefärbten Fenster der Kutsche erkennen und wusste nur, dass wir unser Ziel erreicht hatten, als das mehr oder weniger sanfte Ruckeln stoppte und die Kutsche zum Stillstand kam. Irgendjemand öffnete die Tür und ich verließ das Gefährt, um mich neben den anderen Zofen und Bediensteten aufzureihen. Reglos stand ich nun vor der Kutsche, zusammen mit allen Bediensteten, die wichtig genug waren, um den König auf diese Reise zu begleiten, und warf einen Blick auf das Geschehen. Der gesamte Hofstaat, einschließlich Lord Eddard Stark, kniete untergeben vor Robert. Pah. Sie sollten lieber vor dem rechtmäßigen König knien! Ich biss meine Zähne zusammen. Nichts, rein gar nichts machte mich wütender. Bald, sehr bald würde der Thron wieder uns gehören. Und dann würden sie alle brennen! Und wenn es das letzte war, das ich erleben würde. Ich würde die Lannisters und Baratheons sterben sehen. Dieser Gedanke erfüllt mich mit einer solchen Wärme, sodass ich nicht einmal den eisigen Wind bemerkte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis wir wieder zu Hause waren und endlich alles wieder so sein würde, wie es sich gehörte. Dafür wurde ich sorgen. Doch im Moment tat ich nichts, außer zu beobachten, wie Robert mit nur einer Handbewegung den gesamten Hof zum Aufstehen brachte und Eddard in eine herzliche Umarmung zog. Sera Als ich in den Hof ritt, versuchte ich absichtlich, mich nur auf Jaime an meiner Seite zu konzentrieren. Nicht auf die versammelte Stark-Mannschaft, die sich gerade wieder erhob. Widerwillig musste ich anerkennen, dass ich verdammt aufgeregt war, Robb Stark endlich kennen zulernen. Wie oft hatten meine Zofen mir berichtet, wie edel er sein sollte? Wie hübsch er anzusehen war mit seinen dunklen Locken und den blauen Tully-Augen? Wie beeindruckend er reiten und kämpfen konnte? Was für ein herausragender Lord er später werden würde? All das und noch viel mehr wurde mir 5 Jahre erzählt, bis ich mit 15 diese Hochzeit antreten sollte... Und floh. Um ehrlich zu sein wäre ich auch sehr gerne jetzt geflohen. Aber dieses Mal gab es keinen Weg zurück. Vater hatte mir deutlich zu verstehen gegeben, dass meine Extravaganzen nun ihr Ende finden würden. "Guck mal, guck mal! Das ist Jaime Lannister, der Bruder der Königin!", erklang eine junge Stimme aus den Stark-Reihen, doch ich schaute nicht hin. Konzentrierte mich ganz auf mein Pferd und den Vorgang, mich von diesem runterzuschwingen. Ja, man konnte jede Bewegung in die Länge ziehen, wenn man nur genug wollte. "Und da ist Seraphina Lannister! Robb's Verlobte! Die ist aber alt!" Konnte dieses Mädchen nicht einfach schweigen oder wollte sie dem Pöbel erklären, wer von uns wer war? "Sei endlich still, Arya!", herrschte eine etwas ältere Stimme zurück, hinter der ich Sansa Stark vermutete. Eddard hatte immerhin zwei Töchter. "Sera? Vielleicht solltest du aufhören, dein Pferd zu betätscheln und dich Cersei anschließen?" Jaime. Pflichtbewusst wie immer, wenn es darum ging, seine kleine Schwester den Hunden - oder besser Wölfen?- zum Fraß vorzusetzen. Missmutig nickte ich jedoch und drehte mich endlich zu den Starks und meiner Schwester um, die mit Robert bei diesen stand und Höflichkeiten austauschte. Zwanghaft hielt ich den Blick auf Robert und Cersei gerichtet. Langsam schritt ich näher und war mir nur zu deutlich meiner Kleidung in diesem Moment bewusst. Es war schlicht unpassend in Reitkleidung aufzutreten. Selbst wenn meine reich verziert war, kam ich mir furchtbar hässlich vor. Besonders neben Cerseis strahlender Schönheit. "Ned! Das ist Tywins Goldstück! Seraphina.", stellte Robert mich jovial vor und erfasste mich bei den Schultern. Unwillig hob ich den Blick und musterte Eddard Stark das erste Mal in meinem Leben. Ein Mann mittleren Alters, dunkelbraune Haare und tiefliegende Augen in einem seltsamen Grau. Der Mann, der Robert zu diesem Thron verholfen hatte. "Sehr erfreut." Ganz wie es die Sitte verlangte, ergriff er meine Hand und deutete einen Handkuss an. Perfekt erzogen knickste ich einige Zentimeter. "Lady Lannister", sprach nun auch Catlyn Tully und knickste vor mir, was ich wohl oder übel erwidern musste. "Ich hoffe, Winterfell wird Euch irgendwann ebenso eine Heimat, wie es meine geworden ist." Herablassend nickte ich, erwiderte jedoch nichts dazu. Was hätte ich auch sagen können? Dass alles Gold von Casterlyrock diesen Ort niemals zu meinem Zuhause machen würden? Dass ich ihren Sohn niemals lieben würde? Pah. "Darf ich Euch meinen Sohn Robb vorstellen?", fuhr Eddard fort und deutete zu seiner rechten. Und ich? Ich war nun gezwungen, hinzusehen. Konnte schlecht den Blick abwenden. Robb Stark war... Er war... Nun, in Ordnung, er war bildhübsch. Lockige Haare in einem satten dunkelbraun und genau die Augen, von denen meine Zofen so geschwärmt hatten. Und als unsere Blicke sich trafen, wusste ich selbst nicht mehr genau, was eigentlich mein Problem mit den Starks war. Robb Stark musterte mich genauso eingehend wie ich ihn. Wir hatten lange gewartet, unsere Vorstellung mit der Realität abzugleichen. "Mylady." Eine tiefe Bassstimme. Gott, auch das noch. "Ich freue mich, Euch endlich kennen zulernen." Automatisch streckte ich ihm meine Hand hin, die er sofort ergriff. Seine Augen musterten mich abschätzend, während er seine Lippen auf meinen Handrücken legte. Kein angedeuteter Kuss wie von Eddard. Er wollte wissen, wie ich zu dieser Hochzeit stand. Mahnend ballte ich die Hand und zog sie zurück. Da hatte er seine Antwort. "Ich bin ebenfalls erfreut, Mylord.", gab die hohle Hof-Seite von mir zurück, während der andere Teil weiter nach irgendeinem Fehler suchte. Es musste doch irgendwas geben! Und wenn es nur eine krumme Nase war oder ein Muttermal an der falschen Stelle. Robb Stark lächelte selbstgefällig, als er meinen viel zu langen suchenden Blick bemerkte. Er wusste also genau, dass ich entsetzt von seiner Perfektion war. Götter, ich würde ihn umbringen müssen. Noria Still saß ich an meinem Tisch im hinteren Teil der Halle und blickte auf die Gesellschaft. Beobachtend. Bewertend. Wachsam, und alles aufnehmend. Von den wirklich wichtigen Leuten war noch niemand zu sehen. Zofen, Stallmeister, Knappen, der komplette Hof von Winterfell, sowie alle, die die Reise von King's Landing auf sich genommen hatten, waren bereits an den Tischen versammelt und blickten mit weit geöffneten Augen zur Tür. Nur wenige Meter von mir entfernt saß Lord Starks Bastard. Auch er blickte gespannt auf, als die große Tür aufschwang und sein Vater eintrat, die Königin an seinem Arm führend. Sie war die Schönheit in Person, mit langen, goldenen Haaren und unfassbar grünen Augen. Cersei lächelte. Es war ihr typisches, künstliches Lächeln, ihr Lächeln, dass sie jeden Tag aufs Neue aufsetzte. Sie war gut darin, wohl so gut, dass sie fast alle Personen in der Halle damit täuschen konnte. Doch wer so viel Erfahrung mit gefälschtem Lächeln hatte wie ich, konnte leicht hinter ihre Fassade blicken. Außerdem wusste ich, wie ihr wahres Lächeln aussah. Zugegebener Maßen hatte ich es noch nicht oft zu Gesicht bekommen. Sie war sehr gut darin, nichts über sich Preis zu geben und niemanden außer ihre Familie an sich heran zu lassen. Es hatte nun mal seine Vorteile, ungesehen durchs Schloss zu schleichen. Mit den richtigen Verbingungen konnte man so einiges heraus finden. Als nächstes folgten der Möchtegern-König und Lady Stark. Wie konnte sich so jemand nur König nennen? Einfach nur abartig, wie er keuchend den Gang entlang lief, mit hochrotem Kopf und vor Schweiß glänzendem Gesicht. Er war wirklich nicht mehr das, was er einmal gewesen war. Ich hatte viele Geschichten von früher gehört. Die prunkvollen Lobreden, die man sich in King's Landing erzählte, sowie die grausamen Erzählungen, von denen meine Familie sprach. Ein und das selbe Ereignis, und doch entscheidet der Erzähler, ob es eine Helden-oder Horrorgeschichte ist. Ich war beinah froh, als Robb eintrat, Seraphina an seinem Arm führend. Das zukünftige Paar. Ein Löwe und ein Wolf. Zusammen noch schlimmer, als ohnehin schon. Ich versuchte nicht einmal, mich davon zu überzeugen, dass weder Seraphina noch Robb etwas mit Roberts Rebellion zu tun hatten. Es war ihr Bruder, und nicht Seraphina selbst, gewesen, der für alles Negative in meinem Leben verantwortlich war, und denoch machte ich sie ebenfalls dafür verantwortlich. Dass ich mir nun eingestehen musste, dass sie einfach bezaubend aussah, half der Situation nicht im geringsten. Nun nicht mehr in Reitklamotten, sondern in ein Kleid aus Rot und Gold gekleidet, wirkte sie um Längen adeliger und als sie an mir vorbei lief und ihr Blick meinen streifte, sah ich in ihr kurz die Person, die mich auch angeblicher Sklaverei befreit und mich in ihre Dienste aufgenommen hatte. Doch kaum, dass ich sie wieder aus einiger Entfernung sah, wie sich sich auf der Bank neben Robb nieder ließ und sehr bald von den anderen Stark und Baratheon-Kindern begleitet wurde, sah ich in ihr wieder das, was sie wirklich war. Nicht die Frau, die Mitleid mit einer Sklavin hatte, sondern ein Lannister. Ein Sproß des Hauses, das mein Haus zu vernichten versuchte. Sera Das Fest war mittlerweile in vollem Gange und wir waren endlich, endlich beim Dessert angelangt. Ehrlich gesagt amüsierte ich mich kein bisschen, denn Robb saß zu meiner Linken und Jaime zu meiner Rechten. Ich wusste gar nicht, wohin ich denn schauen sollte. Konnte es noch schlimmer werden? Ich bezweifelte es stark. Glücklicherweise saß wenigstens Tyrion Jaime gegenüber und Robbs' Geschwister ihm. So waren beide einigermaßen abgelenkt, auch wenn das nicht reichte, um mich vollkommen auszuklinken und den Abend nur an mir vorbeirauschen zu lassen. "Und schau dir ihre Narbe an...", hörte ich es leise tuschelnd von Sansa Stark und ihrer Freundin. Ich biss die Zähne zusammen und ignorierte es einfach. Oh Gott, ich hatte es verstanden Mädchen. Bereits nach einigen Blicken von dieser Jeyne Pool -ja, ich kannte auch die unwichtigen Namen- war mir klar gewesen, dass sie Robb wohl lieber für sich gehabt hätte. Armes Mädchen, wenn es nach mir ginge, könnte sie ihn sehr gerne haben! Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner und blickte überrascht von meinem Kuchen auf. "Nehmt das nicht so ernst, Mylady. Die Mädchen sind noch jung." Oh bitte. Als bräuchte ich Trost von jemandem, der selbst noch ein halbes Kind war. Dennoch nickte ich mechanisch. "Das ist mir durchaus bewusst, Mylord. Das ist nicht das erste Mal, dass ich Leute über die Narbe sprechen höre.", gab ich so freundlich, wie es mir nun mal gegeben war, zurück. Plötzlich schmunzelte Robb, was mich stutzen ließ. "Was ist so lustig?" Seine Antwort war zugleichen Teilen dreist und irgendwie charmant: "Ihr, Mylady. Ihr tut so, als sei die Narbe ein Makel und als sei es selbstverständlich, darüber zu reden... Aber eigentlich vollendet sie Euch nur." Wow. Das kam unerwartet. Und war neu. Prüfend betrachtete ich Robb, um hinter den Grund dieser Aussage zu kommen. Und verlor mich mal wieder in Fehlersuche, die zu nichts führte... Sein scharfgeschnittenes Gesicht war jedoch ärgerlich nahe an Perfektion. "Starr nicht so, Sera.", raunte es mir nun flüsternd von meiner Rechten zu. Oh, am Ende des Abends würde ich mir noch den Hals verrenkt haben, so oft musste ich ihn drehen. "Dann rette mich vor dem Starren, Bruder." "Wie stellst du dir das vor?" Jaimes Augen blitzen erheitert auf. Anscheinend war schon einiges an Wein geflossen. "Tanz mit mir.", gab ich wagemutig zurück und bereute es sofort. Jaime und ich tanzen? Das wäre zum einen nicht seine Art und zum anderen wäre es eine grobe Beleidigung an Robb, meinen ersten Tanz jemand anderem anzubieten. Da könnte ich genauso gut Tyrion fragen. Beide würden niemals... "Einverstanden" Ungläubig starrte ich meinen Bruder an. "Oder willst du die Ehre haben, Bruder?", fragte er nun an Tyrion. Dieser hob nur seinen Weinkelch und signalisierte damit deutlich, wo heute Abend seine Prioritäten lagen. Ich konnte es immer noch nicht fassen, als Jaime meine Hand ergriff und mich zur Tanzfläche führte, auf der bereits aus jeder Schicht Menschen tanzten. Auch wenn es albern war, konnte ich nicht anders, als Jaime anzustarren und mich zu fragen, was denn hier los war? Seit Jahren träumte ich von so einem Augenblick und jetzt plötzlich war es soweit? Noria "Seit wann bist du in den Diensten der Lannisters?" Das Fest war nun schon seit einigen Stunden am Laufen und der Großteil der Gesellschaft hatte genug getrunken, um nun zu den persönlichen Fragen überzugehen. Fantastisch. Was mir an Begeisterung fehlte, hatte Lydya zu viel. Auch wenn ihre großen, dunklen Augen und ihre noch dunkleren Haare ihre nordische Herkunft verrieten, ähnelte ihr Charakter und die Freude an Gesprächen eher einer Frau aus dem Süden. Sie sei noch nie im Süden gewesen, hatte sie mir erzählt. Um genau zu sein hatte sie Winterfell noch nie verlassen. "Seit einem Jahr", gab ich zurück. Auch wenn ich nun ihre ganze Lebensgeschichte kannte (denn sie hatte mir gezeigt, wie viel ein Mensch in einem zehn minütigen Gespräch von sich Preis geben kann), stand mir nicht der Sinn danach, es ihr gleich tun zu wollen. Ich griff nach meinem Krug und trank einen Schluck Wein. Bisher hatte ich ihn noch nicht nachfüllen müssen. Man konnte schließlich nicht riskieren, aus Versehen irgendwelche Details aus seinem Leben herum zu posaunen. Wenn das eigene Leben davon abhing, seine wahre Identität geheim zu halten, war es plötzlich ganz einfach, sich nicht zu betrinken. Leider schien Lydya sehr an meiner Geschichte interessiert zu sein. Sie lehnte mit ihrem rechten Ellenbogen auf dem Tisch und widmete mir all ihre Aufmerksamkeit. "Und ursprünglich kommst du... woher?" "Lys." Wenn meine Antworten einsilbig genug waren, würde sie vielleicht das Interesse verlieren. Doch fehl geschlagen. "Ich war noch nie in Essos. Hab Winterfell noch nie verlassen." Ja, das sagtest du bereits. Ich behielt meine Gedanken für mich und beobachtete sie, als sie nach ihrem Weinkrug griff und einen großen Schluck nahm. Ich wies sie nicht darauf hin, dass es eigentlich mein Krug war. "Uuund", fuhr sie fort, "wie bist du dann zu den Lannisters gekommen? Man ist nicht ebenso mal Schwester der Zofe!" Sie stutzte und kicherte dann über ihren eigenen Fehler. "Schwester der Zofe! Ich meinte... Zofe der Schwester. Der Schwester der Königin!" Ich zuckte mit den Schultern. "War einfach ein glücklicher Zufall." Lydya rutschte etwas näher auf mich zu. "Machs nicht so spannend! Erzähl mir alles!" Was solls. Ich seufzte. Musste ich meine zusammengereimte Geschichte eben zum einhunderten Mal erzählen. "Ich bin als Sklavin in Lys geboren. Eines Tages, als mein Meister mich auf den Markt schickte, um Gemüse zu holen, wurde ich Zeuge eines Überfalls. Keine Seltenheit, doch dieses Mal war ich mehr als ein Beobachter. Ich war direkt involviert." Mit weit offenen Augen hing Lydya an meinen Lippen und schien sogar ihren Wein vergessen zu haben. "Involviert? Was ist passiert?" "Die Person, die überfallen wurde, war niemand anderes als Seraphina Lannister in Person. Niemand weiß, wer der Dieb war, doch er hatte es auf ihr Schwert abgesehen. Wer ein Schwert aus valyrischem Stahl mit sich trägt, lebt gefährlich. Während sie und ihre Begleiter also eine Pause machten, gelang es dem Dieb, ihr Schwert zu greifen und davon zu laufen. Natürlich versuchten Seraphina und ihre Begleiter ihn aufzuhalten, doch jemanden zu stoppen, der in Lys aufgewachsen ist und jeden Winkel kennt, ist kaum möglich." "Und dann hast du ihn erwischt?", fragte Lydya fassungslos. Ich lächelt. "Ja und nein. Ich konnte ihn nicht aufhalten, er war zu stark und ich bin keine Kämpferin. Doch ich habe es geschafft, das Schwert zu greifen und ihm zu entwenden. Er konnte fliehen und musste das Schwert zurück lassen." Begeistert klatschte Lydya. "Lass mich raten: Und dann hat Seraphina dich als Dank in ihre Dienste aufgenommen?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein. Also nicht direkt. Sie war dankbar, natürlich, wollte mir zu Beginn jedoch Gold geben oder mich aus der Sklaverei frei kaufen. Sie sagte, ich sollte sie einfach um etwas bitten. Nun, mein Wunsch war, mit ihr nach King's Landing zu gehen. In ein Land, das ich nur aus Erzählungen kannte. Ich bat sie, in ihre Dienste aufgenommen zu werden, da ich keine andere Möglichkeit gesehen hatte, mich dort zurecht zu finden. Als allein stehende Frau, über 20 und kinderlos, als Sklavin geboren... das einzige, was einem bleibt ist Prostitution." Sera Und plötzlich ließ Jaime mich los. Verwundert blinzelte ich, um aus dieser Traumwelt zu erwachen, in der ich gerade noch geschwelgt hatte. Irritiert folgte ich Jaimes Blick und erkannte, was los war. Cersei funkelte uns wütend an, wie nur sie es konnte. Eiskalt. Und ich wurde das 'Eis von Casterlystein' genannt... Pfff, den Titel hatte sie eher verdient. Natürlich... Wie konnte ich es wagen, ihren Jaime in Beschlag zu nehmen? Ich hätte schon vorher wissen müssen, dass Cersei das nicht gerne sah. Sie hatte schon immer ungesunden Besitzanspruch auf ihn gehabt und Jaime schien das als selbstverständlich hinzunehmen. Nein, beinahe schon zu genießen. "Ich verstehe schon.", versuchte ich tapfer zu lächeln und wartete eine Antwort gar nicht mehr ab. Ich verschwand einfach leise zur Seitentür hinaus. Schritte im Schnee. Wann hatte es angefangen zu schneien? Ich konnte mich nicht erinnern. Bewusst starrte ich weiterhin gerade aus, so als wäre der Bogenschießplatz das interessanteste auf der Welt. Leider war es nicht mal ein beeindruckender Übungsplatz, soweit ich das im Dunkeln beurteilen konnte. "Ist Euch nicht kalt, Mylady?" Hätte ich mir vorher eingeredet, ich wüsste nicht, wer da hinter mir steht, wäre spätestens jetzt jede Illusion zerstört. "Wäre mir kalt, würde ich nicht auf dieser Bank sitzen. Masochismus liegt mir nicht.", erwiderte ich kühl. Gut, wenn ich kühl bliebe, würde er vielleicht wieder gehen. Man verschwindet nicht von einem Fest, weil man sich nach Gesellschaft sehnt. Man will verflucht nochmal alleine sein! Und man will eindeutig alleine sein, wenn der Mann, den man so sehr liebt, dich sofort loslässt wie ein glühendes Eisen, sobald unsere Schwester uns böse anfunkelte... Doch entweder war Robb diese simple Logik zu kompliziert oder er war einfach unhöflich, denn mit einem Seufzer setzte er sich einfach neben mich. Da er gnädigerweise wenigstens nicht anfing zu plappern, akzeptierte ich seine Anwesenheit einfach. Oder blendete sie so gut es geht aus. Auch wenn das verdammt schwer war, denn ehrlich gesagt war es wirklich etwas kalt. Der Schnee rieselte beharrlich weiter, aber anscheinend hatte ich den Wunsch, ein Schneemann zu werden. Und sein Körper neben mir strahlte nette Wärme aus, der ich nur mit Mühe widerstand. Mein Körper war nun mal praktisch veranlagt und wollte nicht erfrieren. Weil der Übungsplatz nun doch langsam seinen Reiz verlor, irrte mein Blick ein wenig umher auf der Suche nach einem neuen Objekt, das sich im Halbdunkeln anstarren lassen würde, blieb aber am Himmel und den Sternen hängen. Robb schwieg noch immer angenehm, während ich nach bekannten Sternenbildern suchte. Was unsinnig war, denn eigentlich kannte ich nur ein Sternenbild sicher und selbst das hatte ich in 'die Bratpfanne' umbenannt. In Pentos spielten verliebte Pärchen immer Sternenraten bei Nacht... Gott, was dachte ich da eigentlich? Robb saß neben mir und ich dachte an Liebestraditionen in Pentos? Reiß dich am Riemen, Sera! Wenn du schon sowas denkst, dann doch bitte bei Jaime! Aber Jaime war wahrscheinlich in diesem Moment bei Cersei... "Euer Blick... Woran denkt Ihr?" Ah, wusste ich es doch, dass dieses Kind keine 10 Minuten schweigen konnte. Blitzartig verwarf ich die Idee, ihm die Wahrheit zu sagen und schwieg kurz, bis ich mir etwas passend tiefsinniges zurechtgelegt hatte: "Daran, dass man den Sternen einfach nicht entkommen kann... Egal wohin man geht, wie weit man flieht. Die Sterne bleiben da." Uh, das war gut. Meisterleistung, meine Liebe! An dieser Metapher sollte der Bengel etwas kauen. Dabei behielt ich meinen Blick sturr auf den Himmel gerichtet, damit dieser Kindsmann mich nicht mit seinem Anblick aus dem Konzept bringen konnte. "Wieso wollt Ihr den Sternen entkommen? Sie schenken uns Licht in der Nacht und leiten die Seefahrer." Oh... Nur ein ungebildeter Nordmann konnte meine wunderschöne Metapher einfach so ignorieren und den praktischen Aspekt in den Vordergrund lenken. Oder führte er mich gerade hinter's Licht und wollte mich auflaufen lassen? "Seefahrer, die die Freiheit haben, hinzusegeln, wohin sie auch wollen. Für mich sind sie nur eine Erinnerung an vergangene Tage, die nicht vergangen sein sollten." Nun, das wollte ich eigentlich nicht sagen. Aber mein Mund hatte meinen bitteren Gedanken schneller ausgespuckt, als ich realisieren konnte. "Ihr seid schon weit gereist, nicht wahr?", seine Stimme war nun neugierig. Nicht mehr so trocken und von Anstandsregeln stinkend. Aber natürlich war er neugierig, immerhin hatte er wahrscheinlich nur den Norden bis jetzt gesehen. Und ich würde meinen Bogen verwetten, dass er selbst im Norden noch nicht weit gereist war. Außerdem war ja meine Reise der Grund gewesen, dass wir nicht schon längst verheiratet waren. Natürlich wusste er davon. Deshalb fiel meine Antwort ziemlich freundlich aus: "Über das Grasmeer der Dothraki hinaus... An die Grenzen von Asshai. So nahe an das alte Valyria ran, wie ein Mensch es wagt. Ich würde gerne behaupten, alles gesehen zu haben, aber dafür war meine Zeit zu kurz." Ja, die Weiten des Grasmeeres mit ihren unendlich vielen Pflanzen und Völkern. Das finstere Asshai, wo es mehr Geheimnise als sonst wo gab. Und Valyria, das eine ganz eigene Anziehung ausübte. Robb schien das Ganze wirklich zu interessieren, denn als ich dummerweise meinen Blick senkte und zu ihm schaute, erwiderte er meinen Blick mit einer so ernsthaften Faszination, dass es mich trotz der Kälte kurz heiß durchlief. Memo an mich: Robbs intensiver Blick ist gefährlich. Schnell wandte ich den Blick wieder ab. "Erzählt mir von eurer Reise, Mylady." Von meiner Reise. Was sollte ich ihm erzählen? Wie wunderschön die Freien Städte waren? Wie klein man sich vorkam, wenn man etliche Völker und Kulturen kennenlernte? Wie grausam es bei allen Menschen auf ihre eigene Art zuging? Wie herrlich es gewesen war, von den Bettsklaven aus Lys zu lernen? Wie ich das Kämpfen erlernte? Wie ich diese liebreizende Narbe im Gesicht verdient hatte? Oh, es gab so viele Dinge, die ich ihm erzählen könnte... Und doch war es nun entscheidend, was ich ihm erzählte. Es würde sein Bild von mir prägen. "Es gab da einen Tag... Ich war seit einigen Monden als Söldnerin in Volantis. Volantis ist keine Stadt für Außenstehende, aber ich hatte Verbündete. Das hat das Leben einfacher gemacht. Nachdem sich erst einmal mein Ruf und meine Taten in den Freien Städten rumgesprochen hatten, gewann ich an Sympathie. Ich kann nicht sagen, dass ich mit offenen Armen aufgenommen wurde, aber man hat mich geachtet. So sehr man in Volantis Fremde eben achtet. Ich hätte mir vorstellen können, länger dort zu bleiben." Ja, Volantis war eine interessante Etappe gewesen. Aber ehrlich gesagt, ohne meine eigenen Leute dort wäre ich wahrscheinlich schon am ersten Tag versklavt oder getötet worden. Aber das tat hier nichts zur Sache. Nachdem ich ein paar Mal demonstriert hatte, dass ich kein dummes, reiches Gör aus Westeros war, war das Leben dort definitiv aushaltbar gewesen. "Was hat Euch umgestimmt?" Mhm, keine Ahnung... Wahrscheinlich die Klinge an meinem Hals und die Drohung von Makko Fydratis. Unwichtige Kleinigkeiten halt. "Nichts. Nur die Umstände waren nicht mehr tragbar. Ich bekam einen Auftrag von den Tigern. Das ist so etwas wie die aggressivere der zwei herrschenden Parteien dort. Die Roten Priester... Habt Ihr schon einmal von dieser Religion gehört?", erzählte ich also freundlich weiter und starrte dabei auf die Mauer vor uns. "Bruchstückhaft." Natürlich nicht also. Hinterwäldler durch und durch. Doch irgendwas brachte mich dazu, dennoch ruhig und ohne bissige Kommentare zu erklären und zu erzählen: "Sie verehren das Feuer und ihren Feuergott R'hllor. Sie fürchten sich vor der Nacht und dem Gegenspieler ihres Gottes, dem 'Anderen'. Priester kann bei ihnen jeder werden, der die Prüfungen besteht... Weshalb es auch viele ehemalige Skalven in dieser Religion gibt. Sie kaufen Sklaven und machen sie zu ihren Jüngern. Und das wird in Volantis nicht gern gesehen, wie Ihr Euch vorstellen könnt. Was mich zu meinem Auftrag führt. Der roten Tempel in Volantis hatte verkündet, dass sie das Kind R'hllors gefunden haben. Den wiedergeborenen Azor Ahai, ihren Helden im Kampf gegen den Anderen. Es gab viel Aufsehen deswegen und immer mehr Menschen wandten sich den Roten zu. Sogar Adlige Volantis'. Eine Religion voller Außenseiter, die immer mehr Macht in Volantis aufbauten? Das missfiel den Tigern. So sehr, dass sie diesem Glauben ihr Aushängeschild nehmen wollten. Der Junge musste sterben." Plötzlich lag mein Blick auf Robb. Mhm, ich musste wohl während des Erzählens vergessen haben, wie interessant ich diese Mauer dort doch fand. "Denn damit wäre bewiesen, dass er nur ein gewöhnlicher Junge ist. Kinder von Göttern würden nicht so einfach sterben.", nickte dieser nun verstehend. Schlauer Bengel, vielleicht würde er irgendwann doch einen ganz annehmbaren Lord abgeben. Nur ob mit mir als Lady... Das wusste ich auch noch nicht so genau. "Richtig. Die Wachposten vor dem Tempel waren nicht vorhanden, vor dem Gemach des Jungen schon. Doch ich hatte Unterstützung und so gelangte ich unbeschadet und unbemerkt hinein." Sah man von ein paar Verbrennungen ab. Diese Roten hatten wirklich einige fiese Feuertricks auf Lager gehabt, die ich mir bis heute nicht erklären konnte. Tat aber nichts zur Sache, dass diese Religion anscheinend Hexenmeister spielen wollte. "Auch wenn sie ihn das Kind eines Gottes nannten, hätte ich nie erwartet, dass er tatsächlich nur ein... Kind ist. Ein verängstigtes Kind, das mich mit diesen riesigen Augen anstarrte. Es war lächerlich, dass er die Welt retten sollte. Oder das Kind R'hllors sein sollte. Er war nur ein kleiner Junge, den die Priester brauchten, um Anhänger zu bekommen. Es war eine Schande." Diese Augen verfolgten mich immer noch gerne in meinen Träumen. Riesige, braune Augen, die Blut weinten... Unwillkürlich schauderte es mich, als sich diese Erinnerung an meine nicht so angenehmen Träume in mein Gedächtnis schob. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, hatte Robb sich den Mantel ausgezogen und schwang ihn mir über die Schulter. Und ich erstarrte. Diese Geste war zu intim. "Was ist aus ihm geworden?", fragte er nun leise, während er vor mir kniete. Seine Hände hielten immernoch den Mantel und ruhten knapp an meinem Hals. Eine angenehme Wärme umgab mich nun. Oh, diese verdammten Augen! Für das ungeübte Augen schüchtern -ja, ich rede mir die Realität gerne schön!- wandte ich den Blick ab und ergriff den Mantel einige Zentimeter unter seinem Griff, sodass keine Gefahr bestand, seine Hände zu streifen. Sofort ließ er los, machte aber keine Anstalten, sich zu erheben. Seine Augen verlangten erst eine Antwort auf seine Frage. "Ich habe ihn getötet.", gab ich fast flüsternd zu und zeigte zum ersten Mal beim Erzählen dieser Geschichte Trauer. Sonst erzählte ich diese Geschichte als kalte Söldnerin, nicht als Seraphina. Sein entsetzter Blick brachte mich wieder in die Realität. Natürlich schaute er mich entsetzt an! Er war noch ein halbes Kind und hatte wahrscheinlich noch nie jemanden getötet... Für ihn musste es unvorstellbar sein. Das durfte ich nicht vergessen, egal wie sehr mich seine Augen in Beschlag nahmen und dazu verleiteten, zu ehrlich zu sein. Automatisch fiel ich in meine alte Verteidigungshaltung. Die hochnäsige Kratzbürste: "Oh, schaut mich nicht so entsetzt an. Ein Auftrag bleibt ein Auftrag. Ich konnte nicht mehr zurückziehen, das hätte meinen kompletten Ruf zerstört. Nun, wie auch immer... Ich erhielt meinen Lohn und den diskreten Hinweis, dass es für mich besser wäre, die Stadt zu verlassen. Die Tiger wollten keine Mitwisser, dass sie hinter diesem Mord steckten." In Anbetracht dessen war es ja noch nett gewesen, mich nicht auch einfach zu töten. Tote schweigen immer noch am besten. Aber dann hätten sie wahrscheinlich meinen Hohen Vater und Jaime am Hals gehabt. Ein Lannister begleicht nun mal seine Schuld... "Was... Was war Euer Lohn?" Mittlerweile hatte er sich wieder neben mich gesetzt und auch das Entsetzen in seinen Augen auf ein Minimum reduziert. "Ein Schwert, das ich unbedingt wollte." Seine Antwort folgte so prompt wie nur möglich: "Ihr habt einen kleinen Jungen für ein Schwert getötet?" Ja, ja... Ich wusste selbst, wie kaltherzig das klang. Da brauchte ich keinen Stark, der mich verurteilte. Aber anscheinend waren die Starks groß darin, andere zu verurteilen. Genau wie Eddard Jaime für etwas, wofür er selbst zu schwach gewesen wäre, verurteilte. Vielleicht kam meine Antwort deshalb wütend: "Schockiert Euch das? Ich habe unzählige Menschen getötet, ich habe aber auch unzählige Menschen gerettet. Stempelt mich nicht als böse ab, Junge. Im echten Leben gibt es nicht nur schwarz und weiß. In jedem Mensch steckt eine Bestie. Und ich bin da noch eine harmlose. Ich habe Mädchen gesehen, die in Ehen aus Gewalt und Vergewaltigung gefangen waren. Ich habe kleine Jungs gesehen, die Männern zu Diensten sein mussten. Ich habe Kinder brennen sehen und wie ihre Mütter geschändet wurden. Städte haben gebrannt und Menschen sind gestorben... All das und noch viel mehr habe ich gesehen." Gut gemacht, Sera. Du hast dich in Rage geredet! Zeig diesem Kind doch nicht direkt, wie sehr dir manche Dinge unter die Haut gegangen sind. Er versteht die Welt außerhalb seiner kleinen Burg sowieso nicht. Beinahe trotzig zwang ich meinen Blick zu Robb, nur um seinen Gesichtsausdruck zu sehen. Doch statt der erwarteten Verurteilung fand ich nur Faszination. Faszination und etwas, das im richtigen Licht vielleicht als Verständnis durchgegangen wäre. "Dennoch seid Ihr nun hier..." Wieso klang seine Stimme so nachdenklich bei diesem Satz? Wieso konnte so ein Hinterwäldler eigentlich denken und so klingen, als würde er verstehen? "Dennoch bin ich nun hier. Gefangen und ohne Aussicht auf Freiheit.", ließ ich mich auf diesen Themenwechsel ein und lächelte bitter. Bitter wegen dem Hiersein, aber auch wegen Robb. Dieses Kind ging mir wirklich an die Nerven. "Frei von einer Heirat?", fragte er weiter und lächelte dieses Mal trocken. Beinahe hätte ich zurückgelächelt. Meine Wut war von einer Sekunde auf die Nächste verpufft. "Mehr als das. In Essos war ich frei. Frei von den Nachteilen meines Geschlechts. Frei von den Erwartungen anderer. Frei zu sein, wer ich wollte." Wieso konnte ich nicht einmal den Mund halten? "Seid Ihr so unglücklich mit dem Gedanken, in Westeros zu heiraten und zu leben? Ihr könntet auch hier frei sein." Hier frei sein? Vorher fror die Hölle zu. Oder der Norden taute auf. Vielleicht lachte ich nur wegen dieses Vergleiches laut auf. "... Mein halbes Leben wurde mir gesagt, dass es meine Pflicht ist, Euch zu heiraten. Dass es meine Pflicht ist, Euch eine gute Ehefrau zu sein. Still, fügsam und wunderschön. Mehr sollte ich nicht sein. Nun sagt Ihr mir: Würdet Ihr das wollen? Einem fremden Mann gegeben werden, nur um ein Leben in Zurückhaltung und Demut zu führen? Um Kinder zu gebären und ansonsten nur die Dekoration an der Seite des Mannes zu sein? Ist es wirklich so verwunderlich, dass ich nicht begeistert von dieser Zukunft bin?" Ja, ich hatte eine genaue Horrorvorstellung von meiner Zukunft. Man hatte mir als Kind eine lebhafte Fantasie bescheinigt... Doch anscheinend wollte Robb meiner Fantasie widersprechen, denn von einem Augenblick auf den Nächsten stand er und zog mich auf die Beine, sodass ich ihm gegenüber stand. Viel zu nahe. Natürlich war ich gezwungen, zu ihm aufzusehen, aber irgendwie erschien er mir plötzlich größer. Merkwürdige Sinnestäuschung, konnte man von zu viel Schnee halluzinieren? "Mylady... Seraphina." Oh oh... Alle Alarmglocken in mir schrillten, als er anfing zu sprechen und dabei wieder diesen gefährlich intensiven Blick aufsetzte. Seine Stimme war viel zu sanft. "Ich verspreche Euch vor den neuen und den alten Göttern, dass Ihr so frei sein werdet wie Ihr es wünscht. Ich werde euch nicht beherrschen oder einengen. Ich will Euch nicht als stumme Dekoration an meiner Seite, deren einzige Aufgabe darin besteht, mir Kinder zu gebären." Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Schneeflocken wirbelten umher bei dieser Bewegung und ich musste mich zwingen, den Blick nicht abzuwenden. Keine Schwäche, Sera! "Das meint Ihr nicht so. Worte sind Wind." Doch anscheinend war mein zickiger Ton misslungen, denn Robb ließ sich nicht einschüchtern: "Vertraut mir." Ihm vertrauen? Ich kannte ihn gerade mal einen Tag. Er war ein Kindsmann. Er kannte mich nicht und ich ihn noch weniger. "Und wenn ich mit einem anderen Mann schlafen will? Wenn ich mich in einen anderen verlieben will? Wenn ich gehen will? Oder Euch an Eure Feinde verraten will? Bin ich dann immer noch frei zu tun, was ich will?" Ja, was dann? Denn darauf würde es hinauslaufen. Ich war kein guter Mensch. Vielleicht nicht der böseste Mensch, aber definitiv keine edle und sanfte Jungfrau, der man vertrauen konnte. Das musste er doch während dieses Gespräches gemerkt haben! "Dann liegt die Schuld bei mir. Denn dann war ich der falsche Mann für Euch." Mom...Was?! Mein Herz setzte einen Schlag aus. Vollkommen verwirrt blinzelte ich gegen den Schnee und runzelte die Stirn. Wieder wurde ich mir bewusst, wie nahe wie beieinander standen. "Das ist ziemlich dumm.", krächzte ich deshalb meinen ersten Gedanken und das leider ziemlich leise. Seit wann klang ich denn wie eine alte Tür? "Nein. Das ist der Anfang von Liebe." Mühsam trat ich einen Schritt weg und starrte Robb einfach nur ungläubig an. Versuchte eine gemeine Antwort zu finden...Und nahm die Beine in die Hand, allen Geboten der Höflichkeit zum Trotz. Noria Die nächste Stunde war ich in einem Gespräch mit Lydya gefangen. Sie wollte alles wissen, von dem Essen, über das Wetter, bis hin zu den Leuten und Gewohnheiten. Sie hing an meinen Lippen, wagte es nicht, den Blick auch nur für eine Sekunde abzuwenden. Und ich erzählte. Es war das erste Mal seit langem, dass ich mit jemandem über meine Vergangenheit sprach. Ich erzählte ihr, wie sehr sich das Leben in Essos von dem Leben hier unterschied, erzählte ihr von all den Grausamkeiten, die ich erlebt hatte und von all den Verbrechen, von denen ich Zeuge geworden war. Es tat gut. Es tat gut, mal die Wahrheit zu sagen. Zwar ließ ich meine Geschwister bei jeder Geschichte außen vor und ließ alles in Lys statt finden, auch wenn die Hälfte aller Erzählungen in Pentos stattgefunden hatte und es keine Hintergasse in Lys, sondern ein verlassenes Haus in Braavos gewesen war, in dem ich vergewaltigt worden war, doch sonst kam alles so nah an die Wahrheit heran, wie es nur möglich war. Es war schwer, mir alles von der Seele zu reden, doch bei den Göttern: Es tat gut! Zugegebenermaßen... Es half, dass Lydya mittlerweile so betrunken war, dass sie sich wohl morgen an nichts mehr erinnern würde. "Und jetzt bi... bist du...", sie stoppte kurz, um noch eine  Schluck Wein zu trinken, "...jetzt bist du, also du hast gesagt, dass du verlobt bist?" Ich nickte und verfluchte mich zeitgleichen. Götter, wieso hatte ich das nur erwähnt? Wie dumm war ich eigentlich?? Wollte ich mich selbst foltern? Ich stand so schnell auf, dass mir schlagartig bewusst wurde, dass ich doch etwas zu viel getrunken hatte. Nicht viel zu viel. Nur so viel, dass man bestimmte Bewegungen besser nicht ausführen sollte. Ich hätte ihn nicht erwähnen sollen. Hätte nicht an ihn denken sollen. Ich machte diesen Fehler viel zu oft in letzter Zeit. Nach einem Jahr wurde es beinahe unerträglich, von ihm entfernt zu sein, und doch hatte ich keine andere Wahl. Ich war hier, Meilen von ihm entfernt, einsam und allein. "Ich muss gehen, Seraphina wartet bestimmt." Es war mein Glück, dass sie nicht mehr in der Halle war. Ich hatte nicht mitbekommen, wann sie die Halle verlassen hatte, doch nun konnte ich meine Pflichten als Ausrede vorschieben. "War nett mit dir, man sieht sich bestimmt." Lydya lächelte enthusiastisch und ließ mich gehen. Dass ich mich noch an den Weg zu dem Zimmer, dass Seraphina zugeteilt worden war, erinnerte, glich einem Wunder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)